Leidensdruck erhöhen?

  • Halli Hallo,

    Ich hatte euch vor ein paar Tagen schonmal von meinem Problem bzw das alkoholproblem meines Mannes erzählt.
    Ich konnte ein bisschen hier im Forum stöbern und konnte mir davon viel raus filtern. Meine Gedanken etwas sortieren etc
    Ich möchte unsere Ehe nicht sofort weg schmeissen und hoffe noch, dass er selbst was ändert.
    Bin mir aber sicher, wenn nichts passiert, dass irgrndwann der punkt kommt wo ich gehe.

    Habe hier viel von leidensdruck gelesen.
    Kann ich irgendwas tun, um ihn bei ihm auszulösen oder zu verstärken? Vielleicht auch ohne dass es zu sehr auffällt?

  • Hallo Jana,
    du hättest kein neues Thema aufmachen müssen. Was du wissen möchtest, passt auch unter das alte Thema und gehört m.E. dorthin.

    Natürlich musst du deine Ehe „nicht sofort wegschmeißen“. Gerchla, meine ich, hat dir schon was dazu geschrieben. Auch etwas dazu, was funktioniert bzw. nicht funktioniert.

    Überlege dir mal, was deinen Mann wirklich unter Druck setzen könnte.

    Die Sache ist die, das funktioniert nur, wenn du bereit bist, das wirklich durchzuziehen.
    Wenn du tatsächlich an dem Punkt bist, kannst du anfangen den Druck zu erhöhen, indem du mit ihm sprichst, wenn er denn mal nüchtern ist. Gespräche, wenn er alkoholisiert ist, gehen mit Sicherheit schief. Und wenn du dann mit ihm sprichst, formuliere Ich-Botschaften.

    Viele Grüße
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo Jana,

    Ich bin mir nicht sicher ob das klappen könnte, also bei jemanden den Leidensdruck so erhöhen dass er dann aufhört zu trinken. Es geht dabei ja auch um die individuelle Schmergrenze und du kannst ja nicht wissen wo die bei deinem Mann liegt. Das weiss nicht mal er, viele müssen aber in ihrer Sucht schon sehr sehr weit gehen bis es zum Tiefpunkt kommt...der Tiefpunkt kann bei jemanden schon erreicht sein, weil er sich einmal zu viel blamiert hat, bei einem anderen reicht das Obdachlosen-Leben noch nicht als Tiefpunkt. Wenn ich an meine persönliche Geschichte denke, bin ich heute entsetzt wie tief ich in den Sumpf sinken musste um endlich reagieren zu können. Und ich hatte zu meiner gröbsten Zeit einen guten Job, war sportlich sehr aktiv,trank auch nicht täglich...keiner hätte mir diese Krankheit angesehen. Aber in den eigenen vier Wänden war es schrecklich, ich hatte keine Fassade mehr und die Krankheit nahm immer mehr Platz ein,bis beinahe kein Platz mehr war für meine Familie. Alkoholismus ist eine fortschreitende Krankheit, wenn man sie nicht zum Stillstand durch Abstinenz bringt wird es immer nur schlimmer. Und man weiss halt nicht wie schlimm...

    Was du aber auf alle Fälle machen kannst, ist mit deinem Mann über Dich und Deine Gefühle sprechen. Wie fühlst Du dich in seiner Gegenwart wenn er trinkt? Wie geht es euren Kindern dabei? Was macht dir Angst und was möchtest du nicht mehr? Er soll erfahren dass du dir Sorgen und Gedanken machst und das nicht mehr ohne Diskussion hinnimmst. Falls du Ultimaten stellen wolltest musst Du natürlich bereit sein die Konsequenz durchzuziehen. Teile ihn ruhig mit dass dich die Trinkerei stört. Ein neutrales Gespräch ohne Vorwürfe ist immer hilfreich denke ich...solange du in der Ich-Form sprichst wird er sich nicht angegriffen fühlen- hoffentlich.

    Jeder Suchtkranke muss leider seinen eigenen Leidensweg gehen, es gibt keine Abkürzung...

  • Hallo Jana,

    ich finde Rina hat sehr schön klar gemacht, wie individuell die Geschichte mit dem Leidensdruck eingentlich ist. Wir sprechen ja auch oft davon, dass ein Alkoholiker erst einmal den persönlichen Tiefpunkt erreicht haben muss, bevor er eine Chance hat aus der Sucht auszusteigen. Und hier liegt die Betonung eben auf "persönlich". Beim einen reicht der Verlust des Führerscheins oder weil ihn der Vorgesetzte in der Arbeit anspricht und ein anderer braucht die ärztliche Diagnose, dass er nur noch ein paar Monate zu leben hat, wenn er weiter trinkt.

    Was man dabei aber nie vergessen sollte: Ein großer Anteil der Alkoholiker erreicht NIE diesen persönlichen Tiefpunkt. Viele trinken einfach bis zum bitteren Ende. Nichts kann sie stoppen, kein Jobverlust, keine gescheiterte Beziehung und auch keine Obdachlosigkeit und noch nicht mal die schlimmste ärztliche Diagnose. Bei vielen "hilft" einfach alles nichts.

    Deshalb glaube ich, dass Du hier falsch denkst. Du denkst (immernoch) darüber nach, wie Du ihm helfen kannst. Was Du tun kannst, damit er zum Trinken aufhört. Damit nimmst Du ihm die Verantwortung für sein Leben und übergibst es Dir. Und da muss ich sagen: das ist falsch! Genau das solltest Du m. E. nicht tun und genau das hat nichts damit zu tun, dass Du Deine Beziehung einfach hinwirfst und aufgibst.

    Und ich glaube eben, dass Du Dich auf DICH und Deine Kinder konzentrieren solltest. Eben auf das, wofür Du WIRKLICH verantwortlich bist. Und wenn Du ihm ganz deutlich klar machst, was DU möchtest wie DEINE Regeln sind, dann kann man wirklich nicht davon sprechen, dass Du Deine Beziehung einfach so hingeworfen hättest. Wenn er weiß was für ihn auf den Spiel steht, dann kann er sich überlegen wen er mehr liebt: Dich oder den Alkohol. Dann kann oder muss er sich entscheiden. Und Du musst diese Entscheidung dann akzeptieren. So oder so.

    Solange Du neben ihm herlebst und er weiterhin trinkt, wirst Du immer bestenfalls die Nummer 2 in seinem Leben bleiben. Wenn Dir das reicht, dann kannst Du das machen. Wenn Du aber ein glückliches Leben mit einem Partner auf Augenhöhe bevorzugst, dann solltest Du Deine Konsequenzen ziehen.

    Weißt Du, vielleicht ist sein persönlicher Tiefpunkt ja dann erreicht, wenn Du die Koffer packst und ausziehst. Ich weiß es nicht, niemand weiß das. Wenn dem so wäre, dann bedeutet das ja nicht, das einmal ausgezogen immer ausgezogen bedeutet. Wenn er es ernst meint und z. B. in Therapie geht, dann kannst Du ihm jederzeit die Gelegenheit geben, Dir zu zeigen, dass er jetzt anders ist und er dauerhaft ohne Alkohol leben will und kann. Du kannst ihn dabei begleiten und ihr könnt auch wieder zusammen finden. Alles kein Problem.

    Nur mit Reden, immer wieder den gleichen Versuchen, etc. wird das aller Voraussicht nach nichts werden. Du gibst dabei Dein Leben auf, Du lebst ja während dieser Zeit nicht, Du funktionierst bestenfalls und bist Teil seiner Sucht. Er zieht Dein Leben komplett in seine Sucht, und das finde ich absolut nicht fair. Ich bin sicher, da hast Du anderes verdient.

    LG
    gerchla

  • Hallo Jana,
    ich sehe das wie Rina und Gerchla. Meine eigenen (leidvollen) Erfahrungen bestätigen das, was sie dir geschrieben haben.

    Ich kann dir nur noch dringend raten, dich mit jemandem, dem du vertraust, über das Thema auszutauschen und alle möglichen Seiten zu durchdenken.
    Nimm in diesen Austausch auch alles mit hinein, was du hier erfahren hast.
    Was vor dir liegt, ist ein Entscheidungsprozess. Es ist völlig verständlich, dass dir dieser schwer fällt, aber es ist wichtig, dass du dich dem stellst.

    Für meine Mutter, meine kleine Schwester und mich wäre es damals besser gewesen, wenn meine Mutter solche Ratgeber wie hier gehabt hätte, sie mehr an ihre eigene und die Zukunft ihrer Kinder gedacht und entsprechenden Mut und Entschlossenheit gezeigt hätte.

    Wenn’s gut für euch läuft, kriegt dein Mann die Kurve. Die Chancen dafür steigen, wenn du deine Konsequenzen ziehst. Diese solltest du aber unbedingt nicht halbherzig angehen.

    LG
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo, Jana!

    Ich bin selbst Alkoholiker, aber - nach mehreren Anläufen - nun schon einige Jahr trocken. Und trotzdem kann ich mich noch verdammt gut an die Zeit erinnern ... vielleicht, weil ich auch seit einigen Jahren in der Suchtselbsthilfe aktiv bin, UM nicht zu vergessen.

    Und ich kann nur Rina und Gerchla vollumfänglich zustimmen: Sprich mit Deinem Mann darüber, sag ihm klipp und klar, was seine Sucht mit Dir macht und setz ihm ruhig auch ein Ultimatum/die Pistole auf die Brust - "Wenn Du nicht etwas änderst und Dir Hilfe suchst, dann ...". Und zieh das Ultimatum aber auch durch, dafür sind Grenzen schließlich da! Sag ihm aber ruhig auch, dass Du für ihn da bist und ihn unterstützt, WENN er etwas unternimmt (z.Bsp. Therapie o.ä.).
    Betonung liegt dann aber auch auf: Wenn er etwas UNTERNIMMT - nicht auf: Wenn er SAGT, dass er etwas unternehmen wird!

    Du solltest den Focus in erster Linie auf DEIN Wohlergehen legen - denn seine Sucht liegt in SEINER Hand. Da kannst Du gar nichts tun. Im schlimmsten Fall redest Du Dir den Mund fusselig und reibst Dich auf, er erzählt Dir, was Du hören willst und ändert überhaupt nichts - und Dir geht es immer schlechter und schlechter.
    Also setz Grenzen (auch für Dich), benenne Konsequenzen - und ziehe es auch durch. Auch wenn es hartherzig klingt.
    Und vor allem, wenn er dann ankommt und Dir die Schuld zuweist, warum er (mal wieder/weiter) trinkt ...

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Jana,

    auch wenn das jetzt vielleicht ein wenig komisch wirkt, aber ich möchte meine eigene Aussage korrigieren. Und zwar diese:

    Zitat

    Wenn er weiß was für ihn auf den Spiel steht, dann kann er sich überlegen wen er mehr liebt: Dich oder den Alkohol. Dann kann oder muss er sich entscheiden.

    Ich glaube, da habe ich etwas zu schnell und deshalb ein wenig unreflektiert geschrieben. Meine Aussage hört sich so an, also ob seine Liebe für Dich oder für Eure Kinder das Entscheidende wäre und dass er Euch, sollte er weiter trinken, nicht "richtig" oder "genug" liebt. Genau das wollte ich damit aber nicht aussagen. Was ich eigentlich sagen möchte ist, dass Du sehen wirst, ob seine Sucht mächtiger und stärker ist als seine Liebe. Es hat also nichts damit zu tun wie sehr er Euch liebt sondern mehr damit, wie die Sucht ihn im Griff hat. Ich kann von mir sagen, dass ich meine Kinder über alles liebte, ich habe nie eine stärkere Liebe empfunden. Trotzdem konnte ich meine Sucht nicht überwinden.... Da spielen dann leider ganz viele Dinge eine Rolle.

    Du brauchst ihn dann also deshalb nicht verurteilen aber es würde eben auch nicht helfen an der Beziehung fest zu halten. Da wäre dann "in Liebe loslassen" genau das, was Du tun solltest. Auch wenn das verdammt schwer ist....

    Musste ich Dir jetzt noch schreiben, weil ich beim nachlesen meines Posts gemerkt habe, dass ich nicht richtig lag.

    LG
    gerchla

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