Rückfall nach über einem Jahr Trockenheit

  • Hallo liebe Freunde,

    ich bin 43 Jahre alt, lebe alleine und bin vor 15 Tagen rückfällig geworden.
    Hatte Urlaub zu Hause, das Wetter war prima und mir ging es eigentlich gut.

    War im Supermarkt und weiss noch nicht mal genau wie es ablief. Jedenfalls hatte ich eine Dose Bier im Einkaufswagen.
    Zuhause angekommen, habe ich noch eine Stunde Hausarbeit gemacht... dann der Gang zum Kühlschrank und der Griff zum "ersten Glas".

    Als die Dose leer war bin ich sofort wieder in den Supermarkt und hab zwei weitere geholt.

    Am nächsten Tag gings mir gar nicht dreckig, jedenfalls körperlich.
    Seelisch hatte ich starke Schuldgefühle, denn ich war bis dahin auch über ein Jahr abstinent gewesen.

    Ab Abend hab ich mit zu den drei Bier noch eine Flasche Wodka gekauft.

    Bis zum späten Abend waren die 3 Bier weg und eine halbe Flasche Schnaps auch.

    Am nächsten Tag war mir klar, dass ich weitertrinken musste... denn ich bekam starken Saufdruck.

    Schliesslich steigerte sich das sehr schnell auf meine frühere Trinkmenge. 1xWodka und 4xBier am Tag. Ich hab schon morgens angefangen und verschlief auch viel vom Tag.

    Letzte Woche Donnerstag bin ich beim Aufstehen hingefallen und voll auf die Nase. Viel Blut und eine starke Schwellung.
    Da wurde mir klar, dass ich soweit bin "aufhören zu MÜSSEN".

    Hab meine Cousine angerufen, die Medikamente besorgen kann.

    Am Freitag fing dann der Entzug an. Meine Mutter war ständig hier um mich zu beobachten.
    Trotz 25mg Diazepam am Tag hab ich die Entgiftung deutlich gespürt. Unheimlich besch...enes Gefühl. Das Schlimmste auf der Welt für mich.
    Seit gestern reduziere ich das Medikament wieder und mir geht es schon besser. Will morgen wieder arbeiten gehen, weil mir das hilft.

    Wollte der Gemeinschaft nur mitteilen, dass eine Rückfall näher ist als man denkt.

    Ich weiss auch, warum mir das zum grossen Teil passiert ist: aus beruflichen Gründen und aus Selbstüberschätzung habe ich die AA-Meetings schleifen lassen.
    Das war mir wieder ein Tritt in den Allerwertesten und hat mir gezeigt, dass ich Alkoholkrank bin und die Krankheit nie loswerde... nur aufhalten kann ich sie.

    Ich muss die Meetings wahrnehmen um mir mit Gleichgesinnten klar zu machen, dass ich Alkoholiker bin.


    Viele Grüsse und gute 24 Stunden

  • Hallo!

    Mit deinem Rückfall gehörst Du zur großen Mehrheit der Alkoholiker. Da ist ein Rückfall eher die Regel als die Ausnahme.

    Du beweist, dass die allermeisten Alkoholiker nicht kontrolliert trinken können, da nach dem ersten Bier gerne der für den Alkoholiker typsche Kontrollverlust schön grüßen lässt.

    Deine Schilderung knüft nahtlos an die Ausführungen von Rückfälligen an, die unisono bericheten, ziemlich schnell wieder bei alten Schlagzahlen und noch darüber gelandet zu sein.

    Jedoch ist es dir gelungen, das Steuer wieder herum zu reißen.

    Nach dem Ende meiner Therapie gab mir der Suchtmediziner mit auf den Weg: "Den ersten Schritt in Richtung Rückfall macht man, so bald man sich nicht mehr regelmäßig mit der Krankheit befasst."

    Regelmäßig heißt nicht unbedingt täglich. Und wie das Befassen zu geschehen hat, bleibt jedem selbst überlassen z.B. durch dieses Forum oder dem Besuch einer "analogen" SHG.

    Wenn Du erst mal zur Ruhe gekommen bist, kannst Du ja zu gegebener Zeit mitteilen, wie es zu dem Einkauf kam und Du zugegriffen hast. Was ging dem in den zurückliegenden Tagen und Wochen voraus? So ein Rückfall ereilt einen ja eher nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel, sondern hat eine Vorgeschichte.

    Alles Gute bei dem Neustart.

    Gruß
    Rekonvaleszent

  • Hallo, Klaus!

    Auch von mir ein HERZLICHES WILLKOMMEN hier bei uns im Forum :welcome:

    Kurz zu mir: Ich bin m, 57, Alkoholiker und nach mehreren Anläufen nun seit einigen Jahren (zufrieden) trocken und in auch ein wenig in der Suchtselbsthilfe unterwegs.

    Und das, was Du da schilderst (Rückfall, nachdem man die Achtsamkeit/SHG hat "schleifenlassen"; das sehr schnelle "wieder auf dem alten Level sein") kenne ich sowohl aus eigenem Erleben als auch aus sehr, sehr vielen Erzählungen von anderen Betroffenen.
    Sehr schön, dass Du nach "nur" 14 Tagen die Reißleine ziehen konntest bzw. hoffentlich ziehst ... Ich habe damals fast 4 Jahre versucht, mich wie Baron Münchhausen mich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen - was natürlich nicht funktioniert hat. Erst dann habe ich mir Hilfe gesucht und "Nägel mit Köpfen" gemacht. Und die halten nun schon über 12 Jahre sehr solide.

    Wie Reko schon schrieb: Was ist vor dem Rückfall passiert? Oder eben auch nicht passiert?

    Zitat

    So ein Rückfall ereilt einen ja eher nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel, sondern hat eine Vorgeschichte.

    Egal: Ich wünsche Dir jedenfalls viel Erfolg und hier einen guten Austausch!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Freunde,

    danke für die Rückmeldungen!

    Also wie mir das passiert ist, ist mir selbst wirklich nicht so ganz klar.
    Natürlich habe ich selbst mir die Bierdose in den Einkaufswagen gelegt und nicht wer anderes.

    Ich war die letzten Monate beruflich viel und dauerhaft ausser Haus und konnte dort kein AA-Meeting besuchen. Aber die Arbeit an sich hilft mir schon meine Trockenheit zu bewahren.

    Jetzt hatte ich zwei Wochen Urlaub zuhause und mir gings recht gut.

    Ein AA-Freund sagte mal: "Wenns Dir schlecht geht, dann geh ins Meeting. Aber wenns Dir gut geht, dann RENNE ins Meeting!"
    Das ist wirklich was dran.

    Ich glaube, ich wollte meine gute Stimmung noch mit einer "Belohnung" krönen.

    Mein Verstand weiss, dass ich Alkoholiker bin und mit dem Zeug nicht umgehen kann. Das Wissen dazu hab ich absolut.
    Durch die längere Abwesenheit von Meetings hat mein innerer Schweinehund das wohl verdrängt.

    Ich muss mich einfach mehr damit auseinander setzen und mir die Krankheit regelmässig klar machen.
    Das habe ich versäumt, was ganz bestimmt der Fehler war.


    Gute 24 Stunden, es funktioniert!

  • Lieber Klaus,

    Vielen Dank für deinen ehrlichen Bericht, für s Teilen. Und auch von mir ein herzliches Willkommen !

    Ich bin jetzt, so wie du vor dem Rückfall, etwas über ein Jahr abstinent. Ich fühle mich noch gar nicht all-wetterfest in meiner Trockenheit und deine Zeilen zeigen einmal mehr wie schnell man wieder drin hängt. Ich hoffe du kannst an die positive Dynamik anknüpfen und dran bleiben, ich hätte an deiner Stelle bestimmt noch länger weiter trinken müssen. Vielleicht würde ich den Absprung gar nicht mehr schaffen...ein absolut beängstigender Gedanke.

    War es irgendwie so, als ob du „vergessen „ hast Alkoholiker zu sein? Mir passierte das vor kurzem dass ich eine bestimmte Weinflasche sah und dachte „ zu einer Käseplatte würde der super passen, könnte ja nochmal beim Käseladen vorbei“ und nur Sekunden danach so „was? Nee geht ja gar nicht ich trinke ja gar keinen Alkohol!“. Es war genau dieser innere Dialog, ein, zwei Sekunden des Rückfalls in alte Gedankenmuster...

    Ich wünsche dir viel Kraft wieder in die Spur zu kommen und freue mich auf den Austausch mit dir,

    Rina

  • Hallo Klaus,

    tut mir leid von deinem Rückfall zu hören und drücke dir beide Daumen, wieder gut im Trockenen anzukommen.
    Lebe seit fast zwei Jahren ohne Alkohol, war vorher reiner Schnapstrinker und du beschreibst eine Situation vor
    der ich selber Angst habe. Bin von Anfang an in einer AA Gruppe, fühle mich grundsätzlich sicher ohne Alkohol,
    aber von Zeit zu Zeit immer wieder so Überlegungen:

    -> Jetzt wäre ein Cognac recht - mal wieder Wein trinken - etc.

    Ich merke dann für mich sofort, dass ich es wieder schleifen hab lassen und wieder mehr tun muss. Eben genau
    diese Regelmäßigkeit und Konsequenz des sich mit meiner Krankheit zu beschäftigen, muss noch besser werden.
    Zitat Horst Schlämmer: Es muss einfach wieder mehr werden!

    Alles Gute, bleib stark und gemeinsam schaffen wir das

    Liebe Grüße,
    Benno

    Auf Veränderung zu hoffen, ohne selbst etwas dafür zu tun,<br />ist wie am Bahnhof zu stehen und auf ein Schiff zu warten

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