Rückfälle, Rückfälle, Rückfälle

  • Hallo an alle,

    ich bin neu hier. Kurz etwas zu mir. Ich bin 33, Drogen und Alkoholabhängig und hatte bis vor drei Jahren eine Bulimie.

    Mit 24 habe ich meine erste ambulante Therapie gemacht, bei der ich mein Drogen- und Alkoholproblem recht gut in den Griff bekommen hab. War dann auch ca. 2 Jahre Abstinent. Hatte nen größeren Rückfall mit Drogen und Alk. Habe dann die zweite ambulante Reha begonnen und auch Abstinent abgeschlossen. Das ganze hielt in etwa 1 Jahr. Nach und nach hatte sich wieder ein Alkoholkonsum eingeschlichen. Da war die Bulimie auch noch voll im Gange. Die Essstörung ist seit einem Rückfall mit Kokain weg. Überhaupt hat sich mein Konsum eher auf Alkohol verlagert. Drogen kommen für mich nicht mehr in Frage. Jetzt bin ich letztes Jahr im August in die dritte ambulante Therapie gestartet. Die ich jetzt aufgrund zu vieler Rückfalle beenden musste.

    Ich bin mittlerweile etwas verzweifelt. Meine Therapeutin hat mir vorgeworfen, nicht Abstinent Leben zu wollen. Das hat mich sehr verunsichert. Ich will Abstinent sein, das steht für mich fest. Jetzt ist es so, dass diese Therapie mir auch nicht mehr die bahnbrechenden Erkenntnisse gebracht hat wie die erste und vielleicht noch die zweite.
    Und sowieso kannte ich das ganze ja eh schon. Dreimal die gleiche Therapieeinrichtung, dreimal die gleiche Therapeutin. Ich frag mich halt was ich noch tun könnte. Geh jetzt ab dieser Woche zur Suchtberatung der Caritas. Selbsthilfe Gruppen hab ich auch schon ausprobiert.

    Eigentlich bräuchte ich auch wieder nen Entzug, weils mir tierisch schwer fällt so wieder ne bremse rein zu bekommen. Vorallem frag ich mich ob es immer so sinnvoll ist, Patienten bei Rückfällen so hart zu sanktionieren und den Abstinenzwillen in Frage zu stellen

    Ich finds schon fast peinlich wie oft ich Rückfällig wurde.
    Wie geht ihr mit Rückfällen um? Hat es bei euch mit der Abstinenz auf Anhieb geklappt? Welche Therapieform hat euch geholfen?

    Freu mich auf eure Antworten.

    Liebe Grüße

  • Hallo, Schnisskettchen (?), und HERZLICH WILLKOMMEN hier im Forum :welcome:

    Kurz zu mir: Ich bin m, 57, (nur) Alkoholiker und nach mehreren Anläufen nun seit 12 Jahren trocken.

    Was meinst Du, warum sollten Rückfälle "nicht so hart sanktioniert " werden? Fändest Du es besser, wenn die Rückfälligen - möglichst noch mit Fahne - mit den Anderen, die durchhalten und an sich arbeiten, weiter zusammen in der Therapie sitzen und signalisiert bekommen: Kein Problem, wenn Du Deinen wöchentlichen Rückfall hast - die Kasse zahlt schon!?

    Ich bin Privatpatient, weiß also, wie scheißeteuer so eine Therapie ist. Ich war nach meiner ersten Therapie auch knapp 2 Jahre trocken und hatte dann einen Rückfall. Und da meine Kasse keine zweite Therapie bezahlt, habe ich wie Münchhausen versucht, mich selbst am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen - was natürlich nicht funktioniert hat.
    Also habe ich um eine zweite Therapie gekämpft. Als es dann hieß, dass die Kasse ihre 30% zwar nicht zahlt, aber die Beihilfe würde zahlen, dachte ich "Egal - irgendwie treibe ich das Geld schon auf. Ich will nur raus aus der Sucht!" Denn die 30% wären immerhin immer noch in etwa 10-15.000 € - damit Du mal eine Vorstellung hast! Als ich dann in der Klinik war, hieß es dann, dass auch die Beihilfe NICHT zahlt. Also blieb es bei einer qualifizierten Entgiftung - die allerdings bis heute hält.

    Im Übrigen fragst Du auch noch, was Du noch tun könntest. Vielleicht mal etwas ANDERS?!? Drei Mal die gleiche Therapieform, -Einrichtung, Therapeutin … Albert Einstein formulierte es einmal in etwa so: "Dummheit ist, immer wieder dasselbe tun und ein anderes Ergebnis erwarten."

    Ich habe damals mit einer ambulanten Therapie gestartet. Als ich merkte, dass sie nicht das Richtige für mich ist, bin ich umgeschwenkt auf eine stationäre. 12 Wochen in einer Klinik, in einem geschützten Rahmen - zunächst fast unvorstellbar. Und doch habe ich nachher noch um weitere 4 Wochen verlängert. Freiwillig!!

    Es ist gut, dass Du nicht aufgibst. Aber vielleicht solltest Du auch mal etwas Neues probieren - mal eine stationäre Therapie, eine andere SHG, ohne Streicheleinheiten. Und vielleicht nicht nur probieren, sondern studieren (also etwas länger durchhalten).

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Schnisskettchen,

    herzlich Willkommen hier im Forum.

    Ich bin 50 Jahre alt, Alkoholiker und lebe jetzt schon lange ohne Alkohol.

    Mich würde interessieren, wie Du selbst Dir Deine Rückfälle erklärst. Ich meine, Du wirst doch Gründe dafür haben, weshalb Du immer wieder zur Flasche greifst, oder? Es muss doch etwas geben, das Dir der Alkohol vermeintlich verspricht. So dass Du ihn trinkst obwohl Du ja selbst sagst, dass Du ganz sicher abstinent leben möchtest.

    Da musst Du dann schon auch verstehen, dass man auf die Idee kommen kann, dass Du das eigentlich gar nicht (richtig) möchtest. Aber das will ich Dir gar nicht unterstellen. Also, warum trinkst Du Alkohol? Was geht in Dir vor wenn Du die Entscheidung triffst: ich will jetzt was trinken - und das dann auch tust obwohl Du ja abstinent leben möchtest?

    Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich nur sagen: Ich musste meine Trinkgründe finden (was absolut nicht einfach war) und ich musste sie verstehen, ich musste sie akzeptieren und ich konnte dann Strategien dagegen entwickeln. Ich habe in etwa ein Jahr gebraucht bis ich mit dem Gröbsten durch war. Dieses Jahr war geprägt von ganz viel denken, denken, denken und lernen, lernen, lernen, Entscheidungen treffen, Entscheidungen treffen. Das hatte alles nichts mit einer klassischen Therapie zu tun.

    Es war einfach nur wichtig, dass ich nicht mehr trank, also komplett klar in der Birne war und dass ich mir die Zeit nahm, mich mit mir selbst und mit meinem Leben zu beschäftigen. Und zwar ganz intensiv. Ich holte mir dazu auch Hilfe, ja. Aber nicht in Form einer klassischen Therapie sondern sozusagen punktuell. Ich hatte einen Psychlogen mit dem ich bestimmte Themen bearbeitete, ich hatte einen sehr guten Freund, mit dem ich ebenfalls einiges abarbeitete und ich hatte einen Mönch, der mir in der ganzen Geschichte den meisten und wichtigsten Input gab. Und oft habe ich auch alle drei zu bestimmten Themen "befragt" und mir dann daraus das gezogen, was mir geholfen hat.

    Du merkst also: Es ging bei mir nicht darum, dass mir jemand sagt wie ich da jetzt weg komme. Es ging vielmehr darum, dass ich mir das selbst erarbeitet habe und mir dazu Hilfe genommen habe. Ich habe gemerkt, dass nur ich allein für mich und mein Leben verantwortlich bin. Kein Therapeut, nicht meine Frau, nicht meine Freunde, nur ich allein bin für mein Leben verantwortlich. Anfangs hatte ich auch eine SHG, die dann im Laufe der Zeit aber nicht mehr das richtige Format für mich war. Darüber habe ich aber nicht gehadert sondern ich habe überlegt: was wäre jetzt das richtige für mich? Denn ich habe mich ja weiter entwickelt und ich brauchte neuen Input für neue Frage, die sich in mir auftaten.

    Am Ende war dann das Ergebnis, dass ich fast mein komplettes Leben umgestellt habe. Natürlich trank ich nicht mehr, aber das war "nur" die Grundvoraussetzung um mein Leben überhaupt wieder in den Griff zu bekommen. Aber es war keinesfalls die Garantie das zu schaffen, es war nur die Grundvoraussetzung. Alles andere war Arbeit an mir selbst und an meinen Lebensumständen. Und so folgte dann die Trennung von meiner Frau, das Aufgeben meines (fast) kompletten (privaten) Umfelds, auch eine räumliche Veränderung und noch einiges mehr. Als ich da durch war, hatte ich ein ganz neues Umfeld, mit neuen Menschen und ganz anderen Schwerpunkten für mein weiteres Leben. Mir blieb "nur" mein Job, also mein berufliches Umfeld. Denn das hatte ich, was meine Trinkgründe und die Gründe für mein kaputtes Leben betraf, als nicht ausschlaggebend identifiziert. Hätte auch anders sein können, dann hätte ich sicher auch meinen Beruf aufgegeben. War bei mir nicht nötig. Aber ich habe all diese Entscheidungen getroffen. Niemand mir gesagt: tue dies, mache das - ich habe Meinungen bekommen, ich habe diese durchdacht und ich habe dann entschieden. Ich wollte nie mehr trinken, das stand bei mir ganz oben, das war sozusagen nicht verhandelbar. Und ich wusste irgendwann, dass ich dieses Ziel nur dann erreichen kann, wenn ich mein Leben selbstbestimmt verändere.

    Und das alles braucht eben Zeit. Zeit, in der man nicht nur nicht trinkt, sondern in der man richtig an sich arbeitet. Das kann ganz schön weh tun, weil man sich sehr stark mit seinen Verletzungen, mit seinen Schwächen beschäftigen muss. Es kann aber auch sehr positiv sein, weil man nach und nach merkt, dass immer ein Stückchen weiter voran kommt.

    Also, mehr kann ich Dir nicht sagen. Ich weiß nicht ob Du mich verstehst, schließlich hast Du ja schon einiges an Therapien durch und ich denke, man wird Dir schon einiges in diese Richtung erzählt haben. Aber ich wollte Dir einfach mal diesen Input da lassen.

    Alles Gute für Deine Zukunft!

    LG
    gerchla

  • Hallo Greenfox,

    danke für dein Feedback.
    Ich meine keinen Falls, dass Patienten regelmäßig, am Besten noch mit Fahne zur Gruppensitzung kommen sollten und das dann noch toleriert wird.
    Ich bin der Meinung, dass Rückfälle immer kritisch betrachtet werden sollten.
    Allerdings finde ich es Schade, dass nach einer gewissen Zahl von Rückfällen die Behandlung beendet ist. Im meinem Fall mit der Begründung, dass ich den Stationären Aufenthalt, der bei einem dritten Rückfall blüht, noch als Urlaub ansehen würde.
    NUR weil ich mich nicht mit Händen und Füßen dagegen gewehrt habe, sonder sogar als Chance sah und mich letztendlich darauf freute.

    Mir ist durchaus bewusst, auch wenn ich meine Reha nicht selbst bezahlt hab, wie scheiße teuer eine solche Behandlung ist.
    Ich habe schon viel erreicht im Laufe meiner Therapien. Wenn man bedenkt wo ich her kam, und wo ich jetzt bin.
    Aber vielleicht hast du recht. Vielleicht sollte ich echt mal etwas anderes Versuchen.
    Die Therapieeinrichtung in der ich war, war bisher so das Einzige was ich kannte und vor allem wird man dort direkt aufgefangen ohne lange Wartezeiten.

  • Hallo Schnisskettchen,
    herzlich willkommen hier in diesem Forum.
    Ich bin Britt, Mitte 50 und alkoholkrank. Zur Zeit bin ich in der 2. Ambulanten Suchttherapie. Auch bei mir hat es mit der Abstinenz nicht auf Anhieb geklappt.
    Ein Rückfall ist nicht peinlich.
    Also wenn ich ehrlich bin, hatte ich beim Lesen deiner Beiträge das Gefühl: irgendetwas stimmt da nicht....

    Zitat

    ...Jetzt bin ich letztes Jahr im August in die dritte ambulante Therapie gestartet. Die ich jetzt aufgrund zu vieler Rückfalle beenden musste.…dass ich den Stationären Aufenthalt, der bei einem dritten Rückfall blüht, noch als Urlaub ansehen würde. Patienten bei Rückfällen so hart zu sanktionieren und den Abstinenzwillen in Frage zu stellen ….


    Keiner kann dich zu etwas zwingen! Du bist frei bei jeder Entscheidung, die du triffst (wenn du mit den Konsequenzen leben kannst).
    In meiner Gruppe gab es 2 Rückfälle. Rückfälle gehören zur Krankheit. Als ich damals die Anträge unterschrieb, unterschrieb ich auch, dass ich während der Therapiezeit nicht konsumiere. Kommt es aber während der Therapiezeit zu selbst gemeldeten Rückfällen, hat es sehr wohl Auswirkungen auf das weitere therapeutische Vorgehen. Eine "disziplinarische" Entlassung gibt es aber in den wenigsten Fällen. Kenne ich jedenfalls nicht. Hauptziel eines guten Therapeuten sollte sein, den Patienten bei einer möglichst raschen Überwindung ihres Rückfalls zu helfen bzw. den Rückfall zu reflektieren:
    • ein Rückfall kann ein falsches therapeutisches Vorgehen bedeuten
    • ein Rückfall kann Ausdruck einer generellen Abstinenzunwilligkeit sein
    • ein Rückfall kann eine momentane Überforderung sein
    • ein Rückfall kann Bestandteil eines interaktionellen Konflikts zwischen Patient und Therapeut sein

    Die 2 Rückfallpatienten in meiner Gruppe hatten übrigens behördliche Auflagen zum Antreten einer Therapie. Sie mussten also von Rechts wegen,
    von eigenem Willen keine Spur. Ich empfand diese Patienten als sehr unangenehm.
    Das Ziel einer guten Suchtberatung sollte m.E. sein, dass der Therapeut zusammen mit dem Patienten die „richtige“ Behandlungsmöglichkeit findet. Ich frage mich, warum dir der Kostenträger (in deinem Fall wohl die Krankenkasse oder die RV) innerhalb von 9 Jahren 3 ambulante Therapien genehmigt hat ? Muss man nicht 4 Jahre warten? Ist dir (und deiner Therapeutin) noch nie in den Sinn gekommen, dass eine ambulante Therapie für dich offensichtlich keine Erfolgschancen hat?
    Warum hast du die Therapeutin nicht gewechselt, wenn du mit ihr nicht klar kommst?
    Das wird in jeder guten Suchtberatung respektiert.
    Bist du für andere Behandlungsmöglichkeiten offen? Hast du denn alle Informationen über Möglichkeiten einer Behandlung bekommen?
    Ich denke, ein individuelles Therapiekonzept sollte im Laufe einer Behandlung regelmäßig überprüft und Ziele gegebenenfalls neu bewertet und angepasst werden.
    Aber es liegt auch an dir, „mitzuarbeiten“. Du tust nicht, was du willst...

    Gib nicht auf - finde Wege!
    Bleib oder werde gesund!

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Mich würde interessieren, wie Du selbst Dir Deine Rückfälle erklärst. Ich meine, Du wirst doch Gründe dafür haben, weshalb Du immer wieder zur Flasche greifst, oder? Es muss doch etwas geben, das Dir der Alkohol vermeintlich verspricht. So dass Du ihn trinkst obwohl Du ja selbst sagst, dass Du ganz sicher abstinent leben möchtest.

    Da musst Du dann schon auch verstehen, dass man auf die Idee kommen kann, dass Du das eigentlich gar nicht (richtig) möchtest. Aber das will ich Dir gar nicht unterstellen. Also, warum trinkst Du Alkohol? Was geht in Dir vor wenn Du die Entscheidung triffst: ich will jetzt was trinken - und das dann auch tust obwohl Du ja abstinent leben möchtest?

    Hallo Gerchla,

    danke für dein Feedback und deine Offenheit. Deine Geschichte hat mich etwas nachdenklich gestimmt.
    Erst mal zu meinen Rückfällen. Es war so, dass ich in meinem Job eine zu hohe Belastung hatte. Katastrophale Arbeitsbedingungen, schwere körperliche Arbeit, Personalverantwortung, lange Arbeitszeiten etc. Die Arbeit war für mich einfach unerträglich, dennoch war ich auch davon abhängig Geld zu verdienen. Ich war einfach zu lange unfähig mich abzugrenzen bzw. meine Konsequenzen aus dem ganzen zu ziehen. Nach langem zaudern und zwei Rückfällen habe ich nun gekündigt und ich will nie mehr in den Beruf zurück.
    Nun bin ich Arbeitslos und versuche mich beruflich neu zu sortieren.

    Erschwerend kommt hinzu, dass ich nen Suchtkranken Partner hab, der recht wenig Krankheitseinsicht hat. Was mich oft wütend macht. Er konsumiert nicht täglich. Alle 3-4 Monate dann über eine Woche ganz extrem. In den Tagen in denen er konsumiert ist Ihm einfach alles egal. Er meldet sich nicht bei mir, geht nicht arbeiten, meldet sich auch nicht auf der Arbeit krank und er und seine Wohnung sind komplett am verwahrlosen.

    Was mich an deiner Geschichte sehr nachdenklich gemacht hat ist, dass du dich so radikal von allem getrennt hast was schlecht für dich ist oder war.
    So ählich, aber nicht ganz so radikal, lief das ganze bei mir auch ab. Habe mich von meinem Kompletten Freundeskreis getrennt. Hab keinen Kontakt mehr zu meiner Familie, weil sie mir nicht gut getan hat. Ich war auch viel mit mir allein und hab viel über mich nachgedacht. Hab mir Hobbys gesucht. Dinge die mir Spaß machen. Ziele auf die ich hin arbeite.

    Du hast geschrieben, dass du dich von deiner Frau getrennt hast.
    Das ist etwas was mir auch immer öfter durch den Kopf geht. Nicht falsch verstehen, mein Partner ist total lieb, nie bösartig, immer für mich da und ich liebe ihn.
    Dennoch seh ich die Tatsache, dass wir beide Suchtkrank sind sehr kritisch.

  • Hallo Britt,

    ja die Rentenversicherung hat mir in 9 Jahren 3 Therapien bezahlt. Von einer Regelung, dass man 4 Jahre warten muss hab ich noch nie was gehört.
    Mit meiner Therapeutin bin ich eigentlich immer sehr gut ausgekommen. Vielleicht ist das in meinem ersten TXT etwas falsch rüber gekommen. Fand es eigentlich auch immer sehr gut, dass sie mich schon über so viele Jahre kannte.

    Zu meiner Therapiegruppe muss ich sagen, dass ich Sie von Anfang an schwierig fand. Meine erste Sitzung startete direkt mit einem Rückfall von einem anderen Patient. So ging das die Komplette behandlung. Rückfälle, Abbrüche, auch Patienten die auf Beschluss da waren und unehrlich waren und mit den Scrennings betrogen.
    Insgesamt war die Drogenproblematik sehr stark vertreten und der Altersdurchschnitt sehr jung. Hab mich da oftmals in mein altes Drogenmilleu zurück katapultiert gefühlt.

    Im meinen anderen Therapiegruppen war ich meist die Einzige mit Drogenproblem und eigentlich immer die jüngste. Meine Mitpatienten waren alle so um die 50 und reine Alkoholiker oder Tablettenabhängig. Das waren alles sehr liebe Menschen die Ihre Sucht sehr ernst nahmen mitten im Leben standen. Ich hatte sehr von Ihnen und Ihrer Lebenserfahrung profitiert.
    So etwas würde ich mir für meine Behandlung auch wieder wünschen

  • Hallo, Schnisskettchen!

    Btw: Hat der Name etwas zu bedeuten? Und wenn ja - was? nixweiss0 Sorry. Hat mich nur die ganze Zeit beschäftigt …

    Im Übrigen musst Du nicht immer den kompletten Beitrag des Vorschreibers kopieren - wenn, dann genügt der Ausschnitt, auf den Du Dich explizit beziehen willst.

    Erschwerend kommt hinzu, dass ich nen Suchtkranken Partner hab, der recht wenig Krankheitseinsicht hat. Was mich oft wütend macht. Er konsumiert nicht täglich. Alle 3-4 Monate dann über eine Woche ganz extrem. In den Tagen in denen er konsumiert ist Ihm einfach alles egal. Er meldet sich nicht bei mir, geht nicht arbeiten, meldet sich auch nicht auf der Arbeit krank und er und seine Wohnung sind komplett am verwahrlosen.

    Du hast geschrieben, dass du dich von deiner Frau getrennt hast.
    Das ist etwas was mir auch immer öfter durch den Kopf geht. Nicht falsch verstehen, mein Partner ist total lieb, nie bösartig, immer für mich da und ich liebe ihn.
    Dennoch seh ich die Tatsache, dass wir beide Suchtkrank sind sehr kritisch.

    Soso - Dein Partner ist immer für Dich da.
    Außer, wenn er nur für sich ist und DIR überhaupt nicht gut tut. Nicht umsonst heisst es, dass Beziehungen zwischen Suchtkranken selten gut ausgehen und meist im Sumpf enden.
    Wobei die Betonung auf "selten" liegt! Ich kenne nur EIN Pärchen, die sich in einer Therapie kennen- und lieben gelernt haben und nun schon seit über 20 Jahren nicht nur zusammen, sondern auch trocken und clean sind. Wie heisst es bei Toyota: NICHTS ist unmöglich!

    Aber das sind nach meiner Erfahrung eben leider die Ausnahmen, die die Regel bestätigen.

    Du solltest nur auf Dich selbst achten müssen und nicht auch noch auf Deinen Partner.

    Nur mal so als Denkanstoß.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

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    können wir nur selber tun!

  • Hallo Schnisskettchen,

    es freut mich, dass Dich meine Zeilen zum Nachdenken gebracht haben. Ich versuche hier möglichst immer nur von mir und aus meinen eigenen Erfahrungen zu berichten. Und für mich war es eben entscheidend meine Trinkgründe zu finden und dann entsprechend daran zu arbeiten bzw. die richtigen Maßnahmen einzuleiten. Heute, also viele Jahre nach dem letzten Tropfen Alkohol, kann ich da recht sachlich und strukturiert zurück blicken. Damals, als ich mich sozusagen in diesem Prozess befand, war das natürlich ganz anders. Heute weiß ich, dass vieles von dem was ich gemacht habe genau richtig war und dass es wahrscheinlich schief gegangen wäre, hätte ich an der ein oder anderen Stelle nicht so konsequent gehandelt.

    Damals war ich mir diesbezüglich gar nicht immer so sicher. Wie schon geschrieben: Ich habe mich ausgetauscht, ich habe nachgedacht, ich habe abgewogen, immer und immer wieder.

    Ich musste lernen zu wissen, was ich eigentlich will. Nicht oberflächlich im Sinne von "ich will nicht mehr trinken". Nein viel tiefer. Was will ich mit meinem Leben? Wer will ich sein? Was erwarte ich noch von meinem Leben und wie kann ich meine Ziele erreichen? Es war ein langer Prozess. Nicht mehr zu trinken war im Grunde nicht mehr als die Grundvoraussetzung um überhaupt wieder ein lebenswertes Leben führen zu können. Mit Alkohol wäre es unmöglich gewesen aber auch ohne gab es keine Garantie, dass es ein zufriedenes oder gar glückliches Leben werden wird. Dafür musste ich schon selbst Sorge tragen.

    Was meine Trennung betrifft (das beschäftigt Dich ja offenbar). Ich trank 10 Jahre heimlich. Meine Frau musste leiden, meine Kinder mussten leiden und sie wussten nicht genau warum. Ich führte die letzten Jahre ein Doppelleben vom Feinsten. Ich log, ich betrog was das Zeug gehalten hat. Meine Frau konnte nichts dafür, dass ich mein Leben so an die Wand gefahren habe. Sie war einfach nur ein Opfer und ich war der Täter. Sie war (ist) ein guter Mensch, der ganz sicher etwas anderes verdient hätte. Trotzdem war ich es dann, der sich getrennt hat. Erst habe ich ihre ganze Welt, all ihre Zukunftspläne pulverisiert, an dem Abend an dem ich mich outete und kurz darauf bin ich dann ausgezogen und habe mich getrennt. Sie hätte gerne an unserer Beziehung fest gehalten, wäre den Weg aus der Sucht gerne mit mir gegangen.

    Warum hat er sich getrennt? Vielleicht stellst Du Dir diese Frage jetzt. Weil ich mir darüber klar wurde, dass ich nicht dauerhaft ohne Alkohol leben können werde, wenn ich in dieser Beziehung bleibe. Glaube mir, das war die schwerste Entscheidung meines Lebens. Weil ich damit auch meine von mir über alles geliebten Kinder "verlor". Von meiner Frau hatte ich mich im Laufe der vielen Alkoholikerjahre schon entfernt, auch wenn sie das so gar nicht einordnen konnte. Aber meine Kinder waren immer mein ein und alles.

    Aber ich hatte mir eines geschworen: Ich werde all mein Handeln, alles was ich tue meiner Abstinenz unter ordnen. Und das schlimmste wäre gewesen, wenn ich in dieser Beziehung geblieben wäre und hätte wieder getrunken. Denn ich war mir darüber im Klaren, dass ich mich dann wahrscheinlich tot gesoffen hätte. Und das wäre auch für meine Kinder die noch schlimmere Alternative gewesen. Somit musste ich diese Entscheidung so treffen wie ich sie getroffen habe.

    Und dann noch einige andere, die ich immer mit der Vorgabe "meine Abstinenz ist nicht verhandelbar" getroffen habe.

    Und da stehe ich noch heute dazu. Und bin auch heute mehr denn je davon überzeugt, dass ich für mich richtig gehandelt habe.

    Ich habe heute ein sehr gutes Verhältnis zu meiner ersten Frau, ein super Verhältnis zu meinen Kindern. Ich bin wieder verheiratet und wurde nochmal Papa. Und bin heute ein sehr glücklicher Mensch. Ich bin mir sicher, dass das alles so niemals hätte passieren können, wenn ich inkonsequent vor mich hingelebt hätte. Es war entscheidend, dass ich mich in den Fokus meines Lebens gerückt habe. Was überhaupt nichts mit Egoismus im klassischen Sinne zu tun hat. Ich kann heute ganz viel geben, ich kann ganz viel Unterstützen und ich tue das auch gerne. Auch z. B. meine erste Frau und damit meine ich nicht nur Geld überweisen. Und ich mache das wirklich gerne und weil es für mich ein wichtiger Baustein meines neuen Lebens ist. Für andere da sein, anderen helfen ohne dabei etwas für mich selbst zu erwarten. Aber ich kann das nur deshalb, weil ich mit mir selbst im Reinen bin. Dafür bin ich unendlich dankbar und ich habe das alles auch erst lernen müssen.

    Ich musste lernen, wie wichtig es ist, dass ich mich so akzeptiere wie ich war um mich so entwickeln zu können wie ich eigentlich wollte. Ich musste auch lernen, dass meine Schuld ein Teil meines Lebens ist und dass ich sie weder verdrängen noch ungeschehen machen kann und das auch nicht will. Aber das ich aus ihr lernen kann und dass ich durch diese Erfahrung zu demjenigen werden kann, der ich gerne sein möchte.

    Also, das ist alles ein langer Prozess. Der ist für mich auch nicht abgeschlossen, auch wenn es heute keine akuten (alkoholbedingten) Baustellen für mich mehr gibt. Trotzdem habe ich immer wieder Herausforderungen, muss immer mal wieder Einschläge verkraften, muss mich immer wieder mal fragen, ob das alles gut und richtig ist, was ich so treibe. Und ob ich das so will, ob ich so sein will oder ob ich da nicht mal wieder korrigieren möchte.

    Also, es ist nicht einfach zu beschreiben was ich Dir sagen möchte. Vielleicht kannst Du ja was damit anfangen.

    LG
    gerchla

  • Hey Greenfox!

    Ja das mit dem zitierten Text muss ich noch üben. Bin das erste Mal in nem Forum unterwegs und muss mich erst mal durch wursteln ;D

    Und ja, der Name Schnisskettchen hat eine Bedeutung.
    Schnisskettchen kommt aus dem Saarländischen Dialekt und bedeutet so viel wie Quasselstrippe oder Plaudertasche. Wobei meist Frauen als Schnisskett bezeichnet werden.
    Schniss=Mund, Kett oder Kettchen= Frau.
    Kenn den Begriff noch von meiner Oma. Heut zu Tage verwendet man ihn wohl eher nicht mehr.

    Im Bezug auf meine Beziehung geb ich dir recht. Ich hab bisher noch keine guten Erfahrungen mit Beziehungen mit Suchtkranken gemacht. Egal ob freundschaftliche Beziehungen oder Liebesbeziehungen. Auch wenns oftmals ne lange Zeit gut geht, bekommt sowas gerne mal ne scheiß dynamik und man schaukelt sich gegenseit hoch.
    Bei meiner Beziehung ist das diesmal nicht so extrem. Wir favorisieren beide andere Suchtmittel und haben auch ein komplett anderes Konsumverhalten.
    Mein Freund hat eigentlich nie Suchtdruck und kann ohne Probleme über einen langen Zeitraum nix konsumieren. Selbst wenn er mal ein paar Bier trinkt (was er wegen mir nicht macht) muss er den nächsten Tag nicht weiter trinken. Bis er dann irgendwann ne Woche extrem mit THC und Alk durchstartet.
    Mein Konsum hat sich eigentlich komplett auf Alk verlagert. Es sind auch lang nicht mehr die Mengen die es mal waren. Ich trink nur Abends wenn ich alle Verpflichtungen erledigt hab. Ich fahr auch kein Auto wenn ich was getrunken hab (hatte den Lappen schon mal 5 Jahre weg).
    Mir gehts beim Konsum oftmals auch nicht drum mich komplett abzuschießen. Mir reichts wenn der Alk mich dösig macht und ich schlafen kann.

    Also was ich damit sagen will, in Sachen Konsum finden wir nicht zusammen und schaukeln uns auch nicht gegenseitig hoch. Damit red ich mir das wahrscheinlich auch schön.
    Wollte mich eigentlich auch von Ihm trennen und habe lange und viel mit Ihm darüber gesprochen. Ich denk mir halt auch, er ist krank, und mich deswegen von ihm zu trennen scheint mir net fair. Er hat mich auch noch nie fallen gelassen.

    Es ist einfach alles so kompliziert und schwierig...

  • Siehste wohl - wieder einen dialektischen Begriff ;) gelernt. Ich liebe Dialekte. Schaue auch gerne z.Bsp. mal auf HR das Hessen-Quiz - also was da bei Mundart so gefragt wird :o da komme ich als Berliner manchmal nicht mit.

    Aber egal, ist ja hier nicht das Thema :)

    Also was ich damit sagen will, in Sachen Konsum finden wir nicht zusammen und schaukeln uns auch nicht gegenseitig hoch. Damit red ich mir das wahrscheinlich auch schön.

    Na, wenn der Eine immer nur mit Nitroglyzerin spielt und der Andere mit weissem Phosphor - dann kann ja nix passieren ... schwitz.

    Schätzelein, m.E. kann so eine Beziehung, solange auch nur ein Partner konsumiert UND nicht den Willen hat, davon wegzukommen - solange KANN diese Beziehung nur mächtig gewaltig in die Hose gehen. Entweder knallt es kräftig - oder im Endeffekt hängen BEIDE an der Nadel/Flasche/wat auch immer.


    Ich denk mir halt auch, er ist krank, und mich deswegen von ihm zu trennen scheint mir net fair.

    Ist es etwa fair(er), wenn Du mit ihm "untergehst"?

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Schnisskettchen,

    Zitat

    Ich denk mir halt auch, er ist krank, und mich deswegen von ihm zu trennen scheint mir net fair. Er hat mich auch noch nie fallen gelassen.

    Mit der Aussage das er krank ist hast Du sicher recht. Das Problem dabei ist nur, dass Du auch krank bist. Und ich gehe jetzt mal noch ein Stück weiter: Ihr seid beide psychisch krank. Denn Suchterkrankungen haben in der Regel immer psychische Ursachen.

    D. h. dann also mal frei übersetzt: Hier will der eine psychisch Kranke den anderen psychisch Kranken nicht fallen lassen. Und umgekehrt.

    Dabei wird wahrscheinlich nichts Gutes heraus kommen, kann es eigentlich auch gar nicht. Auch wenn es sicher gut gemeint ist und ein Stück weit ja sogar nachvollziehbar. Es fühlt sich einfach nicht gut an, den anderen "einfach so" fallen zu lassen und sich um sich selbst zu kümmern. Es könnte aber ja auch sein, dass genau das Euch beiden helfen würde. Auch ihm, wenn er auf sich allein gestellt ist und sich ganz allein um sich selbst kümmern muss. Wie gesagt, alles Theorie und im Grunde ist es einfach nur so, dass Du für DEIN Leben verantwortlich bist.

    Und nur DEIN Leben hast Du in der Hand. Er ist für das seinige verantwortlich und muss für sich entscheiden wie er leben möchte. Auch ihm steht es offen etwas gegen seine Sucht zu unternehmen, sofern er das möchte.

    Ich möchte Dir nochmal eines sagen, nochmal wirklich aus meiner eigenen Erfahrung heraus: Man kann erst (effektiv) für andere da sein, wenn man mit sich selbst im Reinen ist. Das war für mich eine ganz wichtige Erkenntnis und ich hatte das weder vor meiner Trinkerzeit noch zu den Zeiten als ich trank auf dem Schirm. Ich dachte ich müsste dieses und ich müsste jenes, etc. Und als ich trank hat schon mein schlechtes Gewissen dafür gesorgt, dass ich getan und gemacht habe. Vor allem auch zuhause, gegenüber meiner Frau. Und ich dachte damit könnte ich ihr helfen, könnte mein Fehlverhalten, welches ich aufgrund meiner Sucht immer wieder an den Tage legte, etwas egalisieren.

    Ich selbst, meine eigenen Wünsche und Bedürfnisse blieben dabei dann natürlich auf der Strecke Und meine meine Sauferei tat ihr übriges dazu. Und irgendwann war dann der Akku halt komplett leer. Es ging gar nichts mehr. Nur noch trinken und irgendwie funktionieren.

    Ich glaube also, dass Du aufgrund Deiner eigenen Sucht, aufgrund Deiner eigenen Probleme, gar nicht in der Lage bist ihm zu helfen. Oder aber, dass Du dabei selbst immer mehr auf der Strecke bleibst, bis halt irgendwann mal nichts mehr geht. Denn Du hast nichts womit Du Deinen Akku wieder auffüllen könntest. Das verhindern Deine Sucht und die damit einhergehenden Probleme. Temporär hast Du durch Deine Therapien und die "Auszeiten" wieder ein wenig Energie gewonnen und diese dann sofort wieder investiert. Aber nicht in Dich und Dein weiteres Leben.

    Was Du also bräuchtest (aus meiner Sicht und geprägt von meinen Erfahrungen) wäre ein Neustart. Und zwar einer ohne Alkohol natürlich und einer, wo Du DICH und Deine Wünsche, Deine Ziele, Deinen künftigen Lebensplan in den Fokus nimmst. Für mich war es damals wichtig, ein Ziel und eine Perspektive für mein Leben zu haben. Und nicht, wie in meiner Trinkerzeit, einfach vor mich hin zu leben und damit beschäftigt zu sein, all die Probleme (von denen ich die meisten ohne Trinkerei natürlich gar nicht gehabt hätte) irgendwie wegzusaufen.

    Dieser "Sinn des Lebens" (welcher ganz sicher individuell höchst unterschiedlich sein kann) ist für mich von ganz zentraler Bedeutung gewesen. Denn als ich den für mich identifiziert hatte und mich dann auf den Weg machte ihn auch Stück für Stück für mich zu realisieren, erlebte ich etwas, was ich während meiner gesamten Trinkerzeit nicht mehr erlebt oder gefühlt hatte, nämlich ZUFRIEDENHEIT.

    Mir ging es nach und nach besser (ich schrieb bereits, dass das ein Prozess war und ich nach einem Jahr mit dem Gröbsten durch war), ich wurde nach und nach zufriedener mit mir (also meinem ich) und mit meinem Leben. Ich konnte mich wieder leiden. Und damit entzog ich auch dem Alkohol immer mehr seine Existenzberechtigung. Denn ich setzte den Alkohol ja ausschließlich wegen seiner Wirkung ein. Eben genau deshalb, weil ich nicht im Reinen mit mir war, weil ich nicht zufrieden war, weil ich etwas verdrängen wollte, weil ich entspannen wollte, jemand anderer sein wollte und ohne nicht konnte, etc. Du wirst das ja sicher alles kennen.

    Aber wenn Du mit Dir und dem was Du tust und wie Du lebst im Reinen bist, dann brauchst Du keinen Alkohol mehr. Wozu sollte er dann noch nützlich sein? Klar habe auch ich nicht wenige positive Erinnerungen an das Zeug, welche alle ausschließlich aus den Anfangszeiten meiner Sucht (oder sogar noch davor) stammen, als es noch nicht so schlimm war. Lustige Geschichten, intensive Gespräche, etc. Was man halt alles so erlebt, wenn man mal ein wenig zu viel getrunken hat. Und was ja auch für all jene die nicht gefährdet sind kein Problem darstellt. Aber auch diese positiven Gedanken ließen mich nie wanken. Denn ich lernte mit der Zeit, dass ich all diese schönen Gefühle (bis hin zum Genießen eines Sonnenuntergangs am Meer OHNE ein Glas / Flasche Rotwein) komplett ohne Alkohol fühlen und erleben konnte. Teilweise, das meine ich ganz ehrlich, noch viel intensiver als es mit Alkohol der Fall war.

    Also, zusammengefasst war es für mich einfach ganz wichtig meinem Leben einen Sinn zu geben. Zu wissen, wer ich bin und wer ich sein möchte. Und dabei war immer klar, dass ich das alles nur ohne Alkohol erreichen kann und dass ich zunächst auch erst mal mein ganzes altes oder bisheriges Leben hinter mir lassen muss. Dass ich, in meinem Fall, große Veränderungen und Entscheidungen treffen muss.

    Aber ich kann für mich nur sagen: Ich bin so dankbar, dass ich diese Chance erhalten habe und auch nutzen konnte. Ich bin so dankbar für mein jetziges Leben.

    Und ich denke auch Du hast es in der Hand. Ob Du in alten Mustern kleben bleibst und Dich immer wieder im Kreis drehst oder ob Du wirkliche Veränderungen in Deinem Leben vornimmst. Letzteres verlangt sicher auch Mut, denn es bedeutet Veränderung.

    LG
    gerchla

  • Hallo,

    also ich möchte als erstes mal los werden, dass ich das ganz süß finde wie viel Mühe ihr euch mit den Antworten gibt. Ich bekomme hier tollen Input. Ich hab öfter mal in verschiedenen Foren mit gelesen, hab mich aber nie getraut mal selbst was zu verfassen bzw. hätte ich nicht gedacht, dass es hilfreich sein könnte.

    Dabei wird wahrscheinlich nichts Gutes heraus kommen, kann es eigentlich auch gar nicht. Auch wenn es sicher gut gemeint ist und ein Stück weit ja sogar nachvollziehbar. Es fühlt sich einfach nicht gut an, den anderen "einfach so" fallen zu lassen und sich um sich selbst zu kümmern. Es könnte aber ja auch sein, dass genau das Euch beiden helfen würde. Auch ihm, wenn er auf sich allein gestellt ist und sich ganz allein um sich selbst kümmern muss. Wie gesagt, alles Theorie und im Grunde ist es einfach nur so, dass Du für DEIN Leben verantwortlich bist.

    Ich bin mir mittlerweile ziemlich sicher, auch dank deiner Texte, dass ne ganz gravierende Änderung her muss. Ich denke ich werd mich auch um eine statinöre Therapie bemühen.
    Im Rahmen meiner Ambulanten Therapie wäre ich auch dazu bereit gewesen. Jetzt nach dem Rauswurf hab ich mich gegen Stationär etwas gestreubt. Bei mir schwingt die Angst mit nach einem stationären Aufenthalt nicht mehr genug Zeit zu haben einen Job zu finden bzw. mein Anspruch auf ALG 1 nach einem Jahr entfällt und ich ins Hartz 4 rutsche.
    Aber das lässt sich ja alles irgendwie regeln. Meine Betreuerin vom Arbeitsamt hat gesagt, ich soll doch erst mal schauen, dass ich gesund werde und mich krankschreiben lassen. Damit ruht der Anspruch auf ALG und ich bekomm erst mal Krankengeld. Und wenn ich gesund bin bestände auch die Möglichkeit eine Umschulung finaziert zu bekommen.

    Und ich glaube das ist auch der richtige Weg. Alles andere würde kein Sinn machen. Wenn ich mich so wie es jetzt ist, in eine Umschulung stürtze, wird es früher oder später eh in die Hose gehen. Ich hab einen neuen Beruf immer als Zentrales Thema bei mir gesehen bzw. war mir immer ganz klar, dass wenn ich in dieser Branche bleibe niemals gesund werde.

    Aber das ganze ist doch etwas komplexer. Wie du deinen Weg beschreibst, mit den ganzen Veränderungen, bringt mich echt zum nachdenken.
    Hatte ja schon mal kurz angeschnitten, dass es bei mir auch viele gravierende Änderungen gab.
    Aber ich glaube mittlerweile, dass neue Veränderungen her müssen.
    Ich finde mich oft in alten Suchtmustern wieder ohne bemerkt zu haben wie ich da reinschlittere. Weil ich oft nicht konsequent genug bin. Oder zu bequem. Ich mache zwei Schritte vor und ohne es bemerkt zu haben drei Schritte zurück.

    Dabei weiß ich glaub ich ziemlich genau wer ich sein will. Wo ich hin will. Ich habe Ziele und Träume. Wo wir wieder bei meinem Freund sind. Er hat keine Ziele im Leben oder Dinge für die er brennt oder etwas worauf er hin arbeitet. Außer Heiraten und Kinder bekommen. Kinder kommen für mich nicht in Frage aber es war für uns noch kein Trennungsgrund. Ich glaube heimlich hoffen wir beide, dass sich die Meinung des anderen im laufe der Zeit nochmal ändert.
    Für ihn ist es einfach das non plus ultra wenn er bei mir sein kann. Er braucht dann nichts anderes. Er hat keine Freunde, keine Hobbys, keine Familie (außer ne Mutter die in der Psychiatrie ist) und sieht auch keine Notwendigkeit das zu ändern oder den zusammenhang mit seiner Sucht. Für ihn ist das mit Sicherheit auch alles nicht leicht aber ich komm auf diesen Ansichten einfach nicht klar.

    Gestern Abend hat er doch tatsächlich wieder gesagt, dass er kein Alkoholiker ist. Ich seh das völlig anders. Er deffinitiv ein massives Alkoholproblem. Ihm mag Alkohol alleine nix geben aber in Verbindung mit Cannabis (was sich gegenseitig verstärkt) kippt er unmengen in sich hinnein. Bis vor vier Jahren hat er das täglich betrieben. Er hat zwei mal seine Arbeit deswegen verloren. Er hat es mittlerweile soweit im Griff, dass es nur alle paar Monate mal soweit kommt. Quasi wie ein Quartalstrinker.
    Mich macht das Wahnsinnig ständig Diskussionen darüber zu führen. Eine Krankheitseinsicht liegt Null vor.

    Für mich hatte er eine ambulante Therapie begonnen. Was er bestreitet. Er sagt er hat es für sich gemacht aber ich denke er wollte mich nicht verlieren.
    Während der Therapie gab es dauernd endlose Diskussionen um alles. Er hat ständig alles in Frage gestellt was dort gepredigt wurde, sich nicht an Regeln gehalten, rum gebockt...
    Ich hatte immer die Hoffung, dass im Rahmen der Therapie eine emotinale Krankheitseinsicht eintritt. Aber der Zug ist jetzt abgefahren. Er hat die Therapie abgebrochen und wird auch alternativ nichts für sich tun. Seine Therapie war für mich immer eine Bedingung die Beziehung aufrecht zu erhalten. Dennoch fällt es mir jetzt schwer mich zu trennen. An Gefühlen mangelt es bei uns nicht. Er ist mein aller bester Freund und ich kann mit Ihm über alles reden. Er war immer für mich da und wir hatten eine schöne Zeit. Eine Trennung aus rationalen Gründen hatte ich bisher noch nicht und ich weiß nicht ob ich das hinbekomm.

    Auf jeden Fall denk ich, dass ein stationärer Aufenthalt mir dabei helfen könnte. Erst mal Abstand, Handy aus und nur ich mit mir allein.

  • Guten Morgen Schnisskettchen,

    Zitat

    Dennoch fällt es mir jetzt schwer mich zu trennen. An Gefühlen mangelt es bei uns nicht. Er ist mein aller bester Freund und ich kann mit Ihm über alles reden. Er war immer für mich da und wir hatten eine schöne Zeit. Eine Trennung aus rationalen Gründen hatte ich bisher noch nicht und ich weiß nicht ob ich das hinbekomm.

    Es geht ja nicht darum, dass Du jetzt irgendwas übers Knie brichst. Aber mein Gefühl ist, wenn ich so lese wie Du über Deine Beziehung schreibst, dass Du da in einer Abhängigkeitsbeziehung steckst. Damit meine ich jetzt nicht Eure beiderseitige Abhängigkeit von Alkohol oder Drogen. Sondern die emotionale Beziehung zwischen Euch beiden. Aber ich bin ja kein Psychologe und kann Dir hier nur meine Gedanken mitteilen, die natürlich auch falsch sein können.

    Aber genau diese Dinge sind es doch, die Du auch angehen solltest. Wenn Du also jetzt eine stationäre Therapie machst, dann bringe all diese Dinge, all das worüber Du nachdenkst und was Dich beschäftigt und letztlich ja belastet, zur Sprache. Ich habe das ja nicht anders gemacht. Ich habe genau das getan. Alles was mich beschäftigt hat immer wieder mit unterschiedlichen Leuten besprochen. Mit einem Freund, mit einem Psychologen, in der SHG, mit meinem Mönch. Immer und immer wieder und natürlich veränderten sich dann die Themen im Laufe der Zeit.

    Ich war mir am Anfang keinesfalls sicher, ob ich da alles richtig mache. Trennung von meiner Frau, das konnte ich mir lange absolut gar nicht vorstellen. Weil ich ja wusste, dass ich damit auch meine Kinder verliere und sie zutiefst verletzen werde. Ich war lange der Meinung, dass ich das nicht überleben würde. Letztlich bin ich dann aber doch diesen Schritt gegangen. Nach vielen Überlegungen und vielen Gesprächen. Klar, die letzte, die endgültige Entscheidung lag dann bei mir. Aber da war ich dann auch klar, da wusste ich dann, dass ich genau das tun muss und auch tun will. Verstehst Du?

    Und nach dieser Entscheidung kamen dann andere große Herausforderungen auf mich zu. Erst mal Zweifel, ob ich wirklich richtig gehandelt habe. Dann große Schuldgefühle, weil ich ja die Folgen meiner Entscheidung quasi täglich erlebte und spürte. Das war bei mir z. B. eine meiner größten Herausforderungen. Und hätte ich da nicht die richtige Hilfe an meiner Seite gehabt und das alles wirklich intensiv aufgearbeitet und verarbeitet, ich bin mir sicher, ich hätte unter dieser Last wieder zu trinken begonnen. Es ist ein Weg, der besonders am Anfang viele Berge hat, viele steinige Abschnitte, der aber im Laufe der Zeit im ebener wird. Immer vorausgesetzt Du trinkst nicht wieder und gehst diesen Weg konsequent voran.

    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es besonders am Anfang sehr gut tun kann, wenn man die Dinge auch einfach mal auf sich zukommen lässt. Nach dem Motto: Über diese Brücke gehe ich erst wenn ich vor ihr stehe.

    Von Tag zu Tag denken, nicht die ganzen vermeintlich riesigen Probleme und Konsequenzen vor sich hinwälzen. Und dabei habe ich dann auch erfahren, dass ganz Vieles ganz anders eingetreten ist als ich es eigentlich erwartet hatte. Und vieles, wirklich vieles, sich sozusagen fast in Luft aufgelöst hat. Einfach weil ich meine Verhaltens- und Denkweise mehr und mehr verändert habe. Plötzlich waren ehemals Riesenprobleme relativ einfach lösbar. Plötzlich taten sich Wege auf die ich vorher gar nicht gesehen habe, vielleicht auch einfach nicht sehen konnte.

    Und wenn Du diesen Weg jetzt wirklich richtig und konsequent gehen willst, dann bin ich sicher, dass sich auch bei Dir einiges verändern wird. Wenn Du die Dinge die Dich belasten, die Dir Angst machen z. B. im Rahmen einer Therapie (oder auch über ganz andere Formate -siehe den Mönch bei mir) besprichst und durchdenkst, dann werden sich Perspektiven für Dich öffnen. Und dann wirst Du auch erkennen wie der richtige Umgang mit Deiner jetzigen Beziehung für Dich sein muss. Es wird sich klären. Aber nur wenn Du bereit dazu bist, wenn Du Dich öffnest und wenn Du keine Scheren im Kopf hast.

    Ich empfinde Dich, so wie Du schreibst, schon als relativ offen. Allerdings hast Du noch viele Zweifel, was ja auch völlig in Ordnung und auch normal ist. Ich hatte diese auch. Und sie veränderten sich. Waren die einen Zweifel weg, kamen andere, neue hinzu.

    Entscheidend ist, dass Du diesen Weg in Dein neues Leben unbeirrt und konsequent voran gehst. Schritt für Schritt in Deinem Tempo. Das ist kein Sprint, das ist ein längerer Weg. Wichtig ist nur, dass Du nicht im Kreis drehst und nicht rückwärts läufst sondern immer nach vorne, immer ein Stückchen weiter. Was Du bisher getan hast war genau das Gegenteil.

    Du hast Therapie gemacht, bist noch vorne gesprintet und anschließend langsam wieder zurück zum Start gelaufen. Um dann erneut los zu sprinten um dann wieder zurück zu laufen. Lieber langsam, aber immer vorwärts und immer konsequent.

    Ich bin sicher Du kannst das schaffen. Viel reden, viel austauschen, offen sein, helfen lassen, Deine Gedanken in eine positive Richtung trainieren (ist ein anderes Thema aber das geht wirklich) und dann wirst Du ein neues Leben erhalten. Es lohnt sich wirklich.

    LG
    gerchla

  • Guten Morgen Schnisskettchen,

    irgendwie war mir Dein Thema bislang entgangen, aber da ich Dich regelmässig eingeloggt sehe habe ich mal geguckt wer das eigentlich ist.

    Ich beziehe mich mal auf Deinen Vorstellungsbeitrag, dass Dir Therapien nicht Neues mehr bringen und das Du aber eigentlich nen Enzug bräuchtest weil Du Dich selbst nicht bremsen kannst.

    Wie gehts Dir momentan?

    Kurz zu mir, ich habe bis zu meinem 24. Lebensjahr an Drogen so ziemlich alles genommen, was es damals gab, also erst mal zu Hause bei meinen Eltern schon mit dem Trinken angefangen, und weil das alleine ja irgendwie langweilig war und nicht genügend Kick brachte, ausserdem nicht revoluzzermässig genug war, und ich ausserdem ein bisschen Bewusstseinserweiterung wollte, dann ein paar Jahre auf der Szene verbracht mit sehr hohen Höhen und sehr tiefen Tiefen, bis ichs mal fast nicht überlebt hätte. Absolut Polytox, von Einzeldrogen war ich dabei gar nicht so abhängig. Dann hat es mir aber von selbst gereicht, ohne Therapie. Ich wollte mir auch von keinem ins Hirn gucken lassen, also freiwillig hätte ich damals nie Therapie gemacht.

    Alkohol, bis dahin Beikonsum, und Cannabis, für mich nach meiner Auffassung eher harmlos, habe ich weiterhin konsumiert, aber eher gemässigt. Geraucht habe ich ebenfalls, wie ein Schlot, damit hatte ich mich abgefunden.

    Irgendwann mit 40, 41 war ich mit der Sauferei nach mehreren Jahren von schlimmer werdenden Abstürzen und jahrelangen Versuchen, durch Trinkpausen zu einem kontrollierbaren Konsum zu kommen, was auf Dauer nicht klappte, dann so weit, dass ich vom Saufen absolut die Schnauze voll hatte. Die Kifferei, die ich bis dahin ebenfalls noch betrieben hatte, hinderte mich daran, mit dem Rauchen aufzuhören, also hab ich das da auch gleich gelassen. Und ein Jahr später war ich dann auch noch so weit, das Rauchen auch noch an den Nagel zu hängen.

    Ich hab das tatsächlich dann alles (jeweils, hintereinander) gleich beim ersten Versuch bleiben lassen können. Kiffen war eh einfach, das erwähne ich deswegen kaum. Beim Alkohol und beim Rauchen war es so, das ich mich erst mal derartig dafür gehasst habe, dass ich das nicht besser kontrollieren oder auch - beim Rauchen - überhaupt ganz bleiben lassen konnte, und dieser Hass hat mich ein Stück weit auch durch den Entzug getrieben. War saufen kann, kann auch fürs Aufhören leiden, und wenn so ein Glimmstengel derartige Macht über mich hat, dann hab ichs wohl nicht anders verdient.

    Versteh mich nicht falsch, ich kratze nicht an diesen ganzen Konzepten von Krankheit und Therapie, aber dieser Selbsthass hat mich in die Lage versetzt, mich ein Stück weit von mir und meinem Verhalten zu distanzieren und meinem inneren Schweinhund quasi zu befehlen, dass er da jetzt durch muss, weil ich ihn - und damit mich - nämlich sonst noch mehr hasse. Die sanfteren Teile kamen dann viel später erst, das musste ich mir ja erst mal leisten können. Es war wirklich die Wut auf mich selbst, und die ganz konkreten Probleme, die ich vom Saufen hatte, Kotzen, Schweissausbrüche, Streitereien für die ich mich auch gehasst habe, wegen der ich das angegangen bin und wegen der ich das dann wohl auch geschafft habe. Und natürlich wusste ich dabei auch, dass es besser für mich ist, war ein bisschen tricky, das innerlich zusammen zu bringen.

    Vielleicht schreibst Du ja mal wie es Dir jetzt geht.

    Gruß Susanne

  • Zitat

    Wie gehts Dir momentan? ... Vielleicht schreibst Du ja mal wie es Dir jetzt geht.

    Dem kann ich mich nur anschließen - lange nix mehr von Dir gehört. Gesehen hab ich Dich wohl ...

    Alles gut? Oder eben nicht?

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Im Übrigen noch was zu dem Abstinenzwillen.

    Ich hatte den bis zu dem Tag, an dem es bei mir geschnackelt hat, nicht. Noch am Abend davor hatte ich mit meinem Partner, mit dem ich schon halb in Trennung war, der eigentlich nur noch drauf wartete eine andere Wohnung zu finden, eine Diskussion, dass ich zwar nach wie vor versuche, mich irgendwie zu beherrschen, aber ganz aufhören kam für mich bis dahin nie in Frage. Nur Pausen, damit der Körper nicht gleich zusammenklappt und ich noch etwas länger trinken kann und im sonstigen Leben noch ein bisschen fuktioniere.
    Saufen selbst stand für mich bis dahin nie zur Diskussion, ich hab nur mit den Kontrollverlusten gekämpft und mich dafür gehasst. Und auch da störte es mich weniger, wie besoffen ich war, sondern wie mein Körper darauf und wie ich dann auf Andere reagiert habe.

    Mir gings halt mitten in der Nacht auf, was ich da eigentlich mache, wie es mir tatsächlich geht (und nicht, was ich mir vormache, nämlich, dass Saufen das Leben schöner macht, was eine absolute Selbstlüge war), und wie sich das weiterentwickeln wird (sehr wahrscheinlich jedenfalls)und da konnte ich mir überhaupt mal vorstellen, dass es "ganz ohne" möglicherweise viel einfacher wäre.

    Einen absoluten Abstinentwillen hatte ich da auch nicht, aber ich war wenigstens mal dazu bereit, mich auf einen längerandauernden Versuch einzulassen, wie das denn wäre, und hab mir dann erst mal eine Frist gesetzt, wie lange ich das unbedingt schaffen wollte und dann zur Wiedervorlage. Aber schon mit dem Hintergedanken, dass es wohl tatsächlich besser wäre, ganz aufzuhören, aber wie sich das anfühlen würde, wusste ich da halt noch nicht. Meine Pausen bis dahin waren jahrelang immer drei Tage nüchtern zu 4 Tagen trinken, dann auch ein paar Wochen, als es schlimmer wurde, und dann hab ich halt mal mit einem Jahr angefangen, aber nicht mehr mit dem Hintergedanken dann wieder anzufangen sondern einfach mal nur um zu gucken wie es mir dann geht, und meine Angst vor einem Leben ganz ohne Alkohol im Griff zu behalten. Ich kauf ja nicht die Katze im Sack :), war ja unbekanntes Terrrain für mich.
    Dann hat mich das aber so überzeugt, das ich gar nicht mehr anfangen wollte. Ausser in der Anfangsphase, durch die ich durch musste, hab ich mich dann gar nicht dazu gezwungen, abstinent zu bleiben, ich hatte dann gar keine Lust mehr zu trinken und ich brauchte es auch nicht mehr. Und es kam auch relativ schnell der Punkt , wo ich nicht mehr zurück und das wieder aufgeben wollte, mein Abstinenzwille hat sich da erst entwickelt.

    Vielleicht hast Du ja da irgendwo einen Denkfehler, dass Du aufhören "musst", da das ja eher eine freiwillige Angelegenheit ist, sogar eine Angelegenheit der Selbstbestimmung und der freien Entscheidung, die man macht weil es so wie mans bisher gemacht hat irgendwie unerträglich geworden ist.

  • Hallo liebe Susanne,

    schön, dass du nachfragst wie es mir geht. Du hast recht, ich bin ziemlich oft eingeloggt und lese mit. Ich muss sagen, das hilft mir sehr.

    Zu deiner Geschichte muss ich sagen, dass ich aller höchsten Respekt vor Menschen habe, die es ganz alleine aus der Sucht schaffen, vorallem wenn Drogen mit im Spiel sind. Ei bisschen ähnlich ging mir das 24 auch.
    Ich hatte quasi alles verloren, meinen Verstand mit eingeschlossen. Ich war hochgradig psychotisch, hab meine Arbeit verloren, meinen Führerschein, wurde aus meiner Wohnung geschmissen und habe aufgrund der Psychose das Vertrauen in mich und in absolut jeden in meinem Umfeld verloren. Ich war am Boden und hab mich dafür gehasst. Und ich habe den scheiß Stoff gehasst. Alkohol mit eingeschlossen.

    Damals war Abstinenz für mich kompromisslos. Obwohl ich in der ersten Therapie auch einen Rückfall hatte. Aber das sollte auch der einzige bleiben.
    Ich wollte alles so schnell wie möglich wieder ins reine bringen.
    Von der Psychose runter kommen, MPU gemacht, Schulden bezahlt, Wohnung gesucht, neues Umfeld gesucht... Ich hab mich beruflich gemausert obwohl ich vorher nur eine Ausbildung gemacht hatte. Plötzlich hatte ich Personalverantwortung und führte einen Laden ganz allein. Ich hab viel Geld verdient und eigentlich ging es mir gut. Bis auf die Essstörung. Die war präsenter denn je. Wurde von Zeit zu Zeit aber immer besser.

    Irgendwann dann doch wieder Rückfälle. Therapie. SHG. Rückfälle. Psychotherapie. Rückfälle. Therapie.... Und so weiter. War wohl doch nicht alles so gut wie ich dachte.

    Naja, und zu deiner Frage. Mir geht es soweit gut. Bewilligung für stationäre Reha ist durch. Ich habe am 20.07. den Aufnahmetermin. Ich gehe im Moment noch zur Suchtberatung. Versuche mich vor dem 20.07. selbst irgendwie trocken zu legen. Sollte es nicht funktionieren, werde ich es stationär machen. Ich habe mich von meinem Freund getrennt und versuche mich so gut es geht den Tag über zu beschäftigen. Die Arbeitslosigkeit hängt mir langsam ein bisschen zum Hals raus. Aber da muss ich mich eben noch ein bisschen gedulden.

    Alles in allem freue ich mich auf die Reha. Endlich aus dem Alltagstrott raus.
    Für mich wird es ein kompletter Neubeginn.

    Geht's du in eine SHG oder machst du sonst irgendetwas zur Unterstützung deiner Abstinenz?

    Liebe Grüße

    Schnisskettchen


  • Vielleicht hast Du ja da irgendwo einen Denkfehler, dass Du aufhören "musst", da das ja eher eine freiwillige Angelegenheit ist, sogar eine Angelegenheit der Selbstbestimmung und der freien Entscheidung, die man macht weil es so wie mans bisher gemacht hat irgendwie unerträglich geworden ist.

    Einen Denkfehler wage ich zu bezweifeln. Ich habe sicherlich nicht mehr den enormen Leidensdruck, wie ich ihn mit 24 vor meiner ersten Therapie hatte. Ich trinke auch lange nicht mehr die Mengen wie damals, Drogen sind raus und mit dem Essen klappts eigentlich auch. Ich trinke "nur" am Abend. Funktioniere de nächsten Tag trotzdem ganz gut, auch wenn vielleicht mal etwas mehr war. Ich habe meine Arbeit immer sehr gut gemacht und das auch kommuniziert bekommen. Ich hatte keine peinlichen Erlebnisse mehr im Suff, wie früher, weil ich eh immer nur alleine getrunken hab. Ich konnte das alles immer sehr gut verheimlichen. Im Prinzip wusste niemand was ich so alleine daheim treibe. Das einzige was immer bissl Grenzwertig war, dass ich immer morgens um 5 Uhr mit Restalkohl zur Arbeit gedüst bin. Klar ging es mir auch die Nerven morgens net ganz so fit zu sein. "Malle in der Birne" wie ich es nenne. Auch wenn meine Mitarbeiter nix davon wussten, kam ich mir oft wien Heuchler vor. Habe ich in dieser Zeit doch viele Mitarbeitergespräche mit Alkohol- oder Drogenkonsumierenden Mitarbeiter geführt. Und mache wurden auch gekündigt, von einem Alki.

    Ich denke ich MUSS aufhören weil ich es auch WILL.
    Vielleicht fehlt mir der extreme Leidensdruck.

    Nichts desto trotz finde ich, habe ich bisher viel geschafft. Von Drogen, Alk und Essstörung bleibt noch der Alk. Das ist jetzt der Endgegner.
    Vielleicht war bisher aber einfach auch das Problem dass ich bisher zu keiner Therapie wirklich Abstinent war. Die Essstörung war ja immer präsent (außer in der letzten Therapie) Und die funktioniert ja ähnlich wie Alk oder Drogen. Ich bezwecke damit ja mehr als nur Gewichtsregulation. Man kann damit auch herrlich an seinen Gefühlen rum manipulieren.

    Die letzte Therapie war die erste in der ich komplett Abstinent von allem war (auch Bulimie) Eine ganz neue Erfahrung, auf der ich wohl nicht so klar gekommen bin. Ich denke den Willen hab ich und ich weiß auch dass ich abstinent sein muss. Ich brauch einfach nur mal Ben anderen Ansatz, wie ich glaube.

  • Hallo Schnisskettchen,

    schön, dass Du geantwortet hast. Ich wünsche Dir, dass das alles so klappt wie Du das möchtest. Sieht ja ganz gut aus, so wie Du das schreibst.

    Zitat

    Geht's du in eine SHG oder machst du sonst irgendetwas zur Unterstützung deiner Abstinenz?

    Meine Abstinenz läuft schon lange ziemlich von selbst, ich musste wenig damit kämpfen, nachdem es geschnackelt hatte. Von daher mache ich eher nichts dafür. Meine ganz normales Leben ist halt giftfrei, und ich halte mich bei Laune.
    Ab und zu bin ich halt in Situationen, wo ich mehr drüber nachdenke, oder ich helfe Anderen und denke da auch drüber nach. Und ich beschäftige mich mit ein bisschen Fachwissen, weil es mich auch selbst interessiert.

    Das ist, wenn ichs mir recht überlege, auch das was ich eigentlich rüberbringen will, dass man ganz normal, und ohne sich besonders einzuschränken, leben kann, auch wenn man das mal "hatte". Ich wünsche es jedem, dass er das nicht als Verzicht erlebt und sich damit nicht plagen muss, sondern sich einfach befreit fühlt.

    Gruß Susanne

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