Fragen über Fragen

  • Hallo,

    ich bin Jonas, ich bin 35 Jahre alt und habe ein Alkoholproblem, seit ich volljährig bin. In den letzten 10 Jahren nahm das immer mehr zu. Anfangs waren es 3 - 4 Bier am Abend. Unglücklich sein, mit dem falschen Partner, viel zu hohe Ansprüche an sich selbst nach einer verkorksten Jugend sorgten dafür, dass sich das Bier am Abend (wohlverdienter Feierabend) etablierte.

    Beruflich hingegen lief alles steil aufwärts, was ich natürlich gebührend feierte. Mit der Zeit, ich war Anfang 30, merkte ich, dass etwas in meinem Leben nicht stimmt. Ich habe turnusmäßig alle zwei Jahre sehr viel Ärger mit meinen Freundinnen gehabt, so auch dieses Jahr. Zum Anlass meines Geburtstags vor einigen Wochen musste ich mich von Ihr trennen. Grund dieser Trennung war, dass wir quasi zwei Jahre am Stück jeden Tag Bier getrunken haben. Nicht in Maßen, sondern in Massen. Wir reden von 7 - 8, schlimmstenfalls 9 Flaschen Bier, die wir jeweils am Abend getrunken haben. Wenn ich von der Arbeit nach Hause kam, war sie schon in freudiger Erwartung und saß im Garten mit zwei Flaschen ungeöffneten Bieres. Nicht, dass es mal okay gewesen wäre, aber jeden Tag, da stimmt was nicht. Da ist etwas grundlegend nicht in Ordnung. Ich distanzierte mich innerhalb des letzten halben Jahres arg von ihr, bis es schließlich in der Trennung mündete.

    Hintergründe: Obwohl ich wusste, dass es nicht gut für mich ist, habe ich jeden Tag aberliterweise Bier in mich hineingeschüttet. Es hat den Abend schöner gemacht, denn ich glaube nüchtern hätte ich mit ihr niemals zusammen sein können. Das ist MEIN Problem. Warum dulde ich, dass ich mit dem falschen Menschen in MEINEM Haus bin und warum dulde ich, dass ich mich selbst so sehr gehen lasse dabei? Wie auch immer, weiter in der Geschichte. Während des Tages frage ich mich regelmäßig, wie bescheuert ich eigentlich bin. Ich riskierte teilweise meinen Führerschein durch den Restalkohol, weil ich mich selbst nicht wirklich sicher gefühlt habe, um ein Auto zu steuern. Unabhängig dieser Verantwortung, es ging ja immer gut (was absolut nicht in Ordnung ist!). Mit der Trennung (auch räumlich) fiel ich in ein Loch und konnte auch nicht stoppen, was ich vorher mit ihr die ganze Zeit gehabt habe: Die Sauferei.

    Am Montag Abend hat es bei mir Klick gemacht, es muss jetzt aufhören, sofort. Gesagt, getan. Mit einem Kater am Dienstag zur Arbeit gewatschelt. Ich habe mich an den Abend zuvor erinnert und für mich festgestellt, jau, die Zeit ist gekommen. Abends bin ich nach Hause gekommen. Ich wollte zwar ein Bier trinken, aber ich habe es sein gelassen. Ohnehin hätte ich nur eines da gehabt. Ich habe es stehen gelassen. Am Dienstagmorgen bin ich aufgewacht, es geht mir nicht wesentlich besser. Durch die ganzen Jahre fühlt sich mein Kopf ein bisschen taub an, ich kann nicht erwarten, dass das nach einem Tag weg ist. Auch am Dienstag Abend kam ich nach Hause. Ich hatte Besuch, es gab keinen Alkohol. Gleiches Spiel am Mittwoch. Mittwoch Abend setzte ich mich ein bisschen mehr mit dem Alkoholismus auseinander. Ich merkte, wie mein Hirn mir im Supermarkt suggerierte: Los, kauf eine Kiste Bier. Ich schmunzelte und habe tatsächlich laut "Nein" gesagt. Zwar doof angeschaut worden, aber das tut nichts zur Sache. Ich war stolz an dem Abend, das hat mir ein wenig Kraft geschenkt, weiter zu machen. Abends vor dem Schlafen gehen habe ich mir Notizen aufgeschrieben, was gut an dem Tag war, wovor ich Angst habe und was ich mir wünsche. Ich habe festgestellt, dass sie und ich in einer Co-Abhängigkeit gelebt haben. Jeder Versuch, dem zu enteilen, scheiterte gnadenlos. Auf der einen Seite, weil jeder für sich zu labil war, einem Vorsatz (heute machen wir mal halb lang oder gar heute trinken wir nichts) auch nur ansatzweise standzuhalten.

    Jedenfalls las ich mich auch in die Folgen eines solchen Entzugs ein. Ich habe das berühmte Zittern und auch das Schwitzen im Schlaf merke ich ziemlich heftig, Zusätzlich werde ich durch akute Magenschmerzen wach, die ich allerdings mit einem Protonenhemmer ganz gut im Griff habe (bin Gastritis-anfällig). Nun, mein Alkoholkonsum ist sicherlich enorm gewesen, aber seit Montag habe ich keinen Schluck zu mir genommen und ich fühle mich auch nicht hingezogen. Ich möchte ein Leben bei klarem Verstand führen, lese nun aber heftige Dinge wie lebensbedrohliche Trimens und dergleichen. Vielleicht war ich wirklich etwas naiv und dachte, ich könnte jetzt "einfach so" aufhören? Bisher läuft es ziemlich gut, ich habe die bisherigen vier Tage überstanden. Was ist eure Meinung, was sollte ich tun?

    Danke und viele Grüße,
    Jonas

  • Hallo Jonas,

    Herzlich Willkommen hier im Forum.

    Ich hab gerade wenig Zeit darum nur kurz. Auf Deine Frage was Du tun solltest ist meine Antwort:

    Auf jeden Fall mehr als nur nichts mehr zu trinken. Denn wenn Du süchtig bist wird das auf Dauer nicht funktionieren. Wenn Du es wirklich ernst meinst, dann geh zum Arzt, rede dort ganz offen. Geh auch zur Suchtberatung und sei dort offen und ehrlich. Such Dir ne Selbsthilfegruppe, am besten sofort. Dort bekommst sofort sozusagen erste Hilfe und hast kompetente Ansprechpartner.

    Und dann mach mit all diesen Erkenntnissen und zusammen mit Arzt und co einen Plan wie es weiter geht. Therapie etc. Dann ist es immer noch ein langer und schwerer Weg aus der Sucht aber dann hast Du auf jeden Fall eine Chance. Wenn Du dagegen versuchst es mit Dir selbst auszumachen wird es schwierig. Die Quote derjenigen die aus der Sucht kommen ist ohnehin total niedrig. Ganz ohne Hilfe schafft es kaum jemand. Ich persönlich kenne jedenfalls niemanden.

    Wenn Du also da raus willst, dann lass Dir helfen. Du bist krank und solltest handeln wie bei jeder anderen schlimmen Krankheit auch.

    Alles Gute

    LG
    Gerchla

  • Ich stimme dir uneingeschränkt zu. Ich werde definitiv Hilfe benötigen, ich bin nicht so naiv zu glauben, das wäre es jetzt gewesen. Dennoch kann ich schlecht einordnen, was es mit dem Trimens auf sich hat? Ich fühle mich derzeit wirklich etwas wackelig auf den Beinen und zugegeben, die Texte, die man darüber lesen kann, sind wirklich furchteinflößend. Die Frage ist, wann ist dieses Risiko ausgeschlossen? Tritt so etwas jetzt noch auf oder bin ich zumindest physisch "über den Berg"?

    Danke und einen schönen Abend,
    Jonas!

  • Ich vermute mal Du meinst Tremens oder auch Alkoholdelir. Die Gefahr besteht grundsätzlich natürlich. Deshalb sollte man auch nicht ohne ärztliche Begleitung entziehen. Was Du gerade machst ist ein kalter Entzug, das kann gefährlich werden und man sollte sowas nicht machen. Trotzdem machen das Viele weil sie nicht zum Arzt gehen wollen, aus diversen Gründen.

    Wenn Du also auf die sichere Seite willst dann ab zum Arzt oder in die Klinik. I.d.R ist der körperliche Entzug nach etwa 7 - 10 Tagen durch. Der psychische Entzug ist die eigentliche Sucht. Das begleitet Dich dann für den Rest Deines Lebens. Und genau dafür braucht’s dann eben mehr als nur nicht trinken. Genau dafür sind z.B. Therapien da. Aber auch die sind keine Garantie. Es liegt an Dir allein und wie Du Dein Leben ohne Alkohol weiter gestaltest. Wenn Du es schaffst ein zufriedenes Leben ohne Alkohol zu führen wird das Zeug keine Rolle mehr für Dich spielen. Aber das ist ein Prozess, eine Entwicklung die Du eben z.B. Mit einer Therapie beginnst. Oder auch mit anderen Maßnahmen.

    Also ab zum Arzt, dann bist erst mal safe.

    LG
    Gerchla

  • Hallo Jonas,

    auch von mir ein herzliches Willkommen!
    ja, Gerchla hat ja eigentlich schon fast alles gesagt. Wenn du körperlich Symptome hast, suche bitte einen Arzt auf, auf jeden Fall aber,wenn es länger dauert oder sich verschlimmert. Zu sagen,wann so etwas (die körperliche Seite) "durch" ist, dazu fehlt mir wirklich die Kompetenz...und auch die Erfahrung; ich habe auch ohne ärztliche Hilfe aufgehört, hatte allerdings auch - abgesehen von Schlafstörungen - keine körperlichen Symptome.
    Bei mir überwog ganz eindeutig die Psyche, ich habe "nur" Abends getrunken, hatte keinen dauerhaften Pegel und konnte es wenn die äußeren Zwänge stark genug waren auch mal einen Tag oder sogar ein paar Tage bleiben lassen, aber eben nicht dauerhaft.
    Bei mir war der Schlüssel zu erkennen und zu bekennen, dass ich süchtig bin (eben Alkoholiker) - obwohl ich keinen starken körperlichen Entzug hatte.Dabei hat mir meine Selbsthilfegruppe sehr geholfen, die ich schon am ersten Abend, nachdem ich den Entschluss gefasst habe, aufzuhören ,besucht habe.
    Das ist für mich sehr wichtig, um die Erinnerung wach zu halten, kann ich wirklich nur empfehlen.
    Und wenn du die richtige, für die passende Gruppe gefunden hast, kann das auch durchaus Spaß machen.

    Liebe Grüße

    Frank

  • Hallo, Jonas!

    Auch von mir ein HERZLICHES WILLKOMMEN :welcome: hier im Forum und zunächst mal Glückwunsch zu Deinem Entschluss 44.

    Kurz zu mir: Ich bin m, 56, Alkoholiker und nach mehreren Anläufen nun seit über 11 Jahren trocken (und ich vermisse NICHTS :D ).

    Ich kann mich eigentlich nur Gerchla anschließen, was den Arztbesuch und das offene und ehrliche Ansprechen Deines Konsum angeht.
    Auch einen Besuch einer Suchtberatungsstelle und/oder einer Selbsthilfegruppe (SHG) kann ich auf Grund eigener Erfahrungen nur empfehlen.

    Wenn Du weitere Informationen brauchst/suchst, dann schau doch mal in unsere Linksammlung oder unsere Literatur-Ecke - da findest Du eine Menge davon.

    Ansonsten wünsche ich Dir erstmal viel Spaß beim Stöbern hier, einen guten Austausch - und viel Erfolg!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo zusammen,

    nachdem es mir vorletzten Freitag doch recht mies ging, habe ich mich etwas von der Panikmacherei distanziert. Ich bin mir meiner treu geblieben und schreibe heute tatsächlich den 14. Tage ohne Alkohol. Ich bereue es nicht und ich vermisse auch nichts. Ich suche keine Ablenkung, aber entdecke immer wieder neue Dinge, die ich tun muss, für mich, an meinem Häuschen. Ich schlafe recht wenig, durchschnittlich nur noch 6 Stunden die Nacht gegenüber vorherigen 8 pro Nacht. Ich fühle mich wacher und voller Kräfte und erkenne gerade, wie viel Zeit ich doch habe. Ich weiß, dass ich jahrelang die Kraft und Wirkung des Alkohols unterschätzt habe, sehr sehr schleichend hat es immer weiter Überhand genommen. Ich möchte nicht sagen, dass ich über den Berg bin, aber ich weiß, dass ich das Zeug definitiv nicht brauche. Kein Bierchen, kein "Kumpel", kein "Feierabendbier". Ich bin derzeit am Aufräumen, nicht nur in meinem Leben, sondern auch in meinem Haushalt. Es ist schon übel, wo man überall sein Leergut verteilt hat, aus Faulheit, diesen einfach wegzubringen. Vielleicht ist es nicht nur Faulheit, sondern auch einfach Scham... Jedenfalls habe ich fast 20 Kisten Bier weggebracht, wohlgemerkt seit dem Beginn des Jahres. Nicht, dass das alles war, aber das war der reine häusliche Konsum. Gar nicht auszumalen, was man sich und seinem Körper da zumutet.

    Ich habe die Kommentare und auch die Empfehlungen hier durchaus wahrgenommen und gelesen. Ich denke, eine geeignete Sozialgruppe oder dergleichen zu finden wird nicht so ganz einfach sein, insbesondere vor dem Hintergrund der beruflichen Eingespanntheit etc.. Zwei Wochen sind eine lange Zeit für mich, ich bin schon ein wenig stolz. Wenngleich ich mitunter die Zeit vergesse. Am 02.03.2020 habe ich den ersten Schritt getan. Mir geht's ausgesprochen gut und ich freue mich, dass zumindest die körperlichen Erscheinungen so langsam abnehmen. Es gibt immer noch Nächte, in denen ich schwitze, wie nur was. Aber das ist okay für mich, wofür hat man denn eine Waschmaschine? Ich bin voller Ideen und Kraft für die Zukunft.

    Was mir allerdings aufgefallen ist, dass das Hirn doch ziemlich heftig daran getriggert ist, was man in den letzten Jahren getan hat. Man räumt auf, belohnt sich mit einem Bier. Man mäht Rasen, belohnt sich mit einem Bier. Dinge anders zu tun, fällt mir gerade nicht sehr schwer, aber die Assoziation ist einfach im Hirn. Das muss ganz offensichtlich umprogrammiert werden. Mir gefallen die kleinen Erfolge, Dinge, die ich früher wochen- und monatelang aufgeschoben habe, werden jetzt in kürzester Zeit erledigt. Natürlich denkt man sich manchmal, was eine Scheiße. Aber ein Gedanke an Bier wird und würde im Moment sofort verworfen. Es ist, als wäre eine Art "Schalter" umgelegt worden nach dem Motto: "Kannste machen - wird aber Sch****".

    Meine nächsten Schritte sind die weitere Stabilisierung des Lebens mit ohne Alkohol. Mit ohne Alkohol meint in diesem Zusammenhang, sich selbst zu festigen und auch in einer Gruppe sagen zu können: Nein danke, ich trinke nicht. Dies betrifft insbesondere Firmenfeste, die in Kürze bevorstehen. Ich werde mich natürlich nicht freiwillig in eine Bar begeben. Dafür empfinde ich es noch zu frisch und bekanntlich sagt man ja "Gelegenheit macht Diebe", um es mal zu abstrahieren. Derzeit ist es in meinen Augen noch zu frisch, als dass ich mich tatsächlich dieser Situation stellen möchte. Sie wird kommen, keine Frage, aber es muss jetzt noch nicht sein. Umso besser, dass ich derzeit auch gar kein Bedürfnis habe, weder nach einem Bier, noch nach einer Bar.

    Im April möchte ich dann das andere Laster - das Rauchen aufgeben. Das ist noch einmal eine ganz andere Hausnummer, aber eins nach dem anderen. Ich habe festgestellt, dass das Rauchen und das Trinken sehr häufig im Einklang stehen und sich wechselseitig triggern. Zu einem Bier eine Zigarette und vice versa. Heute ist es das Wasser statt dem Bier, aber die Erkenntnis des Nutzlosen wird immer größer. Ich weiß, nicht hätte, könnte, sollte... Machen! Für mich ist hier wichtig, dass die Umstände es zulassen und ich mich darauf konzentrieren kann, die Sucht loszulassen, egal in welcher Form.

    Ich wünsche euch einen schönen Wochenanfang!
    Viele Grüße,
    Jonas

  • Hallo Jonas,

    schön zu lesen, dass Du jetzt schon 14 Tage ohne Alkohol lebst. Meiner ursprünglichen Aussage mehr zu tun als "nur" nicht mehr zu trinken habe ich nichts hinzuzufügen. Wie man das macht muss man selbst heraus finden. Die Wege in ein zufriedenes Leben ohne Alkohol sind sehr individuell und manchmal brauchts auch mehrere Anläufe, was Dir hoffentlich erspart bleibt. Für manche sind es die klassischen Hilfsangebote, andere gehen andere Wege, wieder andere kombinieren unterschiedliche "Methoden". Wie gesagt, sehr individuell, wie wir Menschen selbst ja auch.

    Ich möchte Dir noch sagen: Bei aller positiver Energie die Du jetzt spürst, bei aller Euphorie die sich jetzt in Dir breit macht, sei bitte wachsam. Ich will Dir keinesfalls Deinen Erfolg vermiesen, das liegt mir mehr als fern. Ich schreibe Dir das nur, weil ich genau hier meine eigenen Erfahrungen machen musste. Ich kenne das Hochgefühl, das nach ein paar Tagen ohne Alkohol einsetzt sehr gut. Ich hatte dieses Gefühl bei allen meinen Trinkpausen, jedenfalls bei jenen, die länger als nur ein paar Tage gedauert haben. Das waren die Trinkpausen, die relativ am Anfang meiner Trinkerkarriere statt fanden. Später konnte ich leider nur noch kurze oder gar keine Pausen mehr einlegen.

    Mit dem Hochgefühl kamen bei mir dann auch immer irgendwann die Zweifel. Die Zweifel, ob ich wirklich so ein großes Alkoholproblem habe, wie ich mir "eingeredet" habe. Ich sagte mir dann immer: "na so schlimm kann es doch nicht gewesen sein" oder "eines kannst ja mal wieder trinken, Du hast ja bewiesen, dass Du jederzeit aufhören kannst", etc. Deshalb mein Hinweis: sei wachsam. Meine längste Trinkpause dauerte übrigens fast ein Jahr. Ein Biermischgetränk, spontan getrunken, weils mir ein Nachbar über den Zaun gereicht hat, brachte mich innerhalb von ein paar Tagen wieder auf die Spur und dann auch gleich auf ein neues, höheres Niveau.

    Also, das wollte ich Dir einfach nochmal als kleinen Hinweis aus meiner eigenen Erfahrung heraus schreiben. Bleib dran und lass uns ab und an mal wissen, wie Du so voran kommst. Alles Gute!

    LG
    gerchla

  • Ja, Jonas: Schön zu lesen, dass Du doch am Ball geblieben und nun schon 14 Tage "ohne" bist 44.

    Ich möchte Gerchlas Gedanken nur noch 2 von mir hinzufügen:

    nachdem es mir vorletzten Freitag doch recht mies ging, habe ich mich etwas von der Panikmacherei distanziert.

    Ich weiss ja nicht genau, was Du mit "Panikmacherei" meinst, vermute aber mal, unsere Warnungen bezüglich dem "kalten Entzug" … Und das ist weder Klugscheisserei noch Panikmache, sondern auf Erfahrung beruhende und gut gemeinte Warnungen, da ein kalter Entzug sehr wohl tödlich verlaufen KANN - nicht muss!
    Ich selbst habe zum Glück keinen Krampfanfall erlebt, aber einen Gruppenfreund hat es erwischt - und er lebt heute nur deshalb noch, weil er zufällig gerade nicht mehr im auf der Straße/Fahrbahn war und Leute da waren, die schnell und richtig reagiert haben!
    Also tu bitte unsere Ratschläge nicht einfach so ab - man muss sie ja nicht annehmen/beherzigen.

    Ein anderer Gedanke kam mir bezüglich des Rauchens. Bei MIR hat sich alleine schon mit dem Ausstieg aus dem Suff mein Zigarettenkonsum drastisch reduziert. Und trotzdem habe ich noch eine ganze Weile gebraucht, mir auch noch die letzten paar Zigaretten abzugewöhnen.
    Jetzt bin ich die auch los - Yippieeh ;D Aber ehrlich gesagt wäre es mir damals Zuviel gewesen, Beides auf einmal anzugehen.
    Wenn Du es Dir zutraust - und schaffst: Respekt!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

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    können wir nur selber tun!

  • Guten Abend,

    entschuldige, ich wollte keinesfalls despektierlich klingen, das war nicht meine Absicht. Ich war vorletzte Woche nur ganz kurz davor, mir einen zu trinken, weil es ja tödlich enden könnte. Ich habe das gelesen, es klingt mehr als nur unglaublich für mich. Ich war schon an der Tankstelle. Hätte einfach nur zugreifen müssen. Ich habe es nicht getan. Ich habe mittlerweile verstanden, dass x Bier genauso schlimm sind wie y Vodka, es geht um den reinen Alkohol, der zu sich genommen wird, das ist mir ganz klar bewusst beworden, was mich auch ganz schön mitgenommen hat.

    Ich habe manchmal ein Schriftbild, welches extrem negativ wirkt, auch dessen bin ich mir bewusst. Ich mag überheblich wirken, bin ich aber weiß Gott nicht. Ich möchte einfach nur zum Ausdruck bringen, was mich bewegt, ich möchte schildern, was das mit mir gemacht hat. Ich galt nie als besonderer Liebling, aber ehrlich gesagt, wollte ich dieser nie sein. Ich verstehe auch explizit Gerchlas Warnung, der mir heute gesagt hat, was alltäglich passiert. "Lust auf ein Bier"? "Wollen wir uns irgendwo treffen und was trinken"? "hey, lass mal einen drauf machen".

    Ich für mich hätte vor zwei Wochen ermutigende Worte gebraucht, glaube ich. Mach einfach weiter oder so etwas. Ich war mir der gesundheitlichen Konsequenzen kein Stück bewusst, ich habe extremen Respekt davor. Noch heute fühlt sich mein Kopf betäubt an, vom Alkohol. Ich weiß nicht, was das ist, ob das neuronale Schädigungen sind, ob sie jemals weggehen werden. Schön fühlt es sich jedenfalls nicht an.

    Was die Raucherei angeht... Ich habe tatsächlich das Gefühl, ich kompensiere im Moment die Sauferei ein bisschen. Nein, das ist gelogen. Ich glaube, mir fehlt der soziale Kontakt. Nein, ich weiß, es ist der soziale Kontakt. Der fehlende. Ich weiß nicht, wie ich micht inkludieren kann in diese Gesellschaft, da fehlt mir noch ein bisschen. Ich bin kein Psychopath, ich habe viel Spaß an der Arbeit, an den Kollegen, etc.. Aber zu Hause bin ich dann derzeit doch nur allein. Das ist quasi sowas wie ein Seelenstriptease. Das macht man mit. Eine Woche, zwei Wochen, drei Wochen, aber dann? Ich weiß, es fällt schwer, nachzuvollziehen, woran ich denke und was ich mir erträume. Ich weiß nicht, wie ich diesen Anschluss hinbekomme. Ich bin nicht fett, ich sehe nicht hässlich aus, ich bin sehr hilfsbereit, aber dennoch scheint es, als zählen solche Werte hier nicht.

    Eine räumliche Trennung kommt für mich aber auch nicht in Frage. Ich habe hier mein Haus, es geht mir eigentlich sehr gut, aber dennoch ist es verstörend, dass man sich einsam vorkommt, wenn man sich nicht einsam vorkommen sollte, aber nicht weiß, was man tun muss, um das zu ändern. Ich bin freundlich, ich bin nett, ich kann lesen und schreiben, ich versuche zu helfen, wo ich kann, aber es scheint niemanden zu interessieren, denn soziale Kontakte werden hier irgendwie nicht aufgebaut. Wenn, dann in der Kneipe. Aber in der Kneipe gibt es Alkohol, das ist keine Option. Es ist ein wenig trostlos, das gebe ich zu. Es fühlt sich an, als sei ich gerade irgendwie sehr sehr deprimiert und weiß nicht genau, wohin mit diesen Gefühlen. Danke, dass du das ausgelöst hast, Greenfox. Aber ich bleibe dennoch weiter stark.

    Einen schönen Abend wünscht
    Jonas

  • Okay, da war es wieder, das alte Problem: Sender und Empfänger.

    Unsere Warnungen kamen bei Dir wie eine Keule an und der erhobene Daumen war dabei nicht mehr zu sehen und Deine Motivation kam hier (bei mir) nicht so an, wie sie eigentlich abgesendet wurd.

    Aber auch Deine momentane soziale Hilflosigkeit (so möchte ich es jetzt mal nennen) ist nicht neu und/oder unbekannt. Da kann ich Dir echt nur eine analoge SHG empfehlen (was natürlich gerade jetzt schwierig ist, vermutlich erst wieder in ein paar Wochen wieder :o ). Denn da lernt man (reale) Menschen kennen, die ebenfalls keinen Alkohol trinken - einem also auch keinen anbieten werden -, man kann auch über andere Theman als nur Alkohol quatschen und soziale Kontakte pflegen. Natürlich je nach Sympathie. Zumindest hat man so schon mal die ersten Leute kennengelernt, die NICHT trinken ...

    So, und jetzt muss ich zur Arbeit.

    Schönen Tag noch wikende091

    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hast du ein oder mehrere Hobbys? Wenn ja, wäre ein Verein vielleicht was (allerdings einen ohne Saufrituale). Oder leg dir einen Hund zu, geh mit ihm raus, dann ergeben sich Kontakte von selbst :)
    LG Gerd

  • Hallo Jonas,

    ich finde, Du hast in Deinem letzten Post wunderbar zusammengefasst, weshalb Du zur Flasche gegriffen hast. Es steht mir nicht zu, hier meine hobbypsychologischen Erkenntnisse auszubreiten aber ich möchte Dir sagen, dass es zumindest bei mir entscheidend war zu wissen, warum ich eigentlich den Alkohol missbraucht habe. Und wenn ich es mal so sagen darf: Mir scheint bei Dir geht es doch ein wenig um den Sinn Deines Lebens, um die Frage warum Du eigentlich allein bist und darum, wie das jetzt alles weiter gehen soll, wo das hinführen soll.

    Also bei mir waren das damals zwei Phasen, die teilweise aber parallel abliefen. Erst mal wollte ich natürlich wissen, wie ich überhaupt so tief habe sinken können. Und so begann ich schon nach kurzer alkoholfreier Zeit mich damit zu beschäftigen. Letztendlich war das dann ein langer Prozess und ich brauchte etwa ein Jahr, bis ich einigermaßen klar sah. Die Aufarbeitung oder das Herausfinden dieser vermeintlichen Trinkgründe war ein sehr befreiender Prozess und er ermöglichte es mir gleichzeitig Strategien zu entwickeln, um künftig nicht wieder in die gleichen Fallen zu tappen. Auch das war und ist immer noch ein Prozess. Manches musste ich auch wirklich erst lernen. Denn bei mir war vor allem das Verdrängen von Problemen, das nicht sprechen können über Probleme oder das nicht Äußern können von eigenen Wünschen eine Ursache. Das kam aus meiner Kindheit und es war gar nicht so einfach mein Verhalten, mein Denken hier zu verändern. Aber ich konnte es lernen und heute kann ich es sehr gut.

    Die andere Phase beschäftigte sich ausschließlich mit dem Sinn meines Lebens. Auch damit begann ich sehr früh, gleich nachdem ich körperlich mit dem Gröbsten durch war und einigermaßen stabil (auch dank meiner damaligen SHG) ohne Alkohol leben konnte. Ich musste mich quasi damit beschäftigen, weil ich elementare und einschneidende Entscheidungen zu treffen hatte oder auch schon getroffen hatte. Also z. B. die Trennung von meiner Frau und damit auch von meinen Kindern. Da hatte ich fast 20 Jahre lang immer eine Familie und plötzlich war alles anders. Plötzlich zog ich aus, sah meine Kinder nur noch am Wochenende und anfangs auch nur mit starken Einschränkungen und stand vor einem kompletten Neustart meines Lebens. Alles ausgelöst durch meine Sucht und die große Schuld, die ich im Laufe meiner Saufjahre auf mich geladen hatte.

    Ich habe es hier schon ein paar mal geschrieben. Das war die schlimmste Zeit meines bisherigen Lebens und hätte ich jemals einen Grund zum Saufen gehabt, dann wäre es zu dieser Zeit gewesen. Wobei ich da aber glücklicherweise schon wusste, dass genau das mir nicht helfen würde sondern mich noch tiefer nach unten ziehen würde. Aber gut, da stand ich nun, vor den Trümmern meines Lebens.

    Und dann gings eben los. Stunden über Stunden verteilt auf Tage, Wochen, Monate, wo ich über mich und mein Leben nachdachte. Allein, mit einem sehr guten Freund und auch mit einem Mönch, der eine zentrale Rolle in meiner Geschichte heraus aus dem Alkoholsumpf eingenommen hat. Wer war ich, wer bin ich aktuell, wer möchte ich eigentlich sein? Was möchte ich denn mit bzw. in meinem Restleben eigentlich noch erreichen? Was macht den Sinn meines Lebens aus? Was möchte ich mal sagen über mein Leben, wenn ich kurz vor dem Ende stehe? Wie kann ich meine Ziele erreichen, was bin ich bereit dafür zu tun?

    Solche Fragen habe mir gestellt und auch versucht sie zu beantworten. Auch das war ein Prozess. Und ehrlich gesagt, das war für mich mit der wichtigste Prozess. Denn eine meiner wichtigsten Erkenntnisse war, dass ich ein anderer, ein guter Mensch werden wollte. Was ein "guter" Mensch ist, ist sicher auch wieder was recht individuelles. Ich hatte und habe da natürlich meine eigenen Vorstellungen und so machte ich mich daran, diese umzusetzen. Und das tue ich heute noch und ich musste feststellen, dass dieser Prozess nie zu Ende geht. Und darüber bin ich auch sehr froh. Immer wieder muss ich mich selbst korrigieren, manchmal auch revidieren. Aber immer häufiger bekomme ich von meinen Mitmenschen auch einfach nur sehr menschliche und positive Rückmeldungen, in Worten, in Taten oder auch einfach nur durch kleine Gesten. Das erwarte ich gar nicht, das kommt von selbst und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mir das nicht gut täte. Früher bekam ich solche "Rückmeldungen" nicht, oder aber ich war nicht in der Lage sie zu erkennen, sie anzuerkennen, sie wahr zu nehmen und was ganz wichtig ist, sie zu schätzen. Ich habe überhaupt nicht realisiert, von wie vielen wunderbaren Menschen ich eigentlich umgeben war.

    Und in diesem Leben hat der Alkohol überhaupt keinen Platz mehr. Es geht um ganz andere Dinge, um ein Bewusstsein, das ich versuche zu erreichen. Um eine Zufriedenheit, die ich erreichen möchte und die dann auch dauerhaft leben will. Ich bin heute ein sehr glücklicher Mensch, zufrieden und glücklicher als ich je in meinem Leben war. Das möchte ich mir bewahren und ich möchte andere daran beteiligen, Menschen helfen, sofern ich das kann und diese das auch möchten. Würde ich noch trinken, würde das alles keine Rolle spielen.

    Ich weiß jetzt nicht, ob Dir mein Geschreibsel nicht ein wenig zu abgefahren daher kommt. Ich sag mal so: Das hört sich vielleicht für manche ein wenig esoterisch an. Davon bin ich aber weit entfernt. Es geht m. E. einfach nur darum, dass man mit sich selbst ins Reine kommt und dann im Reinen bleibt. Hat man diese innere Ruhe erreicht und kann man sie bewahren, auch dann wenn das eigene Leben durch Einschläge von Außen mal durcheinander kommt (was natürlich auch uns trockenen Alkoholikern wie jedem andern passiert), dann braucht man das "Hilfsmittel" Alkohol nicht mehr. Dann wird einem schnell klar, wie sinnlos und kontraproduktiv dieses Zeug eigentlich ist.

    So, meine Worte zum Sonntag ;) Vielleicht verstehst Du was ich meine. Vielleicht findest Du ja jemanden, mit dem Du Deine Gedanken teilen kannst, mit dem Du über das sprechen kannst, was Du in Deinem Post angedeutet hast. Ich wünsche es Dir jedenfalls. Ich glaube das steckt ein Schlüssel für Dein Leben ohne Alkohol.

    Alles Gute.

    LG
    Gerchla

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