Gedankenkontrolle

  • Hallo nochmal,

    nach dem ich mich kurz vorgestellt habe, wollte ich gerne mal meine Gedanken mit Euch teilen, natürlich, um zu hören, was Ihr denkt bzw auch, um festzustellen, ob es hier Leute gibt, denen es genauso geht, wie mir. Denn manchmal fühle ich mich trotz Kontakt zu Mitpatienten mit meiner Sucht doch alleine.

    Manchmal stelle ich mir vor, dass Sucht bedeutet, dass im Kopf eine zweite Persönlichkeit entsteht, die sehr animalisch ist, denn sie versucht nichts anderes als an Nahrung zu kommen. Wobei die Nahrung in dem Fall natürlich Alkohol ist. Daher habe ich diesen Thread Gedankenkontrolle genannt. Denn oft weiß ich nicht, welche Gedanken wirklich von mir sind und welche mir von der Sucht "eingepflanzt" werden.

    Ich möchte ehrlich zugeben, dass ich kaum Suchtdruck habe. Den habe ich erfolgreich mit Adepent behandeln lassen. Aber im Kopf bleibt der Alkohol schon drinnen und zwar mehrfach täglich. Es gibt stabile Phasen, in denen ich jemanden sehe, der ein Bier trinkt und denke:"Nnur ein Schluck und Du musst kotzen. Bäh, ist das widerlich." Das kipt dann aber auch irgendwann und ich kann mir absolut nichts schöneres vorstellen, als ein paar Bier zu trinken und nur so kommen dann meine Rückfälle zustande. Es kommt eine riesige Vorfreude, die unbändig ist und ich ziehe los und kaufe mir in aller Ruhe ein paar Bier. Gute Marken, die mir "schmecken". Dann gehe ich nach hause, setze mir die Kopfhörer auf und "genieße" den Abend. So weit so gut. Es gibt sicher viele Leute, die so etwas machen. Der Unterschied ist nur, dass ich aus der Sache nicht mehr rauskomme und dann hat das ganze auch nichts mehr mit genießen zu tun. Es geht am nächsten Tag weiter mit Schnaps und ich komme überhaupt nicht mehr klar. Ich lande in der Entgiftung und danach ist das Geheule natürlich groß. Schlimm ist für mich, dass, so bald ich wieder auf zwei Beinen laufen kann und irgendwie halbwegs klar komme, setzt wieder "Lust" ein, etwas zu trinken. Dann denke ich mir natürlich:" Das darf doch nicht wahr sein! Das ist doch krank! Dir geht es psychisch, wie physisch schlecht und Du Glaubst, es wäre jetzt ein Highlight, etwas zu trinken....was ja nicht stimmt."

    Nachdem letzten Rückfall meinte meine Mutter, dass ich nicht immer davon ausgehen soll. Das ich einen Rückfall habe, sondern positiv denken soll. Es fällt mir aber schwer. Ich denke sehr oft, das geht jetzt mein ganzes Leben so weiter. Wie gesagt, ich hatte meine Gründe für den Titel "Gedankenkontrolle", denn ich denke mir, es gibt wirklich nur einen Weg für einen Alkoholiker, den Ausstieg zu schaffen und zwar aus voller Überzeugung nicht zu wollen. Ich habe damit unheimliche Schwierigkeiten. Zumal ich den einen Abend, an dem ich ein paar Bier trinke und Musik höre meistens tatsächlich schön finde. Aber der Preis dafür ist für einen Menschen, wie mich viel zu hoch. Was glaube ich auch erschwerend dazu kommt, ist die Tatsache, dass eine Freundin mich mal fragte, ob ich auf meine Trockenphasen nicht stolz wäre und ich dementierte. Ich bin es nicht. Ich empfinde keinen Stolz, wenn ich es schaffe nüchtern zu bleiben. Ich empfinde mich als kranken Menschen, der einfach nicht mehr so kann, wie er gerne will. Es eben, wie schon beschrieben, sehr zweischneidig. Ich bleibe grundätzlich zu hause und gehe nicht weg. Aus lauter Angst etwas zu trinken. Dann kommt aber die unbändige Lust und ich ziehe los und hole den Alk nach hause und mache es mir "gemütlich". Natürlich fehlt mir der Kontakt zu anderen Menschen und das Bedürfnis nach Entertainment habe ich auch. Ich bleibe aber zu hause, um auschließen zu können, dass ich mich wieder selbst übers Ohr haue. Auf der einen Seite, die große Angst, etwas zu trinken und dann kommt wieder eine Phase, da kann ich mir nichts schöneres vorstellen. Danach kommt oft eine Phase, in der mir psychisch die Kraft fehlt, dieses Leben zu leben. Da ich ständig, also täglich an Alkohol denken muss, entzieht es mir oft die Kraft, weil ich mir dann denke, dass geht jetzt Dein ganzes Leben so weiter. wie soll das denn jetzt funktionieren. Ich hoffe, ich habe alles so gut es geht beschrieben. Ich würde gerne zu denen gehören, die aus voller Überzeugung nichts trinken und auch noch stolz drauf sind, aber der Weg dahin fällt mir unglaublich schwer. Ich bin überzeugt, dass es schon mit der Gedankenwelt zu tun hat und im Endeffekt, so wie ich, immer fast schon auf den nächsten Rückfall zu warten, ist sicherlich auch nicht gerade förderlich. Aber sein denken zu änern ist nicht leicht.....finde ich.....

    Wie habt Ihr das gemacht.....wie geht es Euch damit? Das würde mich wirklich interessieren.

    Vielen Dank für die Antworten und einen schönen Tag für Euch.

    Lg FLoh

  • Hallo nochmal Floh,

    bevor ich Dir weiter schreiben "kann", würde ich gerne mal ein paar Fragen stellen und mich würden die Antworten darauf natürlich sehr interessieren.

    Also Du hast ja geschrieben, dass Du jetzt 40 Jahre alt bist. Ist übrigens ein Alter, um das herum sich viele Alkoholiker darüber klar werden, dass sie ein Alkoholproblem haben. Zumindest bilde ich mir ein, das ich in den Jahren seit ich mich selbst intensiver mit dieser Krankheit beschäftige, verstärkt auf die Gruppe der 40er treffe. Aber ist ja nicht so wiichtig. Was mich interessieren würde: Wie lange trinkst Du denn schon abhängig? Wie ist Dein Trinkverhalten genau? Täglich und Spiegel oder ein paar Tage und alles rein was geht und dann wieder etwas Pause?

    Hast Du einen Job bzw. hattest Du dort schon Probleme wegen Alk? Lebst Du in einer Partnerschaft und wenn ja, wie steht Dein Partner/Partnerin dazu? Funktionierender Freundeskreis noch vorhanden? Sonstige soziale Kontakte noch vorhanden? Hobbies, hast Du welche oder was machst Du so mit Deiner Freizeit (wenn Du nicht trinkst, meine ich)?

    Warst Du schon mal in professionellen Händen? Arzt, Psychologe, Suchtberatung, Therapie? Du warst ja offenbar auch schon paar mal in der Entgiftung, hast Du dann da anschließend nicht weitere Hilfe in Anspruch genommen?

    Und noch eine generelle Frage: Bist Du mit Deinem Leben zufrieden? Wenn Du Dein Alkoholproblem mal ausblendest meine ich. Ist alles gut so wie es ist, stehst Du da wo Du immer hin wolltest bzw. weißt Du eigentlich wo Du hin (wolltest) willst? Hast Du noch Pläne für Dein (restliches) Leben (hast ja erst Halbzeit ;) ).

    Fragen über Fragen, die Du nicht beantworten musst, wenn Du nicht willst. Wenn doch würde es mir helfen, Deine Situation für mich ein wenig klarer zu sehen. Was mich ein wenig irritiert ist mein Gefühl, dass Du ja richtig gerne trinken möchtest. Du sprichst ja von genießen. Das konnte ich z. B. in den letzten Jahren meiner Sucht überhaupt nicht mehr. Ich MUSSTE trinken, ob ich wollte oder nicht. Mein Gefühl ist, dass Du immernoch denkst, Du müsstest auf Lebenqualität verzichten, wenn Du den Alkohol nicht mehr "genießen darfst". Also was gibt Dir der Alkohol was Du im nüchternen Zustand nicht bekommen kannst? Und warum?

    LG
    gerchla

  • Hey :)

    das darf nicht wahr sein. Jetzt habe ich mir den Wolf geschrieben und der Text ist weg. Ich mache das morgen noch mal. Bis dahin eine schöne Zeit :)

  • Upps…

    Das passiert manchmal. Am besten in Word o. ä. schreiben und dann hier hinein kopieren. Da bist du sicher.

    LG Betty :sun:

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Liebe Flo,
    schön, dass du hierher gefunden hast.
    ich bin Britt, Mitte 50 und Alkoholikerin. Zur Zeit mache ich die 2. Ambulate Suchttherapie.
    Dein Thema „Gedankenkontrolle“ hat mich zum „Nachdenken“ gebracht. Ich stelle mir gerade die Frage, ob ich Gedanken kontrollieren kann bzw. will ich das? Ich weiß nicht, wieviel Gedanken ich so am Tag habe.
    Jeder Gedanke macht was mit mir und in mir. Jeder Gedanke erzeugt Gefühle und jedes Gefühl erzeugt in mir Gedanken. Gedanken und Gefühle sind für mich eng miteinander verknüpft.
    Ist es nicht der Inhalt meiner Gedanken, der dafür verantwortlich ist, wie ich eine Situation erlebe und wahrnehme? Wie ich letztendlich fühle und handele?
    "Das Glück deines Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab." (Mark Aurel)
    Liebe Grüße von Britt

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Hallo Floh,

    Zitat von “Floh“

    Denn manchmal fühle ich mich trotz Kontakt zu Mitpatienten mit meiner Sucht doch alleine.


    Das ist völlig normal, finde ich. „Nur“ weil wir etwas gemeinsam haben, eben die Alkoholkrankheit, sind ja trotzdem erhebliche gravierende Unterschiede in unseren Persönlichkeiten vorhanden, die uns manchmal das Gefühl der Einsamkeit geben.

    Zitat von “Floh“

    Manchmal stelle ich mir vor, dass Sucht bedeutet, dass im Kopf eine zweite Persönlichkeit entsteht, die sehr animalisch ist, denn sie versucht nichts anderes als an Nahrung zu kommen.


    Ich glaube nicht, dass in mir eine 2. Persönlichkeit durch meine Sucht entstanden ist. Im Extremfall wäre das ja pathologisch, also krankhaft, und man müsste von einer bipolaren Persönlichkeitsstörung sprechen.
    Ich weiß aber, dass diese „2. Persönlichkeit“, also eben die „animalische“, ungehemmte und hochrisikobereite, schon immer da war bzw. ist, und der Alkohol die „Vernunftschranke“, und die Fähigkeit zur klugen und weisen Abwägung, meiner nüchternen „Persönlichkeit“ einreißt.

    Zitat von “Floh“

    Denn oft weiß ich nicht, welche Gedanken wirklich von mir sind und welche mir von der Sucht "eingepflanzt" werden.


    S. o.: Alle Gedanken „sind von mir“. Auch die negativen. Genauso die, die ein Craving (Suchtdruck) auslösen können und „befeuern“.

    Zitat von “Floh“

    Ich möchte ehrlich zugeben, dass ich kaum Suchtdruck habe. Den habe ich erfolgreich mit Adepent behandeln lassen. Aber im Kopf bleibt der Alkohol schon drinnen und zwar mehrfach täglich.


    Mit Adepent u.ä. Craving-Medikamenten kann man zwar die „Gehirnchemie“ so weit beeinflussen, dass die unter anderem für Craving verantwortlichen Botenstoffe keine entsprechenden Signale aussenden. Aber Deine „Seele“, also Deine Psyche kann damit nicht korrigiert werden.
    Da hilft nur psychologische Therapie, um den Dingen auf die Spur zu kommen, die innerlich in Dir das Feuer für die Sucht am Glimmen halten.

    Zitat von “Floh“

    Das kippt dann aber auch irgendwann und ich kann mir absolut nichts schöneres vorstellen, als ein paar Bier zu trinken und nur so kommen dann meine Rückfälle zustande. Es kommt eine riesige Vorfreude, die unbändig ist und ich ziehe los und kaufe mir in aller Ruhe ein paar Bier.


    Dazu gibt es eine einfache, nachgewiesene und erforschte Erklärung: Suchtdruck, egal durch was getriggert, hält in der Regel maximal 15 Minuten an. Wenn man ihn nicht von innen heraus befeuert, also durch die Fixierung und Konzentration auf ihn aufrechterhält.
    Dagegen hilft anfangs, dass man sich mit individuell geeigneten Skills ablenkt. Dabei ist es egal, welche Skills man für sich anwendet. Hauptsache, man hat mit dem Skill keine Möglichkeit gleichzeitig den Gedanken an Alkohol „nachzuhängen“.
    Je öfter man das macht, umso mehr lässt das Craving nach. Wenn es dann auftritt, wird es immer kürzer.
    In Deinem Fall ist natürlich klar, dass Du, weil Du eben nachgibst und zumindest eine kleine Menge Alkohol konsumierst, keine Chance gegen Craving hast. Alle Sinne und Synapsen „schreien“ danach nach dem Suchtmittel.

    Zitat von “Floh“

    Das darf doch nicht wahr sein! Das ist doch krank! Dir geht es psychisch, wie physisch schlecht und Du Glaubst, es wäre jetzt ein Highlight, etwas zu trinken....was ja nicht stimmt."


    Wahr ist es – Du erlebst es ja immer wieder. Krank ist es auch. Eben alkoholkrank.
    Man könnte an diesem Punkt feststellen: Du hast noch keinen so großen Leidensdruck, dass allein die Gedanken, wo Du wieder landest, wenn Du erneut konsumierst, Dich davon abhalten können.

    Zitat von “Floh“

    Ich denke sehr oft, das geht jetzt mein ganzes Leben so weiter.


    Wäre möglich. Und bei relativ vielen Betroffenen ist das leider die Realität.
    Die Sucht hat Dir die Steuerungsfähigkeit in Deinem Leben aus der Hand genommen. Ein bisschen Sucht – und die Fähigkeit zu einem selbst bestimmten Leben ist vorüber.
    Es liegt in Deiner Hand nach einem für Dich passenden und begehbaren Weg zu suchen, wie Du – ganz ohne Sucht – die Kontrolle über Dein Leben wieder zurückgewinnst.
    Nicht einfach – aber möglich.

    Zitat von “Floh“

    Wie gesagt, ich hatte meine Gründe für den Titel "Gedankenkontrolle", denn ich denke mir, es gibt wirklich nur einen Weg für einen Alkoholiker, den Ausstieg zu schaffen und zwar aus voller Überzeugung nicht zu wollen.


    Oh – ich würde behaupten, es gibt viele, viele ganz individuelle Wege, die Sucht zum Stillstand bringen zu können. Und relativ oft wird diese Entscheidung sogar von außen „diktiert“ und hat mit Überzeugung gar nichts zu tun.

    Ich glaube nachdem, was Du hier von Dir preisgibst und beschreibst, hast Du einfach noch keine Entscheidung für ein abstinentes, alkoholfreies Leben getroffen, sondern liebäugelst immer noch damit, den Genuss von Alkohol kontrollieren zu können. Vielleicht auch mit den Hintergedanken, dass „es so schlimm auch wieder nicht ist“, oder werden kann.
    Ich verstehe sehr gut, dass Ausgehen, Freunde treffen, etc. unter der Voraussetzung für Dich mit Angst besetzt sind, weil Du – so liest es sich für mich – all diese Situationen unweigerlich mit dem Konsum von Alkohol verbindest. Die Angst davor lähmt Dich so sehr, dass Du dann noch viel irrationaler handelst, und Dir erst recht Alkohol nachhause holst.
    Solange die Gedanken an Alkohol bei Dir positiv besetzt sind, und solange Du Dir „nicht vorstellen kannst, ein Leben ohne Alkohol leben zu können“, werden die positiven Seiten der Abstinenz wenig ausrichten können. Das ist dann einfach so, und das hat überhaupt nichts mit „Gedankenkontrolle“ zu tun, sondern einfach nur mit dem starken Wunsch und Suchtdrang eines Alkoholikers, seine Sucht auf die eine oder andere Art weiterbetreiben zu wollen.
    Eine der wichtigsten Voraussetzungen eine Einsicht in die eigene Sucht zu bekommen, ist die grundsätzlich Anerkennung der eigenen Verantwortlichkeit dafür, dass man säuft. Genauso wie man dann später die alleinige Verantwortung dafür trägt, dass man sich für die Abstinenz entschieden hat.

    Vielleicht wäre es für Dich wichtig, Dich zum Beispiel mittels Selbsthilfegruppe mit Menschen auszutauschen und zu umgeben, die ihre Erfahrungen mit ihrer Sucht mit Dir teilen können und wollen, und die Dir vorleben können, wie ein abstinentes Leben wunderbar funktionieren kann. Eine Alkohol-Suchttherapie dauert nicht umsonst mind. 16 Wochen, obwohl die Patienten schon bei Antritt der Therapie nach Möglichkeit ein paar Wochen „trocken“ sein müssen.

  • Oh je....jetzt habe ich aber viel zu schreiben :)

    Also, fangen wir mal an.

    Ich versuche Dir Deine Fragen, so gut und schlüssig zu beantworten, wie ich kann.

    Wie lange ich schon abhängig trinke, kann ich Dir gar nicht genau sagen. Ich bin mir nicht sicher, wann ein Alkoholmißbrauch in eine Sucht überging. Angefangen hat das ganze bei der Bundeswehr. Da habe ich gemerkt, dass ich nach zwei Bier (0,5) mich müde machen und ich gut schlafen konnte. Ich hatte schon als Teen Schlafprobleme und da kam mir die Wirkung der zwei Bier sehr recht. Also habe ich nur abends getrunken und nicht tagsüber, da es ja nur darum ging müde zu werden. Ich habe mir darüber als junger Mann bei der BW keine Gedanken gemacht. Das sind jetzt also gute 22 Jahre. Nun, als die BW vorbei war, habe ich durchaus auch mal nicht getrunken. Begründung recht einfach. Ich hatte keine Lust. Wenn ich eine Freundin hatte, habe ich auch quasi mit einem Fingerschnipp aufgehört, da ich ja meine Beziehung nicht auf's Spiel setzen wollte. Es war durchaus auch möglich, dass sie ihre ein, zwei Gläser Wein trinkt und ich eben meine zwei Bier, aber eben kein drittes.Das funktionierte bis ca 2017. Alkohol irgendwo zu verstecken, um dann heimlich einen Schluck zu nehmen, war eine Idee, die mir nie in den Sinn kam. Über die Jahre hinweg wurde ich immer unzufriedener mit meinem Leben und dann kamen ca 2015 / 2016 auch mal Tage, an denen ich tagsüber getrunken habe, um ein wenig "abzutauchen". Habe aber immer die Kurve bekommen, um rechtzeitig zur Arbeit zu gehen und zwar arbeitsfähig. Ich glaube, dass bis 2017 mein Alkoholkosum nicht aufgefallen ist, denn ich hatte zu keiner Zeit Probleme bei der Arbeit und auch keine Gespräche diesbezüglich. Da ich mit "Gästen" (Gastro) zu tun hatte, wäre garantiert ein solches Gespräch gekommen, denn mit Fahne, kannst Du nicht mit Kunden oder Gästen zu tun haben. Außerdem habe ich im nachhinein rumgefragt, ob es jemanden aufgefallen ist. Es wurde dementiert. Ich bin sicher nicht immer erfolgreich gewesen, aber alles in allem war ich ein geschätzter Kollegen, auf den Wert gelegt wird. Dann kam 2017 ein Bandscheibenvorfall und dem entsprechend wurde mein Zeitvertrag nicht verlängert. Einen Kellner, der sich nicht bewegen kann, braucht keiner. Hier sind wir an dem Punkt an dem die letzte und einzige "Säule" in meinem Leben weggebrochen ist und mit einem schlag ist das Alkoholproblem eskaliert. Ab da habe ich dann alles, was ich bekommen konnte in mich reingeknallt und zwar 24 / 7. Das ging dann auch ein, zwei oder drei Wochen durch, bis ich, völlig am Ende in die Entgiftung kam. Seitdem mache ich nichts anderes als Therapie. Zwei mal Langzeit (eine ordentlich beendet). Anschließend Adaption. Selbsthilfegruppe und auch Therapie. Derzeit habe ich nur eine Suchtberaterin bei der Caritas mit der ich bei unserem Termin am Donnerstag nochmal Therapieangebote besprechen will. Hobbies. Ja, ich war früher mal sehr aktiv. Aber nachdem ich Trockephasen begonnen habe und nicht mehr jeden abend "naß" war, kam so eine Art Depresssion und ich hatte auf nicht mehr Lust. Kein Interesse an irgendwas. Ich versuche die Sachen alle wieder aufleben z u lassen, aber zu manchen Beschäftigungen sollte man eben doch mindestens zu zweit sein. Da wären: Tennis, Tischtennis, Tischfußball, Schach, ich mag Sprachen und lerne gerade Spanisch und Französisch aber lapidar (also nach Lust und Laune ohne feste Zeiten), Ski (will ich wieder machen..geht aber nur im Winter), Surfen (ist mein Fav, geht aber eben auch nicht immer), Reiten. Rad fahren und Schwimmen, Gesellschaftsspiele, E-Bass (leider kein Interesse mehr) und ich lese SEHR gerne (funktioniert auf Grund von Konzetrationsmangel aber auch nicht mehr so gut). Ich denke, es ist mehr als genug und ich habe sicher sogar was vergessen. Aber ohne Anschluss an andere Menschen sind einige Dinge davon leider nicht machbar. Das ich so gut wie keine sozialen Kontakte habe, liegt aber nicht an meinem Alkoholkonsum, sondern daran, dass ich sehr oft umgezogen bin und somit sich kaum feste Kontakte ergeben haben. Ich wollte unbegingt beruflich erfolgreich sein und habe eben auch alles andere dem entsprechend schleifen lassen. Ich bin immer dahin, wo der "geile" Job ist. Der konnte auch unbequeme Arbeitszeiten haben...ich habe es trotzdem gemacht. Das führte aber eben dazu, das meine Freizeit dann hauptsächlich aus DVD, Spazieren gehen und eben trinken bestand. Nachdem es jetzt Trockephasen gibt, kam neben einer Form von Depression eine Art "Aufwachen" und damit eben das Feststellen, dass in meinem Leben eben einfach nichts da war oder eben aufgebaut wurde. Das hat mich halt schon runtergezogen. Manchmal gehe ich in ein Geschäft und schaue eben nach neuen, interessanten Gesellschaftsspielen. Dauert nicht lange, da denke ich: "Laß einfach! Du hast eh keinen, der mit Dir spielt." Dann gehe ich niedergeschlagen wieder. Damit wäre auch Deine Frage, nach einer Partnerin beantwortet. Ich bin in die Gegend wieder zurückgezogen, in der ich aufgewachsen bin, in der Annahme, dass ich hier Leute kenne. Stimmt auch, aber die sind so beschäftigt mit ihrem Reihenhaus, Kind und Familie, dass Freundschaften nichts mehr wert sind. Positives Feedback bekomme ich schon, aber ich bin der der sich melden muss. Sonst meldet sich eben keiner und Unternehmungen sind schon mal ausgeschlossen. Zieht auch runter. Damit wäre auch die Frage beantwortet, ob ich mit meinem Leben zufrieden bin. Dazu aber gleich noch mehr. Eine Arbeit habe ich derzeit nicht. ich war bis vor kurzem an der SRH (weiß nicht, ob Du die kennst). Dort war ich sehr glücklich, weil ich alles hatte, was ich will. Viele Menschen um mich, mit denen man was reißen kann. Ne Menge beschäftigungsmöglichkeiten UNd ich wurde stark gefordert. Mehr möchte ich eigentlich gar nicht. Getrunken habe ich am Freitag abend aber trotzdem und bin rausgeflogen. Genauso, wie immer Sommer. Ich hatte eine sehr schöne Zeit und zwei geile Jobs. Dann kam mein freier Tag uuuuund *zack* Rückfall. (Hier sind wir nochmal bei meinem Trinkverhalten). So lange Du mich 7 Tage die Woche 12 Stunden unter Strom hälst, ist das völlig in Ordnung ...nur wehe, es kommt dann mein freier Tag. Mich reißt immer nur der Freitag abend rein. Stress und Druck und Sorgen machen mir gar nichts. Das ist kein Trinkgrund. Es spielt bei meinem Problem also eher eine untergeordnete Rolle, ob ich zufrieden mit meinem Leben bin. auf diese Frage gehe ich hier noch mal ein. Du sagst, Alkoholproblem ausgeblendet. Aber das geht ja eben nicht. Aber genau hier liegt ja schon das Problem, finde ich. Ich habe absolut keine Lust auf'n Reihenhaus, bei dem ich immer Samstags den Rasen mähe, damit die Nachbar eine gute Meinung von mir haben und die Schulprobleme von 7jährigen Interessieren mich eben auch nicht. Mir reichen zwei Koffer und ein Zimmer (Mehr hatte ich an der SRH ja auch nicht. War aber glücklich...ich halte mich eh nicht in meinem Zimmer auf. Wozu? Draußen gibt viel zu viel zu entdecken). Ich würde eben gern wieder auf Konzerte gehen oder tatsächlich mal in die Kneipe. 1 Euro auf den Tischkicker und die Hausmannschaft fordern. Manchmal vermisse ich meine alten Metal-Kumpels, mit denen ich sehr gerne was mal wieder machen würde. Ich sitze im Sommer gerne im Biergarten. Auch auf eine Party würde ich gerne mal wieder gehen....fällt halt alles flach. Zumindest jetzt. Es macht mir aber was aus. Im Kopf ist halt all das mit Alkohol kombiniert. Wie Dietmar schon geschrieben hat, ist es in meinem Kopf ausschließlich positiv behaftet. Daher kann ich all das nicht machen, weil ich eben zuviel Angst davor habe, dann unterzugehen. Die Realität ist, dass ich das Haus abends nicht mehr verlasse. Ich bin allerspätestens um neun zu hause. Ja, Pläne für mein restliches Leben habe ich schon. Mein Traum und der wäre grundsätzlich gar nicht unrealistisch, wäre Reiseleiter. Plausibel, nachdem Du ein wenig einblick in meinen Lebenstil bekommen hast, oder? Funktioniert aber auf Grund des Alkoholproblems auch nicht. Ich kann nach wie vor 8 Reisegruppen a 14 Tage Urlaub 12 Stunden am Tag beschäftigen und den damit verbundenen Stress in Kauf nehmen (Es gibt auch positiven Stress...ich mag ihn, sonst wäre ich ind er Gastro ganz schlecht beraten gewesen. Nur dann...wehe...es kommt der Tag frei. Das wird mein Untergang. Sagen wir, ich wäre in einem sonnigen Land mit Strand. Der Tag würde sicher so losgehen, dass ich mir denke"Du hast alles gut gemacht.Heute gönnst Du Dir was" und dann...?...gehe ich surfen :P Nein, ehrlich. Natürlich nach einem Frühstück an dem es an nichts Mangelt. Wahrscheinlich verbinde ich den Weg zum Strand mit einer kleinen Rad Tour...ABER, ich versichere Dir...der Tag endet in einer Surferbar. Entweder tausche ich mich mit anderen Surfern aus, oder, wahrscheinlicher, ich trinke in Ruhe mein Bier (anfangs) und sinniere ein wenig vor mich hin. Letztendlich würde es aber so enden, dass ich nicht mehr klar käme.

    Das Du irritiert bist, kann ich verstehen. Was ich an Alkohol nach wie vor so schön finde? Nun, der Anfang meiner Alkohol karriere liegt in Schlafproblemen. Woher kamen sie? Ich bekomme den Kopf nicht aus. Es gibt ja schließlich noch so viel zu tun und zu verarbeiten. Ich denke, wenn ich mir die Kopfhörer aufsetzte und mit Hilfe von Alkohol dann "wegtauche", um in ein "fernes Land" zu kommen, empfinde ich das als angenehm. Eine andere Erklärung habe ich dafür derzeit selbst nicht. Ich genieße den zustand, dass einfach mal die Seele baumelt und bei einem gewissen Pegel, der natürlich nicht zu hoch sein darf, kann ich fast in die Musik eintauchen. Auf mich wirkt sie dann intesiver. Ein Freund von mir meint, dass mir etwas in meinem Leben fehlt. Ich bin der gleichen Meinung, weißt aber nicht was. Ich genieße schon das "high", das durch einen gewissen Pegel ensteht, der eben nicht zu hoch sein darf. Von "Rotzebesoffen" rede ich also nicht. Nur, die Grenze ist überschritten. Ich kann es nicht mehr....und dann genieße ich es, so wie Du, auch nicht mehr. Dann ist es eine Höllenfahrt mit Expressticket und ich muss weitertrinken. Daher will ich an der Abstinenz arbeiten und "umlernen" Das Wort "Umlernen" ist vielleicht ein besseres als Gedankenkotrolle. Aber dazu später mehr. Der Form halber will ich noch mal auf Deine Frage bzgl der Arbeitsplätze eingehen. Ich sagte, ich hatte nie Probleme. Ganz richtig ist das jetzt nicht. Seit das Alkoholproblem eskaliert ist, fliege ich überall sehr zeitnah raus.

    Ich hoffe, ich habe all Deine Fragen beantwortet und konnte für Transparenz sorgen.

    LG Flo

    P.S.: Schreibe Später noch was, brauche aber jetzt ne Pause.

  • Hallo Floh,

    vielen Dank für die wirklich sehr ausführliche und offene Beschreibung Deiner Situation. Ich bin jetzt mal ehrlich. Das muss ich noch mehrmals lesen und dann muss ich mir mal in Ruhe Gedanken machen, was ich Dir dazu schreiben möchte. Ein paar Gedanken sind mir natürlich gleich sofort gekommen aber das muss ich jetzt erst mal "verdauen".

    Ich werde mal versuchen, wenn es meine Zeit erlaubt, Dir morgen in aller Ruhe meine Gedanken zu schreiben.

    Grundsätzlich finde ich es wirklich prima, dass Du alles so offen dargelegt hast. Jetzt können wir hier nämlich alle viel besser einschätzen, was Dich umtreibt, wo Du stehst usw. D. h. sicher nicht, dass wir Dir hier Patentrezepte liefern können (das wäre schön), zumal Du ja selbst schon sehr aktiv warst und einiges unternommen hast.

    Ich werde mich wieder melden bei Dir wenn ich meine Gedanken strukturiert habe. Einstweilen eine gute Zeit und bleib Standhaft!

    LG
    gerchla

  • Hallo Brit,
    also, ich habe das Wort Gedankenkontrolle mal gegen Umlernen getauscht. Umlernen geht schon, also ich habe es schon gemacht in anderen Bereichen. Vielleicht kam ich auf das Wort Kontrolle, weil ich manchmal davon rede sich zu "programmieren". Ich habe dazu mal ein interessantes Buch gelesen, in dem steht, dass für manche "Programme" die in Dir laufen....oder wenn Du so willst Muster oft ein "falsches Gegenprogramm entwickelt wird und Du Dich dementsprechend selbstverständlich oft verhälst. Bestenfalls selbstschädigend. Auch bin ich der Meinung, dass man sich Situationen wie eine Art Würfel vorstellen kann. Du kannst ihn drehen und damit Deine Sichtweise ändern, denn der Würfel zeigt Dir ja nun etwas anderes. Also für mich funktioniert das ganz gut, Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Das für bestenfalls dazu, dass Du Dich in einer Situation entscheiden kannst, ob Du lachst oder weinst. Dazu gibt es ja durchaus viele Geschichte, die meiner Meinung nach Wahrheitsgehlat haben. In meinem Fall wäre gemeint, dass ich, anstatt unzufrieden zu sein, dass ich nicht so bin wie andere auch theoretisch dankbar sein könnte, dass ich zu denen gehöre, die sich entscheiden wollen, ihren Körper nicht mehr zu schädigen. Das nur als beispiel. Ich denke, Du weißt, was ich meine, oder?

    @ Dietmar. Danke für Dein gutes Feedback. Da ist schon einiges, worüber ich gerne nachdenken möchte. Ich bin mir momentan nicht sicher, was richtig oder falsch ist und ziemlich unsicher.....da hilft mir so ein Input schon.

    LG FLoh

  • Hi Flo, auch von mir ein Danke für die ausführliche Beschreibung. Auch ich surfe, spiele Instrumente und würde auch gerne mal wieder mein Lieblingsbuch lesen, wenn ich mal Ruhe in meinem Schädel hätte. Bei mir ist es so, dass mir Stress und Druck sehr wohl was ausmachen, und ich dann an freien Tagen drauf hin mir etwas genehmige und schnell eskaliert es in einem Exzess. Die freien Tage mache ich aber dafür nicht verantwortlich da ICH es bin der trinke, wohlwissend, dass ich es nicht im Griff habe. Dann lasse ich mal wieder ein paar Monate die Finger weg, dann geht's aber wieder los, Stress, viel zu tun auf der Arbeit, alles nervt irgendwie und dann kommt der freie Tag, dann bin aber wie gesagt ich es der den Gedanken hat, zu Kaufen, zu Trinken, zu Konsumieren.

  • Hey Haupe,

    wie es scheint haben wir ein paar Gemeinsamkeiten :) Dann kennst Du es ja auch, wenn man gerne lesen möchte, aber im Kopf hat, dass man "gerne" was trinken möchte und sich deswegen nicht konzentrieren kann.

    Nur eine Sache würde ich gerne richtig stellen. Ich mache ganz sicher nicht den freien Tag verantwortlich. Ohne Freizeit würde ich durchdrehen.
    Das ist dann schon meine Verantwortung. Wenn das so klang, als ob ich den freien Tag verantwortlich machen würden, dann kam das mißverständlich rüber.

  • Hallo Floh,
    am Anfang meiner Alkoholfreiheit war ich recht ruhelos und ich hatte sehr viel Zeit, die ausgefüllt sein wollte. Ich habe etwas in Angriff genommen. Mein Hobby, das mich seit Kindertagen begleitete, habe ich ausgebaut. Ich habe Kurse belegt und dann mit einem belgischen Fotografen eine Ausbildung gemacht. Mittlerweile fotografiere ich professionell und habe tolle Projekte und Ausstellungen. Ich reise und fotografiere... Ich bin günstig ans Meer gefahren und bin mit meinem Fotorucksack durch die Natur gelaufen. Kilometer um Kilometer. Ich habe mich gesucht, langsam meine Bedürfnisse kennengelernt und Stunde um Stunde, Woche für Woche mein Glück gefunden. Ich bin jetzt seit 5 Jahren alkoholfrei unterwegs und ich weiß jetzt was ich will. Alkohol jedenfalls nicht mehr.
    Ich genieße heute anders.
    Ich wollte dir auf diesem Wege nur ein Beispiel geben.
    Bebötigst du erst einmal eine Idee, einen Weg zu dir selbst? Musst du noch sortieren? Es wird auch für dich einen Weg aus der Ruhelosigkeit geben.
    Guten Austausch hier.
    Gruß Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Hallo!

    Ich kann mich Bettys Ausführungen nur anschließen.

    Auch ich rate Neueinsteigern dazu, sich Dingen zuzuwenden, die sie früher vor ihrer "Alkoholkarriere" gerne gemacht haben. Da gibt es häufig Anknüpfungspunkte für Beschäftigungen, die einem Freude machen und ausfüllen.

    Ich habe beispielsweise den Sport, in niedrigen Dosen, wiederentdeckt. Mindestens 2 x wöchentlich gehe ich ins Fitnesstudio und i.Ü. nehme ich, wann immer es geht mein Rad und fahre durch die Gegend. Daher freue ich mich schon auf die kommende Zeitumstellung, dass ich auch abends wieder mal ein paar Touren machen kann.

    Gruß
    Rekonvaleszent

  • Hallo Floh,

    so jetzt also mal meine Gedanken zu Deinem langen Post. Als ich Deinen Post das erste mal las dachte ich, da werde ich wohl eine sehr lange und sehr differenzierte Antwort schreiben "müssen". Und dann habe ich es wieder und immer wieder gelesen. Alles das, was Du auf die ganzen Fragen geantwortet hast, wie Du geantwortet hast. Die Tonalität Deiner Antworten usw.

    Und jetzt denke ich, ich könnte zusammenfassend sowas ganz banales schreiben wie: Du bist einfach noch nicht so weit. Du findest im Alkohol noch zu viel Positives. Er gibt Dir noch viel zu viel als das Du dauerhaft auf ihn verzicheten möchtest. Ich denke es wäre Dir am liebsten, wenn Du ihn kontrolliert trinken könntest. Vielleicht würde es Dir auch gefallen, wenn Du Dich kontrolliert richtig abschießen könntest, quasi ohne den absoluten Totalabsturz.

    Ich will Dir natürlich nicht zu nahe treten und selbstverständlich kann ich komplett falsch liegen. Es ist nur das was ich mir denke. Natürlich hast Du erkannt, dass es eine recht gefährliche Geschichte ist. Natürlich weißt Du auch irgendwie, dass es so nicht weiter gehen kann, dass es auf die Länge gesehen richtig eng werden könnte. Aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass bei Dir da noch verdammt viele positive Assoziationen mit dem Alkohol verbunden sind.

    Ich muss da mal wieder auf mich selbst zurück kommen, weil nur darüber kann ich ehrlich und authentisch berichten: Ich hatte diese "Phase" auch. Sie dauerte sehr lange, viele Jahre. Ich bin keiner, der komplett abgestürzt ist und dann in der Entgiftung aufgewacht ist. Ich war einer der täglich seinen Stoff brauchte und der sich den Rest immer ganz am Ende des Tages gegeben hat. Genau so, dass ich irgendwie ins Bett gefallen bin und erst mal ein paar Stunden weg war. Meist so, dass ich aufgrund der Gewöhnung an das Zeug am nächsten Tag ohne größere Nebenwirkungen funktioniert habe. In dieser Phase verbrachte ich ein paar Jahre. Da trank ich vielleicht irgendwas zwischen 6 und 8 Bier am Tag, vielleicht auch mal mehr und ich hatte noch alles einigermaßen im Griff. Nicht mehr so gut wie die Jahre vorher, wo ich mich lange zwischen 3 und 6 Bieren eingependelt hatte. Aber es war noch so, dass es einigermaßen ok war. Aber ich war mir da schon sehr darüber im Klaren, dass es so ja nicht weiter gehen konnte und dass ich natürlich ein Problem habe. Aber ich war noch nicht so weit um tatsächlich bedingungslos zu kapitulieren und alles dafür zu tun, nicht mehr trinken zu müssen.

    Was folgte waren eben Versuche zu Reduzieren und natürlich Versuche mal mit dem Trinken aufzuhören. Was dann aber halt nur Trinkpausen wurden. Was fehlte mir also um wirklich trocken werden zu können?

    Diese Frage habe ich mir später dann oft gestellt, als ich meine ganze Suchtkarriere aufgearbeitet habe, als ich irgendwann mir mal dachte: Mann, warum hast Du das denn nicht schon viel früher gemacht, so viel wäre Dir und vor allem Deiner Familie erspart geblieben.

    Die Antwort die ich mir gegeben habe ist: Da war ich noch nicht so weit. Es war doch noch zu schön für mich, meine ganzen vermeintlichen Probleme und Sorgen dann abends final wenigstens für ein paar Stunden auszulöschen. Klar, waren sie am Morgen wieder da. Trotzdem, oft freute ich mich regelrecht darauf, besonders wenn ich wusste, dass keiner da ist, auf den ich Rücksicht nehmen muss. Weil ich z. B. auf irgend einer Dienstreise war. Ich war noch nicht so weit und der Alkohol gab mir noch das, wovon ich dachte das ich es anders ja nicht bekommen kann. Ein Irrglaube, jedoch wusste ich das ja nicht. Ich verstand nicht, dass genau das ein elementarer Bestandteil der Sucht war.

    Irgendwann kippte es dann bei mir. Es kamen noch ein paar echte Sorgen dazu und ich steigerte meine Trinkmengen nochmal und ich begann schon morgens damit. Dann war endgültig schluss mit lustig. Jetzt konnte ich nicht mehr pausieren und nicht mehr reduzieren, auch wenn ich es gewollt hätte. Jetzt stieg ich immer schneller und immer steiler hinab. Meine Psyche, die vorher noch so lala war, war jetzt komplett geschrottet, mein Körper veränderte sich massiv, ich bekam auch körperliche Suchtsymptome. Trotzdem funktionierte ich noch, log und betrog ich mich noch durch meine Scheinwelt und versuchte diese mit allen Mitteln aufrecht zu erhalten.

    Und dann kam Tag x, ich war so weit, könnte man sagen. Ich hatte keine Kraft mehr, in mir kam scheinbar aus dem Nichts der feste Wille auf, nie wieder trinken zu wollen und endlich mein Leben so führen zu wollen, wie ich es mir Wünsche. Und, oh Wunder, der Alkohol hatte all seine Faszination verloren. Kein Wunsch auch nur einen Tropfen zu irgendeiner Gelegenheit trinken zu wollen. Ich begann zu verstehen, dass mir der Alkohol niemals, zu keiner Zeit, irgendwie geholfen hatte. Das bedeutet nicht, dass all meine postitiven Erinnerungen die ich an ihn hatte (und noch habe) ausgelöscht gewesen waren, aber diese haben keine Kraft, keine Bedeutung mehr weil ich sie sozusagen entlarvt habe. Und ich lernte auch, dass ich alles wovon ich dachte "das macht nur mit Alkohol Spaß" auch ohne sogar noch viel besser hinbekam (dauerte aber schon seine Zeit bis ich soweit war). Im Zuge meiner Aufarbeitung, meiner ganz bewussten Aufarbeitung (diese dauerte sehr lange) wurde mir bewusst, dass es (für mich) nur darum geht, mit meinem eigenen Leben zufrieden zu sein. Im Idealfall vielleicht sogar ab und mal glücklich zu sein. Einen Sinn für mein Leben zu haben und diesen auch zu verfolgen. Mich zu entwickeln, selbstbestimmt und die Richtung, die ich vorgebe.

    Natürlich musste ich einige Dinge lernen, die ich irgendwie in meinen Leben vorher verpasst hatte und die mit dazu beigetragen hatte, dass ich den Alkohol so toll fand. Dazu gehörte bei mir z. B. das Akzeptieren und Aufarbeiten von Problemen, anstatt sie zu ignorieren und weg zu saufen. Das hat eine Moment gedauert. Vieles mehr könnte ich schreiben, ich lass es aber es würde den Rahmen sprengen.

    Wenn Du mit Dir und Deinem Leben klar bist, dann wirst Du nicht mehr trinken müssen. Keine Sehnsucht mehr danach haben Dir den Kopfhörer aufzusetzen, Musik zu hören und Dich dabei wegzudröhnen. Du wirst letzteres einfach weg lassen und es wird Dir dabei noch besser gehen, weil Du frei von Alkohol bist.

    Mehr kann ich Dir nicht schreiben. Du hast ja viel klassische Ansätze bereits durch. Ich z. B. habe keine Therapie gemacht, nicht eine einzige. Ich war bei Psychlogen, ich war beim Arzt und ich war in einer SHG. Und ich hatte gute Freunde und ich hatte einen Mönch, mit dem ich stundenlange Gespräche geführt habe. War sicher auch eine Art Therapie aber eben keine klassische. Es gibt also viele Wege. Entscheidend ist wohl, dass man seinen findet und als Grundlage dafür sehe ich den absluten Wunsch und Willen sein Leben wieder selbst gestalten zu wollen.

    Es ist leider nicht so einfach mit dieser Sucht. Sie ist derart vielfältig, dass es Dinge oder Wege gibt, von denen man gar nicht glaubt das es sie gibt oder das sie funktionieren können. Die klassischen Methoden sind die, die erfahrungsgemäß für viele ein guter Weg oder vielleicht auch nur ein guter Anfang sein können. Aber ansonsten muss man wohl wirklich selbst versuchen den richtigen Weg für sich zu finden.

    Ich wünsche Dir dabei alles Gute. Mehr kann ich Dir leider nicht schreiben.

    LG
    gerchla

  • Also erstmal danke an Rekon und Betty,

    Eure TExte helfen mir durchaus zu glauben, dass ich das vielleicht auch mal hinbekomme.

    Und Gerchla....Du hast mit 95 % von dem was Du schreibst recht. Daher kam ich ja auch auf die Idee des "Umlernens". Das geht schon, braucht aber natürlich Zeit. Gerade eben, als ich schon mal die erste Fuhre Leergut weggebracht habe, habe ich trotz des vollen Rucksacks mit verschwendetem Geld daran gedacht, dass i ch eben gerne "normal" wäre. So muss ich für's erste das kleinere Übel wählen.Es wird immer von Freiheitszugewinn gerdetet, wenn man abstinent ist. Ich habe mich freier gefühlt, als ich noch abends getrunken habe, denn da konnte ich auch mal weggehen. Jetzt bleibe ich aus Sicherheitsgründen immer zu hause und traue mich nicht raus. JETZT fühle ich mich mehr eingekerkert. Und der Begriff zufriedene Abstinenz ist für mich eher ein Fremdwort. Zumindest aktuell. Wie soll das gehen, wenn man ständig auspassen muss, wohin man geht...oder eben (Gedankenkontrolle) auf seine Gedanken aufpassen muss. Manchmal lese ich ein Buch und lege es dann wieder weg, weil ich soooo gerne ein Bier trinken möchte, dass ich nicht mehr verstehe, was in dem Buch steht. Das macht eher traurig als alles andere. Nicht desto trotz lese ich auch bei Dir zwischen den Zeilen, dass ich auf dem Weg bin. Ständig werde ich kritisiert, weil ich (angeblich) Therapie ablehne. Was nicht stimmt. Wie ich Dir geschrieben habe, habe ich morgen einen Termin bei der Dame von der Caritas, der ich vertraue (das ist ja schon mal das erste...Vertrauen) und wollte mich nochmal wegen Therapie beraten lassen. Ich lehne Therapie ab, die mir nichts bringt. DAS ist richtig, aber ein Unterschied zu einer generellen Ablehnung. Ich wollte mich noch mal für eine Langzeit anmelden, habe es mir dann aber anders überlegt, da die Therapie ein kleiner Bestandteil des Ganzen ist und man sich sonst zum Großteil mit "Pillepalle" (Beschäftigungs-und Arbeitstherapie beschäftigt. Ich frage mich, wozu ich das brauche. Ich wollte eher den Weg gehen intensiver Therapie zu betreiben, die sich wirklich mit meiner Person beschäftigt, um eben genau das heraus zu finden, WARUM mir Kopfhörer / Bier Kombi so viel bringt. Der Preis, den ich für diesen kleinen Moment zahlen muss , ist viel viel viel zu hoch. Manchmal ziehe ich folgenden Vergleich: Ich hatte mal einen Mercedes CE 230 Baureihe W123. Kennst Du vielleicht. Baujahr '80. Schön aufgemacht, nicht prollig...meiner Meinung nach stilvoll. Seltene Chromspeichenfelgen etc. Angenommen, ich habe den Wagen geliebt. Angenommen ich würde diesen Wagen heute wieder beim Händler sehen, so, wie ich ihn hatte. Schön, ABER kein Kat, Benzin verbleit, abgesehen davon, weißt Du, was ein 80er Benz an Sprit gefressen hat? Heute unbezahltbar...und dann komm mal an Ersatzteile ran. Dazu ist der Wagen reperaturbedürftig und ohne TÜV. Der Händler möchte 250.000 € für den Wagen. So sehr ich den Wagen geliebt habe.....meinst Du ich würde ich heute so kaufen? Für den Preis? Natürlich nicht. Aber beim Alk mache ich es im Endeffekt. Auf jeden Fall danke für Deinen Text. Ich fühle mich hier gut aufgehoben im Forum und denke, dass bringt mir auf jeden Fall etwas.

    LG Floh

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