Beziehung beendet ohne ein Wort

  • Hallo Community,

    ich lese seit Wochen hier mit. Es fällt mir immer noch schwer meine Gedanken zu sortieren und alles in Worte zu fassen. Mein Freund (53) und ich (38) waren jetzt 5 Jahre zusammen. Durch den Umstand dass wir nie zusammen gewohnt haben, habe ich lange nicht bemerkt dass er Alkoholiker ist.

    Unsere Beziehung war voller Extreme, teilweise wunderschön und gefühlsintensiv. Aber es wurde immer deutlicher und nach über 2 Jahren war ich sicher, er ist süchtig. Nach anfänglichem ausflippen und darüber lächerlich machen, konnten wir irgendwann über seine Alkoholkrankheit sprechen. Es folgten Abgründe, Liebe, Abneigung, Leidenschaft, Lügen, Urlaub, heftige Stimmungsschwankungen, Blackouts, Impotenz, finanzielle Probleme, Wahrnehmungsstörungen, eine Körperverletzung, Vertrauensbrüche, viel Streit und noch mehr Entschuldigungen und Versprechen. Er hält sich für den ganz besonderen Alkoholiker.

    Er mochte mein Hobby, so wurde es zu seinem (einzigen). Nach einem bestimmten Vorfall machte ich die Ansage du musst dich entscheiden, Alk oder ich. Viele Gespräche, Tränen bei mir, wir bekommen das hin von seiner Seite, so kann es nicht weiter gehen. Versprochen.

    Ein Jahr lang hatten wir dann regelmäßig aber nicht sehr intensiv Kontakt. Er war wechselhaft, distanziert, Borowiaks "Alk" in seiner Wohnung, nicht mehr betrunken in meiner Anwesenheit, Jellinek regt ihn auf, kontrolliertes Trinken??? Reden wollte er nie mehr. Ich wollte ihn nicht unter Druck setzen, Hauptsache er bleibt dran. Habe nie geglaubt dass ich co-abhängig sein könnte, denn ich habe ihn nicht gedeckt oder seine Sucht verharmlost oder unterstützt. Ich wusste nicht, dass ich genauso süchtig bin wie er. Er nach Alk und ich nach ihm. So kam ich immer wieder an, egal was er getan oder gesagt hatte. Ich wollte uns nicht aufgeben! Habe mich manchmal selbst gefragt ob ich keinen Stolz mehr habe.

    Nach einem Jahr wurde es wieder intensiver mit uns, hatte den Eindruck alles wird besser. Ich war so voller Hoffnung, meine Gefühle für ihn waren ungebrochen aber viel Vertrauen war zerstört.

    So kam es zu diesem Abend in seiner Wohnung, er muss kurz weg, war auch wirklich bei seinem Bruder, aber er hatte sein Handy vergessen. Ich hatte das Bauchgefühl dass eine riesige Unehrlichkeit zwischen uns steht.

    Was ich da sehe in seinem Handy, nun, offenbar sind wir, seit meiner Ansage vor einem Jahr, getrennt. Fotos von einer betrunkenen Frau im Minirock in seinem Schlafzimmer vor unserem Urlaubsfoto, ein aktuelles Kuss-Selfie mit seiner Ex-Freundin, zig sms mit einer Bekannten seit einem Jahr inklusive Verabredungen und offenbar möchte er seine Ex-Frau wieder heiraten. Alle Frauen abwechselnd, durcheinander und dazwischen immer wieder ich. Er belügt sie, besucht mit ihnen "unsere" Orte, benutzt exakt die gleichen Sätze. Mit einer Frau hat er die innige Pose unseres gemeinsamen Lieblingsfotos nachgestellt welches immer noch groß und breit in seiner Wohnung hängt.
    Ich komme mir vor wie ein Idiot. Während ich an unsere Beziehung glaubte, hat er sich längst anderweitig orientiert und vergessen mir das mitzuteilen!? Meine extra Portion Geduld und Verständnis, für ihn und seine Krankheit, hat das alles erst möglich gemacht. Auch trinkt er offenbar schlimmer denn je, hat keine Absicht trocken zu werden.

    Ich habe mich gefragt, ob Frau wirklich so blöd sein kann, sich ein Jahr lang etwas einzubilden, das überhaupt nicht ist? Durch meinen unbändigen Wunsch mit ihm glücklich zu sein, hatte er leichtes Spiel mir regelmäßig Hoffnung zu machen und mich warmzuhalten. Ich weiß, ich habe verpasst ein Ultimatum zu setzen und die Konsequenz zu ziehen. Konnte ich vielleicht auch garnicht.

    Als er an diesem Abend zurück kommt, frage ich ihn, was das alles zu bedeuten hat? Er verlässt den Raum und sagt "ich genieße mein Leben". Kein Blickkontakt mehr. Ich will ihm seinen Haustürschlüssel zurück geben, er sagt, er will ihn nicht. Mir ist das zuviel, ich gehe, er begleitet mich zur Tür, schaut mir nach und seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört. Ende. Das ist jetzt 2 Monate her.

    Eine andere Ex erzählt mir nun er habe vor 20 Jahren schon Flaschen in seiner Wohnung versteckt etc. Offenbar bin ich einem Profi aufgesessen!?

    Hatte ihn dann noch einmal angeschrieben, wann ich meine Sachen abholen kann - keine Antwort.

    Ich bin geschockt, habe Albträume, mir kommen die Tränen. Er fehlt mir sehr, aber es gibt kein zurück. Was ist Charakter und was der Alkohol? Mittlerweile bin ich soweit, dass ich ihn nicht mehr will. Mein Leben wird auf Dauer besser sein ohne ihn. Erkenne mich eh kaum wieder nach diesen 5 Jahren. Aber ich kann nicht abschließen weil ich nicht verstehe was passiert ist. Warum am Ende nicht wenigstens Freundschaft oder Anstand bleibt, wo angeblich mal Liebe war. Es verletzt mich unendlich dass er mit diesen Frauen Kontakt hält und ich ihm kein Wort mehr wert bin.

  • Hallo, Cindy!

    Als ich Deine Geschichte gerade las, habe ich mich gefragt, was Dich mehr enttäuscht hat: das er Alkoholiker ist - oder Dich er ganz einfach nach Strich und Faden betrogen hat?

    Denn ähnliche "Storys" habe ich auch schon von Menschen gehört, die KEIN Alkohol/Sucht-Problem haben. Deren einziges "Problem" war nur, dass sie menschliche Ar...mleuchter sind. Und Dein Ex hat eben zusätzlich noch ein Alkohol-Problem.
    Sorry, auch wenn es vielleicht unsensibel klingen sollte: Aber irgendwann wirst Du merken, dass das "Beziehung"sende das Beste war, was Dir passieren konnte. Und vordergründig lag es nicht am Alkohol ...

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Cindy,

    erst mal herzlich Willkommen hier im Forum. Schön, dass Du Dich entschieden hast selbst aktiv zu schreiben.

    Nicht schön, gar nicht schön, was Du zu berichten hast.

    Ich bin selbst Alkoholiker, bin fast 50 Jahre alt und lebe jetzt schon längere Zeit ohne Alkohol. Als ich noch trank tat ich das fast meine ganze Alkoholikerkarriere durch heimlich.
    Ich trank heimlich und war sehr gut darin. So gut, dass selbst meine Familie (Frau und 2 Kinder) davon nichts mitbekamen. Naja, sagen wir mal besser: Sie wussten nicht was mit mir los ist. Das ich mich in zunehmenden Maße negativ entwickelt habe und meiner Familie dadurch sehr viel aufbürdete, das haben sie natürlich schon bemerkt. Jedoch glaubten sie immer meinen Lügen....

    Ich möchte Dir sagen, dass ich mich (so glaube ich zumindest) sehr gut in Deine aktuelle Gefühlswelt hinein versetzen kann. Ich kann es deshalb, weil meine Frau nach meinem Outing (für sie damals aus heiterem Himmel) völlig zusammen brach und ich ihr damit ihre bis dato heile Welt und geplante Zukunft komplett zerstörte. Kurz nach meinem Outing habe ich mich dann auch noch von ihr getrennt und ihr damit sozusagen den Rest gegeben. Wir konnten aber immer miteinander Reden, heute können wir das sogar wieder sehr gut und so hatte ich die meiste Zeit einen guten Einblick in das, was ich da angerichtet hatte. Bei ihr und natürlich auch bei meinen Kindern. Ich schreibe Dir das kurz, damit Du ein wenig meinen Hintergrund kennst und wenigstens einigermaßen einschätzen kannst, wer Dir hier eigentlich schreibt.

    Ich möchte mal auf ein paar Dinge von Dir einfach eingehen, Dir meine Gedanken aus meiner eigenen Erfahrung heraus mitteilen:

    Zitat


    Was ich da sehe in seinem Handy, nun, offenbar sind wir, seit meiner Ansage vor einem Jahr, getrennt. Fotos von einer betrunkenen Frau im Minirock in seinem Schlafzimmer vor unserem Urlaubsfoto, ein aktuelles Kuss-Selfie mit seiner Ex-Freundin, zig sms mit einer Bekannten seit einem Jahr inklusive Verabredungen und offenbar möchte er seine Ex-Frau wieder heiraten.


    Das nennt man ein klassisches Doppelleben. Oder vielleicht sogar Trippelleben. Ich habe das auch gemacht. Ich hatte auch so ein Doppelleben. Nicht am Anfang meiner Sucht, auch nicht in der Mitter meiner Sucht, wo ich noch recht gut funktionierte, aber in der letzten Phase. Es ist also nichts, was nur Dir passieren konnte, weil Du vielleicht besonders naiv bist oder so. Es ist Dir passiert, weil Alkoholiker begnadete Lügner und Betrüger sind oder sein können. Ich kann Dir hier jetzt nicht schreiben, was ich alles gelogen, hingebogen, verharmlost, umgedichtet usw. habe. Es würde den Rahmen bei weitem sprengen. Ich wusste am Ende oft selbst nicht mehr, was wahr und was gelogen war.

    Ich machte Reisen die es gar nicht gab, rief meine Familie aber von diesen Dienstreisen täglich an um den treusorgenden Familienvater zu spielen. Stattdessen war ich um die Ecke und trank. Wenn ich heute zurück denke, könnte ich mich in Grund und Boden schämen und manchmal denke ich, das kann ich nicht gewesen sein. Ich war's aber.

    Zitat

    ch habe mich gefragt, ob Frau wirklich so blöd sein kann, sich ein Jahr lang etwas einzubilden, das überhaupt nicht ist? Durch meinen unbändigen Wunsch mit ihm glücklich zu sein, hatte er leichtes Spiel mir regelmäßig Hoffnung zu machen und mich warmzuhalten.


    Ich verstehe, dass Du Dir diese Frage stellst. Weißt Du, meine Frau sagte mir, dass sie auch nur den Wunsch hatte mit mir glücklich zu sein. Dass sie auch nur wollte, dass alles wieder gut wird. Und sie nicht wusste, warum ich so "komisch" war, warum ich mich immer mehr entfremdete. An Alkohol hat sie nicht gedacht obwohl ich mit täglich 10 Bier gestunken haben muss wie ein Elch. Vielleicht wollte sie es auch nicht sehen, sie wollte ja nur wieder glücklich sein mit mir. Geh hier nicht zu hart ins Gericht mit Dir, es gibt für Dich jetzt wichtigere Dinge die Du klären solltest.

    Zitat

    Als er an diesem Abend zurück kommt, frage ich ihn, was das alles zu bedeuten hat? Er verlässt den Raum und sagt "ich genieße mein Leben". Kein Blickkontakt mehr. Ich will ihm seinen Haustürschlüssel zurück geben, er sagt, er will ihn nicht. Mir ist das zuviel, ich gehe, er begleitet mich zur Tür, schaut mir nach und seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört. Ende. Das ist jetzt 2 Monate her.


    Hier hast Du eine recht typische Erfahrung machen müssen. Damit hast Du auf ziemlich schonungslose Weise mitgeteilt bekommen, dass Du eigentlich keine große Rolle in seinem Leben gespielt hast und spielst. Es wird Dich wahrscheinlich wenig trösten wenn ich Dir sage, dass die anderen Frauen das gleiche Schicksal haben wie Du. Auch sie spielen eine untergeordnete Rolle. Für Deinen Ex-Partner gibt es nur eine wirkliche Geliebte, und das ist der Alkohol. Partnerinnen sind ok, solange sie nicht nerven uns stören. Idealerweise sind sie hilfreich im Aufrechterhalten der Sucht. Falls nicht, tauscht man sie halt aus. Das ganze Gefühlschaos, das hin und her, die Liebesschwüre usw. Sie mögen sogar in dem Moment in dem sie ausgesprochen wurden so gemeint gewesen sein (zumindest war das bei mir so), jedoch ist ein nasser Alkoholiker gar nicht in der Lage zu lieben. Weißt Du, er meint zwar zu wissen was das ist, aber er weiß es nicht. Er lebt, je nach intensität seiner Sucht, in einer ganz anderen Parallelwelt. Ich würde Dir das gerne erklären aber es fällt mir sehr schwer das hier niederzuschreiben. Es ist eine Welt, die sich Dir als gesunder Mensch nicht erschießt. Ein gesunder Mensch kann all das Denken, das nasse Denken, gar nicht nachvollziehen. Schade, mir fehlen gerade die richtigen Worte.

    Zitat

    ch bin geschockt, habe Albträume, mir kommen die Tränen.


    Damit bist Du in der gleichen Situation wie meine Frau damals. Sie hat sich Hilfe gesucht. Ging zum Psychologen, hatte glücklicherweise auch einige sehr gute Freunde. Anders wäre sie wohl, nach eigenen Worten, nicht damit fertig geworden. Übrigens sind wir mit unserer Tochter auch zum Psychologen. Ich kann Dir nur ans Herz legen nicht alles mit Dir alleine auszumachen. Lass Dir helfen, suche Dir Hilfe, auch jenseits dieses Forums.

    Zitat

    Was ist Charakter und was der Alkohol?


    Eine Frage, die m. M. nach nicht so einfach zu beantworten ist. Alkohol verändert sicher den Charakter, bringt Charakterschwächen stärker zum Vorschein. Andererseits gibt es, ich sag es mal salopp, auch nicht trinkende Idioten. Man kann nicht davon aussgehen, dass ein Mensch ein guter Mensch wird, wenn er nicht mehr trinkt. Man kann davon ausgehen, dass er sich in der Regel verändert, wenn er nicht mehr trinkt. Aber er wird deshalb nicht automatisch ein guter Mensch. Aber auch das ist etwas, was für Dich nicht (mehr) bedeutend ist. Du musst Dich jetzt auf wichtigere Dinge konzentrieren.

    Zitat

    ein Leben wird auf Dauer besser sein ohne ihn. Erkenne mich eh kaum wieder nach diesen 5 Jahren. Aber ich kann nicht abschließen weil ich nicht verstehe was passiert ist. Warum am Ende nicht wenigstens Freundschaft oder Anstand bleibt, wo angeblich mal Liebe war. Es verletzt mich unendlich dass er mit diesen Frauen Kontakt hält und ich ihm kein Wort mehr wert bin.


    Und hier haben wir jetzt Dein eigentliches Problem, wenn ich das mal so sagen darf. Das worauf Du Dich jetzt konzentrieren solltest. Du hast selbst schon den Begriff Co-Abhängigkeit genannt. Es wird wichtig für Dich sein, dass Du Dich um Dein Leben kümmerst. Und ihn seines lässt. Es ist nicht mehr wichtig, mit welchen Frauen er jetzt rum macht, ob er weiter säuft, ob es ihm gut oder schlecht geht - nur DEIN Leben ist jetzt noch wichtig. Weißt Du, all diese Frauen usw. sind nichts anderes als das was Du auch warst: sie sind Mittel zum Zweck, austauschbar, letztlich bedeutungslos für ihn. Denn er ist süchtig und das scheinbar schon sehr sehr lange. Er lebt bereist sehr lange in einer sehr eigenen Welt.

    Und: Du hast es sicher nicht verdient, dass Du Dir Dein Leben auf Dauer von seinem kaputten Leben ebenfalls zerstören lässt. Drum lass ihn los, von mir aus lässt Du ihn in Liebe los, falls Du noch etwas für ihn empfindest, aber lass ihn ziehen. Das wird bestimmt nicht ganz einfach sein darum nochmal mein Hinweis auf Hilfe von außen. Das kann übrigens auch eine reale Selbsthilfegruppe sein. Probiere es doch einfach mal aus.

    Es tut mir wirklich sehr leid was Dir passiert ist. Gerade weil ich auch Täter war und ich so viel Schuld auf mich geladen habe. Ich möchte Dir zurufen: Lass Dir Dein Leben nicht kaputt machen. Hole es Dir verdammt nochmal zurück! Kämpfe gegen das Abhängigkeitsverhältnis zu Deinem Ex-Partner. Er hat es überhaupt nicht verdient, dass Du ihm auch nur eine Träne nachweinst. Ich weiß, ich rede mich leicht. Und lass Deine Gefühle ruhig heraus. Heule, wenn Dir danach zumute ist. Aber nimm den Kampf auf und hole Dir Verbündete, sprich Hilfe.

    Ich wünsche Dir eine guten Austausch hier um Forum und für Dich und Deinen Weg nur das allerbeste!

    LG
    gerchla

  • Hallo zusammen und vielen Dank für eure Beiträge!

    Lieber Greenfox, mehr ent-täuscht hat mich letzteres. Die Erkenntnis dass er ein Alkoholiker ist, war schon hart, aber meine Liebe zu ihm war groß. Er gab vor, wir haben das gleiche Ziel (glückliche Beziehung miteinander) deshalb wäre ich diesen Weg mit ihm gegangen.

    Dachte ich bin mit einem ehrlichen Alkoholiker zusammen, wobei ich jetzt glaube, wenn ich hier schreibe und an Gerchla's Worte denke, dass ehrlich und nasser Alkoholiker sich ausschließen!?

    Tyrion, ein anderer Blickwinkel ist ja erstmal hilfreich, ich verstehe was du meinst. Mit Sicherheit sieht er die Sache ganz anders. Die Basis einer Beziehung ist für mich unter anderem, dass ich meinem Partner glauben kann, was er sagt. Vielleicht hast du klar kommuniziert, ER kommuniziert in keiner Weise klar und ehrlich, er lügt und verarscht.

    Dass er mich loswerden wollte, kann ich ausschließen. Wenige Wochen vor unserem Bruch hatte er gefragt, ob ich in seinem Laden arbeiten möchte, was wirtschaftlich für beide Quatsch ist, aber uns viel gemeinsame Zeit gebracht hat. Ich wünsche, er hätte mir gesagt, was mir jetzt sein Handy gesagt hat: Ich schlafe mit anderen Frauen und saufen möchte ich auch! Er sagte aber das Gegenteil, wir bekommen das hin, ich liebe dich, zeigte mir einen HIV-Test damit wir ohne Gummi usw. und vieles mehr, was ich hier nicht öffentlich schreiben möchte. Deshalb gehe ich davon aus, dass er eigentlich so weiter machen wollte mit mir – und den anderen.

    Gerchla, du bist goldig, vielen Dank für deine lieben und erklärenden Worte. Dein Beitrag macht mich sehr nachdenklich, ich lese ihn jeden Tag. Bin sozusagen in Arbeit mit mir. Weiß noch nicht wie ich das Geschehene in meinen Kopf und deine Worte in mein Herz reinkriegen soll. Bei mir bleiben. Ja.

    Dein Text bestätigt meine Befürchtungen. Wie du das beschreibst, klingt absolut schlüssig, aber das heißt für mich auch, er steckt schon sehr tief drin. Du und deine Frau könnt heute bestimmt so gut miteinander reden, weil sie weiß, dass du nicht mehr lügst, die Basis dafür ist deine Trockenheit. Das kann ich mir bei ihm gerade nicht vorstellen, deshalb will ich gar nicht mehr mit ihm reden.

    Ich denke auch, genau wie du es beschreibst, dass seine Wahrheit nach jedem doppelten Whiskey eine andere ist, und davon hat er dann halt 8 am Abend. Er ist selbst völlig zerrissen. Mal arrogant und überheblich, dann am Boden mit 0 Selbstbewusstsein teilweise im täglichen Wechsel. Ich konnte das nie verstehen, deine Worte bringen mir alles etwas näher. Er sagt selbst, seine Gefühle ändern sich stündlich. Sowas ist eine Zumutung für jede Partnerin. Gerchla, meinst du eine Selbsthilfegruppe für Co’s?

    Was du über Gefühlschaos und Parallelwelt schreibst ist sehr interessant, denn genauso kommt er mir vor!!! Ich würde gerne viel mehr darüber erfahren, z. B. merkt der Alkoholiker das alles selbst nicht?
    Ist das reversibel, also bleibt da, bitte nicht falsch verstehen, kenne mich mit der Krankheit nicht so gut aus, kein lebenslanger Gehirnschaden zurück selbst wenn er irgendwann trocken wäre?
    Geht das Leben derart alkoholisiert immer weiter bergab oder kann er einfach nochmal 20 Jahre dranhängen?

    Kann auch nicht erkennen wo er sein Leben genießt. Ich hatte ohne Alkohol immer mehr Spaß als er mit. Körperliche Symptome hat er auch.
    Mit zwei seiner Handyfrauen will er eine Beziehung sie aber nicht mit ihm. Die Not nach Liebe ist auf seiner Seite und keine will sie ihm geben. Warum will er dass ich seinen blöden Schlüssel behalte?

    Habe ihn übrigens zufällig in der Stadt getroffen. Er war unsicher, wollte mich ganz freundlich grüßen, so als wäre nichts gewesen, am Ende noch Smalltalk oder wie? Überhaupt keine Lust auf so ein Schauspiel. Habe ihm regungslos in die Augen geschaut und bin weiter gelaufen. Da war ich wenigsten konform mit meinen Gefühlen.

    Er hat ein Bild online gestellt auf dem trägt er meinen Glücksbringer. Jetzt ist er überall gelöscht bei mir. Traurig.

    Grüße
    Cindy

  • Dachte ich bin mit einem ehrlichen Alkoholiker zusammen, wobei ich jetzt glaube, wenn ich hier schreibe und an Gerchla's Worte denke, dass ehrlich und nasser Alkoholiker sich ausschließen!?

    Sei nicht böse - aber ich musste kurz mal bitter auflachen. Zum Glück kam dann noch der zweite Halbsatz. Kaltes Feuer gibt es - aber ehrliche (nasse!) Alkoholiker?? Wohl seltener als die "Blaue Mauritius" ...

    EINE Hilfe für Angehörige (das müssen nicht Verwandte sein!) können Selbsthilfegruppen sein, wo diese sich über ihre Erfahrungen austauschen können. Da kam gestern übrigens eine nicht uninteressante Reportage - "Mein Mann und der Alkohol - Wenn die Liebe nicht reicht".
    Da wurden auch sehr wichtige Dinge angesprochen. U.a.: Der Betroffene geht in eine Therapie und bekommt jede Menge Hilfe und Unterstützung - und der Angehörige bleibt zu Hause zurück und muss alles alleine wuppen. Meist, weil er nicht weiß, dass es mittlerweile auch Hilfen für Angehörige gibt. Und weil es immernoch ein Tabu-Thema ist.

    Ansonsten kann ich nur sagen, dass Du gut daran getan hast, ihn "links liegen" zu lassen - im Allgemeinen als auch bei Eurer Begegnung in der Stadt ...

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Diese Reportage habe ich angeschaut und muss sagen: Sehr sehenswert. 44. 44. 44.

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Guten Morgen Cindy,

    ich will mal versuchen, Dir auf Deine Fragen aus meiner Sicht zu antworten und auch sonst vielleicht noch ein paar Gedanken da lassen.

    Zitat

    Wie du das beschreibst, klingt absolut schlüssig, aber das heißt für mich auch, er steckt schon sehr tief drin.


    Ich schreibe hier ja nur was ich selbst erlebt und gefühlt habe. Sicher ist das nicht zu 100% auf alle anderen Alkoholiker übertragbar, jedoch wird es bei vielen Dingen Parallelen geben. Zumindest ist das meine Erfahrung der letzten Jahren, in denen ich mich intensiv mit dieser Krankheit auseinander setze. Viele Muster sind gleich, trotzdem bleibt diese Krankheit eine individuelle Angelegenheit. Du hast ja vom ehrlichen Alkoholiker geschrieben. Ich hatte da mal eine Diskussion mit meiner ersten Frau über den "lieben Alkoholiker", den es ihrer Meinung nach ja auch gibt. Diese Diskussion fand statt, da war ich schon einige Zeit trocken und sie hat mir erklärt, was ich ihr alles angetan habe. Ich wusste mir damals nicht anders zu helfen als zu sagen, dass ein Teil dessen was ich getan habe an meiner Sucht lag (mittlerweile bin ich hier schon ein Stück weiter in meinem Denken, aber andere Baustelle). Und da erklärte sie mir, dass es ja auch "liebe Alkoholiker" gibt. Oder wie Du es sagst, "ehrliche Alkoholiker".

    Das hat mich sehr lange beschäftigt. Sie hatte da irgendeinen Bekannten oder Verwandten im Kopf. Der wohl ein "netter Kerl" war, meines Wissens auch ein paar Therapien (oder Versuche) gemacht hat und letztlich aber in seiner Sucht hängen blieb. Er war nicht aggressiv, tat niemanden was usw. Nun, wie es jedoch seiner Familie damit ging weiß ich nicht. Heute denke ich, dass es sicher "ganz schlimme" Alkoholiker gibt und vielleicht eher "umgängliche". Manche sind verbal und sogar pysisch gewaltätig, andere nicht. Sie ziehen sich vielleicht einfach nur mehr zurück, sondern sich ab, grenzen ihr Umfeld aus usw.

    Meine Frau sagte damals zu mir, es wäre ihr lieber gewesen ich hätte sie geschlagen als dass ich heimlich trank und sie somit psychisch verletzt habe. Denn dann hätte sie wenigsten gewusst woran sie ist. So wusste sie es nicht und litt vor sich hin.

    Zusammenfassend möchte ich sagen: Ich denke nicht, dass es den "guten" Alkoholiker gibt, der einfach nur trinkt und niemanden damit belastet oder verletzt. Es sein denn, er hat kein familiäres oder sonstiges Umfeld oder aber er/sie ist seinem Umfeld völlig egal. Ob alle Alkoholier auch lügen kann ich Dir nicht sagen. Ob es wirklich ehrliche Alkoholiker gibt, das weiß ich nicht. Ich möchte bei dieser Krankheit niemals nie sagen. Lügen und auch Betrügen gehört aber meiner Meinung nach zu den häufigsten "Nebenwirkungen" dieser Krankheit, gehört also quasi mit zum Krankheitsbild. Und ich persönlich kenne keine überzeugenderen Lügner als nasse Alkoholiker.

    Und was das "tief drin stecken" bezüglich Deines Ex-Partner betrifft: Ja, ich denke aufgrund dessen was Du beschreibst, dass er sehr tief im Suchtsumpf steckt. Er scheint ja auch schon sehr viele Jahre zu trinken. Es deutet nicht viel oder eher nichts darauf hin, dass er noch in einer Anfangsphase stecken könnte oder dass er nur Missbrauch betreibt. Er hat sich ja auch schon ordentlich in diverse Parallelleben verstrickt. Da wird er so einfach nicht mehr heraus kommen.

    Und an dieser Stelle möchte ich Dir sagen: Lass das alles bei ihm! Ich weiß, dass es gerade am Anfang, wenn die Verletzungen noch ganz frisch sind, leicht gesagt ist. Aber Du bist jetzt hier um für DICH Hilfe zu erhalten. Deine Gedanken und Dein Handeln sollten sich um DICH drehen. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr solltest Du daran arbeiten, dass NICHT er Dein Denken bestimmt. Nicht über ihn sollst Du nachdenken sondern über Dich.

    Zitat

    Weiß noch nicht wie ich das Geschehene in meinen Kopf und deine Worte in mein Herz reinkriegen soll.


    Das glaube ich Dir sofort! Nimm Dir die Zeit die Du brauchst. Aber arbeite konsequent daran.

    Zitat

    Mal arrogant und überheblich, dann am Boden mit 0 Selbstbewusstsein teilweise im täglichen Wechsel.


    Ganz klassisch, was Du da schreibst. Gefühlschaos pur. Je nach Tagesform und Level himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt.

    Zitat

    Gerchla, meinst du eine Selbsthilfegruppe für Co’s?


    Ja, das meinte ich. Ausprobieren ist da meine Devise. Du wirst sehr schnell bemerken ob das was für Dich ist oder nicht. Ich, als Alkoholiker, ging sofort nachdem ich aufgehört hatte in eine SHG. Eine meiner besten Entscheidungen! Die ersten Wochen war ich täglich dort, allerdings gab es bei uns auch ein tägliches Angebot, was z. B. im ländlichen Raum meist nicht der Fall ist.

    Später dann, nach ein paar Monaten bemerkte ich, dass es mich nicht (mehr) weiter bringt und ich habe die SHG wieder verlassen. Aber ohne böse Gedanken oder so. Ich sag' einfach: Ausprobieren, mitnehmen was man an Hilfe geboten bekommt und entscheiden, was gut für einen ist. Tut nicht weh und kann aber in der Praxis enorm hilfreich sein.

    Zitat

    Was du über Gefühlschaos und Parallelwelt schreibst ist sehr interessant, denn genauso kommt er mir vor!!! Ich würde gerne viel mehr darüber erfahren, z. B. merkt der Alkoholiker das alles selbst nicht?


    Ich will mal Versuchen das ein wenig zu beschreiben. Du hast ja bei meinem ersten Post schon gemerkt, dass mir das nicht so leicht fällt. Nicht, weil ich mich nicht artikullieren könnte, sondern weil es einfach sehr schwer in Worte zu fassen ist. Es ist so abstrakt....

    Also ich habe schon irgendwann mal gemerkt, dass ich ein Problem habe. Ein Alkoholproblem. Kaum gemerkt habe ich es aber auch schon verdrängt. Damit habe ich dann erst mal viele Jahre verbracht. Dann gab es viele Versuche mir zu beweisen, dass ich gar kein Problem habe! Indem ich z. B. Trinkpausen einlegte. Denn, wer mal ein paar Wochen oder Tage nichts trinken kann, der kann ja kein Alkoholiker sein. Ist natürlich Quatsch.

    In dieser ganzen "hin und her" Zeit manifestierte sich meine Sucht immer mehr. Schleichend veränderte sich dabei meine Psyche und mein Charakter. Langsam begann ich dann bestimmte Grenzen zu überschreiben, Grenzen, die früher einfach gesetzt waren, an denen ich niemals gerüttelt hätte. Richtig derb lügen ist z. B. eine davon. Dinge erfinden, die es gar nicht gibt oder gab nur um aus irgend einer Situation heraus zu kommen ist auch eine davon. Ich habe z. B. meine Mutter mal wochenlang mit schlimmster Krankheit in ein Krankenhaus gelogen um die Zeit meiner Krankenhausbesuche für mein Doppelleben zu nutzen. Dabei erfreute sich meine Mutter allerbester Gesundheit und tut das glücklicherweise noch heute.
    Irgendwann übernimmt der Alkohol komplett das Zepter. Und je länger das ganze geht, desto skuriler wird die ganze Angelegenheit. Desto heftiger und dreister werden die Lügen, desto schlimmer die Taten. Wie vorher schon mal geschrieben kann ich da vielleicht nicht für 100 % der nassen Alkoholiker sprechen, bei mir war es jedenfalls so und ich kenne mittlerweile die Lebenschgeschichten von vielen anderen, bei denen es sehr ähnlich verlieft.
    Und ja, natürlich "merkt" der Alkoholiker das. Also ich wusste natürlich was los war. Mein Schuldbewusstsein war nur auf ein Minimum herunter geschraubt. Ich dachte: solange sie nicht wissen das ich sie anlüge tue ich ihnen ja nichts - verstehst Du? SO dachte ich. Und es DARF NIE heraus kommen. Und um das zu verhindern musste ich oft eine bereits schlimme Lüge mit einer noch schlimmeren kontern.
    Und ab und an wurde mir das auch alles bewusst. Man könnte sagen, es waren die lichten Momente. Jedoch war das dann so schlimm, dass ich sofort trinken musste. Davon waren dann die Gedanken zwar meist nicht ganz weg, jedoch "verwandelten" sie sich. Plötzlich dachte ich: Wenn xy ist, dann höre ich auf und dann schaffe ich das auch. Und dann wird nie jemand irgendwas erfahren!

    Irgendwann war mir dann aber klar, dass ich nicht einfach so aufhören werde können. Da kamen dann Gedanken wie: irgendwas wird irgendwann passieren und alles wird gut werden - verstehst Du? Das ist natürlich totaler Schwachsinn. Aber so beruhigte ich mich selbst. Auf die Idee mein Leben zu ändern kam ich nicht. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen z. B. reinen Tisch zu machen und neu anzufangen. Das war überhaupt nicht in meiner Denkwelt verankert. Ich wusste gar nicht mehr, wie nicht lügen überhaupt funktionieren soll.

    Du merkst sicher wieder, wie schwer es mir fällt diesen Zustand zu beschreiben. Oft wenn ich etwas gesagt habe, dann habe ich das in diesem Moment auch so gemeint, z. B. Liebesschwüre, Versprechen, etc. Es war echt gemeint, hatte jedoch keine Substanz. Hielt nicht lange vor. Konnte es nicht, denn eigentlich war ich ja nicht ich. Ich war eine Marionette meiner Sucht. Was aber nicht bedeutet, das möchte ich Dir hier ganz offen sagen, dass ich deshalb nicht die Verantwortung für mein Handeln hatte. Es ist schwer zu beschreiben. Als nasser Alkoholiker befand ich mich nicht in der realen Welt, dachte aber lange Zeit, dass es so wäre und immer dachte ich, dass es ja alles nicht so schlimm ist, weil ich tue ja keinem was.

    Zitat

    Ist das reversibel, also bleibt da, bitte nicht falsch verstehen, kenne mich mit der Krankheit nicht so gut aus, kein lebenslanger Gehirnschaden zurück selbst wenn er irgendwann trocken wäre?


    Also, dazu möchte ich sagen, dass es natürlich körperliche Folgeerkrankungen bei Alkoholsucht geben kann. Auch Hirnschäden, Stichwort korsakov syndrom zum Beispiel. Natürlich gibt es auch diverse andere körperliche Nebenwirkungen durch Alkoholmissbrauch, allen voran natürlich Leberschäden, aber auch das Herz kann Schaden nehmen oder der Magen, die Bauchspeicheldrüse. Je nach Schwere bilden sich Symptome zurück und der Körper kann sich erholen oder aber es bleiben dauerhafte Schäden zurück.

    Und, nach meiner Erfahrung, gibt es auch wieder mal keine Formel, keine Regel. Will sagen: Der eine säuft jahrelang wie ein Loch und ist (physisch) "kerngesund", hat sogar top Blutwerte. Der andere betreibt ein paar Jahre Missbrauch und hat eine Leberzirrhose. Da scheinen genetische Faktoren auch eine große Rolle zu spielen, jedoch bin ich kein Mediziner und kann Dir dazu keine fachliche korrekte Auskunft geben.

    Auf das was Du vielleicht eher anspielt, sind die psychischen Schäden. Also kann es der Alkoholiker schaffen, aus seiner kaputten Gedankenwelt, seinem Doppelleben, seinen kruden Denkweisen heraus zu kommen um wieder "normal" zu denken und zu handeln.
    Ja, natürlich. Dazu dienen u. a. die Therapien. Jedoch, das sage ich wieder aus eigener Erfahrung: das braucht Zeit und das ist richtig Arbeit! Mir sagte mal ein AA Freund, gleich am Anfang nach meinem Ausstieg: "solange Du gesoffen hast, so lange brauchst Du auch bis Du wieder normal bist" - nun, aus heutiger Sicht und mit der Erfahrung die ich heute habe würde ich das so nicht unterschreiben wollen. Jedoch im Kern ist an dieser Aussage schon was dran. Es hängt meiner Meinung nach auch davon ab, wie stark man sich mit seiner Krankheit auseinder setzt, wie man sie aufarbeitet. Es gibt auch trockene Alkoholiker die sich annähernd so verhalten wie nasse. Nur dass sie halt nicht mehr trinken.

    In der Regel jedoch verändert man sich sehr. Das bedeutet aber nicht, dass man automatisch ein besserer Mensch wird. Man wird ein anderer Mensch. Bei mir dauerte es etwa ein Jahr, bis ich mit dem Gröbsten durch war. Ich musste mich anfangs bewusst zwingen nicht mehr zu lügen. Ich musste mich bewusst zwingen, Probleme anzugehen und nicht zu verschieben. Ich musste mich bewusst zwingen, meine immer noch nassen und negativen Gedanken zu übersteuern und in positive zu verwandeln. Ich musste quasi kopfgesteuert meine ersten Intuitionen und Gefühle, Handlungsmuster usw. korrigieren. Wieder und immer wieder. Ganz langsam ging mir dann diese neue (eigentlich alte) Denkweise dann Fleisch und Blut über.

    Heute z. B. versuche ich überhaupt nicht mehr zu lügen. Ich sage bewusst "versuche", weil ich weiß, dass jeder Mensch mehrmals am Tag lügt. Das sind aber nicht die Lügen um die es mir geht. Es geht mir darum, dass ich z. B. jemanden sage, wenn ich zu irgendwas keine Lust habe und nicht irgend Geschichte erfinde. Es geht mir darum, dass ich z. B. meiner Frau alles erzähle und nicht irgendwas "vergesse" oder weglasse weil ich denke, es ist vielleicht besser so. Es geht mir nicht darum, einem Kollegen oder einer Kollegin die danach fragt wie mir sein/ihr Pulli gefällt, zu erklären dass der total übel aussieht, auch wenn ich mir das vielleicht denke. Das kann ich stecken lassen, da muss ich niemanden verletzen. Das fällt unter die Rubrik charmante Notlügen, ich denke Du weißt was ich Dir sagen möchte.

    Also ja, man kann da ohne dauerhafte psychische Störung heraus kommen. Das ist dann genau das, was man die Überwindung oder den Stillstand der Sucht nennt. Und das ist die eigentliche Aufgabe oder Herausforderung eines nassen Alkoholikers wenn er trocken werden will und vor allem wenn er trocken bleiben will. Der körperliche Entzug ist in der Regel nach einer Woche geschafft. Der psychische dauert länger, viel länger, u. U. sogar ein Leben lang.

    Zitat

    Geht das Leben derart alkoholisiert immer weiter bergab oder kann er einfach nochmal 20 Jahre dranhängen?


    Wenn er es nicht stoppt, sprich, wenn er nicht aufhört und trocken wird, dann geht es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit immer weiter bergab. Wie lange es dauert bis er sich tot gesoffen hat, kann ich natürlich nicht sagen. Wie schon geschrieben: die einen halten mehr aus die anderen weniger. Es gibt fast nichts was es nicht gibt. Aber auch hier sage ich Dir: das ist nicht Dein Problem. Er hat entschieden zu trinken, das ist sein gutes Recht. Er kann auch damit aufhören wenn er das wirklich möchte. Du hast damit nichts (mehr) zu tun.

    Zitat

    Kann auch nicht erkennen wo er sein Leben genießt


    Mir ging es nie so schlecht wie in der Endphase meiner Sucht. Vegetieren und den Schein aufrecht erhalten, das war alles was ich getan habe. Mit glücklich sein oder genießen hat das überhaupt nichts zu tun. Auch wenn ich immer versucht habe, es so erscheinen zu lassen. Alles nur Fake. Aber, auch wieder seine Sache, nicht Deine.

    Zitat

    Warum will er dass ich seinen blöden Schlüssel behalte?


    Warum denkst Du darüber nach? Was willst denn Du? Ich denke, dass sind die Spielchen eines nassen Alkoholikers. Vielleicht bekommt er Dich ja doch nochmal an die Angel oder wenigstens ins Bett. Aber Du entscheidest doch jetzt (Stichwort: Co-Abhängigkeit!). Du willst den Schlüssel nicht behalten, hoffe ich mal. Also gib ihn zurück.Wirf ihn in den Briefkasten, schick ihn mit der Post oder was auch immer.

    Zitat

    Er hat ein Bild online gestellt auf dem trägt er meinen Glücksbringer.


    Da muss ich mich selbst zitieren: Ich denke, dass sind die Spielchen eines nassen Alkoholikers. Vielleicht bekommt er Dich ja doch nochmal an die Angel oder wenigstens ins Bett.

    Weißt Du, wenn ihm tatsächlich irgendwas an Dir liegen würde, dann würde er nicht so einen Schwachsinn verzapfen und so subtile Spielchen machen. Dann würde er zum Arzt gehen, sich in eine Klinik einweisen lassen, dort entgiften und sich anschließend um eine Therapie bemühen. Und selbst dann, liebe Cindy, selbst dann solltest Du Dir mehr als gut überlegen, ob Du Dich mit Deinem Ex-Partner noch weiter beschäftigen wollen würdest. Denn bei Euch scheint mir viel zu viel kaputt gegangen zu sein und Du verschwendest wahrscheinlich wertvolle Lebenszeit.

    Aber, das ist jetzt rein spekulativ, denn wie mir scheint, gibt es keinerlei Anzeichen, dass er auch nur irgendwas ein seinem Leben ändern will oder wird. Somit bist Du dran! Kümmere Dich um DEIN Leben.

    Alles Gute dabei.

    LG
    gerchla

  • Das ist so krass. Diese Denke.
    Tausend Dank für den Einblick erstmal !! Muss ich wirken lassen. Super erklärt.
    Kann man wohl erst wenn man trocken ist, deshalb konnte er es nicht :-X

    Interessanter Report Greenfox!

    LG Cindy

  • Liebe Cindy
    Ich bin wie du vielleicht schon gelesen hast in einer ähnlichen Situation wie du. Was du in deinem Anfangspost über dich und deine Beziehung berichtest ähnelt meiner Situation sehr. Es gibt so viele Parallelen dass man es erst nicht glauben kann aber es ist tatsächlich so dass Beziehungen mit Alkoholabhängigen Partnern nach einem Schema ablaufen sowie auch die Entwicklung der Sucht selbst.

    Gleich wie du habe ich anfangs die Sucht meines Partners nicht ernstgenug genommen. Obwohl ich es sehrwohl wahrgenommen habe dass er viel und zu oft trinkt, habe ich immer für mich selbst Ausreden gefunden dass dies nicht so schlimm sei. Nach 2-3 Jahren Beziehung wurde es mir dann aber zu regelmäßig und der Kreislauf den du beschreibst: Abgründe, Liebe, Abneigung, Leidenschaft, Lügen, Stimmungsschwankungen, Blackouts usw. und vorallem viel Streit und noch mehr Entschuldigungen und Versprechen hat begonnen.

    Mehrmals habe ich ihn vor die Wahl gestellt der Alk oder ich. Es wurden Blumen gekauft, Liebesbriefe geschrieben, Entschuldigungen und Versprechen, ich bin mehrmals ausgezogen, aber immer wieder zurückgekommen. Ich habe es nicht geschafft. Die Beziehung ging noch 5 Jahre so weiter. Auch wie du habe ich mich selbst des öfteren Gefragt ob ich keinen Stolz mehr habe.

    Im letzten Jahr unserer Beziehung wurde es so richtig schlimm. Ich wurde selbst krank und war auf seine Hilfe angewiesen, (dachte ich damals!) In dieser Zeit war ich körperlich eingeschränkt und hätte viel Unterstützung seinerseits gebraucht. Mein Partner hat stattdessen begonnen noch mehr als je zuvor zu trinken, nächtelang nicht mehr nachhause zu kommen, mich zu bedrohen, beschimpfen....
    Schlussendlich habe ich durch einen Freund erfahren dass er mich schon seit längerem betrügt.

    Ich bekam ein paar Tage nach unserer Trennung (an meinem Geburtstag) eine Nachricht: "Ich fühle mich das erste mal seit Jahren richtig glücklich" sonst nichts.
    Auch ich bin ihm jetzt kein Wort mehr Wert. Das tut sehr weh nach so einer langen intensiven Beziehung. Nur weiß ich mittlerweile warum. Weil ich sein größter Feind bin. Ich habe versucht ihm seinen besten, treuesten Freund, seine große Liebe weck zu nehmen. den Alkohol.

    Du schreibst du bist geschockt und hast Alpträume. Liebe Cindy ich weiß genau wie du dich fühlst! Ich hatte und habe immer noch ab und an furchtbare Alpträume. Ich hatte anfangs schlimme Panikattacken, die ich aber mittlerweile sehr gut im Griff habe. Ich habe mich so ohnmächtig, so dumm, so unendlich verletzt und verwirrt gefühlt. Ich kann mit dir mitfühlen und es tut mit sehr leid dass auch du so enttäuscht wurdest.

    Wahrscheinlich war auch für dich der Schritt sich hier anzumelden nicht einfach. Aber ich kann dir nun aus eigener Erfahrung berichten. Mir hilft es enorm mich hier mit anderen Betroffenen auszutauschen. Mir hilft es auch mich allgemein sehr intensiv mit dem Thema Alkoholismus/Co auseinanderzusetzen. Zu verstehen das Alkoholismus/Co eine Krankheit ist.
    Ein weiterer sehr schwieriger Schritt war für mich der Weg zu einer Suchtberatungsstelle. Ich möchte dir sagen wenn ich die Kraft nicht gehabt hätte durch diese Tür zugehen dann weiß ich nicht ob ich heute noch hier wäre. Ich war am Ende.
    Ich gehe seit einem halben Jahr regelmäßig dorthin, habe eine sehr nette Psychologin die mir extrem hilft diesen Weg hinaus in ein neues schöneres Leben zugehen. Es ist immer noch sehr viel schwarz in meinem Leben aber ich weiß dass es sehr viele wunderschöne Farben gibt. Irgendwann werde ich sie alle wieder sehen können! Und das wünsch ich auch dir !
    Deshalb kann ich dir nur sagen. Nimm all deinen Mut zusammen liebe Cindy und hol dir Hilfe! Du wirst sie noch brauchen.
    Du kannst und musst dies nicht alleine schaffen, du hast schon viel Zuviel allein durchgestanden!

    Ich hoffe dir hilft meine Antwort ein wenig weiter und ich würde mich freuen weiterhin von dir zu lesen und mich mit dir austauschen zu können. Ganz liebe grüße und ganz viel Kraft
    Sunrise :sun:

  • Lieber Gerchla, Sunrise und Greenfox vielen Dank für eure Sicht der Dinge und Gedanken, eure Geduld und dass ihr etwas aus eurem Leben erzählt. Das hilft mir schon sehr.

    Gerchla, ich hoffe auf dein Verständnis, dass ich nicht detailliert auf deinen letzten Post eingehe. Ich nehme ihn als Leitfaden für mich. Und als Mutmacher an schwierigen Tagen, als Gehirnwäsche bei Rückfallgefahr, als Weg zur Realität wenn ich umher irre, alles in Einem. Diese Sache löst noch starke Emotionen und Gedanken in mir aus. Die leider auch noch wechselhaft sind. Ich möchte es so stehen lassen, ohne irgendwas zu zerreden.

    Was ich will?
    Ich denke – keinen Kontakt mehr, ihn vergessen. Glücklich sein! (Das ist die vernünftige nicht die emotionale Version)


    Liebe Sunrise, ganz herzlichen Dank für deinen sehr lieben Post und die aufmunternden Worte, die ich gut brauchen kann. Ich hoffe es ist keine Schande wenn ich schreibe, dass es "angenehm" ist zu wissen, dass andere auch so etwas erleben. Ja es gibt einige Parallelen bei uns. Es sieht auch für mich so aus als gäbe es bestimmte Muster in der Partnerschaft mit einem Alkoholiker.

    Deine „Ex-Geburtstagsnachricht“ ist gemein. Wenn er glücklich wäre, müsste er es dir nicht unter die Nase reiben. Wahrscheinlich seine Art, dir mitzuteilen, dass er deinen Geburtstag nicht vergessen hat! Ich denke nasse Alkoholiker sind nie glücklich.


    Manchmal merke ich, dass mein Hass und auch die Zuneigung die da immer noch die ganze Zeit ist, die sich oft abwechseln, nun für Momente in eine echte Gleichgültigkeit ihm gegenüber umschlagen. Und das erschreckt mich dann selbst. Weil ich denke, wie konnte das mit uns passieren, dass es so weit kommt. Das wollte ich niemals.

    Es tut mir gut ihn nicht zu hören und nicht zu sehen, Abstand gewinnen, alles erscheint mir so unreal, als wäre ich das nicht gewesen.

    Es hat mich doch sehr verunsichert, jedes Mal nicht zu wissen was mich erwartet, Himmel oder Hölle oder garnichts weil ihm alles egal war. Ich habe das Gefühl ich brauche sehr viel Ruhe für mich selbst, zum Nachdenken und um alles anzunehmen, aber diese Ruhe ist mir auch beruflich nicht vergönnt, ich fühle mich gestresst und überfordert.

    Und dann …

    Heute Morgen habe ich eine Nachricht von ihm!! Was das gefühlsmäßig wieder bei mir auslöst. Unfassbar. Dachte er meldet sich nie wieder.
    Er wünscht mir einen guten Morgen und möchte wissen ob es mir (inklusive Kosename) und meinem Sohn gut geht!? Wie bitte???

    Den Geburtstag von meinem Kleinen hatte er letztes Jahr vergessen, obwohl er vorher versprochen hatte zu kommen. Junior hat auf ihn gewartet. Werde ich ihm nie verzeihen.

    Grüße
    Cindy

  • Liebe Cindy
    es ist keine Schande zu schreiben dass es angenehm ist zu wissen dass andere auch so etwas erleben. Wie schon erwähnt hilft es mir sehr mir hier die Lebens/Leidensgeschichten anderer durchzulesen. Ich verstehe dadurch ganz viele Dinge die passiert sind und immer noch passieren. Es gibt mir auch Hoffnung immer weiter zumachen und nicht aufzugeben. Es bestärkt mich in meinem handeln, denken und fühlen.
    Du schreibst dass sich die Gefühle Hass und Zuneigung abwechseln und wie dass nur soweit kommen konnte. Dass kenne ich sehr gut. Ich pendle immer noch zwischen diesen Gefühlen hin und her aber langsam hat sich der Hass etwas gelegt und die Gleichgültigkeit überwiegt. Ich glaube es braucht viel Zeit und Ruhe.
    Zur Ruhe kommen nach diesem Himmel oder Höllespiel ist bestimmt etwas sehr wichtiges. Da ich wie schon erwähnt Panikattacken hatte und wie irre durchs Haus lief, stand für mich fest ich muss irgendetwas finden um zur Ruhe zu kommen. Was mir dabei hilft ist Yoga und Meditation. Bis vor einem Jahr hätte ich jeden der mir so einen Tipp gegeben hätte wahrscheinlich ausgelacht, da ich bis dato null Erfahrung und auch keine Offenheit für jegliche spirituellen Praktiken hatte. Heute haben sich viele Ansichten von mir grundlegend verändert. Auch dass hat mich viel Kraft und Mut gekostet. Doch es hilft mir sehr.

    Bezogen auf seine Nachricht. War bei mir genauso. Habe auch immer wieder geantwortet oder mit ihm telefoniert. Da ich mir dachte vielleicht hat er gerade einen lichten Moment der Einsicht und schreibt oder redet als die Person die ich einst sehr geliebt habe. Meine Therapeutin versucht mir dies immer mit einem Beispiel mit zwei Steinen zu erklären.
    Der weiße Stein ist die Person die Verantwortung übernehmen kann über sich und andere Personen, die Entscheidungen treffen kann, die gut und böse unterscheiden kann, die Person die ich ursprünglich einmal kennen gelernt habe.
    Der schwarze Stein ist die Suchtpersönlichkeit. Die Person deren denken, handeln und fühlen vollkommen von der Sucht eingenommen ist.
    Im Laufe der Sucht / Beziehung wechselt sich immer wieder der weiße mit dem schwarzen Stein ab. (Für mich eine Erklärung auch für viele Verwirrungen in meinem Kopf)
    Was ich durch meine Therapeutin, die Menschen hier im Forum und Yoga versuche damit es mir im Kontakt mit meinem Ex besser geht ist: Ich versuche alle Handlungen und Entscheidungen BEWUSST durchzuführen, indem ich vorher kurz inne halte und mich frage: tut MIR das gut? (was kann für MICH positives herausspringen wenn ich darauf jetzt antworte oder abhebe...ect….)
    Dass gelingt mir leider nicht immer aber immer öfter :)
    Vielleicht helfen dir einige dieser Dinge weiter.

    Ganz liebe Grüße Sunrise

  • Liebe Sunrise.
    Mein erster Meditationsversuch endete mit einschlafen. Auwei.
    Trotzdem eine gute Idee :)

    Das ist eine tolle Frage: Tut MIR das gut? Ich habe nicht vor ihm zu antworten. Diesmal nicht.
    Weil es mir überhaupt nicht gut tut :(

    Habe meine Liebeskummer-Zeit berechnet. Da hab ich noch was vor mir.
    Und Daniel Schreiber gekauft. Hier aus der Literaturliste. Hilft mir wenn ich darüber lese.
    GLG

  • Hallo. Muss schreiben. Gedankenkarussell. Verzweifelt. Eben gesehen. Anziehungskraft wie am ersten Tag.
    Dann muss es doch echte Liebe sein, wenn man so garnicht voneinander lassen kann?
    Totaler Blödsinn, zweifle an meinem Verstand, es ist ein Süchtiger und seine Co-Abhängige, hat rein garnichts mit Liebe zu tun. Nur mit Abhängigkeit. Warum dann dieses vermissen? Nach Monaten immer noch ein Stich ins Herz.

    Weil er mir etwas gegeben hat, das ich mit keinem anderen hatte. Ein Gefühl. Eine Leichtigkeit. Ich habe nie so intensiv gelebt, geliebt und gefühlt wie mit ihm. Und nie solche Abgründe gesehen. Ich werde ihn nie vergessen können. Weil er eine Lücke in meinem Leben lässt und ich immer noch nicht weiß womit ich sie füllen kann. Da bleibt Leere.

    Immer noch Hoffnung? Dass er seine Krankheit angeht? Nein.

    Wie kann ich das vor mir vertreten, ihn da so sitzen zu lassen? Saufend. Er will es doch so. Er tut mir leid. Ich tue mir leid.

    Zeit heilt alle Wunden. Wie lange denn noch? Loslassen. Ich schaff das nicht.

  • Hallo Cindy,

    ich habe jetzt wirklich sehr lange nachgedacht was bzw. ob ich Dir überhaupt schreiben soll. Dann dachte ich mir, ich will es doch nochmal versuchen.

    Meine erste ganz spontane Eingebung, als ich Deinen Post las, war: "ok, sie gehört zur Kategorie der hoffnunglosen Fälle, da kannst Du nichts erreichen egal was du ihr schreibst, deshalb sparst du dir deine Energie"

    Mein zweiter Gedanke war dann: "wenn du ehrlich zu dir selbst bist, wirst du dich daran rinnern, dass auch du mal eine Zeit hattest wo du innerlich zerrissen warst und das du deshalb durchaus nachvollziehen kannst, was in Cindy da gerade ab geht".

    Also, wegen diesem zweiten Gedanken schreibe ich Dir jetzt einfach mal.

    Erst mal möchte ich Dir sagen, dass ich mit meiner heutigen Lebenserfahrung folgende Überzeugung habe: Liebe ist keine Einbahnstraße, Liebe kann man sich auch einreden. Liebe ist ein verdammt großes Wort und wenn sie echt ist, ist sie einfach nur eine wunderbare Sache die NICHT verletzt, sondern glücklich macht. Ja, wenn man jemanden wirklich liebt, kann es auch Leid geben. Aber nicht deshalb, weil der andere säuft, psychisch und physisch verletzt und mit anderen Partnern/innen rumhaut, sondern weil er/sie vielleicht schwer krank ist, vielleicht schlimmeres passiert und man seinen Partner gar für immer verliert. Nun könntest Du ja sagen: Mein Partner ist ja krank, Alkoholkrank! Stimmt! Jedoch ist das eine Krankheit, die er selbst in der Hand hat. Sogar eine Krankheit, die NUR er alleine in der Hand hat und besiegen kann. ER hätte es in der Hand, wenn er nur wollte.

    Und da sage ich Dir auch: Da gibt es Alkoholiker, die tatsächlch aus LIEBE zu ihrem Partner mit dem trinken aufgehört haben. Ja das gibt es. Wir sagen ja immer, dass man idealerweise für sich selbst trocken werden sollte, damit die Chance es auf Dauer auch zu bleiben einigermaßen hoch ist. Aber die Liebe zu einem anderen Menschen kann wenigstens der Auslöser sein es zu versuchen. Um dann darüber zum Bewuststein zu kommen, dass sie es eigentlich für sich selbst tun müssen. ABER: Nicht mal dazu ist Dein Partner in der Lage! Er versucht ja nicht mal "Dir zu liebe" mit dem Trinken aufzuhören.

    Das ist übrigens ganz normal. Ich würde sagen, dass dieses Verhalten auf die große Masse der Trinker zutrifft. Sie können oder wollen nicht aufhören, auch nicht aus Liebe, falls sie überhaupt wissen was das genau ist. Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass ein nasser Alkoholiker (je nachdem wie tief er schon im Sumpf steckt) gar nicht mehr in der Lage ist zu lieben, auch wenn er selbst davon überzeugt ist. Ich selbst bin übrigens auch so ein Fall! Ich bilde mir ein, dass ich meine Kinder IMMER über alles geliebt habe. Die Liebe zu den eigenen Kindern ist übrigens nochmal eine ganz andere Hausnummer als die zu einem anderen Menschen - sie ist mit NICHTS vergleichbar! TROTZDEM habe ich es nicht geschafft mit dem Trinken aufzuhören. Zu meiner "Ehrrettung" möchte ich aber sagen: Ich hab's wenigstens ein paar mal versucht, wenn auch immer mit null Erfolg. Ich hatte einige Trinkpausen, die ich begann weil ich mir dachte, das alles kann ich meinen Kindern nicht länger zumuten bzw. wenn ich nicht unternehme wird es ganz übel enden und ich hatte dabei immer meine Kinder im Kopf!

    Übrigens auch ein Grund, warum ich mich nach meinem Ausstieg von meiner Frau getrennt habe. Sie war nie ein Grund dafür gewesen, dass ich eine Trinkpause eingelegt habe. Das war natürlich bei weitem nicht der einzige Grund meiner Trennung, jedoch traf es mich schon wie ein Hammer als ich mir dessen bewusst wurde. Da fragte ich mich dann schon: Habe ich sie jemals geliebt?

    Und was glaubst Du wird sich Dein Partner gerade fragen? Nix, vermute ich mal. Wobei er Dir sicher blumigst, innigst und überzeugendst das Gegenteil erzählen wird, wenn Du ihn danach fragst.

    Aus meiner Sicht gäbe es nur eine einzige, ganz kleine Option, die für Dich dazu führen könnte, dass Du nochmal nachdenkst: Er wird trocken, sofort mit allen entsprechenden Maßnahmen und Konsequenzen. Er kümmert sich alleine um alles, Du bist erst mal raus und wartest ab. Wobei, wer weiß wie interessant Du dann noch für ihn sein würdest, wenn er mal längere Zeit trocken ist und ein "neuer" Mensch ist, ein neues Leben führt. Vielleicht wäre er dann ja viel lieber mit irgend einer seiner anderen Geliebten zusammen?

    Ich kann Dir jetzt nur noch Eines sagen: Kümmere Dich unbedingt um Dich. Verlass Dich nicht auf eine "die Zeit heilt alle Wunden" Weißheit. 1. glaube ich, dass manche Wunden nicht heilen sondern im besten Fall nur vernarben und 2. gibt es Wunden, um die man sich kümmern sollte, damit sie keinen Dauerschmerz verursachen. Dazu gehören meiner Meinung nach vor allem die seelischen.

    Du hängst verdammt tief drin, weißt Du das eigentlich. Du bist gerade dabei Dein Leben an die Wand zu fahren in dem Du es einem nassen Alkoholiker hinterher wirfst. Na herzlichen Glückwunsch, kann ich da nur sagen. Du solltest meiner Meinung nach wirklich versuchen Hilfe zu suchen und dann auch anzunehmen. Du bist 38 Jahre alt, da könnte noch eine wunderbare Zukunft auf Dich warten. Wenn Du aber wie eine Süchtige hinter Deinem Stoff herhechelst, also Deinem Ex (aber wohl nur auf dem "Papier" EX weil in Deinem Hirn ist er ja noch Dein Held), wirst Du niemals glücklich werden können. Du wirst nicht neu beginnen können und immer davon abhängig sein, wie er gerade drauf ist.

    Jetzt mal ganz unabhängig davon: Was muss er denn noch alles treiben, damit Dir klar wird, dass das alles nichts mit Liebe zu tun hat? Belügen, betrügen und wahrscheinlich noch vieles, das Du hier gar nicht geschrieben sondern nur angedeutet hast, ist bereits passiert. Worauf wartest Du denn noch?

    Also gut, ich habe mich ein wenig hinein gesteigert. Ich finde es halt immer schlimm, wenn Partner von Anghörigen das alles mit sich machen lassen. Weil ich ja selbst Täter war und die andere Seite genau kenne. Ich wäre es wirklich nicht wert gewesen, dass man zu mir gehalten hätte. Solange ich trank, danach war ich froh, dass es ein paar Menschen gab, die mir noch ein Chance gaben. Aber eben erst danach.

    Ich lass es jetzt. Ich glaube nicht, dass ich Dich erreichen kann. Da bin ich ganz ehrlich. Ich wünsche Dir wirklich nur das allerbeste. Ich hoffe für Dich, dass Du da schnell heraus kommst und ihn von mir aus auch "in Liebe los lässt".

    Alles Gute

    LG
    gerchla

  • Lieber Gerchla,

    wenn ich dir soviel wert bin, dir nochmal die Mühe mit mir zu geben, obwohl wir uns nicht kennen und du mir nochmal schreibst, warum bin ich mir dann selbst nicht sehr viel wert? Wenigstens soviel um mich zu schützen.

    Ich schreibe jetzt einfach mal ohne zu prüfen ob das sonderlich intelligent oder stimmig ist. Hab ja eigentlich die gleiche Einstellung wie du, nur denke ich manchmal auch, die letzten Jahre haben mich völlig verkorkst. In meinen Werten und Prinzipien. Moralischer Verfall sagt man, glaube ich, beim Alkoholiker.

    Ich weiß dass er versucht hat für mich aufzuhören. Er dachte er kann kontrolliert trinken und war enttäuscht und wütend darüber dass es nicht funktionierte. Das hat er mehrmals versucht. Er hatte Trinkpausen mir zu liebe. Ich habe den Eindruck er hat sich selbst aufgegeben, so wie du beschrieben hast, hofft, dass irgendwann irgendwas passiert und alles gut wird. Ich frage mich halt, ob ich nicht genug investiert habe, nicht geduldig genug war, nicht bedingungslos geliebt habe um ihm die Kraft zu geben? Aber ich kann mich nicht völlig aufgeben.

    Ein Arzt aus der Suchtklinik riet mir das Gleiche wie du. Ich solle mich ganz dringend fernhalten, da ich sonst mein Leben ruiniere. Helfersyndrom völlig fehl am Platz.

    Ich verhalte mich im Moment wie eine Süchtige die großen Abstand zu ihrem Suchtmittel braucht, damit sie überhaupt widerstehen kann.
    Entspannt neben "Alkohol" zu stehen, zufrieden zu sein weil ich ihn nicht brauche, garnicht will weil er nicht gut für mich ist, für den Moment noch undenkbar.
    Warst du es nicht der gesagt hat man solle geduldig mit sich sein?
    Es gibt bestimmte Situationen, nur kurz aber ganz heftig, in denen ich mich nach einem Gefühl sehne das ich nur bei ihm habe. Da würde ich ans Ende der Welt fahren. Am nächsten Tag bin ich natürlich heilfroh dass ich nicht dort war. Es kann doch nicht möglich sein, dass ich Suchtdruck habe oder? Psychisch abhängig?
    Britt und Dietmar haben zu Gefühlen und Suchtdruck heute in einem anderen Strang etwas geschrieben, das mich sehr beschäftigt.

    Muss erwähnen dass ich hier nicht nur eine Lanze für mich brechen muss, sondern eine gesamte Familientradition denn Generationen meiner weiblichen Vorgängerinnen führten ein co-abhängiges Leben.

    Ich finde dass du dich "reingesteigert" hast sehr liebenswert, ich schätze deine Emotionen dabei, es ist die Sprache die ich verstehe und die ich brauche. Hab den Eindruck dass es dich fast wütend macht, das zeigt mir dass es keine Lappalie ist. Und dass ich wichtig bin.

    Was muss noch alles passieren, ja, das hab ich mich auch gefragt! Und es muss nichts mehr passieren. Es wird keinen Rückfall geben. Denn wenn es einen gibt dann bin ich wirklich ein hoffnungsloser Fall und das will ich nicht sein. Ausschlaggebend war das Handy. Und ich bin ihm fast dankbar für diesen Einblick, denn sonst wäre ich NIEMALS gegangen.

    Das ist ja auch, was deine Frau meinte, ein gewalttätiger Alkoholiker ist halt offensichtlich ein Ar***loch und kann mit dieser Erkenntnis auch einfacher gefühlsmäßig abgehakt werden als ein "lieber" Alkoholiker der "niemandem was böses macht".

    Ich soll/möchte/darf jetzt also stärker und klüger sein als dieser Mann und mich aus meiner Sucht lösen!? Ihn zurück lassen.
    Möchte nicht mit ihm so leben. Hab doch noch Träume. Liebe Grüße Cindy


  • Hallo. Muss schreiben.
    Loslassen. Ich schaff das nicht.


    Guten Morgen liebe Cindy,
    weißt du, in meinem Eingangspost im letzten Jahr schrieb ich:

    Zitat

    […Ich schaffe es nicht, mich… zu trennen…]


    Du verwendest die gleiche Wortwahl.
    Ein guter Tipp meiner Therapeutin:
    Einfach „NOCH“ dazwischensetzen. Ich sage heute: Ich schaffe es NOCH nicht…
    Das drückt aus, dass der Abschluss meiner Entwicklung nicht erreicht ist, aber bestenfalls bald beendet sein wird . Alles hält sich im Rahmen des Möglichen, zum Gegenteil fehlt nur wenig …
    In diesem Sinne LG von Britt

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Liebe Britt,
    stimmt, das klingt sehr viel besser. Und macht Hoffnung. Mann/Frau bleibt handlungsfähig. Dranbleiben 44.
    Danke.

  • Liebe Cindy,

    da ist Einiges in dem was Du mir schreibst, was mich verzweifelt den Kopf schütteln lässt. Erst mal: Du hast Recht, wenn Du davon schreibst, dass Du das Gefühl hast ich wäre fast wütend geworden. Ja, ich habe mich schon ein wenig hinein gesteigert. Es ist bei mir so: wenn ich mich mit jemanden hier im Forum ernsthaft auseinader setze, dann versuche ich das für mich auch richtig zu tun. D. h. ich versuche mich in die Situation des anderen hinein zu versetzen und ich versuche dabei ganz besonders meine eigenen Erfahrungen zu berücksichtigen. Ich versuche gleichzeitig zu vermeinden über Dinge zu sprechen, von denen ich weiß, dass ich eigentlich keine Ahnung oder keine eigenen Erfahrungen habe.

    Nun ist es bei Dir so, dass ich wirklich versucht habe Dir die Sichtweise, das Innenleben eines nassen Alkoholikers (aus meiner eigenen Erfahrung heraus) zu schildern. Ich habe versucht Dir deutlich zu machen, womit Du es da eigentlich "zu tun" hast und das Du normale Maßstäbe getrost über Bord werfen kannst. Weil sie einfach nicht zählen bei einem nassen Alkoholiker.
    Und dann hatte ich kurz das Gefühl, es könnte doch irgendwie bei Dir angekommen sein. Und musste dann lesen, dass es eben nicht so ist. Da bin ich dann kurz vielleicht etwas zu emtional geworden. Wie ich Dir ja geschrieben habe kenne ich das auch, dieses Gefühl zerissen zu sein. Jemanden zu lieben aber irgendwie zu wissen oder zu spüren das es doch falsch ist, nicht funktionieren kann, nicht funktionieren wird und letztlich einem selbst mit in den Abgrund zieht. Und ich weiß auch, dass man da nicht so einfach heraus kommt, sich regelrecht hinein steigern kann und sich dann selbst eine eigene Realtität bastelt, die von Außen betrachtet aber gar nicht existiert und wo andere nur den Kopf schütteln würden.

    Darum will ich Dich auch nicht einfach abbügeln. Ich glaube schon zu wissen, wahrscheinlich nur ansatzweise weil ich nie Co-Abhängig war so wie Du es aber Meinung nach bist, wie es in Dir aussehen könnte. Ehrlich, ich glaube Du brauchst wirklich Hilfe. Du schreibst von einem Helfersyndrom, ich denke es ist Co-Abhängigkeit. Eine Krankheit, sehr ernst zu nehmen. Hier fehlt es mir jetzt wiederum an Erfahrung um Dir in die Tiefe mehr dazu schreiben zu kiönnen. Aber vielleicht schreibt Dir ja noch jemand, der wirklich was davon versteht oder andere Angehörige, die es geschafft haben sich zu lösen.

    Ich will mal noch auf ein paar Dinge direkt eingehen:

    Zitat

    wenn ich dir soviel wert bin, dir nochmal die Mühe mit mir zu geben,


    Siehst Du, da platzt mir schon mal die Hutschnur. Gleich bei Deinem ersten Satz. Warum machst Du Dich so klein? Warum bist Du Dir nichts wert? Diese Fragen musst Du Dir beantworten und diesen Zustand solltest Du schnell verändern. Ich bin doch freiwillig hier! Ich habe eine bestimmte Motivation weshalb ich das hier tue. Niemand zwingt mich und wenn ich mich hier nicht mehr wohl fühle, dann verabschiede ich mich von diesem Forum. So einfach ist das.

    Meine Motivation ist es andere an meinen Erfahrungen teilhaben zu lassen so dass sie im Idealfall davon profitieren oder sie für sich nutzen können. Ich habe über ein Jahrzehnt mein Umfeld, meine Liebsten mit schlimmsten Lügen und Betrügen belastet, ich habe mega viel kaputt gemacht, anderen geschadet (meist auf psychischer Ebene). Ich habe aufgehört zu trinken und ich habe irgendwann überlegt, wie ich sein will, wer ich sein will. Das was ich jetzt hier tue, tue ich eben auch für mich. Weil ich so sein möchte. Es ein Teil meines Weges und ich profitiere genauso davon, wie das hoffentlich auch andere Betroffene tun.

    Also, es nichts damit zu tun was Du (mir oder wem auch immer) Wert bist!

    Zitat

    Ein Arzt aus der Suchtklinik riet mir das Gleiche wie du. Ich solle mich ganz dringend fernhalten, da ich sonst mein Leben ruiniere. Helfersyndrom völlig fehl am Platz.


    Schön für mich zu lesen, dass ein Profi genau das Gleiche sagt. Aber dazu muss man kein Profi sein um das zu erkennen. Jetzt müsstest Du es halt auch noch umsetzen. Und ich denke, da musst Du Dir Hilfe holen, in Deiner realen Welt nicht nur hier im Internet.

    Zitat

    Es gibt bestimmte Situationen, nur kurz aber ganz heftig, in denen ich mich nach einem Gefühl sehne das ich nur bei ihm habe. Da würde ich ans Ende der Welt fahren.


    Wie gesagt, ich kenne diese Gefühle. Es ist auch der Alkoholsucht ähnlich. Man will trinken um ein bestimmtes Gefühl zu haben, man will einen bestimmten Zustand erreichen, etwas das man als absolut positiv empfindet, das jedoch durch die Sucht in etwas mehr als Negatives verwandelt wird. Und man weiß eigentlich, dass es falsch ist, dass es niemals gut ausgehen wird, dass es krank ist und krank macht, trotzdem ist dieser Drang da.

    Und dieser Drang ist solange da, solange man nicht aufgearbeitet hat, solange man sein Leben nicht "geordnet" hat. So lange man nicht weiß, was man eigentlich will, wer man eigentlich ist, wer man sein möchte, was die eigenen Ziele eigentlich sind. Und, das finde ich auch ganz wichtig, solange man sich selbst nicht liebt, definiert man sich verstärkt über die vermeintliche Liebe von anderen. Nicht falsch verstehen: Ich glaube wir wolle alle geliebt werden, wir wollen alle Anerkennung usw. Du ganz speziell müsstest Dir aber erst mal selbst wieder richtig etwas Wert sein. Du solltest lernen Dich selbst zu lieben, Dir zu sagen: ich bin gut so wie ich bin und ich muss nicht hinter einem nassen Alkoholiker her hecheln. Du solltest Dir sagen: Mein Leben läuft nach meinen Spielregeln, zumindest in den Bereichen wo ich das selbst in der Hand habe.

    Zitat

    Psychisch abhängig?


    Naja, Co-Abhängig würde ich mal vermuten

    Zitat

    Britt und Dietmar haben zu Gefühlen und Suchtdruck heute in einem anderen Strang etwas geschrieben, das mich sehr beschäftigt.


    Dietmar hat meiner Meinung nach sehr große Erfahrung in fast allen Bereichen unserer Krankheit und auch im Bereich der Angehörigen. Du kannst das hier in zahlreichen Beiträgen von ihm nachlesen. Vielleicht stöberst Du mal seine älteren Beiträge im Angehörigen-Bereich durch. Ich bin mir fast sicher, dass dort wertvolles für Dich dabei sein wird.

    Zitat

    Muss erwähnen dass ich hier nicht nur eine Lanze für mich brechen muss, sondern eine gesamte Familientradition denn Generationen meiner weiblichen Vorgängerinnen führten ein co-abhängiges Leben.


    Na dann weißt Du wenigstens woher es kommt. Helfen tut Dir das jetzt aber auch nichts. Wie wäre es, wenn Du diese zweifelhafte Tradition mal durchbrichst?

    Und dazu noch:

    Zitat

    Ich frage mich halt, ob ich nicht genug investiert habe, nicht geduldig genug war, nicht bedingungslos geliebt habe um ihm die Kraft zu geben?


    Sowas von typisch..... Du gibst Dir die Schuld (oder Mitschuld) an seinem Saufen. Halleluja! Dazu hast hier doch hoffentlich schon genug gelesen oder? Sein Leben, seine Entscheidung. Dein Leben, Deine Entscheidung. Es ist so simpel eigentlich. Wenn er saufen will, dann soll er das tun. Niemand kann ihn abhalten, es ist völlig legal.

    Und Du solltest doch auch schon darüber bescheid wissen, dann keine Liebe stark genug ist, einen nassen Alkoholiker vom trinken abzuhalten. Es sei denn er möchte das selbst. Wie gesagt, eine große Liebe KANN einen Anstoss geben. MUSS aber nicht. Und ein Anstoss reicht auch nicht automatisch aus um zum trockenen Alkoholiker zu werden. Er reicht in den meisten Fällen leider nur dazu aus, dass der Trinker mal kurz nachdenkt, mal versucht kontrolliert zu trinken, mal versucht eine Trinkpause einzulegen. Das war es dann aber leider auch schon sehr häufig. Es sind eben auch nur ganz wenige, die es übehaupt schaffen diese Sucht zum Stillstand zu bringen. Schau Dir mal diverse Statistiken dazu an. Und um es schaffen zu können, ist dieser Anstoss, dieser Auslöser ja "nur" der absolute Beginn. Danach geht es ja erst richtig los. Da kommt es dann darauf an, ob der Trinker wirklich aus tiefstem Inneren heraus trocken werden will und ob er bereit ist alles dafür zu tun.

    Da wird's dann eben schon dünner und es bleiben nicht mehr so viele übrige. Und auch diese haben einen langen Weg vor sich. So ist diese Sucht! Und das alles ist NICHT Dein Problem. Es wäre das Problem Deines Ex-Partners. Er ALLEIN müsste es erst mal angehen. Deine Liebe usw, die darfst Du getrost bei Dir stecken lassen. Wenn er diesen Weg gehen würde, dann muss er erst mal mit sich selbst klar kommen. Du könntest begleiten, ganz klar. Aber in der Hand hätte nur er es. Ich weiß gar nicht, warum ich Dir das jetzt schon wieder schreibe. Bei allem was Du schreibst scheint mir das ohnehin eher utopisch zu sein. Nicht, dass ich Dir damit noch Hoffnung mache, er könnte sich ändern. Du solltest JETZT für DICH entscheiden, für Dein Leben. Lass seines in seinen Händen.

    Also gut, mehr habe ich gerade nicht zu sagen. Alles Gute!

    LG
    gerchla

  • Lieber Gerchla,
    wenn ich früher gewusst hätte, was du und Greenfox mir über nasse Alkoholiker geschrieben haben, hätte ich mich nicht so lange mit ihm rumgeschlagen, muss ich mittlerweile sagen.

    Habe wirklich die Maßstäbe eines normal gesund denkenden Menschen angesetzt. Wie schon geschrieben, dachte, wenn er nüchtern ist, führen wir ehrliche Gespräche und die "Aussetzer" sind dann eben nur wenn er gesoffen hat. Dieses ganze Ausmaß und auch die Charakterveränderung habe ich mir so nicht vor Augen gehalten und schockt mich auch etwas.
    Ich dachte immer im schlechtesten Fall ist da Freundschaft zwischen uns, aber was will ich mit einem lügenden Freund dem ich nicht vertrauen kann!?
    Fange jetzt erst an zu realisieren was ich mir da jahrelang vorgemacht habe.
    Ich hasse ihn nicht mehr, er tut mir leid, er ist gestraft genug mit seinem Leben. Schade dass er nicht mehr aus seinen Talenten gemacht hat. Hoffe, mein Gefühl bleibt, wenn ich ihn nächstes Mal sehe. Versuche dass es nicht dazu kommt.

    Und ob es nun gut oder schlecht ist, Kompliment oder Beleidigung, so eine gute Co wie mich wird er nicht mehr finden. Ja ich weiß, das größte Problem liegt gerade nur bei mir selbst. Wer will ich sein? Und wie will ich sein? Was will ich überhaupt? Ich weiß es gerade nicht.

    Wäre es denn sinnvoll ihm einmal kurz meinen Standpunkt zu schreiben, damit er den auch verstanden hat zwischen all dem Whiskey? "Ich bin für dich da wenn du trocken bist und meine Hilfe brauchst."

    Lese ein bißchen quer hier im Forum im Moment und hier sind tolle Leute unterwegs, ich muss sehr oft grübeln aber auch schmunzeln und erweitere meinen Horizont durch andere Sichtweisen. Schade dass man so interessante Menschen nicht persönlich kennen lernt.

    Ich wäre auch wirklich dankbar wenn sich hier jemand findet, der/die sich erfolgreich aus der Co-Abhängigkeit gelöst hat und mir von eigenen Erfahrungen berichten kann.

    Liebe Grüße Cindy

  • Habe wirklich die Maßstäbe eines normal gesund denkenden Menschen angesetzt.

    Solange Alkoholiker nass sind, kann man nicht die Maßstäbe von normal gesund denkenden Menschen anwenden - denn das sind sie nicht! Sie sind KRANK.
    Und von daher bringt es auch nicht, absolut nichts,

    Wäre es denn sinnvoll ihm einmal kurz meinen Standpunkt zu schreiben ...

    :sorry:

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

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