• [quote"Die Liv welche du vorher warst war so lustig und hat uns immer mitgerissen, jetzt gehst du immer schon um Mitternacht nach Hause - schade". So in etwa die Wortwahl. Geht es in solchen Aussagen um uns als Mensch, eher nein oder!? Sondern nur um die Person welche so etwas äußert, um deren Bedürfnis.][/quote]

    Da werden Erinnerungen wach! Mir hat mal jemand gesagt: "Früher konnte man so toll mit dir reden und lachen, aber das geht ja heute leider nicht mehr."

    Hä??? ::) Doch das geht sehr gut und ich lache viel viel mehr, aber die Betrunkenen verstehen nicht warum ich lache, wenn ich lache. Diese Menschen lachen ja auch meistens an den falschen Stellen... :lach: So sehe ich es heute als nüchterner, aber sehr fröhlicher und positiver Mensch.

    Und diese Gefühlstreppe sehe ich auch als aufsteigende positive Entwicklung. Gute Tendenz.

    Allerseits ein schönes Wochenende.

    LG Betty :sun:

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Guten Morgen,
    die Therapie alleine macht mich nicht zufrieden abstinent. Ich muss schon selber aktiv werden. Das weiß ich. Es geht doch darum, dass ich das
    erworbene Wissen bzw. Kenntnisse um die auslösenden Faktoren (u.a. schädliche Beziehungen) meiner Sucht in die Tat umsetze bzw. anwende.
    Vielleicht bringe ich mal diesen Satz über meine Lippen:
    "Meine Abstinenz ist mir das Wichtigste in meinem Leben. Darum werde ich JETZT MEIN Leben radikal ändern".
    Diesbezüglich geht meine Umsetzungskompetenz gegen Null.
    Lg Britt

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Guten Morgen,

    ein guter Einstieg "Was ist eigentlich zufriedene Abstinenz?".

    Für diese Frage gibt es vielfältige Antworten. Klar in der Therapie lernt man viel, aber dies waren für mich nur Denkanstöße.
    Abstinenz ist eine Lebenseinstellung und vergleichbar mir einem Menschen der vegan leben will.
    Zufrieden kann man nur sein, wenn wieder die schönen Dinge des Lebens wahrnimmt. Diese sieht man aber erst wenn man wieder
    mit offenen Augen durchs Leben geht. Und da gibt es wesentlich mehr als man denkt.
    Ich möchte die Gefühlsschwankungen von Brit etwas relativieren.
    Ich soll nicht Trinken (sagt der Arzt)--> Ich darf nicht Trinken (sagen die Freunde) --> Ich Trinke nicht (sage ich).
    Der Nichtraucher sagt auch --> Ich rauche nicht. Oder?

    Gruß Harald

  • Liebe Britt,

    ich bin mir sicher, dass Du alles weißt was man wissen muss um ein zurfriedenes Leben ohne Alkohol führen zu können. Ich glaube, der Alkohol war für Dich "nur" ein Ventil und ich denke, das weißt Du auch. Ich bin davon überzeugt, dass Du in der Theorie ganz klar bist. Jetzt geht es wohl darum eine Urangst in Dir zu überwinden, sonst wirst Du die nächsten und entscheidenden Schritte nicht tun können. Und wenn Du sie nicht tust, wird sich nichts ändern. Dann musst Du mit Deiner Situation leben und Dich darauf fokussieren Dich bestmöglich darin wohl zu fühlen. Ein Kompromiss an Dein eigentlich mögliches Leben wird es dann aber immer bleiben.

    LG
    gerchla

  • Hallo Harald,
    bezügl. der zufriedenen Abstinenz gibt es dieses Thema:https://alkoholforum.de//index.php?top…g27874#msg27874. Schön , dass du dich hier einbringst.
    Magst du dich vielleicht auch vorstellen? In deiner Vorstellung kannst du ja deine ganz eigenen Gefühle beschreiben. Die "Treppe" braucht für mich nicht relativiert werden,
    denn diese (meine) Gefühle treten nicht nur in Bezug auf Alkohol, sondern ganz allgemein beim Umsetzen meiner Ziele auf.
    LG Britt

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Moin Britt,

    ich denke, du wirst nicht zufrieden abstinent, wenn du dein Leben radikal änderst.

    Ich bin zufrieden abstinent, weil ich meine Haltung geändert habe, nicht mehr trinken muss, um mich und mein Leben zu ertragen. Deine Probleme verschwinden nicht, nur, weil du nicht mehr trinkst, aber du kannst sie, nüchtern sehr viel leichter, Schritt für Schritt angehen, Lösungen suchen und vielleicht finden oder erkennen, dass es nüchtern gar keine Probleme sind.

    Ich wünsche dir den Klick.

    LG Silbermöwe


  • Hallo Harald,
    ... Schön , dass du dich hier einbringst.
    Magst du dich vielleicht auch vorstellen? In deiner Vorstellung kannst du ja deine ganz eigenen Gefühle beschreiben.

    Dem kann ich nichts hinzufügen. Lernt man eigentlich auch in jeder guten Kinderstube ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Liebe Britt

    Für mich bedeutet zufriedene Abstinenz: nicht mehr über das Thema nachdenken zu müssen, glücklich und dankbar zu sein dass ich nichts mehr trinken muss um mein Leben künstlich zu "verschönern". Ich habe mir durch den Alkohol Probleme erschaffen, die jetzt Stück für Stück in sich selber zusammenfallen. Der ungetrübte Blickt auf die Realität fordert Kraft, ist noch ungewohnt - doch mich nüchtern den realen Problemen zu stellen erfordert soviel weniger Energie als mit Alkohol. Diese Einsicht, dieses Erleben motiviert mich enorm trocken zu bleiben.

    Wie Silbermöwe schön schreibt wünsche ich dir auch diesen "Klick" :).

    Liebe Grüsse
    Liv

  • Ich möchte meinen Gedankengang nochmal erweitern:
    In der letzten Gruppenstunde sprachen wir über auslösende und aufrechterhaltende Faktoren der Sucht. Ich weiß um meine auslösenden Faktoren. Warum halte ich diese aufrecht?
    Solange das so ist, bin ich nicht zufrieden abstinent und erheblich rückfallgefährdet.


    Liebe Britt,
    ...entscheidenden Schritte nicht tun können. Und wenn Du sie nicht tust, wird sich nichts ändern. Dann musst Du mit Deiner Situation leben und Dich darauf fokussieren Dich bestmöglich darin wohl zu fühlen. Ein Kompromiss an Dein eigentlich mögliches Leben wird es dann aber immer bleiben.
    LG
    gerchla


    Danke lieber Gerchla,
    ..mein eigentlich mögliches Leben..wahrscheinlich wird es immer ein Kompromiss bleiben.
    lg britt

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Guten Morgen,
    gestern in der Gruppe (es ist ja immer noch die offene Motivationsgruppe) besprachen wir das AGS-Modell der Sucht:
    A →→ Ausweichen von Problemen
    G →→ Gewöhnung
    S →→ Sucht
    Es entwickelte sich eine sehr intensive Diskussion.
    Nun ist es ja so, dass in der offenen Therapiegruppe bzw. in den SHG, die ich besuche, Patienten kommen und gehen. Ich lerne eine Vielfalt von unterschiedlichen Persönlichkeiten kennen.
    In den meisten Fällen sind es ganz wunderbare Menschen. Sie helfen mir auf meinem Weg. Aber ich lerne auch schwierige Menschen kennen (aus subjektiver Sicht):
    Schwierig im Verhalten, schwierig im Umgang, schwierig einzuschätzen und kaum berechenbar. Menschen, die schlicht auf der Suche nach Anerkennung sind.
    Ich brauche kein Gegenüber, der „toxische Kommunikation“ betreibt. Zum Eigenschutz ignoriere ich diese Menschen und halte Ausschau nach anderen, die in der Lage sind zu helfen.
    Schönes Wochenende wünscht Britt

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Hallo Britt,
    Wie geht es Dir?
    Ich verfolge schon långer Deinen Strang und seit heute bin ich auch endlich hier angemeldet.

  • Guten Morgen,
    ich lese gerade das Buch von Christian Peter Dogs und Nina Poelchau: „Gefühle sind keine Krankheit: Warum wir sie brauchen und wie sie uns zufrieden machen“.
    Ich denke gerade über die Bedeutung meiner durchlebten Gefühle nach. Ist der Alkoholismus nicht eine Krankheit der Gefühle? Für mich trifft das zu.
    Ich kann negative Gefühle sehr schlecht verarbeiten. Sie erschweren meine zufriedene Abstinenz.
    LG Britt

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Liebe Britt,

    ich habe meine Alkoholsucht für mich als psychische Erkrankung definiert. Ich war nicht in der Lage, bestimmte (Gefühls-)zustände ohne die Hilfe von Alkohol zu erreichen oder auch einfach nur auszuhalten. Ich hatte das irgendwie nicht gelernt... Man könnte also im übertragenen Sinne sagen, dass der Alkohol für mich eine lange Zeit eine Art Psychopharmaka war, welches es mir ermöglicht hat, meine negativen Gefühle, meine Ängste usw. zu verdrängen oder sogar umzukehren. Ich finde es sehr interessant, wie Du darüber denkst und dass Du Alkoholismus als eine Krankheit der Gefühle definierst.

    Möglicherweise ist aber der Alkoholismus (zumindest bei manchen Alkoholkranken) eher die Folge einer ganz anderen Krankheit der Gefühle? Verstehst Du was ich sagen möchte? Sozusagen eine Art Nebenwirkung, die jedoch mit der Zeit so stark wird, dass sie die eigentliche Erkankug verdrängt. Und heimtückischerweise lässt die Alkoholsucht dann auch nicht zu, dass man die eigentliche (Gefühls)krankheit heilt obwohl diese ja eigentlich der Katalysator für die Alkoholsucht war. Und so stecken die Betroffenen dann in einem Teufelskreis und kommen nur heraus, wenn sie zu allererst die Sucht überwinden. Und dann aber eben auch noch die vermeintlichen Auslöser beseitigen.

    LG
    gerchla

  • Hallo,
    ich mach(t)e mir ständig Sorgen-viele Jahre lang und leider immer noch. Sorgen um meine Eltern, Schwester, Neffen Schwiegereltern, Ehemann, Sohn, Hund, Umwelt, Zukunft …
    (Vieles könnte ich noch anfügen.) Ich setze mich dadurch immens unter Druck. Ich fühle mich irgendwie überverantwortlich, sorge mich um Alles und Jeden…. „Eine gute Mutter macht das so“ ….
    „das ist doch selbstverständlich“ ….“das gehört sich so“… "das macht man so"...Ich bin fest entschlossen, meine Haltung der Überverantwortlichkeit abzulegen.
    Aber mein Gehirn hat sich jahrelang bestimmte Muster einprogrammiert. Eine Umprogrammierung braucht demnach auch viel Zeit und Geduld.
    Veränderung braucht Zeit….Abstinenz braucht Veränderung…
    Danke liebe Wolfsfrau
    für die „ungefragten Informationen“
    LG Britt

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Liebe Britt,

    ich möchte Dir ein paar Gedanken von mir zum Thema "Sorgen machen" da lassen.

    1. Voralkoholische Zeit:
    Ich war eigentlich nie ein Mensch, der sich übermäßig viele Sorgen oder Gedanken um Alltagsdinge gemacht hat. Also, so Dinge wie: wie geht es eigentlich meinem Bruder oder meiner Schwester gerade? Fühlen sich meine Eltern gut? Ist diese oder jene Auseinandersetzung jetzt bereinigt oder nicht? Usw. Ich konnte da eigentlich immer recht gut "drüber" stehen und mir sagen: Das ist jetzt nicht mein Problem. Das kann eine Stärke sein, wenn es darum geht sich selbst zu schützen und abzuschotten. Es hilft enorm um im Beruf voran zu kommen. Es ist aber mit Sicherheit auch eine Schwäche, wenn es um die eigene Empathiefähigkeit geht.

    Was mich schon immer sehr beschäftigt hat, waren dann die (für mich) großen Probleme. Zukunftsängste vor allem, oft verbunden mit finanziellen Aspekten. Große Ängste um das Wohlbefinden meiner (damaligen) Frau, Sorge um die Zukunft meiner Kinder, weil es z. B. mal Probleme in der Schule gab, usw. Wie reagierte ich? Ich versuchte die Probleme (selbst) zu lösen. Am liebsten auch ganz schnell. Ich wollte keinen Konfikt, kein Problem im Raum stehen lassen - große Probleme die über einen längeren Zeitraum andauerten (z. B. die Angststörung meiner damaligen Frau) belasteten mich dauerhaft und sehr enorm. Ich wurde aktiv, wollte etwas beitragen um die Situation zu verbessern, auch dann, wenn mir die betroffenen Menschen sagten, dass ich das gar nicht könne und das nicht meine Aufgabe sei. Ich wollte Harmonie und Ruhe. Ich wollte das es allen gut geht.

    Und: grundsätzlich dachte ich nicht positiv. Ein großes Problem war immer ein riesen Problem für mich, nie sah ich dahinter auch eine Chance. Es musste weg, koste es was es wolle. Und es musste schnell gehen.

    Was ich dabei allerdings "übersah" war, dass ich die meisten Probleme entweder selbst gar nicht in der Hand hatte oder aber dass ich sie durch meinen Aktivismus nur kaschierte, nicht aber löste. Da ich so ein grundsätzliches Problem mit Problemen hatte kam dann noch hinzu, dass ich meine wirklich EIGENEN Probleme (also die, die durch mich verschuldet waren und deren Lösung ich auch selbst in der Hand hatte) ignorierte. Es konnte ja nicht sein, dass diese jetzt auch noch da waren. Schlimmer noch: ich vertuschte die von mir selbst verursachten Probleme, verheimlichte sie. Und sprach auch nicht über Dinge die mich belasteten, wenn ich das Gefühl hatte ich könnte damit andere mir wichtige Menschen belasten, wie z. B. meine damalige Frau. Und so stieg der Druck im Kessel langsam an....

    2. Alkoholische Phase:
    Ich vermute heute, dass es ganau das war, was mich so langsam in die Sucht trieb. Denn ich wurde meines ganzen "Problemmangements" in Kombination mit den eigenen Erwartungen, die man halt so an sich stellt, gar nicht mehr Herr. Da die verkaufte Wohnung wo der Käufer plötzlich nicht zahlen konnte, dort die Angstzustände meiner Frau, die mich wöchtlich den Notarzt rufen ließen, hier unser Sohn, der unbedingt auf's Gymnasium wollte und sich mega unter Druck setzte was ihm gar nicht gut tat usw. usf.
    Und dann ich, der ich das Konto mal wieder sowas von überzogen hatte (natürlich ohne das meine Frau davon wusste) das ich kein Geld mehr bekam und nicht wusste, wie ich das irgendwie wieder ausgleichen konnte. Meiner Frau "konnte" ich das natürlich nicht sagen, denn ihr ging es ja sowieso nicht gut..... Ich pumpte meine Eltern an, sie halfen mir, niemand hat davon erfahren. Und ich trank, denn ich brauchte ja ab und an mal meine Auszeit...

    Liebe Britt, was ich Dir hier schreibe sind nur willkürlich gewählte Episoden aus meinem Leben. Kleine Details, kleine Vorfälle, an die ich mich aber noch heute erinnere und die ich erst richtig einschätzen konnte, nachdem ich trocken wurde.

    Aber mal weiter im Text.

    Also, was passierte? Ich rutschte immer tiefer in die Sucht, die Geschichte kennst Du ja. Positiv gedacht habe ich natürlich auch während meiner Trinkerzeit nicht. Ich brauchte dann immer den Alkohol um wenigsten ab und an mal so tun zu können, selbst glauben zu können, dass alles irgendwie gut werden wird. Selbstveständlich war das aber kein positives Denken sondern das Ergebnis meiner Alkoholsucht.

    3. Nachalkoholische Phase:
    Und dann hörte ich mit dem Trinken auf, irgendwann. Du kennst auch diese Geschichte. Meine neue Partnerin, jetzt Frau, ist ein durchweg positiver Mensch. Ich fand (und finde) das toll, es irritierte mich aber auch manchmal. Sie machte manchmal einfach Dinge, von denen ich dachte, das wird nie gut gehen. Komischerweise ging es aber meist gut... Und wenn nicht, dann sagte sie meist: Wer weiß wofür das gut war! Sie hakte negative Erlbebnisse ab mit Bemerkungen wie: Ich möchte diese Erfahrung nicht missen! Äh, was war das denn jetzt plötzlich? Neuland für mich!

    Sie unternahm Dinge, machte Dinge von denen ich dachte: Na das bringt doch sicher nichts, das gibt mir nichts! Und: es brachte was, es gab mir was und wenn nicht, dann war es eben eine interessante Erfahrung. Ich erlebte also plötzlich einen Menschen, der wirklich überwiegend positiv dachte und sich auch so verhielt. Sie ging auf Menschen zu, lud Menschen zu uns ein, irgendwelche Menschen, die ich noch gar nicht so richtig kannte und sie auch nicht. Ich sagte: Äh, wir kennen die doch noch gar nicht richtig? Ist das nicht ein wenig zu früh? - Wieso? Lass Dich doch einfach mal drauf ein, wird bestimmt spannend und interessant! - Es wurde immer spannend und interessant, manchmal positiv, manchmal negativ aber das war egal! Plötzlich war da jemand an meiner Seite der offen war, der Neues entdecken wollte, der einfach mal was probiert hat ohne groß darüber nachzudenken welche Risiken und Probleme es da jetzt geben könnte.

    Wow, dachte ich. Das möchte ich auch alles von innen heraus so leben können. Und so "arbeitete" ich an mir. Mein spannenstes Projeket überhaupt! An mir selbst und mit mir selbst zu "arbeiten". Mich mit mir zu beschäftigen, mich zu formen und zu entwickeln. Plötzlich konnte ich das, denn ich trank ja nicht mehr und, was elementar wichtig war, ich hatte durch die Erfahrungen aus meiner Trinkerzeit ein Bewusstsein entwickelt, das ich vorher nicht hatte. Und vielleicht nie erhalten hätte, hätte ich nicht diese schlimme Krankheit durchgemacht.

    Und so versuchte ich mich zu entwickeln. Ich wurde dankbar, sehr dankbar. Auch über ganz kleine Dinge. Ich wurde so, weil ich das so wollte. Ging alles nicht von heute auf morgen, liebe Britt. Es braucht seine Zeit. Ich interessierte mich für meine Geschwister, ich vergaß keinen Geburtstag mehr, ich nahm die mir wichtigen Menschen ernst, richtig ernst nicht nur oberflächlich. Weil ich das so wollte.

    Ich lernte aber auch mit Problemen und vor allem auch Sorgen anders umzugehen. Sie nicht als unüberwindbare riesen Hürde zu sehen. Sondern als etwas, das man Stück für Stück angehen kann. Ganz wichtig war, dass ich lernte zu unterscheiden, ob ich etwas selbst in der Hand habe oder nicht. Ich lernte mir keine Gedanken über Dinge zu machen, die ich sowieso nicht beeinflussen konnte. Und ich lernte zu akzeptieren, wenn das so war. Ich begann damit, nicht mehr zu weit in die Zukunft voraus zu denken. Ich begann Dinge auch einfach auf mich zukommen zu lassen und sie dann auch so hinzunehmen, wie sie kamen. Dabei lernte ich (und erlebe es auch heute immer wieder) das manche Dinge ganz anders kommen als man sie erwartet hat. Und das auch vermeintlich sehr negative Dinge tatsächlich etws positives haben können.

    Liebe Britt, das waren mal wieder ein paar Gedanken von mir, ziemlich unstrukturiert wie ich beim nachlesen feststellen muss. Jedoch lösche ich es jetzt mal nicht sondern sag nur: Ziehe Dir was raus, wenn Du was findest das Du brauchen kannst.

    Für mein jetztiges Leben ist positives, zuversichtliches Denken und dann natürlich auch das entsprechende Handeln enorm wichtig! Aber denke deshalb bitte nicht, dass bei mir immer alles super problemlos und wie geschmiert läuft. All die Probleme, die man halt so hat habe ich auch. Ich habe auch Phasen wo es mal nicht so gut läuft, wo ich mal zweifle, wo ich Angst habe wie es mit diesem oder jenem weiter gehen soll. Auch bei mir und meiner Frau stehen ein paar zukunftsweisende Entscheidungen an, in nächster Zeit werden auch ein paar Abschiede anstehen, von lieben Menschen. Letzteres haben wir nicht in der eigenen Hand, müssen wir akzeptieren und annehmen.

    Du weißt ja, dass ich ab und an mal in die Kirche gehe. Um nachzudenken und auch um Zwiesprache zu halten. Ich weiß selbst nicht, wie viel das bei mir mit Glauben im eigentlichen Sinne zu tun hat. Es ist ein Ort für mich, den ich tatsächlich als sehr positiv empfinde und der es mir sehr gut ermöglicht mal einige Minuten in kompletter Ruhe mit mir selbst zu sein. Und eben auch mit (meinem) Gott zu sprechen. Ich beginne immer damit mich zu bedanken, für all das was ich erleben durfte. Ich danke auch dafür, dass ich nicht mehr trinken muss und dafür, dass ich, meine Frau und meine Kinder gesund sind. Irgendwann "beschäftige" ich mich dann mit meinen Sorgen. Bitte entweder einfach nur darum, dass ich / wir z. B. bei irgendwas die richtige Entscheidung treffen, bitte darum, dass es z. B. einem lieben Menschen bald besser geht, auch oder gerade wenn ich das nicht selbst in der Hand habe.

    Erstaunlicherweise habe ich gerade bei diesen Besuchen oft das Gefühl, dass ich direkt Antwort erhalten habe. Vielleicht habe ich mir diese Antworten ja selbst gegeben, vielleicht hat (mein) Gott sie mir gegeben, aber unter'm Strich habe ich eine Antwort. Nicht immer eine positive aber immer eine die mit Zuversicht verbunden ist. Ich tue da nichts weiter zu, ich denke es liegt wohl auch daran, das man sich diese Zeit für sich selbst nimmt und somit überhaupt erst mal in die Lage versetzt wird richtig über Dinge nachzudenken. Gläubige Menschen würden jetzt vielleicht sagen, man nimmt sich nicht die Zeit für sich selbst sondern für Gott. Wie dem auch sei. Es ist jedenfalls etwas wunderbares, wenn man seinen Weg hier finden kann. Und das wünsche ich Dir auch!

    Die Sorgen anderer zu teilen, mitzufühlen, zu helfen wenn man kann, das ist etwas sehr positives. Wenn man aber von den Sorgen anderer oder von den Sorgen über andere erdrückt wird, dann ist niemanden damit geholfen. Dir natürlich nicht, weil Du damit nur ganz erheblich belastet bist und auch den anderen nicht, weil Du ihnen in diesem Zustand nicht wirklich helfen kannst, auch wenn Du das möchtest. Meine persönliche Theorie, ich schrieb' sie oft: Nur jemand der mit sich selbst im Reinen ist, ist in der Lage anderen zu helfen, kann Kraft und Energie von sich abzweigen um anderen zu helfen ohne dabei Gefahr zu laufen, selbst Hilfe zu benötigen.

    Liebe Grüße

    gerchla

  • Lieber Gerchla,
    vielen lieben Dank für das Dalassen deiner Gedanken. Weißt du eigentlich, dass ich mich - immer wenn ich von dir lese -ein kleines Stück weiter (ent)wickele ?
    Ich bin dir wirklich sehr dankbar. Toll, dass du so eine positiv denkende Partnerin an deiner Seite hast.
    Lieber Gerchla,

    Zitat

    ... in nächster Zeit werden auch ein paar Abschiede anstehen, von lieben Menschen. Letzteres haben wir nicht in der eigenen Hand, müssen wir akzeptieren und annehmen....


    Das tut mir sehr Leid. Ich wünsche dir von ganzem Herzen für die kommende schwere Zeit ganz viel Kraft. Ich weiß, wie du dich gerade fühlst.
    Alles Liebe von Britt

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Hallo,
    "Immer versucht. Immer gescheitert. Einerlei. Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern."(Samuel Beckett)
    In meiner onkologischen Gruppe hörte ich zum ersten Mal den Begriff "Resilienz": also die psychische Widerstandskraft bzw. Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen
    ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen. Dazu gibt es diese Grafik:

    Ich hoffe, es ist lesbar. Vielleicht kann jemand etwas damit anfangen.
    LG Britt

    Hab's größer gemacht, sollte jetzt lesbar sein. Gruß Henri

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

    Einmal editiert, zuletzt von Henri (21. März 2019 um 13:02)

  • Guten Morgen,
    lieber Henri: danke für`s Vergrößern :*
    liebe Silbermöwe: vielleicht magst du ja von dem Seminar berichten? Es interssiert mich sehr.
    Ich habe noch ganz wunderbare Buchtipps:
    Geschrieben von Heinz-Peter Röhr:
    -Narzissmus, das innere Gefängnis / dem inneren Gefängnis entfliehen
    https://www.amazon.de/Narzi%C3%9Fmus…ttppccheatso-21
    -Wege aus der Abhängigkeit. Belastende Beziehungen überwinden
    https://www.amazon.de/Wege-aus-Abh%C…ttppccheatso-21

    Ich wünsche allen ein sonniges und zufrieden trockenes Wochenende
    LG Britt

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Hallo,
    in den Gesprächen meiner Therapiegruppe sollen wir die Worte „eigentlich“ und „man“ in Gesprächen vermeiden.
    Warum? Wenn ich sage: “mein Urlaub war eigentlich schön!“ bedeutet das, der Urlaub war eben nicht schön, sondern das Wetter zu kalt,
    das Essen schmeckte nicht, die Betten zu weich, der Flug mit Turbulenzen, oder was auch immer. „Eigentlich“ steht für etwas Unklares.
    Ich stehe nicht für das ein, was ich sage.
    Wenn ich „man“ benutze, gilt meine eigene Aussage nicht (nur) für mich selbst , sondern auch für die Allgemeinheit.
    Immer, wenn jemand das Wort „man“ benutzte, fragte der Therapeut: „Wer ist „man“? Sind Sie „man“?“
    Ich finde, das ist ein sehr guter Hinweis für eine klare Kommunikation.
    LG Britt

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

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