Zufriedene Trockenheit – was bedeutet das für mich?

  • Die folgenden Gedanken habe ich vor einer Weile für eine kleine "Zeitschrift" meines Selbsthilfevereins niedergeschrieben. Und da ich u.a. auch einige Anregungen aus diesem Forum habe, wollte ich Euch das nicht vorenthalten ;)

    In meiner Gruppe – aber auch außerhalb (u.a. hier im Forum) – kamen immer wieder mal Diskussionen (vielmehr „Gespräche“) darüber auf, was eigentlich „zufriedene Trockenheit“ bedeutet. Unter anderem kam auch die These auf „Bin ich zufrieden damit, dass ich keinen Alkohol mehr trinken kann/darf – also trocken bin?
    Und der Gruppenfreund meinte dann „Nein, damit bin ich nicht zufrieden! Also kann diese „zufriedene Trockenheit“ für mich auch nichts Gutes sein.
    Vielleicht habe ich seine Äußerung auch falsch interpretiert, aber irgendwie hat mich das beschäftigt und ich habe mich vor allem außerhalb meiner Gruppe mal umgehört, was dieser Begriff für Andere bedeutet.

    Hierbei konnte ich feststellen, dass sich meine Vorstellung zu diesem Thema mit den meisten anderen deckt.
    Aber eben nicht mit allen. So sagte zum Beispiel jemand:
    Der Begriff "zufriedene Abstinenz" hat für mich einen fahlen bis negativen Beigeschmack.
    Das hört sich für mich in etwa so an: Man lebt halt mehr oder weniger gern, ohne wesentliche Höhen und Tiefen im Leben. Gleichzeitig finde ich glückliche Abstinenz auch nicht gut. Wenn Leute behaupten, sie seien nun rundherum nur mehr glücklich, so glaube ich das meist nicht recht. In dem Wort Abstinenz liegt auch immer die Bedeutung von "Verzicht" drin, und das finde ich ebenfalls nicht gut. Das gleiche gilt für das Wort "nüchtern". Nüchtern klingt so, als wäre plötzlich ein Zauber vorbei. "Nüchtern betrachtet" zum Beispiel.“ (1)
    Jemand anderes verglich auch den Begriff „zufriedene Trockenheit“ mit „Zölibat“ und „zufriedenes Zölibat“ - es klinge halt beides nach Langweile, weniger intensivem Leben, einfach lustfeindlich.

    Zufriedenheit bedeutet gemäß dem Duden:
    - innerlich ausgeglichen zu sein und nichts anderes zu verlangen, als man hat;
    - mit den gegebenen Verhältnissen, Leistungen oder ähnlichem einverstanden zu sein, nichts auszusetzen zu haben.

    Und genau das ist der Zustand, in dem ich mich (in Bezug auf meine Trockenheit!!) nach meinem derzeitigen Empfinden befinde:
    Ich möchte nichts anderes (z.Bsp. mal wieder etwas trinken) und habe an meinem jetzigen Verhältnis zum Alkohol nichts auszusetzen und bin mit ihm einverstanden.

    Der Alkohol fehlt mir nicht (mehr). Ich vermisse nichts: weder etwas trinken zu „müssen“ und schon gar nicht den Zustand und die übrigen Begleitumstände „danach“.

    Ob man nun sagt, ich „darf“ oder „will“ oder „brauche“ oder „muss“ nichts (alkoholisches) trinken zeigt m.E. in etwa, wie weit man bislang mit seinem „Suchtausstieg“ gekommen ist.

    In der Anfangszeit waren es für mich hauptsächlich die Attribute „dürfen“ und „wollen“. Und „müssen“ fällt für mich in die Zeit vor dem Ausstieg.
    Heute „möchte“ und „brauche“ ich nicht mehr – und das ist für mich vollkommen in Ordnung so.
    Also bin ich per Definition „zufrieden“.

    Auch wenn der Weg dahin kein „Schalter-Klick“, sondern eben ein Weg war.

    Und ob man die Trockenheit nun so nennt oder als Abstinenz, alkoholfreies Leben oder Kartoffelpuffer nennt – das, denke ich, bleibt jedem selbst überlassen. Jeder benutzt dafür den Begriff, der seinem Empfinden nach am Besten passt.

    Wie haben es andere ausgedrückt:
    - "Zufriedene Abstinenz", "erfolgreicher Suchtausstieg", "mühelose Alkoholfreiheit" - was macht das für einen Unterschied? Letztendlich meint es doch das gleiche, dass man einen für sich guten Weg gefunden hat, mit Alkohol umzugehen. (2)
    - „Für mich war deshalb wichtig, jederzeit spüren zu können, dass der Ausstieg aus der Sucht ein wirklich großes Geschenk ist. Dieses Geschenk besitze ich seit dem Ausstieg und völlig unabhängig davon, ob die sonstigen Umstände in meinem Leben gut oder schlecht sind. Vielleicht empfindet ein anderer ebenso und beschreibt diesen Zustand des Nicht-mehr-kämpfen-müssens nur eben anders als ich. Beispielsweise mit dem Begriff der zufriedenen Abstinenz.“ (3)

    Auf jeden Fall empfinde ich diesen Zustand – egal wie man ihn nennt – als sehr befreiend und schön.

    In diesem Sinne wünsche ich Euch allen ein zufriedenes und trockenes/abstinentes/alkohol-/suchtmittelfreies (Aufzählung nicht vollständig) Neues Jahr :klugsch:


    Quellen: 1-3 Die „zufriedene Abstinenz“

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Greenfox,

    danke für Deine Gedanken. Ich finde es immer wieder interessant, wie viele Gedanken man sich über bestimmte Begriffe machen kann. Also wie jetzt z. B. über "zufriedene Trockenheit". Besonders der Vergleich mit "zufriedenem Zölibat" hat mich schmunzeln lassen.

    Die Frage in diesem Zusammenhang ist ja immer: wie kann beschreiben oder erklären welches der vermeintliche Optimalzustand für einen trockenen Alkoholiker ist um ein Minimum an Rückfallgefahr zu haben.

    Und da kommt halt immer wieder der Begriff "zufriedene Tockenheit" (den ich auch selbst gerne verwende) ins Spiel. Für mich bedeutet es einfach mit meinem Leben rundum zufrieden zu sein. Und zwar auch dann, wenn es an der ein oder anderen Ecke mal zwackt oder Schwierigkeiten gibt.

    Vielleicht klingt das für den ein oder anderen nicht lustig oder aufregend genug. Mag sein und ist auch jedem unbenommen hier anders zu denken. Ich glaube, dass ich jetzt ein sehr aufregendes und sehr spannendes Leben habe. Im Gegesatz zu meiner Trinkerzeit - Da habe ich den größten Teil meines Lebens nicht mitbekommen oder völlig falsch wahrgenommen. Die ersten euphorischen Trinkerjahre, als es noch nicht ganz so schlimm war, vielleicht mal ausgenommen. Aber die waren ja nur das "warm up" für das kommende Elend.

    Ich glaube, man sollte diese Zufriedenheit von der hier ja immer gesprochen wird nicht auf das "zufrieden damit sein nichts mehr zu trinken zu wollen" reduzieren. Es geht darum mit sich selbst im Reinen zu sein - durchaus auch losgelöst vom Zusammenhang mit dem Alkohol. Der Blick auf's Ganze ist entscheidend.

    Also durchaus so, wie der Duden es beschreibt und wie Du es für Dich auch empfindest.

    Auf jeden Fall bin ich sehr froh, dass ich das für mich auch so sehen kann und keinerlei negativen Assoziationen im Zusammenhang mit "zufriedener Trockenheit" habe. Weil mir das zeigt, dass es mir an nichts fehlt und es mir richtig gut geht!

    Ich wünsche Dir auch ein gutes, gesundes und damit verbunden natürlich auch ein alkoholfreies Neues Jahr!

    LG
    gerchla

  • Erstmal an Alle noch ein Gutes, Neues, Gesundes und Zufriedenes 2017!

    Zum Thema meine Gedanken:
    Irgendetwas ist „da ja“, wenn, egal jetzt wer und aus welcher Perspektive heraus, überhaupt auf sein abstinentes Leben hinweisen „muss“.
    Also jedenfalls ist das nicht so, wie z. B., wenn jemand hin und wieder mal sagt „Mensch, mir geht’s einfach nur gut und alles ist okay“.
    Und tatsächlich – das nehme ich jetzt einfach mal so an – ist wohl die Mehrheit hier im Forum „trocken“ oder hat inzwischen zu einem moderaten Umgang mit Alkohol gefunden.

    Trotzdem sind wir hier. Trotzdem gehen manche in ihre Selbsthilfegruppe.
    Und nicht wenige, die in eine Selbsthilfegruppe gehen, höre ich relativ oft sagen: „Ich weiß nicht, was ich ohne meine Gruppe wäre“ - … nämlich, so klingt das dann für mich immer wieder heraus, wahrscheinlich halt auf jeden Fall nicht „trocken“, und schon gar nicht „zufrieden trocken“.

    Also, so denke ich für mich, muss „da ja was sein“, dass man mit Gruppe, mit Forum, mit …für die Trockenheit sorgen muss. Erst recht für Zufriedenheit. Das muss man schon den Arsch hochkriegen und „etwas“ tun dafür.
    Ich für mich denke, dass ich schon alleine dadurch mit meinem derzeitigen Leben sehr zufrieden bin, weil es mir nicht so mies geht, wie in den Zeiten, in denen ich gesoffen habe.

    Für mich wäre es natürlich schöner (gewesen), wenn ich niemals, nie, nie, niemals Alkoholiker geworden wäre, sondern einfach ein glückliches, zufriedenes Leben, ggf. mit, vielleicht auch rein zufällig ohne Alkohol vor mich hingelebt hätte, und ich mir überhaupt nie auch nur Gedanken darüber machen müssen hätte, dass ich zu viel Alkohol konsumiere.

    Was für mich auf eine „logische“ Aussage ist, wenn jemand sagt (wie Du, Greenfox geschrieben hast): „Ich bin (da ist nichts mehr dran zu rütteln) Alkoholiker und, wenn ich weitersaufen würde, wäre das mein Untergang. Ich habe (hin und wieder? Oft?) Verlangen Alkohol zu konsumieren, und deswegen bin ich mit meiner „Trockenheit“ überhaupt nicht zufrieden. Ergo kann diese „Zufriedenheit“ auch nichts Gutes für mich sein.“

    Das ist für mich dann jemand, der noch gar nicht kapiert hat, was Sucht bedeutet, und demzufolge auch seine Sucht nicht zu akzeptieren gelernt hat. Logischerweise steht so jemand ständig unter Suchtdruck, weil – das Weglassen von Alkohol – für ihn ein erzwungener Verzicht ist.
    Und etwas Erzwungenes im Zusammenhang mit Zufriedenheit und Trockenheit, überhaupt mit Leben, kann auch nichts sein, das sich für jemand gut anfühlt.

    Wenn dann so jemand für sich feststellt, dass durch das bloße Weglassen einer Droge das Leben keine Höhen und Tiefen mehr hat, dann ist er zwar vielleicht, meiner Meinung nach, durchaus schon in Zeiten „nüchtern“ gewesen, aber nie wirklich „trocken“.
    Dass derjenige dann aber noch zusätzlich sagt „ich finde glückliche Abstinenz nicht gut“, der ist, Verzeihung, durch und durch nass in seinem Denken, wie man fachlich dazu sagt.

    Sich dann noch so weit zu versteigen, dass er behauptet „wenn Leute, die keinen Alkohol mehr konsumieren, behaupten, sie wären (rundherum) glücklich, dann glaube ich das nicht“, das ist dann schon wieder meiner Meinung nach eine sehr, sehr eindimensionale Aussage. Bedeutet sie doch, dass „Mensch“ zum „Glücklichsein“ Alkohol braucht.
    Also kurz die Formel: Alkoholkonsum = Glück; Alkoholverzicht = Unglücklichsein.

    Natürlich ist kein Mensch, auch kein Alkoholiker, „nun, weil er keinen Alkohol mehr konsumiert“ rundherum „glücklich“. Das Leben beinhaltet ja auch ohne Alkohol eine Menge Sorgen und Nöte, und nur weil jemand keinen Alkohol mehr trinkt, wird er nicht plötzlich „glücklich“ werden.
    Auch das ist für mich sehr eindimensional.

    Beide Aussagen sind schlicht … einfach gestrickt. Also die, dass man „weil man keinen Alkohol mehr trinkt (bzw. trinken darf), nunmehr rundherum glücklich ist, und die, dass man gar nicht wirklich glücklich sein könnte, wenn man keinen Alkohol mehr konsumiert.

    Natürlich bedeutet ganz am Anfang einer abstinenten Lebensweise das (meist ja notwendigerweise, oft auch tatsächlich erzwungene) Weglassen von Alkohol, einen „Verzicht“.
    Aber irgendwann dann sollte halt schon die Einsicht kommen, dass es sich um keinen Verzicht handelt, sondern um das ganz bewusste und wohlüberlegte Weglassen der Droge.

    Zitat

    „Nüchtern klingt so, als wäre plötzlich ein Zauber vorbei“.


    Noch so eine ziemlich "einfache" Aussage.
    Mag ja sein, dass anfangs meiner Säuferkarriere ein „gewisser Zauber“ inne wohnte. Aber sind wir mal ehrlich: Spätestens dann, wenn die Sucht voll zuschlägt, ist da so gar nichts „Zauberhaftes“ mehr.
    Oder in anderen Worten: Derjenige, der so etwas sagt, der hat wirklich den Gong noch nicht gehört. nixweiss0

    Zufriedene Abstinenz abwertend mit „Zölibat“ zu vergleichen, nun auch das kann für mich nur einer sagen, der noch sehr, sehr nass ist.
    Dass dabei dann noch die Behauptung aufgestellt wird, ohne Alkohol wäre das Leben lustfeindlich und langweilig, der hat noch ganz andere Probleme mit seinem Leben.

    Also jedenfalls, wenn ich zurückdenke an meine nasse Zeit, dann so behaupte ich, die war richtig stinklangweilig und lustfeindlich.
    Langweilig, weil ich außer zum Saufen zu gar nichts Anderem mehr in der Lage war, und lustfeindlich, weil ich außer zum Saufen zu nichts Lust hatte. ;)

    Ich weiß, dass Vieles, das ich erst durch meine Abstinenz erreichen konnte, in nassem Zustand nie möglich geworden wäre.
    Natürlich bin ich, erst recht seit ich abstinent lebe, kein Kostverächter geworden und konnte es mir, zumindest in manchen Zeiten meiner Säuferkarriere leisten, auch mal „einen guten Tropfen“ zu konsumieren.
    Logischerweise kann ich mich noch sehr gut an so manchen erlesenen Bourbon und Wein erinnern. Ich bin so ehrlich: Klar denke ich manchmal „wehmütig“: Mist, das haste verbockt! Das ist vorüber!
    Aber erstens ist das ein Spiel der Gedanken, das sehr, sehr gefährlich werden kann (gerade auch in langer Trockenheit), und zweitens weiß ich, dass in diesem Fall „Genuss“ überhaupt nicht mehr möglich wäre. Punkt.

    Sorry, ist lang geworden, aber ich hab‘ dafür eine Zeit lang auch kaum mehr was geschrieben. ;)

    Lieben Gruß
    Dietmar

  • Hallo miteinander, Hallo Greenfox

    Greenfox, ich habe schon damals vermutet, dass Du meine Aussagen nicht verstanden hast, so wie Du damals auf mein Posting reagiert hast. Anscheinend lag ich damit richtig.

    Wer sich über die angebliche Gleichungen zufriedene Abstinenz = Zölibat ;) und Abstinenz = langweilig etc. aufregt, kann bei Interesse gerne den ganzen Thread (der Link ist in Greenfox' Posting) nachlesen und vielleicht auch verstehen, wie es sinngemäss gemeint war.

    Lg Mira

  • Oh! :o
    Danke für den Hinweis Mira!

    Da hab' ich mich ja ins Töpfchen gesetzt.

    Wusste nicht, dass dieser Thread eine Vor-Vorgeschichte hat.

    Macht nix.
    Meine es trotzdem so wie geschrieben. 8)

  • Wusste nicht, dass dieser Thread eine Vor-Vorgeschichte hat.

    Ja, den besagten Thread habe ich damals ins Leben gerufen.

    "Zufriedene Abstinenz", das ist ein Begriff, den ich für mich nicht verwende. Wie hier schon erwähnt, meine auch ich, der Alkohol sollte weg vom Vordergrund in den Hintergrund, dem gar keine Bühne geben; zufriedenes Leben, ja, das find ich schon einen besseren Begriff.

    Einmal editiert, zuletzt von franz68 (3. Januar 2017 um 18:37)

  • Wie hier schon erwähnt, meine auch ich, der Alkohol sollte weg vom Vordergrund in den Hintergrund, dem gar keine Bühne geben

    Aber nicht zu weit in den Hintergrund - sonst vergisst man ihn bzw. das Problem mit ihm. Und dann hat man ihn wieder am Hals ;(
    Selbst so erlebt ...

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    können wir nur selber tun!

  • Zitat

    Aber nicht zu weit in den Hintergrund - sonst vergisst man ihn bzw. das Problem mit ihm. Und dann hat man ihn wieder am Hals
    Selbst so erlebt ...


    Oh doch! Weit in den Hintergrund, am liebsten sogar regelrecht aus dem Gedächtnis streichen!
    Ich will nicht, dass die Alkoholproblematik immer und jederzeit präsent ist in meinem Leben.
    Gleichwohl ich’s verstehe, wenn das bei Leuten, die in der Suchthilfe, bzw. Suchtselbsthilfe tätig sind, ganz anders ist.
    Aber rückblickend ging es mir in den nahezu 20 Jahren wirklich richtig gut, als der Alkohol auch gedanklich überhaupt keine Rolle mehr in meinem Leben inne hatte.
    Auch so selbst erlebt ;)

  • Aber rückblickend ging es mir in den nahezu 20 Jahren wirklich richtig gut, als der Alkohol auch gedanklich überhaupt keine Rolle mehr in meinem Leben inne hatte.

    Und doch bist Du hier im Forum ;)

    Ich möchte nur betonen, dass ich natürlich nicht den ganzen Tag vor mich hinmurmele: "Ich bin Alkoholiker, ich bin Alkoholiker, ich bin ..."
    Aber indem ich regelmäßig zu meiner Gruppe gehe (und dort meine Erfahrungen weitergebe), ins Krankenhaus auf die Entzugsstation gehe, wo ich meine SHG vorstelle, mich auch hier im Forum rumtreibe ... vergesse ich nicht, dass ich abhängig bin, mit Alkohol nicht umgehen kann.
    Bei meiner vorletzten Trockenzeit (hoffe ja, dass dies meine letzte ist) habe ich NICHTS gemacht - nur den Alk weggelassen. Und dann habe ich nach anderthalb Jahren etwa vergessen, was passieren könnte, wenn ... und es ist passiert. Ich habe 4 Jahre gebraucht, um mich wieder aus der Schei..e rauszuarbeiten.

    Ich denke oft nicht bewusst daran/darüber nach - es ist MITTLERWEILE eine Art Automatismus.

    Gruß
    Greenfox

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  • Zitat

    Und doch bist Du hier im Forum ;)


    Naturellement! Das schrieb ich auch in meinem längeren Beitrag hier: „da muss ja was sein …“
    Nur, für mich ist das nicht primär "die Sucht"! ;)

    Zitat

    ... vergesse ich nicht, dass ich abhängig bin, mit Alkohol nicht umgehen kann.


    Da haben wir ja bekannterweise eine sehr unterschiedliche, selbstverständlich für mich legitime Sichtweise.
    Ich betrachte mich nicht als „abhängig“ von Etwas, das in meinem Leben keine Rolle mehr spielt.
    Ich darf auch bestimmte histaminhaltige Lebensmittel nicht essen, und bin deswegen auch nicht von ihnen abhängig.

    Zitat

    Bei meiner vorletzten Trockenzeit (hoffe ja, dass dies meine letzte ist) habe ich NICHTS gemacht - nur den Alk weggelassen.


    Auch darüber haben wir schon miteinander diskutiert.
    Bei Dir ist es ein guter Weg sich durch die angeführten Aufgaben ständig mit der Sucht zu befassen. Das hilft Dir und hält Dich vom Alkohol fern.

    Niemand, der süchtig war (meine Definition!), kommt von der Sucht „bloß“ damit los, dass er das Suchtmittel weglässt. Es hatte ja eine Funktion. Defizite wurden damit überdeckelt. Situationen, die unerträglich waren, schön gesoffen, usw.
    Aber heute sehe ich es bei mir immer mehr, dass der Alkoholismus bei mir eben genau betrachtet zwar ein großes Problem war, aber eben „nur“ ein Symptom.

    Wer da nicht an sich arbeitet, der wird irgendwann wieder von vorne anfangen müssen.
    Ich bin mir auch sehr sicher: Wer meint „nur das Saufen“ wäre das Problem gewesen, der wird über kurz oder lang wieder saufen.

    Also bei mir kann ich nicht sagen, dass ich „vergessen habe, was passiert, wenn …“. Ich habe die vielen Auslöser nicht mehr so wahrgenommen, wie sie es täglich verdienen. Und irgendwann war der Berg wieder so hoch, dass er nur noch mit Alkohol zu ertragen war.
    Auch aus diesem Grund sind mir halt heute genau diese vielen, manchmal sich unendlich langsam einschleichenden Auslöser wichtig.

    Über „Alkohol“ (oder andere sekundäre Problemlöser) denke ich da überhaupt nicht nach. Wenn ich soweit bin, dass ich darüber nachdenke, dann ist es m. E. eh schon wieder zu spät.
    Aber so geht halt jeder mit seinen Erfahrungen um – und das ist auch gut so!

    Lieben Gruß
    Dietmar

  • Ich bin mir auch sehr sicher: Wer meint „nur das Saufen“ wäre das Problem gewesen, der wird über kurz oder lang wieder saufen.

    44. Wahre Worte!

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    können wir nur selber tun!

  • Anlässlich eines wunderschönen Beitrags heute hier über Zufriedenheit möchte ich diesen Thread mal wieder hochholen.

    Ich habe schon unzählige Diskussionen über „Zufriedene Abstinenz“ miterlebt und daran teil genommen.
    Oft habe ich gehört: „Wie kannst du zufrieden sein, nur weil du jetzt nicht mehr säufst?“
    Andere wieder haben mir versucht klar zu machen, dass alleine meine Trockenheit kein Grund für Zufriedenheit im Leben wäre.
    Wieder andere sagten mir unverblümt: „Ich glaube das einfach nicht, dass jemand, der keine Alkohol konsumiert, allein deswegen jetzt plötzlich zufrieden ist.“

    Meine Gedanken dazu sind, dass, wie so oft, in Allem ein Körnchen Wahrheit liegt.
    Und ich kann jene durchaus verstehen, die „nicht mehr saufen“ überhaupt nicht mit „zufrieden leben“ verbinden können.
    Warum? Nun, die meisten, die mir gegenüber so argumentiert haben, waren nie an so tiefen, persönlichen Orten angelangt, wie ich und viele Alkoholiker, die ich kenne.

    Vor Jahren ist mir bei so einem Gespräch einmal der Satz herausgerutscht: „Wer die Hölle nicht kennt, weiß den Himmel nicht zu schätzen.“
    Heute denke ich, dass genau darin der Knackpunkt liegt, warum manche, nachdem sie ihre Sucht zum Stillstand bringen konnten, aus tiefster Überzeugung und sehr intensivem Fühlen heraus sagen können: Allein dadurch, dass ich diese Hölle des Saufens, der Sucht, nicht mehr miterleben muss, spüre ich eine innige Zufriedenheit.

    Natürlich lösen sich, nur weil jemand jetzt abstinent lebt, nicht alle Probleme in Luft auf. Aber einige schon. Und im Gegensatz zur nassen Zeit kann jeder trockene Alkoholiker selbstbestimmt und aktiv seine Probleme angehen und lösen. Dazu kommt ein wohl nicht zu unterschätzender Vorteil, der häufig allein durch den Suchtausstieg entstanden ist: Durch Therapie, Suchtberatung, usw. haben Betroffene gelernt sich in schwierigen Situationen Hilfe zu holen – und Hilfe anzunehmen.

    Ich habe einmal vor vielen Jahren eine wunderschöne Erkenntnis gelesen:

    Eine der größten Schwierigkeiten bei der Selbstveränderung liegt darin begründet, daß viele Menschen, die sich in ungünstigen Situationen befinden, paradoxerweise dazu neigen, den Ist-Zustand gegenüber der Veränderung zu bevorzugen. Der Grund dafür liegt nicht etwa - wie so oft gesagt wird - in der Bequemlichkeit. Im Gegenteil, es ist oft beeindruckend, wieviel Energie Menschen aufbringen, um einen Zustand beizubehalten, unter dem sie leiden. Das Neue, Unbekannte ängstigt, lieber bleibt man beim alten Zustand, auch wenn dieser noch so belastend ist - aber er ist zumindest vertraut.
    (Quelle: http://www.airport1.de/)

    Treffender kann man m. E. genau die Situation nicht beschreiben, in der ein nasser Alkoholiker steckt, der längst weiß, dass etwas völlig aus dem Ruder läuft, der schon lange erkannt hat, dass ihn die Sucht „in die Hölle bringen wird“, und der trotzdem in Angst in der Sucht verharrt, weil er sie kennt, während er fürchterliche Angst hat, was passiert, wenn er endlich aussteigen würde.

    Auf den Punkt gebracht:

    Zitat von "Gerchla"

    Das es nicht viel braucht um zufrieden und glücklich zu sein, das habe ich auch erleben dürfen. Als ich aufhörte empfand ich jeden Tag wie ein Geschenk, zu spüren, wie es mir erst körperlich, später auch seelisch immer besser ging, empfand ich als Glück pur.

  • hallo ich bin noch ganz neu hier... aber ich wag es mal
    Ich glaube dass alles seine Wahrheit hat...jeder wie er es gerade hin bekommt bzw hinbekommen hat. Ich glaube es gibt mindestens zwei unterschiedliche Herangehensweisen mit seiner Sucht umzugehen... die erste ist Disziplin...da geht es zwar auch um eine Zufriedenheit, (die man sich aufrecht erhält) aber es ist glaube ich manchmal halt nur die Zufriedenheit nix getrunken zu haben und man verweilt dort weil es OK ist (besser als vorher) oder es nicht besser weiß... funktioniert auf jeden Fall...
    die zweite Herangehensweise ist nach einer Zufriedenheit ohne Alkohol zu suchen, wo es eigentlich nur um die Zufriedenheit geht, die man halt schwer ohne was findet. ich bin richtig auf die Suche gegangen... hab versucht meine Unzufriedenheit zu definieren dh. versucht genau herauszufinden, was meine Unzufriedenheit ausmacht... es gibt einen Grund warum wir alle Alkohol getrunken haben... es ging auch um Defizite bzw wir waren eben nicht bei 100% ...das dann immer mehr wollen ist halt ein schwer zu beeinflussender Selbstläufer... ist halt Sucht...
    Ich glaube ein Weg ist sich an die Defizite ranzuwagen
    Das ist glaube ich auch nicht nur ein Thema für Sucht (wir haben den Vorteil, dass wir uns sehr mit uns selbst beschäftigt haben)
    Lieben Gruß
    Jasper

  • ich wurde nach langem hin und her mit meiner Familie vor die Wahl gestellt.... Frau und Kinder oder Suff (ich wurde richtig festgenagelt von meiner Frau) und jetzt bin ich so froh nicht alles verloren zu haben... der Grund bzw die Entscheidung hält mich bis heute auch davon ab rückfällig zu werden...

    Ich hoffe doch, auch die Feststellung aus der heutigen Perspektive, dass Dir nichts fehlt, es also kein Verzicht (mehr) ist, nicht zu trinken ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

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    können wir nur selber tun!

  • Hallo Jasper,

    schön, dass Du hier bist!

    Ich würde jetzt aus meiner Perspektive nicht sagen, dass „Alles seine Wahrheit“ hat, aber dass Vieles seine Berechtigung hat.
    Ganz sicher hast Du recht damit, dass es mindestens so viele Wege gibt die Sucht zum Stillstand zu bringen, wie es Wege gibt, auf denen man in die Sucht abrutschen kann.
    Dass jemand mit Disziplin seine Sucht zum Stillstand bringen kann, mag sein – ich habe jedoch noch niemand kennengelernt, der das fertigbrachte.

    Zitat

    da geht es zwar auch um eine Zufriedenheit, (die man sich aufrecht erhält) aber es ist glaube ich manchmal halt nur die Zufriedenheit nix getrunken zu haben und man verweilt dort weil es OK ist (besser als vorher) oder es nicht besser weiß... funktioniert auf jeden Fall...

    Das verstehe ich trotz mehrmaligem Lesen nicht wirklich. Kannst Du es vielleicht einmal genauer erklären, was Du damit meinst?

    Zitat

    die zweite Herangehensweise ist nach einer Zufriedenheit ohne Alkohol zu suchen, wo es eigentlich nur um die Zufriedenheit geht, die man halt schwer ohne was findet.

    Auch mit dem habe ich Probleme, es zu verstehen.
    Es geht doch hier zum Thema „zufriedene Abstinenz“ um „zufriedenes Leben ohne Alkohol“?

    Zitat

    ich bin richtig auf die Suche gegangen...

    Hast Du irgendwie den Eindruck, dass andere „sich nicht richtig“ auf die Suche machen?

    Natürlich kann Trockenheit nur funktionieren, wenn man mit sich im Reinen ist, die Vergangenheit auf- und abgearbeitet hat, die Auslöser für die Flucht in die Sucht kennt, und bereit ist sich selbst und sein Leben (sein bisher nasses Leben) zu verändern.
    Anders kann es ja gar nicht funktionieren, weil – wie hier im Forum schon oft geschrieben wurde – mit „nur den Alkohol weglassen“, wird sich letztlich nichts am (alten) Wesen verändern.

  • die heutige Perspektive hat fast garnix mehr mit Alkohol zu tun... nach so vielen Jahren wurde es für mich sowieso immer leichter.... durch aufgebaute Strategien bzw Disziplin. Ich habe mich sehr viel mit meiner Sucht beschäftigt und irgendwann festgestellt, das ich mich eigentlich mit mir beschäftige... und ich habe zufällig Sucht (war halt meine Art mit mir, der Welt usw umzugehen)
    hat auch lange funktioniert... Ich sehe meine Sucht auch nicht mehr als was negatives... jeder hat halt seine Macken... und das ist meine... aber eigentlich sind es ja nur Macken die ich mit Alkohol gelindert habe, der Alkohol war das Medikament... leider lindert der Alkohol nur die Symptome der Macken und nicht die Macken selbst... wenn jetzt der Alkohol weg ist bleiben die Macken übrig, die an meiner trockenen Zufriedenheit nagen...aus der trockenen Sicht ist es einfacher an seinen Problemen zu arbeiten, weil der Alkohol nicht mehr eine so große Rolle spielt bzw die Sucht (die Suchtspierale ist ein so großes Problem für sich...da kann man sich um nix kümmern wenn man da drin steckt) ich würde sagen mindestens 1 Jahr sollte man sich um seine Sucht (trocken bleiben, Strategien und eine trockene Sicherheit) kümmern bevor man sich an seine Probleme ranwagt... denn das wühlt ein richtig auf und die Erinnerung an die frühere Lösung (Alkohol) kam bei mir sehr heftig zurück...(aber geht ja nicht mehr) mit der Zeit wird es leichter...wenn man sich erst mal einem Problemchen gestellt hat und es auseinandergedröselt hat. irgendwann hat das garnix mehr mit Sucht zu tun
    ich bin nun nicht mehr der jüngste und denke über meine Zukunft nach und möchte später ein zufriedener alter Mann sein...doch ich habe gemerkt...das kommt nicht von alleine
    lieben Gruß
    Jasper

  • Ich nenn es lieber zufriedene Trockenheit als trockene Zufriedenheit.
    In Punkto Trockenheit bin ich zufrieden, aber im weiteren Leben gibt es immer Situationen in denen man unzufrieden ist.
    Ich lasse das einfach zu, erledigt sich meist selbst.
    LG Gerd

  • Hallo Dietmar

    ich meine jeder der hier schreibt ist seinen Weg gegangen, der auch gut oder schlecht funktioniert hat (gehört aber alles zum Weg) und entwickelt sich zur eigenen Wahrheit, wie man mit seiner Sucht umgeht...also keiner ist einen falschen Weg gegangen, da alle Versuche, fragl. Fehlentscheidungen und Rückfälle zum Weg dazugehören.

    Die meisten Leute die ich kenne machen es mit Disziplin (Selbsthilfegruppen, Foren, Notfallplan, trockenes Umfeld usw.) was ein Weg ist, der wirklich funktioniert... die Disziplin fällt einem nach einigen Jahren nicht mehr so schwer, da es sich jetzt um Normalität handelt und eine (gewisse) Zufriedenheit aufgetreten ist.
    die Zufriedenheit die ich meine, hat nix mehr mit der Sucht zu tun das gilt auch zB für Traumatisierte, Depressive, Borderline und Menschen mit Angsterkrankungen.... Es geht um die Defizite die man hat... die wir halt zufällig mit Sucht gelöst haben
    wenn man mit sich im Reinen ist braucht man auch über das Trocken sein nicht mehr nachdenken.... mit sich im Reinen sein ist glaube ich noch ein viel komplizierteres Thema
    Lieben Gruß
    Jasper

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