Die folgenden Gedanken habe ich vor einer Weile für eine kleine "Zeitschrift" meines Selbsthilfevereins niedergeschrieben. Und da ich u.a. auch einige Anregungen aus diesem Forum habe, wollte ich Euch das nicht vorenthalten
In meiner Gruppe – aber auch außerhalb (u.a. hier im Forum) – kamen immer wieder mal Diskussionen (vielmehr „Gespräche“) darüber auf, was eigentlich „zufriedene Trockenheit“ bedeutet. Unter anderem kam auch die These auf „Bin ich zufrieden damit, dass ich keinen Alkohol mehr trinken kann/darf – also trocken bin?“
Und der Gruppenfreund meinte dann „Nein, damit bin ich nicht zufrieden! Also kann diese „zufriedene Trockenheit“ für mich auch nichts Gutes sein.“
Vielleicht habe ich seine Äußerung auch falsch interpretiert, aber irgendwie hat mich das beschäftigt und ich habe mich vor allem außerhalb meiner Gruppe mal umgehört, was dieser Begriff für Andere bedeutet.
Hierbei konnte ich feststellen, dass sich meine Vorstellung zu diesem Thema mit den meisten anderen deckt.
Aber eben nicht mit allen. So sagte zum Beispiel jemand:
„Der Begriff "zufriedene Abstinenz" hat für mich einen fahlen bis negativen Beigeschmack.
Das hört sich für mich in etwa so an: Man lebt halt mehr oder weniger gern, ohne wesentliche Höhen und Tiefen im Leben. Gleichzeitig finde ich glückliche Abstinenz auch nicht gut. Wenn Leute behaupten, sie seien nun rundherum nur mehr glücklich, so glaube ich das meist nicht recht. In dem Wort Abstinenz liegt auch immer die Bedeutung von "Verzicht" drin, und das finde ich ebenfalls nicht gut. Das gleiche gilt für das Wort "nüchtern". Nüchtern klingt so, als wäre plötzlich ein Zauber vorbei. "Nüchtern betrachtet" zum Beispiel.“ (1)
Jemand anderes verglich auch den Begriff „zufriedene Trockenheit“ mit „Zölibat“ und „zufriedenes Zölibat“ - es klinge halt beides nach Langweile, weniger intensivem Leben, einfach lustfeindlich.
Zufriedenheit bedeutet gemäß dem Duden:
- innerlich ausgeglichen zu sein und nichts anderes zu verlangen, als man hat;
- mit den gegebenen Verhältnissen, Leistungen oder ähnlichem einverstanden zu sein, nichts auszusetzen zu haben.
Und genau das ist der Zustand, in dem ich mich (in Bezug auf meine Trockenheit!!) nach meinem derzeitigen Empfinden befinde:
Ich möchte nichts anderes (z.Bsp. mal wieder etwas trinken) und habe an meinem jetzigen Verhältnis zum Alkohol nichts auszusetzen und bin mit ihm einverstanden.
Der Alkohol fehlt mir nicht (mehr). Ich vermisse nichts: weder etwas trinken zu „müssen“ und schon gar nicht den Zustand und die übrigen Begleitumstände „danach“.
Ob man nun sagt, ich „darf“ oder „will“ oder „brauche“ oder „muss“ nichts (alkoholisches) trinken zeigt m.E. in etwa, wie weit man bislang mit seinem „Suchtausstieg“ gekommen ist.
In der Anfangszeit waren es für mich hauptsächlich die Attribute „dürfen“ und „wollen“. Und „müssen“ fällt für mich in die Zeit vor dem Ausstieg.
Heute „möchte“ und „brauche“ ich nicht mehr – und das ist für mich vollkommen in Ordnung so.
Also bin ich per Definition „zufrieden“.
Auch wenn der Weg dahin kein „Schalter-Klick“, sondern eben ein Weg war.
Und ob man die Trockenheit nun so nennt oder als Abstinenz, alkoholfreies Leben oder Kartoffelpuffer nennt – das, denke ich, bleibt jedem selbst überlassen. Jeder benutzt dafür den Begriff, der seinem Empfinden nach am Besten passt.
Wie haben es andere ausgedrückt:
- "Zufriedene Abstinenz", "erfolgreicher Suchtausstieg", "mühelose Alkoholfreiheit" - was macht das für einen Unterschied? Letztendlich meint es doch das gleiche, dass man einen für sich guten Weg gefunden hat, mit Alkohol umzugehen. (2)
- „Für mich war deshalb wichtig, jederzeit spüren zu können, dass der Ausstieg aus der Sucht ein wirklich großes Geschenk ist. Dieses Geschenk besitze ich seit dem Ausstieg und völlig unabhängig davon, ob die sonstigen Umstände in meinem Leben gut oder schlecht sind. Vielleicht empfindet ein anderer ebenso und beschreibt diesen Zustand des Nicht-mehr-kämpfen-müssens nur eben anders als ich. Beispielsweise mit dem Begriff der zufriedenen Abstinenz.“ (3)
Auf jeden Fall empfinde ich diesen Zustand – egal wie man ihn nennt – als sehr befreiend und schön.
In diesem Sinne wünsche ich Euch allen ein zufriedenes und trockenes/abstinentes/alkohol-/suchtmittelfreies (Aufzählung nicht vollständig) Neues Jahr :klugsch:
Quellen: 1-3 Die „zufriedene Abstinenz“