Hallo zusammen - Hilfe, Austausch, Motivation erwünscht

  • Hi zusammen, ich möchte mich auch kurz vorstellen.

    Bin männlich, 33 Jahre und trinke jeden Tag drei bis vier Bier, danach öfters mal mehrere Gläser bis zu einer Flasche Wein. Leider fällt es mir sehr schwer mit dem Trinken aufzuhören, wenn ich ein Mal angefangen habe finde ich meistens kein Ende. Morgens auf dem Weg zur Arbeit merke ich oft meine zittrigen Hände und sage mir fast jeden Tag, ich sollte mit dem Trinken aufhören. In den letzten Monaten hatte ich immer wieder Schmerzen unter dem rechten Rippenbogen. Mein Arzt hat nach einem Ultraschall und nach einem Bluttest eine Fettleber und erhöhte Leberwerte festgestellt. Er riet mir, einige Zeit komplett auf den Alkohol zu verzichten.

    Dies ist nun ca. drei Wochen her, und ich habe die Abstinenz seitdem vor mir hergeschoben. Gestern hat es klick gemacht und ich bin hochmotiviert mindestens vier Wochen komplett auf Alkohol zu verzichten - idealerweise noch viel länger.

    Bin mit 178 cm und 89 Kilo übergewichtig und mache mir langsam echt Sorgen um mein Trinkverhalten und damit auch um meine Gesundheit.
    Ich weiß nicht, ob ich bei der regelmäßig getrunkenen Menge körperliche Entzugserscheinungen zu erwarten habe. Ich kann mich ehrlich gesagt auch nicht mehr an den letzten Tag erinnern, an dem ich tags davor nicht getrunken habe..

    Ich würde mich über den Austausch mit gleichgesinnten in dieser Problematik sehr freuen.

    Gruß Ben

  • Hallo Ben,

    erst mal Herzlich Willkommen im Forum.

    Bin etwas in Eile, deshalb erst mal in aller Kürze:

    Was Du gerade machst ist ein kalter Entzug. Bist Du Dir dessen bewusst? Ich war es mir damals nicht. Bei mir ging alles gut, es hätte aber auch gewaltig daneben gehen können. Im schlimmsten Falle hätte ich mein Leben verlieren können. Das Beste wäre, wenn Du Dich einem Arzt offenbaren würdest, am besten sofort, und mit ihm/ihr zusammen das weitere Vorgehen besrpichst. Er wird wissen was zu tun ist.

    Das wollte ich schnell los werden und Dich auf das Risiko eines kalten Entzugs hinweisen. Ansonsten werde ich versuchen Dir morgen nochmal in Ruhe zu schreiben.

    Bis dahin wünsche ich Dir alles Gute und möglichst wenige Entzugserscheinungen.

    LG
    gerhard

  • Hallo, Ben_Stern

    Ich bin Alkoholiker und seit einer ganzen Reihe von Jahren trocken. Ich kann mich aber sehr gut an meine Verwirrung erinnern als ich aufhörte. Aufhören mit dem Trinken wollte ich, das war klar, aber was dann und wie und überhaupt.
    Mein Sponsor bei AA deren Meetings ich viele Jahre besucht habe und durch die ich auch trocken geworden bin, denn alleine hätte ich es nie geschafft, sagte mir damals: Fang mit einem Schritt an und tue nur einen Schritt auf einmal. Seltsam, ich habe daran schon lange nicht mehr gedacht, bis mich dein Beitrag daran erinnerte. Aber es stimmte und ich denke es stimmt auch heute noch: Lade ich mir zu viel auf einmal auf, scheitere ich. Und wie gesagt: Ohne Hilfe wäre es bei mir nie gegangen.
    Ich wünsche dir Glück und den Mut dir Hilfe zu suchen, auch außerhalb dieses Forums.

    Laurids

  • Hi zusammen,

    ich habe morgen einen Termin bei meinem Arzt, und werde ihm meinen (realen) Alkoholkonsum schildern. Ich hoffe er kann einschätzen ob ein kalter Entzug noch realisierbar ist.
    Heute werde ich allerdings keinen Alkohol trinken - bin sehr motiviert es diesmal nicht nur bei der "Idee" zu belassen, sondern möchte meinen Worten Taten folgen lassen.

    Ein Feedback von euch zu bekommen gibt mir jetzt schon Mut und auch ein wenig Erleichterung, bei diesen Problemen nicht so alleine zu sein.
    Ich danke euch und melde mich zeitnah nochmal mit einem Status-Quo.


    Ben

  • Guten morgen zusammen,

    ich war heute beim Arzt und habe ihm mein Trinkverhalten geschildert. Nicht überraschend dass er mir mitteilte, dass diese Mengen schon sehr kritisch sind. Nach Durchsicht meiner Werte gab er mir Mut uns fragte mich, ob ich seit Gestern Beschwerden hatte. Eigentlich fühle ich mich heute noch motivierter als gestern. Es ist ein sehr schönes Gefühl mal zur Abwechslung nicht verkatert aufzustehen. Ich weiss nicht ob es die Euphorie ist, aber ich fühle mich schon jetzt fitter und möchte die Abstinenz um so mehr durchziehen.

    Ich habe mich gefragt, ab wann ich den Unterschied so richtig fühlen werde. Für viele sind mehrere Tage trocken ja etwas selbstverständliches. Für mich leider noch nicht. Ich möchte aber du den Personen gehören, für die es normal ist nicht trinken zu müssen und ständig bzw. oft an Alkohol denken zu müssen.

    Hatte den Arzt auch gefragt, wie lange es dauern würde, bis sich eine Fetteber zurückbildet. Nach vier bis sechs Monaten sollte man schon einen Unterschied sehen. Somit habe ich entschieden, die anfangs angedachten "Trinkpause" als tatsächliche Abstinenz soweit fortzuführen, dass ich mir irgendwann keine Gedanken mehr um das Trinken machen muss. Damit soll nicht gemeint sein, dass ich wieder kontrolliert trinken kann, sondern vielmehr den Alkohol als ein Relikt alter Zeiten aus meinem Leben zu verbannen.

    Mich aktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen scheint meine Motivation nur zu bestärken. Ich habe gestern viele emotionale und mitreißende Schicksale in diesem Forum gelesen und habe das Gefühl bekommen, dass es nicht zu spät ist, die Reißleine zu ziehen. Damit möchte ich mein Problem mit dem Alkohol nicht herunterrennen. Ich gestehe mir ein, dass es vielleicht sogar noch schlimmer ist, als anfangs geschildert. Zum Beispiel hatte ich nicht erwähnt dass wenn ich normal mit meiner Frau ein paar Gläser Wein getrunken habe, öfters mal einen Zwischengang zur Weinflasche gemacht habe während sie nur kurz auf Toilette geht, um ein glas zu exen und wieder aufzufüllen, nur damit es so aussieht, als ob ich so wenig trinke wie sie...

    Wenn ich dies so zu "Papier" bringe finde ich es doch recht beschämend, dass es so weit gekommen ist. Diese Dinge aufzuschreiben, helfen mir bei der Reflexion und ich komme auf den Geschmack, meine Seele auszuschütten. An dieser Stelle danke an euch für eure nette Art, neue Forumsmitglieder so aktiv abzuholen, sei es mit einem "Willkommen im Forum" oder mit aufmunternden und motivierenden Worten. Dies gibt denke ich nicht nur mir sehr viel, sondern jedem neuen Mitglied, der auf der Suche nach einem offnen Ohr ist.

    Gestern habe ich meine persönlichen Goals durch die geplante Abstinenz zusammengefasst. Sicherlich sind es noch viel mehr, aber das erstaunliche ist, dass ich nicht lange überlegen musste, um diese aufzuschreiben.

    Gerne möchte ich diese Ziele mit euch teilen:

    Gesundheit
    Kein zittern mehr!
    Keine unangenehmen Situationen mehr
    Keine Angst vor zittrigen Händen in wichtigen Gesprächen
    Mehr Selbstbewusstsein
    Souveränität
    Gewichtsverlust
    Kein Angstgefühl
    Mehr Durchblick
    Besser im Job. Viel besser
    Stolz
    Kein Kater jeden Tag
    Mehr Gehirnzellen
    Gesteigerte Fitness und Agilität
    Rückbildung der Leberverfettung
    Keine körperlichen Beschwerden mehr

    Ich halte euch gerne auf dem Laufenden wie es weitergeht.
    Wünsche euch einen Schönen Dienstag!!!

  • Hallo, Ben_Stern,

    das hört sich doch nach einem guten Anfang an! Viel Glück!
    Laurids

  • Guten Morgen Ben,

    so, jetzt hab' ich etwas mehr Zeit.

    Erst mal will ich Dir sagen, dass ich es sehr gut finde, dass Du heute beim Arzt warst. Ehrlich gesagt halte ich das für einen sehr wichtigen Schritt der auch zeigt, dass Du es jetzt wirklich ernst meinst. Und jetzt hast Du auch jemanden, zu dem Du immer gehen kannst (ohne Deine ganze Geschichte neu erzählen zu müssen), wenn Du mal eine Frage oder ein Problem hast.

    Ganz wichtig ist aber, dass Du Dich dem Arzt offenbaren kannst. Wenn Euer Vertrauensverhältnis stimmt, dann kann das für Dich der Kickstart in eine trockene Zukunft sein. Ich bin damals leider erst nach ein paar Tagen zum Arzt, da war das Gröbste schon vorbei, allerdings war ich mir nicht bewusst, welches Risiko ich eingegangen bin. Und ehrlich gesagt, vielleicht wollte ich das auch nicht so wirklich wissen, denn angesprochen darauf wurde ich schon.... Zum Glück ging es gut!

    Ganz kurz zu mir:

    Ich bin Ende 40, Alkoholiker und lebe jetzt schon mehrere Jahre ohne Alkohol. Davor habe ich sehr viele Jahre getrunken. Anfangs eher moderat, jedoch bereits abhängig, später wurden es dann erhebliche Mengen und mein Trinkverhalten entwickelte sich so, wie man sich das gemeinhin bei einem "richtigen" Alkoholiker vorstellt. Also, ich begann z.B. dann schon morgens, vor der Arbeit mit dem Trinken, trank heimlich während der Arbeit usw. Das waren dann in etwa die letzten 2 - 3 Jahre meiner Alkoholikerkarriere. Vorher gab es unterschiedliche Stufen in meiner Sucht. Es ging los mit dem klassischen Feierabendbier, das lange Zeit auch wirklich nur das eine Bier war, jedoch schon regelmäßig, also täglich, getrunken wurde. Aus eins wurde zwei, aus zwei wurde drei usw. Irgendwann in dieser Zeit begann ich mein ganzes Trinkverhalten zu verheimlichen. D. h. ich trank offiziell so gut wie gar keinen Alkohol mehr und nahm die erforderliche Menge immer komplett heimlich zu mir.

    Das wurde "notwendig", weil meine damalige Frau mich mehrmals darauf ansprach, ob ich nicht evtl. ein wenig zu viel und zu regelmäßig trinken würde. Damals trank ich noch sehr wenig, also ein bis zwei Bier vielleicht. Bevor ich heimlich trank, versuchte ich natürlich erst mal aufzuhören. Ich legte längere Trinkpausen ein. Das gefiel mir aber nicht wirklich und ich musste schon damals während dieser Pausen immer an Alkohol denken. Heute weiß ich, dass ich damals schon süchtig war. Und da ich keinen Bock mehr darauf hatte, wieder auf meinem Konsum angesprochen zu werden, fing ich mit heimlichen Trinken an. Der schreckliche Weg in meine Sucht war damit zementiert, bewusst war mir das damals allerdings überhaupt nicht.

    Dein Trinkniveau hatte ich eine sehr lange Zeit. Das war für mich so die Zeit, wo ich der typische funktionierende Alkoholiker war. So 3 - 4 Bier am Tag, alles abends getrunken. Ab und an mal noch Wein dazu, aber noch nicht so große Mengen. Ich weiß nicht wie viele Jahre ich da so unterwegs war. Jedenfalls sah man mir damals meine Sucht noch nicht an, ich war noch schlank, mir tat noch nichts weh und meine Psyche hatte ich noch einigermaßen im Griff, wobei diese schon deutlich angegriffen war.

    Langsam steigerte sich dann aber die Menge. Es wurden 6 - 7 Bier, 8 oder 9 usw. Es begann die Zeit, wo ich stark zu nahm, nicht mehr auf dem Bauch liegen konnte ohne dass es schmerzte. Mein Magen machte immer wieder Probleme, vom Darm will ich mal gar nicht reden. Trotzdem steigerte sich meine Trinkmenge weiter, es wurden 10 - 12 Bier am Tag, dazu noch Wein und ich fing schon morgens damit an. Da war ich dann ein Wrack, körperlich aber vor allem auch Psychisch. Diese letzten Jahre waren psychisch die Hölle. Meine Familie (Frau und 2 Kinder) litten natürlich auch darunter, auch wenn ich nach wie vor heimlich trank. Aber ich war ja quasi gar nicht mehr anwesend. Körperlich vielleicht, geistig allerdings drehte sich mein gesamten Leben nur um Alkohol.

    Mit Beginn meiner Endphase begann ich ein ausgeprägtes Doppelleben zu führen. Als Führungskraft musste ich viel reisen, da war es mir ein Leichtes diese Reiseintensität noch deutlich zu erhöhen, diese Zeit jedoch in Wahrheit mit Trinken zu verbringen. Dazu gab es sogar einen eigenen Raum zu dem nur ich Zugang hatte und wo ich mir einen ordentlichen Vorrat an Alkohol angelegt hatte.

    Warum schreibe ich Dir das alles? Einfach um Dir zu zeigen, wohin Dich eine fortschreitende Sucht führen kann oder ich möchte vielleicht besser sagen, führen wird. Und ich bin mir sehr sicher, dass ich mit meinem Abstieg noch lange nicht am Ende gewesen wäre. Hätte ich es nicht geschafft meine Sucht zu stoppen, wäre es ganz sicher noch tiefer gegangen. Schlimmstenfalls dann bis zu meinem bitteren Ende, und das meine ich jetzt nicht dramatisierend!

    Deshalb ist es gut, dass Du JETZT die Reißleine ziehst. Mit 33 Jahren hast Du noch eine Menge Zeit vor Dir, Du solltest sie nicht mit der Befriedigung Deiner Alkoholsucht verbringen.

    Jetzt mal wieder etwas praktischer für Dich:

    Was habe ich gemacht. Also, wie gesagt, mit etwas Verspätung ging ich zum Arzt. Das war mal wichtig um alles Checken zu lassen aber auch um das weitere Vorgehen zu besprechen. Bereits am ersten Tag meiner Trockenheit habe ich eine SHG aufgesucht. Diese hat mich in der Anfangszeit dann fast täglich begleitet. Das war eine äußerst wichtige Erfahrung für mich, auch wenn ich dann irgendwann gemerkt habe, dass ich kein dauerhafter SHG-Besucher sein werde. Dann suchte ich professionelle Hilfe beim Psychologen, das hat leider etwas gedauert mit den Terminen, war jedoch dann auch ein wichtiger Baustein für mich.

    Nebenher habe ich mich natürlich geoutet. Das geht aus meiner Sicht gar nicht anders. Vorher hatte ich oft Versuche gestartet mit dem Trinken aufzuhören. Und ich dachte: Wenn Du heimlich getrunken hast, dann kannst Du ja auch heimlich aufhören. Somit ist alles beim Alten und keiner merkt irgendwas. Eine WIN - WIN - Situation, sozusagen . Natürlich wurden bestenfall Trinkpausen aus diesen Versuchen. Das konnte gar nicht funktionieren, wie ich heute weiß.

    Also outen, bei meiner Frau und meinen Kindern, bei meinen Eltern, bei meinen Geschwistern und bei den wenigen Freunden, die mir noch geblieben sind trozt meiner Sucht (für Freunde hatte ich jahrelang keine Zeit mehr, hab lieber heimlich gesoffen).

    Das wären alles sehr schwere Gespräche. Ich meine, ich war ja offiziell ein liebevoller Familienvater, der beruflich zwar viel unterwegs war, jedoch auch äußerst erfolgreich. Nun erfuhren sie die Wahrheit.

    Dann nahm ich noch Kontakt zu einem Mönch auf. Nicht aus religiösen Gründen, sondern weil ich diesen Menschen Jahre vorher mal erlebt hatte und er bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte. Und ich dachte: mit dem würde ich gerne mal über mich und meine Sucht sprechen, falls er dazu bereit sein sollte.

    Ist eigentlich eine längere Geschichte aber ich kürze jetzt mal ab: Er war bereit und er wahr wohl derjenige, der am meisten dazu beigetragen hat, dass ich nun schon seit Jahren sehr glücklich ohne Alkohol lebe.

    Nicht vergessen möchte ich meinen besten Freund, mit dem ich unzählige Gespräche geführt habe und er mir mit seiner ganz anderen, sehr pragmatischen Art ebenfalls immer wieder mal Stubser in eine andere Richtung gegeben hat.

    In dieser ganzen Zeit des Trockenwerdens fiel die Trennung von meiner Frau und damit auch der "Verlust" meiner beiden von mir über alles geliebten Kinder (ich konnte sie dann nur noch am Wochende relativ kurz sehen). Die Trennung ging von mir aus, was meine emotionale Situation auch nicht gerade verbessert hat.

    Mein zentrales "Problem" war die Aufarbeitung meiner Schuld, meiner vielen Lügereien, meiner Betrügereien, alles, was sich durch das heimliche Trinken und mein Doppelleben so angesammelt hatte. Damit musste ich erst mal lernen umzugehen. Und dann wollte ich meine Sucht unbedingt richtig aufarbeiten. Wichtig war für mich dann auch die Beantwortung zentraler Fragen nach dem Sinn meines Lebens. Ich wollte wissen wer ich war, wer ich eigentlich sein möchte, was ich sein möchte, was für mich eigentlich Glück bedeutet oder auch "nur" Zufriedenheit usw. usf. Da hatte ich ganz schön zu tun, wie Du Dir vielleicht vorstellen kannst.

    Aber, all diese Fragen, all das Hinterfragen und das Finden der entsprechenden Antworten für mich verdeutlichte mir, wie sinnlos der Alkohol in meinem Leben war und ist. Ich begann zu verinnerlichen, dass mir dieses Zeug nie irgendwas gebracht hat. Und nein, ich habe nicht nur negative Erinnerung an Alkohol. Da gibt es schon auch einige positive, lustige, gesellige Geschichten. Jedoch, wenn ich tiefer nachdenke, alles aus den Zeiten wo ich noch nicht süchtig war....

    Und heute kann ich all diese positiven, lustigen, geselligen Situationen wieder erleben - und zwar ohne Alkohol, man glaubt es kaum. Weil ich weiß, dass es das Zeug dazu gar nicht braucht, wenn man mit sich selbst im Reinen ist, keine Ängste mehr hat, keine Komplexe mehr hat oder auch gelernt hat damit umzugehen ohne es durch Alkohol zu vertuschen.

    Ich kann Dich nur dazu motivieren Deine Sucht zum Stillstand zu bringen. Je nach dem , wie Deine persönliche Situation, Dein Umfeld aussieht, kann das für Dich ein mehr oder weniger starker Einschnitt werden. Du musst aber bereit sein, diesen Einschnitt zuzulassen bzw. vorzunehmen. Einfach nur den Alkohol weglassen funktioniert (leider) auf längere Sicht nicht.

    Vielleicht hilft Dir der kurze Einblick in meine Geschichte etwas. Ich wünsche Dir auf jeden Fall nur das allerbeste und einen guten Austausch hier im Forum.

    LG
    gerchla

  • Nach Gerchlas Ausführungen möchte ich ungern als "Spaßbremse" auftreten, möchte Deinen Enthusiasmus aber in reale Bahnen lenken.

    Ich finde es gut, dass Du Dir das mal aufgeschrieben hast.
    Aber ich möchte auch sagen: Auch trotz Abstinenz gibt es "unangenehme Situationen" (okay, die sind dann aber nicht auf den Alkohol zurückzuführen), kann man krank werden und/oder zunehmen (ich habe leider in den Jahren meiner Abstinenz langsam aber stetig zugenommen - hat aber auch anderweitige gesundheitliche Gründe) ...

    Damit will ich nur sagen: Nur weil Du nicht mehr trinkst, wird jetzt ALLES gut.
    Ich habe schon mit Menschen gesprochen, die waren, wenn ich sie bei der Entgiftung das erste Mal traf, absolut euphorisch und optimistisch - und später dann zu Tode betrübt, weil die Firma doch pleite gegangen ist und sie arbeitslos geworden sind, weil die Frau/der Mann sie doch verlassen hat, weil nicht alles rosarot wurde.

    Aber: Welche Probleme auch auf einen zukommen - mit klarem Kopf kann man ihnen besser begegnen! Vielleicht nicht alle lösen/umhauen - aber besser ausweichen.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo!

    Zum Thema Zittern: Sofern man sich nicht einen Tremor angesoffen hat, den man dann zeitlebens mit sich rumschleppen darf, kann das Zittern auch psycho-somatische Ursachen haben, indem man bei bestimmten Situationen einfach zu nervös, unsicher und mental verspannt ist.


    Ansonsten finde ich die Liste richtig gut. Druck sie aus und häng sie gut sichtbar auf. Sie kann dir eine gute unterstützende Hilfe sein, wenn dich der Suchtdruck heimsucht.

    Gruß
    Rekonvaleszent

  • Hallo zusammen,

    Lieber Gerchla,

    vielen Dank für deine umfangreichen Ausführungen die zeigen, wo alles hinführen kann. Es freut mich um so mehr für dich, dass du nach so einer schweren Zeit die Kurve bekommen hast. Ich denke aktuell nicht wirklich daran mich zu outen, vielmehr überlege ich mir meinem Freundeskreis bestimmt und bewusst zu sagen, dass ich in letzter Zeit zu viel getrunken habe, und negative körperliche Auswirkungen dadurch erfahren habe. Ich möchte jetzt auf meinen Körper hören und bis auf weiteres nicht mehr trinken. Punkt.

    Meiner Frau habe ich das gleiche gesagt. Ich habe ihr erzählt dass ich meinen Konsum nicht einschränken sondern einstellen möchte, was sie natürlich sehr begrüßt. Sie gibt mir kraft und unterstützt mich darin, in dem sie auch nichts trinkt. Zumindest in der ersten Zeit. Ich möchte ja nicht, dass sie sich auch für immer einschränkt und wünsche mir die Situation, dass sie ein Glas Wein trinken kann, ohne dass ich daran denke mittrinken zu müssen. Eine Situation in der ich einfach verzichte fände ich schon sehr schön und selbstbewusst.

    Verrückterweise kenne ich auch einen Mönch, er ist Buddhist und mein bester Freund. seine Lebensweisheiten inspirieren mich und ich kann mich Stundenlang über alles mit ihm unterhalten. auch darüber, dass ich regelmäßig trinke. Er ist neben dem Buddhistendasein allerdings auch ein Partygänger und letztes Wochenende waren wir auch unterwegs, haben natürlich wieder mal übertrieben mit dem Alkohol..

    Greenfox : Du bist doch keine Spaßbremse:) Eher gehst du analytisch an das Thema heran, was sicherlich gut ist. Klar ist durch die eine Entscheidung nicht auf einmal alles "Heile Welt" und es geht nur noch steil bergauf.. aber ich denke für mich ist hier sehr wichtig, dass der erste Schritt bereits getan ist, und dass ich mich damit gut fühle. Die Liste dient mir als Motivation. Klar kann man Schicksalsschlägen und drastischen Änderungen im Leben nicht einfach aus dem Weg gehen. Dabei einen klaren Kopf zu haben ist wie Dur sehr richtig sagst, Gold wert. Die erstellte Liste sind zum einen persönliche Ziele und Vorteile, die ich mir durch die Abstinenz verspreche. Vor allem aber sind es alles Ziele, die ich zum Glück selbst in der Hand habe. Ziele die ich durch ein starkes Selbstbewusstsein und durch einen starken Willen selbst erreichen kann.

    Rekonvaleszent : Eine nicht so schöne Vorstellung, dass man sich einen Tremor antrinken kann, der nicht rückgängig zu machen ist...
    Ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass das Zittern nach ein Paar Tagen komplett weggeht. Tatsächlich hatte ich dieses Zittern öfters in Situationen wie Vorstellungsgesprächen potentieller Mitarbeiter oder in größeren Versammlungen, wenn ich das Wort ergreifen musste. Sicherlich spielen hier psychosomatische Faktoren eine Rolle.
    Allerdings tut der regelmäßige Alkoholkonsum sicherlich das seine dazu. Schlechte Kombination. Ich erinnere mich jedenfalls, dieses Zittern und die Nervosität nicht mein ganzes Leben gehabt zu haben, und gebe hierfür klar meinem Alkoholkonsum die Schuld. Noch ein Grund mehr, mich auf mein abstinentes Dasein zu freuen.

    @euch alle..... Seit Montag habe ich keinen Schluck Alkohol mehr getrunken. Bin nach wie vor sehr motiviert es auch durchzuhalten und mich aus der Sucht zu befreien.
    Heute ist das Deutschlandspiel und ich treffe mich mit Freunden in einem Restaurant, um das Spiel zu verfolgen. Diese Situation ist die erste, in der ich in der Gesellschaft meiner Freunde nur ein Wasser bestellen werde. Ich habe mir fest vorgenommen, mich nicht bequatschen zu lassen und standhaft zu bleiben.

    Ich glaube ich habe noch nie ein Fußballspiel ohne Bier gesehen.. Heute denke ich, dass nur weil jemand Fußball spielt, ich doch nicht unbedingt Alkohol trinken muss.
    Außerdem hat es mich in den letzten Spielen doch sehr genervt, immer 44 Spieler und zwei Bälle zu sehen :)) Das ist doch kein Zustand!

    Wisst ihr noch um die ersten Situationen, wann ihr das erste Mal in der Öffentlichkeit bewusst auf Alkohol verzichtet habt? Was habt ihr gefühlt? Angst? Stolz? Das würde mich sehr interessieren.

    Ich wünsche euch einen tollen sonnigen Mittwoch und melde nicht bald wieder mit einem update.

  • Hallo Ben_Stern,

    auch von mir ein Willkommen im Forum!

    Zitat

    Eine Situation in der ich einfach verzichte fände ich schon sehr schön und selbstbewusst.

    Verzicht ist Verlust. Ist auf etwas verzichten müssen, das man eigentlich dann doch gerne hätte. Verzicht ist für mich so negativ besetzt, dass ich – aus eigener Erfahrung – weiß, ich würde nicht lange damit klarkommen.
    Also ist Verzicht auch nichts schönes, und erst recht nichts, das mich selbstbewusst macht.

    Die innere Bedeutung von Verzicht ist, man auf die Erfüllung eines Wunsches verzichtet.
    Das Gegenteil von Verzicht ist die Offenheit und absolute Akzeptanz der Eigenschaften (meiner), die mir schaden, und die ich deswegen freudig weglasse. Die Zuwendung zu Anderem, nicht als Ersatz, sondern als Gewinn.
    Meine Abstinenz ist für mich, ganz so, wie Du es bei Dir in Deiner Liste ausgearbeitet hast, ausschließlich ein Gewinn. Ein Mehrwert an das Leben, das – mit der Sucht – nicht mehr lebenswert war.

    In einer Zeit und Gesellschaft lebend, in der viele mit dem Druck, der auf sie ausgeübt wird, ohne Suchtmittel nicht mehr klarkommen, hat es mein Selbstbewusstsein enorm gefördert, dass ich mir die Realitäten ganz nüchtern und clean, also frei von bewusstseinstrübenden Substanzen, reinziehen kann.
    Insofern verzichte ich heute auf nichts mehr, wenn ich mich für meinen abstinenten Lebensweg entschieden habe. Ich habe mich bewusst und sehr selbstbewusst dafür entschieden, dass ich keinen Alkohol mehr in meinem Leben integrieren möchte. Dafür gewann und erkannte ich viele Optionen, die von ihrer Wertigkeit die Wirkung des Alkohols um Welten übertreffen.

  • Hallo Ben,

    Zitat

    Ich denke aktuell nicht wirklich daran mich zu outen, vielmehr überlege ich mir meinem Freundeskreis bestimmt und bewusst zu sagen, dass ich in letzter Zeit zu viel getrunken habe, und negative körperliche Auswirkungen dadurch erfahren habe. Ich möchte jetzt auf meinen Körper hören und bis auf weiteres nicht mehr trinken. Punkt.


    Es ist und bleibt Deine Entscheidung, wie Du mit dem Thema Outing umgehst. Das was Du oben schreibst, wäre für mich vielleicht mal ein Argument, dass ich gegenüber nicht so engen Freunden oder Bekannten anwenden würde. Wobei ich eigentlich da von Anfang an gesagt habe, ich trinke keinen Alkohol (mehr). Ohne weitere Erklärungen.

    Für mich gab es keine Alternative dazu, meinem engsten Umfeld die absolute Wahrheit zu sagen. Alleine schon deshalb nicht, weil ich vorher so viele gescheiterte Versuche hatte "heimlich" mit dem Trinken aufzuhören. Letztlich hält man sich doch immer ein Hinterürchen offen, irgendwann wieder trinken zu "können". Ohne dass einem das Umfeld dann anspricht und sagt: Hey ich dachte Du bist Alkoholiker? Wieso trinkst Du jetzt wieder?

    Mal eine konkrete Frage, die mich wirklich sehr interessiert: Wovor hast Du Angst? Oder vielleicht besser: Warum willst Du nicht mal Deiner Frau sagen, dass Du Alkoholiker bist (oder denkst Du könntest einer sein)?

    Zitat

    Er ist neben dem Buddhistendasein allerdings auch ein Partygänger und letztes Wochenende waren wir auch unterwegs, haben natürlich wieder mal übertrieben mit dem Alkohol..


    Also, ich gebe offen zu, dass ich mich mit Buddhismus im tieferen Sinne nicht auskenne. War aber immer der Meinung, dass diese Menschen eher asketisch unterwegs sind und sich eben mehr mit dem Sinn des Lebens befassen. Zumindest suggerieren mir das die buddhistischen Weisheiten, die ich auch sehr gerne lese.

    Zitat

    Wisst ihr noch um die ersten Situationen, wann ihr das erste Mal in der Öffentlichkeit bewusst auf Alkohol verzichtet habt? Was habt ihr gefühlt? Angst? Stolz? Das würde mich sehr interessieren.


    Also, wie schon gesagt - am Anfang stand mein Outing, damit war für mein engeres Umfeld schon mal klar, wo ich stehe, dass ich ein Alkoholiker bin und das die Situation mehr als ernst ist. Damit waren schon mal einige, möglicherweise kritische, Situationen vom Tisch. Zwar trank ich überwiegend heimlich, trotzdem natürlich gab es Situationen z. B. bei Familienfeiern / Geburtstagen / Silvester etc. wo ich selbstveständlich "ein Gläschen" mitgetrunken habe. Sekt zum Anstoßen, auch mal ein Bier, aber halt offiziell sehr sehr moderat. Meinen Spiegel hab ich mir dann heimlich angetrunken.

    Das war mit dem Outing dann vorbei. Niemand wäre mehr auf die Idee gekommen mir was anzubieten, somit hatte ich hier erst mal eine wichtige Baustelle weg, einen Triggerpoint weniger sozusagen.

    Dann gab es ja aber noch andere Anlässe, z. B. Betriebsausflüge, Firmenfeiern oder Feiern wo ich von entfernteren Bekannten eingeladen wurde. Da war es für mich eine super Strategie, in der ersten Zeit meiner Trockenheit einfach mal auf diese Veranstaltungen zu verzichten. Mich erst mal um mich und mein doch recht großes Problem der Alkoholsucht zu kümmern. Erst mal klar zu werden, wo ich überhaupt stehe und wo ich hin will und überhaupt. Der Trümmerhaufen vor dem ich stand war groß genug, da musste erst mal einiges aufgearbeitet werden. Es war für mich jetzt nicht weiter tragisch, im ersten Jahr (grob geschätzt) erst mal sogar ganz bewusst auf Feierlichkeiten zu verzichten.

    Tatsächlich funktionierte das sehr gut ohne dass ich sofort als Spaßbremse abgestempelt wurde oder dass die Leute gesagt hätten, der lässt sich ja nirgends mehr sehen. Irgendwann war ich dann klarer im Kopf, klarer was meine Situation und meinen Einstellung zum Alkohol für meine Zukunft betrifft. Und dann bin ich auch wieder auf Veranstaltungen gegangen, und zwar fast genauso wie ich das vorher auch tat.

    Ich erinnere mich, dass am Anfang sehr viel Angst dabei war. Also "wie reagierst Du, wenn Dir jemand permanent Alkohol aufschwatzen will oder Dir einfach ein Glas in die Hand drückt" usw. Ich hatte mir da dann eine ganz klare Strategie zurecht gelebt. Zentrale Aussage diese Strategie war: Meine Trockenheit ist mir Heilig, danach kommt lange nichts!

    In der Praxis kam es aber so gut wie nie zu solchen Situationen. Denn fast immer reichte es zu sagen: Ich trinke keinen Alkohol. Ich erinnere mich, dass mich mal jemand etwas länger bedrängt hat. Aber auch diese Situation lies sich problemlos lösen.

    Mein letzter verbaler Trumpf wäre immer gewesen zu sagen: Ich trinke nichts weil ich trockener Alkoholiker bin - damit ziehst Du Deinem Gegenüber allerdings ganz schön die Keule über den Kopf.
    Meine allerletzte Option wäre gewesen: Ich drehe mich um und verlasse die Veranstaltung. Musste ich bis heute noch nie machen.

    Trotzdem habe ich schon Veranstaltungen verlassen, wegen des Alkoholkonsums der anwesenden Menschen. Aber nicht weil ich getriggert wurde dadruch, sondern weil es im nüchternen Zustand kaum zu ertragen ist, richtige besoffene Menschen um sich zu haben. Und am Ende noch mit ihnen reden zu müssen, wo eigentlich nur Schwachsinn bei raus kommt. Das empfindet man dann recht schnell als aktive Zeitverschwendung.

    Stolz ist ein Gefühl, dass ich in Bezug auf meine Sucht bzw. auf den Stillstand meiner Sucht noch nie empfunden habe. Und das möchte ich auch nicht. Ich persönlich kann nicht darauf stolz sein, etwas erreicht zu haben, was für die große Masse der Menschen ganz normal ist. Letztlich habe ich doch "nur" eine Sitution bereiningt, in die ich mich selbst gebracht habe. Eine Lage, die fürchterlich schlimm war und wo ich dazu noch viele Menschen um mich herum sehr verletzt habe. Das ich das jetzt beenden konnte, macht mich dankbar, sehr dankbar, jedoch überhaupt nicht stolz. Stolz bin ich z. B. auf meine Kinder, weil sie in meinen Augen wunderbare Menschen sind.

    Das war' dann mal wieder von mir. Bis bald

    LG
    gerchla

  • Hallo Ben-Stern

    Auch von mir ein herzliches Willkommen. Du hast eine gute Entscheidung getroffen und ich finde, Deine Postings lesen sich sehr positiv und voller Energie. Das erinnert mich an meinen Ausstieg vor bald 4 Jahren. Als ich es endlich geschafft habe, fühlte ich mich auch vom ersten Tag wie erlöst und befreit an.


    Wisst ihr noch um die ersten Situationen, wann ihr das erste Mal in der Öffentlichkeit bewusst auf Alkohol verzichtet habt? Was habt ihr gefühlt? Angst? Stolz? Das würde mich sehr interessieren.

    Ich erinnere mich noch sehr gut an solche Situationen. In ganz öffentlichen Situationen war es ja kein Problem, weil sich da ja niemand achtet wer was trinkt (z.B. an Konzerten....). Ich hatte eher von kleinen Runden bedenken, weil ich ja immer mitgetrunken habe und es dann schon auffällt, wenn man es plötzlich nicht mehr tut.

    In den ersten Tagen habe ich gar niemandem was gesagt, nicht mal meinem Mann. Am Anfang half mir der Gedanke "heute trinke ich nichts" sehr und habe das mit mir ausgemacht. Später habe ich dann meinem Mann und auch meinen nahen Freunden gesagt, dass ich nichts mehr trinke. Diese Leute wusste auch, dass ich ein Problem habe/hatte, wobei richtig ernst hat es niemand genommen.

    Bei den anderen habe ich verschiedene Taktiken gewählt: Von "ich mag heute nicht" bis "Rotwein vertrag ich nicht mehr so gut" bis zum Einschenken lassen eines Glases und dieses nach dem Anstossen einfach wieder zu vergessen und stehenzulassen (was niemandem auffällt, by the way, dafür fällt MIR jetzt auf, dass viele Leute nur aus "Anstand" anstossen, dran nippen und den Rest stehenlassen :o) ).... oder manchmal hab ich in einem unbeachteten Moment einfach mein Glas mit dem meines Mannes ausgetauscht, welches schon leer war.
    Was ich dabei fühlte? Grosses Kopfzerbrechen habe ich mir nicht gemacht, es war in der Situation selber eher ein leises ins Fäustchen lachen und mich freuen, dass ich wirklich überhaupt keine Lust mehr habe und mein Ding einfach durchziehe. Also schon eher stolz. Mein Weg war es nicht, alle immer Aufzuklären. Inzwischen ist es übrigens ganz normal für alle, dass ich nicht mehr mit anstosse.

    Lg und weiterhin viel Glück auf Deinem Weg
    Mira

  • Bei den anderen habe ich verschiedene Taktiken gewählt: Von "ich mag heute nicht" bis "Rotwein vertrag ich nicht mehr so gut" bis zum Einschenken lassen eines Glases und dieses nach dem Anstossen einfach wieder zu vergessen und stehenzulassen (was niemandem auffällt, by the way, dafür fällt MIR jetzt auf, dass viele Leute nur aus "Anstand" anstossen, dran nippen und den Rest stehenlassen :o) ).... oder manchmal hab ich in einem unbeachteten Moment einfach mein Glas mit dem meines Mannes ausgetauscht, welches schon leer war.
    Was ich dabei fühlte? Grosses Kopfzerbrechen habe ich mir nicht gemacht, es war in der Situation selber eher ein leises ins Fäustchen lachen und mich freuen, dass ich wirklich überhaupt keine Lust mehr habe und mein Ding einfach durchziehe. Also schon eher stolz. Mein Weg war es nicht, alle immer Aufzuklären. Inzwischen ist es übrigens ganz normal für alle, dass ich nicht mehr mit anstosse.

    Hallo!

    Wen ich von meiner Krankheit unterrichte, entscheide ich immer noch selbst. Der Kreis ist sehr überschaubar. Ich binde die Diagnose nicht jedem auf die Nase. Ich weiß, dass einige Abstinenzler wesentlich offener damit verfahren. Ich vergleiche es mit anderen intimen Erkrankungen. Da weihe ich auch nicht Hinz und Kunz ein, nur weil sie das Gefühl vermitteln, eine Erklärung zu erwarten.

    Die Nummer mit dem Anstoßen halte ich für einen ungeübten Anfänger für hochriskant. Warum? Er/sie lässt den Alkohol zu dicht an sich heran. Stößt man erst mal an, dann ist ist nicht mehr weit bis zum aktiven Konsum.

    Mein ehemaliger Therapeut gab stets den Tat, immer mindestens eine Armlänge Abstand zum Alkohol zu halten. Da ist was dran.

    Gruß
    Rekonvaleszent

  • Guten Morgen


    Die Nummer mit dem Anstoßen halte ich für einen ungeübten Anfänger für hochriskant. Warum? Er/sie lässt den Alkohol zu dicht an sich heran. Stößt man erst mal an, dann ist ist nicht mehr weit bis zum aktiven Konsum.

    Das mag für einige Stimmen, für mich war es nicht riskant. Ich hätte auch einen Tag am Oktoberfest am Zapfhahnen stehen können (und könnte es immer noch), es triggert mich nicht. Aber so ist jeder verschieden, jemand (weiss nicht mehr wer es war) hier hat geschrieben, er trinkt nicht mal mehr Wasser aus einem Weinglas, weil er so in Versuchung kommen könnte. Für mich war ab dem Moment des Aufhörens einfach der Fall klar.

    Ben-Stern hat nach Situationen aus der Anfangszeit gefragt... das waren einige von meinen Erfahrungen.

    Lg Mira

  • Hallo Mira,

    die Wege in die Sucht sind genauso individuell verschieden, wie die Weg aus der Sucht. Und später, wenn es jemand geschafft hat seine Sucht zum Stillstand zu bringen, dann geht jeder auf seine Art mit seiner Trockenheit um. So jedenfalls meine Erfahrung.

    Was mir gut tut, was ich in meiner Trockenheit und damals, als ich meine Sucht zum Stillstand bringen konnte, für mich praktiziere/te, kann einen anderen direkt zurück in die Sucht treiben. Genauso andersherum.
    Als ich Deinen Beitrag heute las, dachte ich spontan an Expositonsbehandlung, die bei manchen, wie ich selbst miterlebt habe, ein durchschlagender, bleibender Erfolg sind, während sie für andere, auch sehr erfahrene Alkoholiker, sowohl in als auch nach der Sucht, unvorstellbar sind.

    Letztlich, so denke ich jedenfalls, kommt es darauf an, dass die ursprünglichen Schlüsselreize, die immer wieder zum Trinken verleitet haben, von etwas Anderem, Positiverem besetzt werden.
    Das kann m. E. durchaus dann das Resultat von dem Umgang mit der Nähe zu Alkohol sein, wie Du ihn praktiziert hast. Es ist von mir jetzt reine Spekulation, aber ich denke, in dieser Nähe Widerstand und Ablehnung gegenüber Deinem Suchtmittel aufzubringen, hat Dich in Deinem Willen, nicht mehr trinken zu wollen, gestärkt und widerstandsfähiger gemacht.

    Bei all dem Wissen und der Erfahrung, auch bei all dem Austausch, stelle ich dann doch immer wieder fest: Versuch macht kluch ..
    Ich will damit sagen, es gibt zwar sicher Alkoholiker, die durchweg auf die "Ratschläge" anderer, erfolgreich trockener Alkoholiker hören, aber wahrscheinlich werden sie eher die Ausnahme sein. Die Mehrheit der langjährig trockenen Alkoholiker wird durch das Erlernen eigener individuell zugeschnittener Strategien erfolgreich sein/werden.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!