Damit Ihr wisst, wer ich bin

  • Guten Morgen Gerd,

    du hast recht! Es war, aus meiner heutigen Sicht, eher ein Durchhalten und Verzicht.
    Erstaunlich trotzdem, wie lange ich das "aushielt".

    Auch bezüglich des befreienden Gefühls, das man in der Abstinenz hat, stimme ich Dir absolut zu.
    Natürlich gibt es, vor und nach der aktiven Sucht, viele Fesseln, gesellschaftliche und eigene. Die zu erkennen und sich zu entfesseln ist manchmal schwieriger, als nichts zu trinken.

    Beim Leben auf der Straße hast Du zumindest keine offensichtlichen Regeln zu beachten.
    Ich erinnere mich noch gut, dass in meiner Therapie viel von Regeln einhalten die Rede war. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass sogar extra manche Regel gemacht wurde, um zu testen, wer damit klargekommen ist und wer nicht.
    Meine Therapeutin erklärte mir auf mein Nachfragen, dass sich gerade Süchtige sehr schwer tun, Regeln einzuhalten und zu akzeptieren. Da eine Therapie eine Rehabilitation ist, versuche man sie wieder an das normale Leben mit all seinen Regeln heranzuführen.
    Ich habe erlebt, dass diese Regeln für manche Alkoholiker der Anlass war, wieder mit dem Trinken anzufangen, und sogar die Therapie abzubrechen.
    Daran erkenne ich, dass Freiheit für jeden etwas anderes bedeutet.

    Liebe Grüße zurück
    Dietmar

  • Hallo Gerchla,

    danke für Dein Willkommen!

    Ich muss sagen, Ihr alle hier, die mir bisher geantwortet haben, habt eine schöne Willkommenskultur.

    Ich denke auch für mich ist es gut, wenn ich meine Sucht sehr ernst nehme.
    Ganz zu Anfang meines ersten Suchtausstiegs predigten die Therapeuten noch, dass ein Rückfall der endgültige, absolute Untergang wäre.
    Das hat brutal viel Druck auf mich ausgeübt.
    Bei vielen hat es sogar dazu geführt, dass sie, nachdem sie gefallen waren, nicht mehr aufstehen wollten. Weil sie dachten: Jetzt ist alles aus.

    Natürlich ist es das Beste für einen Alkoholiker, wenn er nicht mehr trinkt!
    Ich habe aber im Verlauf der letzten ungefähr 25 Jahre deutlich mehr Alkoholiker kennengelernt, die „ihre“ Rückfälle hatten, wie Alkoholiker, die mehr als 20 Jahre abstinent geblieben sind.

    Bitte! Das soll nicht entmutigen! Im Gegenteil: Für mich ist es erstrebenswert, zu den – bis zum Tod – Abstinenten zu gehören.
    Aber ich empfinde es aus eigener Erfahrung heraus für immens wichtig, dass jeder Alkoholiker weiß: Fallen kann man. Aber man kann auch jederzeit wieder aufsehen!
    Ein Rückfall ist schlimm.
    Doch er bietet auch Chancen. Aus ihm kann ich lernen, was bisher (trocken) vielleicht falsch gelaufen ist. Krankheit als Chance, vieles positiv zu verändern.
    So sehe ich das für mich.
    [hr]
    Danke Betty!
    Ich hoffe sehr auf einen guten und weiterführenden Austausch mit Euch allen.
    Liebe Grüße
    Dietmar

  • obwohl mich das Gefühl, zumindest leicht, beschleicht, wir beide würden auf völlig unterschiedlichen Ebenen stehen (Du oben?), möchte ich Dir antworten.

    Genau mein Empfinden! Ich bilde mir zwar ein, nicht auf den Finger gefallen zu sein, aber irgendwie habe ich es so nicht formuliert gekriegt (vielleicht auch, weil es immer nur dieses "Gefühl" war).

    Ich möchte aber nicht der Anlass dafür sein, dass ggf. alte Gräben aufgerissen werden!

    Da mach Dir mal keinen Kopp - der Anlässe gibt's genug ...

    Dieses Dranbleiben an meiner Sucht ist es auch, warum ich mich tatsächlich wieder mit dem Gedanke beschäftige, mich eventuell doch wieder einer SHG anzuschließen.

    Dies war für mich vor 7,5 Jahren der Grund, nach meiner (hoffentlich letzten) Entgiftung mir eine Gruppe zu suchen und warum ich seither dort aktiv (und mittlerweile der Gruppenleiter) bin. Ich bin für mich der Meinung, dass dieses "Dranbleiben" der Grund ist, warum ich heute noch trocken bin und so einige Klippen unbeschadet umschiffen konnte.
    Ob es der tatsächliche Grund ist - keine Ahnung. Ist mir aber auch Wurscht. Für MICH ist es so.

    Es war, aus meiner heutigen Sicht, eher ein Durchhalten und Verzicht.
    Erstaunlich trotzdem, wie lange ich das "aushielt".

    Über Deine Formulierung "ausgehalten" bin ich auch gestolpert, dachte aber, dass gerade keine andere Formulierung parat war.
    Aber die Formulierung "aus meiner heutigen Sicht" finde ich sehr, sehr wichtig.
    Ich dachte nach meiner Langzeit auch, dass es mir gut geht und ich auf mich achte. Aus heutiger Sicht war dem eindeutig nicht so und hat dann ja auch zu meinem vierjährigen Rückfall geführt.
    Ich interpretiere Adenauers Bemerkung "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern" dahingehend, dass man seine Meinung auf Grund von gemachten Erfahrungen durchaus auch revidieren kann. Bzw. sogar u.U. sollte.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hi Dietmar

    Zitat

    dass sich gerade Süchtige sehr schwer tun, Regeln einzuhalten und zu akzeptieren


    Ich denke, dass diese Einstellung bei vielen bereits vor der Sucht vorhanden ist (bei mir auf jeden Fall) und evtl. auch
    mit der Sucht verknüpft ist.

    LG Gerd

    P.S. Es gibt ja auch völlig hirnrissige Regeln, die meine ich vorrangig

  • Hallo Forum,
    nach relativ langer Zeit mal wieder ein Lebenszeichen von mir.
    Es geht mir ausgesprochen gut, trocken gut.

    Ich sehe inzwischen vieles, auch in Bezug auf die Sucht, viel entspannter und freier. Vielleicht klappt es deswegen so gut mit der Trockenheit.
    Jedenfalls ist da kein Kampf und kein Druck.

    Ich wünsche allen anderen Betroffen hier und sonst wo, dass auch sie ihren Weg finden.

    Liebe Grüße
    Dietmar

  • Sehr schön, das zu hören/lesen! 44.

    Auch Dir weiterhin alles Gute!

    :sun:

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Dietmar,

    das freut mich sehr für dich. Ich wünsche dir, dass du weiterhin deinen Weg verfolgst und dein Leben genießt. 44.

    Gruß Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

    Einmal editiert, zuletzt von Betty (9. August 2016 um 10:38)

  • Danke für Eure Antworten!

    Ja, ich denke, ich bin wieder auf einem guten, zuverlässigen und sehr zufriedenen Weg.

    Das wünsche ich Euch auch!

    Grüße
    Diemtar

  • ... und manchmal, auf dem Weg
    wenn man mir sagt,
    was gut und richtig für mich sei,
    wenn man bemängelt,
    weil ich frei?
    Da ist es gut,
    sich zu erinnern,
    dass auch der Schlauste unter ihnen,
    mit beiden Füssen gehen muss.
    Weil weiterkommen tut er nicht mit Stuss ...

    Mein achtel Lorbeerblatt

    Stuss

    Nonsens, Unfug, Unsinn;

    (ugs.): Kokolores, Larifari;

    (salopp): Bockmist;

    (ugs. abwertend): Blech, Blödsinn, Firlefanz[erei], Humbug, Käse, Kohl, Mist, Mumpitz, Schmarren, Schwachsinn, Tinnef;

    (ugs., oft abwertend): dummes Zeug;

    (salopp abwertend): Quark, Quatsch, Scheiß, Zinnober;

    (derb abwertend): Scheiße;

    (west[m]d.): Kappes.

    © Duden - Das Synonymwörterbuch,

  • Ich liebe die Musik von Reinhard Mey, das musste mal raus. :) Ich lerne gerade "Das Lied von der Spieluhr" und "Ich denk es war ein gutes Jahr" auf meiner Gitarre. Soooooo schön. Seufz.

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

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