Guten Tag zusammen,
hiermit möchte ich mich vorstellen.
Ich heiße Anton, bin 57 Jahre alt und trinke seit meiner Jugend schon Alkohol in immer weiter steigendem Maß und immer regelmäßiger.
Ich arbeite als Freelancer von zu Hause aus, bin glücklich geschieden und kinderlos, weswegen ich meine Sucht sehr gut verbergen konnte.
In den letzten drei Jahren hat sich mein täglicher Konsum (schon als Frühstück) auf 5-6 Liter Bier pro Tag, manchmal 3 Flaschen Wein oder eine Flasche Cognac, Weinbrand, Rum oder Jagertee stark gesteigert, mit immer reichlichem Vorrat im Haus.
Damit habe ich den größten Teil meines Energiebedarfs mit Alkohol gedeckt – nicht ohne sichtbare und fühlbare Folgen: Akne, Bauch, schwammige Hüften, weiblich werdende Brüste, Rücken- und Gelenkschmerzen, Gewichtszunahme bis kurz vor der Adipositas-Grenze, schwächeres Kurzzeitgedächtnis („was wollte ich gerade sagen/tun/schreiben?“), Verteilung meiner Einkäufe auf Nachbarortschaften, Vermeidung von Autofahrten und von Kontakten nach dem frühen Morgen usw. und so fort.
Vor etwas über drei Wochen habe ich die Reißleine gezogen, und zwar ganz brutal.
Das „wie“ meiner Entgiftung wird hier auf herbe Kritik stoßen.
Ich bin mir bewusst, dass ich mich in große Gefahr begeben habe und möchte das weder empfehlen, noch erwarte ich Anerkennung für meine äußerst kompromisslose Herangehensweise.
Mit der Thematik des Alkoholismus habe ich mich (auch hier) seit vielen Monaten regelmäßig als stiller Mitleser konfrontiert, habe mich selbst und mein Trinkverhalten lange beobachtet.
Dann war der Entschluss gefasst: Entzug – ganz oder gar nicht (in meiner radikalen, wie gesagt hundsgemein gefährlichen, Variante).
Ich habe mich vor dem Wochenende mit 5 Kisten Mineralwasser, 2 Kisten Diät-Multivitaminsaft, Biobrühe und reichlich Lebensmitteln eingedeckt und die Entgiftung mit gleichzeitiger Reduktionsdiät zu Hause gestartet.
Seitdem gab es keinen Alkohol, kaum Kohlenhydrate, keinen Zucker, täglich nur rund 500 Kilokalorien. Mineral- und Vitaminversorgung habe ich mit Pillen ergänzt.
Die ersten drei Tage waren sehr schwierig: Schmacht, Brechreiz ohne Erbrechen, starke Kopf- und Rückenschmerzen, Frieren, totale Unruhe, Schlaflosigkeit, Depressionen.
Nach fünf Tagen wollte ich einkaufen fahren, wollte mir etwas „Leckeres“ als Belohnung gönnen. Dann ertappte ich mich dabei, dass ich gleich an das Alkoholregal dachte, dann an „alkoholfreies“ Bier.
Den Einkauf habe ich deswegen um einen Tag verschoben – ich war noch nicht so weit.
Am nächsten Tag habe ich den Gang mit den Alkoholprodukten gemieden und nur leichte, gesunde Kost gekauft.
Anfangs habe ich die gleiche Menge an Wasser getrunken, die ich sonst an Bier in mich hinein gekippt hätte. Ein Glas Saft gab es zwei mal täglich als „Belohnung“.
Seit Beginn meines „Programms“ habe ich alles gemieden, was mich an Alkohol erinnern könnte und dabei schon sieben Kilo abgenommen.
Ich habe weniger Schmerzen, sehe „frischer“ oder „besser“ aus (so sagt meine Familie jedenfalls).
Mein Ziel ist es, das noch 1-2 Wochen so weiter zu machen und anschließend lebenslang ohne Alkohol zu leben und mit gesunder, mäßiger Ernährung und Lebensweise mein Normalgewicht zu erreichen und zu halten.
Vor acht Jahren habe ich das Rauchen von einem Tag auf den anderen aufgegeben. Dass ich das damals konnte (ich war zuvor Kettenraucher), hat mich in meinem Entschluss bestärkt, es jetzt endlich, kurz vor Toresschluss, auch mit dem Alkohol durch zu ziehen.
Ich sehe mich durchaus nicht als geheilt an, sondern als weiterhin stark gefährdet.
Zwar bin ich jetzt erst mal „über den Berg“, aber wie viele Berge kommen da wohl noch?
Ich lebe auf dem Lande. Hier wird sehr viel getrunken und gegessen, wenig geredet; kulturelle Angebote sind rar.
Daher werde ich die hiesige Öffentlichkeit zunächst meiden – so viel ist mir klar.
Der Gedanke an eine SHG ist mir natürlich schon gekommen, aber ich bin nach jahrelanger Gruppentherapie (wegen anderer Probleme) müde von solchen Settings. Für mich kämen gelegentliche Einzelsitzungen eines Hypnose-Therapeuten als Motivations-Verstärkung infrage.
Hat dazu jemand eine Empfehlung in der Region nordwestliches Niedersachsen?
Ich suche jetzt hier den Dialog und oute mich deswegen als Alkoholiker.
Vielleicht machen meine Zeilen aber auch dem Einen oder Anderen Mut, den Ausstieg anzugehen; bei fortgeschrittener Abhängigkeit dann natürlich unter ärztlicher Überwachung und nicht so riskant, wie ich.
Viele Grüße
Anton