Reha Wunschklinik angeben

  • Hallo zusammen,
    ganz kurz zu mir, ich bin quasi Angehörige und unterstütze gerade einen alkoholabhängigen Freund bei der Suche nach einer passenden Reha Klinik.
    Der Leiter der Selbsthilfegruppe hier hatte die Median Klinik in Bad Neuenahr (Tönisstein) als passende Einrichtung empfohlen, das ist wohl ein Intensivprogramm und der
    Regelaufenthalt dauert 8 Wochen, dafür geht das Tagesprogramm lt. seiner Aussage auch bis spät in den Abend.
    Meinem Freund würde das auch sehr entgegenkommen, da ihm die lange Zeit, die er nicht arbeiten kann, schon auch Stress macht und er gerne die Zeit möglichst intensiv nutzen möchte.
    Zudem hat die Klinik eine Wartezeit von aktuell etwa 3 Wochen, was auch richtig toll wäre.
    Nun meine Frage, würdet ihr das eher kritisch sehen, wenn der Regelaufenthalt nur 8 Wochen dauert? Gibt es noch andere Kliniken, die ein ähnliches Konzept (erfolgreich) anbieten?
    Vielleicht machen wir uns auch viel zu sehr Gedanken um den Punkt "Wunschklinik", weil die Rentenversicherung ja auch etwas ganz anderes aussuchen kann....
    Also wenn jemand Zeit und Lust hätte, seine Einschätzung hier rein zu tippen, das wäre echt toll.
    Danke schonmal und liebe Grüße
    Caecilia

  • Hallo, Caecilia!

    Ich selbst bin Alkoholiker, kenne das Ganze also aus der Perspektive Deines Freundes.

    Bei meiner "Wunsch"-Klinik betrug damals der Regelaufenthalt noch 12 Wochen - und das erschien mir zunächst unheimlich lange. Denn im Gegensatz zu Deinem Freund ging ich noch arbeiten.
    Aber da ich von dem Zeug wegkommen wollte, lies ich mich darauf ein - auf die Dauer und auf die Behandlung. Und dann geschah das, was ich vorher für unmöglich hielt: Ich bat um eine Verlängerung - und erhielt weitere 4 Wochen bewilligt.
    Ich war also insgesamt 16 Wochen dort, die mir sehr gut getan haben und die ich in sehr guter Erinnerung habe.

    Nichtsdestotrotz hatte ich 2 Jahre später einen Rückfall, der mich 4 Jahre gefangen hielt. Ich kämpfte dann um einen erneuten Therapieplatz und erhielt zunächst auch einen. Als ich schon in der Klinik war (es war eine andere) und mit der Behandlung begonnen hatte, kam die Nachricht, dass die Kasse die Kosten doch nicht übernimmt. Nach nur 2 Wochen musste ich also abbrechen.

    Aber diese 2 Wochen haben mir so viel gegeben - mittlerweile bin ich seit 13 Jahren trocken.

    Ich will damit sagen: Es ist nicht unbedingt die Dauer der Behandlung. Wenn er sich darauf einlässt und alle Hilfsmittel mitnimmt, die man ihm an die Hand gibt - Hauptsache, es hat in seinem Kopf den berühmten "Klick" getan!

    Wenn man allerdings von Vornherein mit Widerstand an so eine Sache herangeht ...

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Greenfox,
    danke dir für deine Perspektive, dass in der Reha, welche auch immer es dann wird, der Wunsch nach Verlängerung kommt, würde ich auch nicht ausschließen.
    Wegen Corona konnte er jetzt lange nur eingeschränkt arbeiten, aber deshalb besteht natürlich auch der Wunsch, nach der Reha wieder loslegen zu können,
    aber erstmal Reha hat schon die Priorität.
    Was an dem Intensiv-Programm so ansprechend klang, war auch die Idee, die Zeit maximal zu nutzen.
    Hach ja, der berühmte "Klick", von außen ist das nicht so leicht zu beurteilen, weil die eigene Wahrnehmung ja immer auch ein Mix aus Sorgen, Hoffnung und Zuversicht ist...
    Irgendwie finde ich dein Beispiel gerade total ermutigend, danke auch dafür!
    Liebe Grüße
    Caecilia

  • Hallo
    Caecilla

    Also:
    Greenfox hat schon vieles geschrieben.
    Aber jeder ist anders und das muss auch gesagt werden.
    Ich kann nur sagen, ich bin jetzt seit 1 Jahr aus der Therapie zurück und muss für mich sagen, sie hat ihren Zweck erfüllt.
    Wichtig ist für deinen Freund, dass er es auch wirklich will.
    Viele gehen in eine Therapie, um gerade den Angehörigen zu zeigen, das sie es zwar können mit dem Saufen aufzuhören, ob sie es dann aber wirklich schaffen steht in diesem Zusammenhang auf einem anderen Blatt.
    Eins sollte jeder Bedenken, ein Süchtiger ist der beste Schauspieler ohne Ausbildung.
    Warum geht jemand in eine Therapie, ist doch erst mal die große Frage?
    Steht da ein Druck dahinter?
    Arbeitgeber Freund/in, Familie Kinder Haftverkürzung?
    Oder mache ich des letzten Endes für mich?
    Und dann spielt es auch erst mal keine Rolle welche Klinik die Beste ist.Ja es geht Reihum, das Tönnisstein einen guten Ruf hat, aber sie gibt keine Garantie, das man anschließend sein Suchtproblem gelöst hat.
    Was wird in der Therapie versucht?
    Die Menschen ,die sich dorthin begeben, sollen lernen nach der Therapie Sucht frei zu leben.

    Später mehr.
    LG
    Daun

    Der Weg ist das Ziel<br />Konfuzius (551–479 v. Chr.

  • Stimmt: Nur weil "alle" sagen, dass es gut ist/sein soll, muss es das nicht für Jeden sein.
    Einer mag es hart, einer weich.

    Ich kenne Viele, die LIEBEN Meeresfrüchte - mich kann man damit jagen (wo sind da bitte Früchte ;) ).

    Vieles/Einiges, was ich in der Therapie erlebt und gesehen habe, habe ich erst im Nachhinein verstanden.
    Während der Therapie fühlte ich mich oft provoziert. Es sollte mich aber dazu bringen, Dinge entweder auszuhalten oder anzusprechen - und nicht die Klappe zu halten und meinen Frust mit Alkohol runterzuspülen. Man muss es aber erstmal für sich selbst hinterfragen.

    Oder wenn man gefragt wurde "Wie geht es Dir?" wurde auf die meist lapidare Antwort "Gut!" nachgefragt. Man sollte auf/in sich selbst (hinein)hören, auf seine Gefühle achten - um später (außerhalb der "Käseglocke") rechtzeitig eventuelle Warnsignale besser und früher erkennen und darauf hoffentlich reagieren zu können.
    So habe ich mir erst vor einiger Zeit wieder professionelle Hilfe gesucht, als ich merkte, dass es mir psychisch schlechter ging und die Flasche sozusagen langsam wieder am Horizont erschien. Nun ist sie wieder verschwunden - weil es mir wieder gut geht.

    Das sind so Kleinigkeiten, die in der Therapie versucht werden, dem/der Hilfesuchenden an die Hand zu geben. Werkzeuge, die man später nutzen kann.
    Oder auch nicht, wenn man sich dem verschliesst.

    Allerdings hängt auch viel von der Chemie zwischen Patient/Therapeut ab ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

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    können wir nur selber tun!

  • Hallo
    Ja Greenfox hat es mal schön umschrieben.

    Hallo Caecilla
    Du kannst Deinem Bekannten höchstens Tipps Anregungen geben, aber den Weg dorthin muss er schon selber gehen oder auch finden.
    Mal schauen, was daraus wird.
    LG
    Daun

    Der Weg ist das Ziel<br />Konfuzius (551–479 v. Chr.

  • Du kannst Deinem Bekannten höchstens Tipps Anregungen geben, aber den Weg dorthin muss er schon selber gehen oder auch finden.

    Hallo Daun, das stimmt wohl, ich richte mich bei meiner Tippsuche schon immer danach, was er sagt, was er sich wünscht.
    Allerdings bekommt er auch regelmäßig zu hören, dass eine Therapie nur etwas bringt, wenn er richtig lange weg ist (von Leuten ohne eigene Erfahrungen aber mit viel Meinung),
    das verunsichert mich dann schon auch, ob ich mit meiner "dein Weg, deine Entscheidung, du musst entscheiden, wie es weitergehen soll" Predigt richtig liege...

  • Hallo Caecilia,

    machst du dir Gedanken, oder macht er es? Oder du dir für ihn? Du schreibst ja „wir“, aber mir ist einfach aufgefallen, dass du es bist, die sich hier angemeldet hat und die Frage stellt, und nicht er.

    Ein Mitglied in meiner RL-SHG ist vor drei oder vier Jahren in Bad Tönnisstein gewesen und konnte sich dort sehr gut auf die Therapie einlassen. Ist seither trocken und fährt auch noch gerne zu den Ehemaligentreffen.

    Alles Gute dir und deinem Freund!

    Camina, trockene Alkoholikerin

  • Hallo
    Caecilia
    Also, wenn er in eine Therapie geht und das erst mal nur für 8 Wochen, heißt das nicht, das es dabei auch bleibt.
    Die Therapie kann verlängert werden, kurzfristig.
    Du brauchst ihm nicht alles Vorzukauen, wenn er wirklich will, so wie du schreibst, dann hätte er sich schon mal selber bemüht und Erkundigungen eingezogen, was er außerdem schon im Vorfeld machen könnte.
    Reale Shg sind zurzeit ja nicht möglich, aber Online schon.
    Hier gibt es auch eine gute Sammlung mit der Bücherecke und die Werdegänge von einigen sind auch interessant zu lesen, da kann man schon viel lernen.
    Aber er muss, wollen, nicht du.
    Wenn du dich um einen Job bei einer Firma erkundigst, dann versuchst du es ja auch nicht in einer Bäckerei, wenn du eigentlich Metzger werden möchtest. Außer du zeigst, ich tue ja was, aber im Grunde genommen will ich keinen Job,es ist gut so wie das jetzt ist.
    Alle kümmern sich, und ich kann die Beine Hochlegen.
    Das Gleiche gilt auch für die Therapie. Danach muss man auch weiter an sich Arbeiten, sonst wird das auf Dauer nichts.
    LG
    Daun.

    Der Weg ist das Ziel<br />Konfuzius (551–479 v. Chr.

  • Hallo Daun, hallo Camina,

    danke euch für die Tipps! Dass ich mich hier angemeldet habe, war tatsächlich meine (unabgesprochene) Entscheidung,
    er geht vor Ort zur Suchtberatung und hat sich um eine Therapeutin und eine Selbsthilfegruppe im Anschluß gekümmert.
    Zu der etwas spezielleren Frage zu Tönisstein konnte seine Suchtberatung aber wohl nicht so viel sagen,
    weil die noch keine Erfahrungen mit der Klinik haben.
    Wir wohnen halt ziemlich weit auseinander und in seiner Nähe bietet auch keine Klinik eine vergleichbare Intensiv-Kurzzeit-Therapie an und er möchte auch gerne nicht wohnortnah in die Reha.
    Wenn ich mir angucke, wie ich mich teils kümmern will, finde ich mich auch ein bisschen nah an der Co-Abhängigkeit dran, aber meist beschränke ich mich wirklich aufs
    Infos suchen und weitergeben und immer wieder sagen, dass er nicht aus Scham und Schuldgefühlen seine Wünsche denen der anderen unterordnen soll.
    Ich weiß aber auch, dass mein Einfluß bestenfalls winzig ist.
    Liebe Grüße
    Caecilia

  • Hallo Caecilia,

    ich war 2x in Tönisstein und kann nur Gutes über die Einrichtung berichten.
    Beim ersten Aufenthalt 2014 hab ich die 8 Wochen durchgezogen, war aber einfach
    noch nicht so weit. Ich dachte, man könnte mir dort das kontrollierte Trinken
    beibringen... Es folgten natürlich diverse Rückfälle, bis ich 2016 wieder dort hin bin.

    Die Klinik war mir Sicherheit nicht schuld an meinen Rückfällen. Ich hab 2016 freiwillig
    auf 10 Wochen verlängert, und bin seit diesem Aufenthalt trocken.

    Mal ein paar Punkte zur Klinik:

    - Einzelzimmer (war für mich wichtig)
    - Volles Programm vom Frühstück bis nach dem Abendessen
    - Sehr gutes Essen
    - Sehr gutes Sportangebot inkl. Schwimmbad
    - Ernährungsberatung
    - Nichtraucherkurse
    - Psychologen kommen größtenteils frisch von der Uni, aber das ist
    in jeder Suchtklinik so, sind halt günstig. Aber man muss eh
    selbst den Ar.... hochkriegen.
    - Sehr strenge Regeln, beim 2. Verstoß ist man in der Regel raus.
    Ich hatte aber kein Problem mich an diese Regeln zu halten

    Am meisten hat mir der Kontakt und die Gespräche mit Mitpatienten
    geholfen. Und: Er soll die Sache ernst nehmen!

  • Hallo Günther,
    danke für deinen Beitrag!
    Das klingt wirklich gut.
    Die Sehnsucht danach, vielleicht doch irgendwie kontrolliert trinken zu können,
    ist hier auch schon oft ne fiese Falle gewesen.
    Mein Eindruck ist, dass er es diesmal wirklich ernst nimmt,
    aber vielleicht hoffe ich es auch nur so sehr,
    das wird sich zeigen...

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