Frage an die EKAs...

  • Hallo

    Mir geistert seit längerer Zeit die Gedanken meiner Alkoholkrankheit und dessen Auswirkungen auf meine noch jungen Kinder im Kopf herum...Ich bin nun seit 2Jahren auf einem Weg der Besserung,seit ca 1 Jahr durchgehend abstinent. Davor war es schrecklich,für mich, meinen Mann und bestimmt auch die Kinder.

    Sie waren zur schlimmsten Zeit 7,5Jahre und 5. Ab dann ging es besser. Es gibt Dinge, die konnten sie damals sicherlich nicht einordnen geschweige denn verstehen. Ich frage mich immer wieder, welche Auswirkungen mein Alkoholismus auf ihr noch so kleines Wesen hatte...wie erleben Kinder eine betrunkene Mutter? Wie gehen sie mit Stimmungsschwankungen um und was genau bekommen sie mit?

    Ich bin auf vieles nicht stolz, ich weiss ich war zum Teil unberechenbar, unzuverlässig etc. Niemals gewalttätig oder brutal, ich habe immer sehr viel unternommen mit Ihnen. Aus der nüchternen Distanz heraus und mit einer grossen Portion Ehrlichkeit mir selbst gegenüber weiss ich heute aber, dass ich so einiges verpeilt habe. Sie sahen mich betrunken, bekamen Streitereien wegen meinem Alkoholkonsum zu Hause hautnah mit etc. Ich merkte selbst irgendwann dass mein Kind mit 7Jahren bemerkte, wann etwas nicht stimmte mit Mama. Er hat meinen Mann mal gefragt ob ich manchmal „behindert „ wäre. Oder gefragt, ob Mama wieder „müde“ ist. Das sind Dinge, die sind schwierig zu verarbeiten ohne in Schuldgefühlen zu ertrinken...ich glaube es würde mir helfen, wenn ich dazu Antworten von Menschen bekäme, die eine solche Situation erlebt haben. Und inwiefern solche Erlaubnisse Spuren hinterlassen...

    Könnte ich jetzt im Nachhinein etwas tun? Ausser nüchtern bleiben...Ich habe mit Ihnen noch nicht über das Thema gesprochen, sie sind jetzt 7 und 9,5 Jahre alt. Würde es überhaupt jetzt etwas bringen? Irgendwann möchte ich sie natürlich über meine Krankheit aufklären, ich weiss nicht ob es dafür noch zu früh ist und nicht einfach nur verwirrend wäre da sie mich seit 2 Jahren stabilisiert sehen...?

    Vielleicht mag hier jemand antworten, es würde mich sehr freuen.

    Lg
    Rina

  • Hallo Rina,

    ich bin eine EKA, bei mir trank mein Vater. Wahrgenommen habe ich das ab meinem 15. Lebensjahr.
    Nachhaltig geprägt hat mich, dass ich mich auf die Stimmung meines Vaters nie verlassen konnte. Mal war er interessiert, mal gleichgültig, mal da, mal nicht ( er war ein "leiser" Alkoholiker, also ohne Wutausbrüche oder Gewalt).

    Noch heute habe ich ständig alle Antennen ausgefahren, wie jemand gerade tickt und ob ich das irgendwie positiv durch "Wohlverhalten" beeinflussen kann. Selbst, wenn jemand unberechtigt mieslaunig oder gar gemein ist, versuche ich nett und geduldig zu sein. Also Anpassung zu üben, um die miese Laune zu kompensieren oder eben ganz vorsichtig jede potentiell mögliche Reizung zu vermeiden.
    Ein bisschen, als habe man einen Hund neben sich, von dem man nicht weiß, ob er nun gestreichelt werden will oder dann zuschnappt. Das verunsichert enorm.

    Wenn Du Mutter so junger Kinder bist, empfehle ich Dir Einschätzbarkeit zu zeigen. So dass die Kinder sich auf Deine Stimmung verlassen können und nicht versuchen, Dich wieder zahm zu bekommen. Dazu musst Du nicht alles erlauben oder tolerieren. Aber GERADLINIGKEIT zeigen. Die Kinder sollen spüren, wie Du tickst - und vor allem, warum.

    Sei einfach nie rätselhaft, damit sie sich nicht angewöhnen, in ihrem Verhalten um Deine Stimmungen herumzukreisen. Dann lieber mal eine Auseinandersetzung, aber die klar und ohne Mutmaßungen durch die Kinder.
    Lass´ sie nicht im Nebel tappen.

  • Hallo Rina,

    bei mir hat auch mein Vater mehr getrunken. Meine Mutter trank zwar auch ganz gern, aber nicht so viel und ansonsten war sie eher typisch Co und versuchte sich den Launen meines Vaters anzupassen. Sie versuchte allerdings auch, wegen meinen Fehlern bei ihm nicht in die Schusslinie zu kommen und hat mich dann nicht vor ihm beschützt, sondern eher verpetzt. Insofern war sie leider auch keine Verbündete von mir. Und sie hatte ihre eigenen Macken.

    Mein Vater war von der eher gefährlichen Sorte. Wenn er da war, tat ich am besten, als ob es mich gar nicht gäbe. Nur nicht reizen, war völlig unberechenbar, wann er explodierte. Bei ihm war mit Gewalttätigkeit zu rechnen. Also wäre ich die meiste Zeit am liebsten in einem Loch verschwunden, aber manchmal suchte er auch nach mir wenn er grade einen Zorn hatte. Insgesamt war er ein ziemlich wütender und wohl auch einsamer Mensch.

    Das war in etwa so, als ich so alt war wie Deine Kinder, aber auch noch länger. In der Pubertät und im frühen Erwchsenenalter setzte er mich manchmal so unter Druck, trieb mich auch gewälttätig in die Enge, bis mir der Kragen geplatzt ist und ich ihm trotz meiner fürchterlichen Angst vor seiner Reaktion meine Meinung gesagt habe. Dann war es erst mal erst recht am kochen, trotzdem bin ich eigentlich froh, dass ich es so gemacht habe, sonst wäre ich untergegangen.

    Als ich in die Pubertät kam, entdeckten wir endlich eine gemeinsames Interesse. Meine Mutter hatte sich immer beschwert, dass er nie etwas mit mir unternahm, dass für ihn alles nur Kinderkram war. Aber von ihm standen halt noch Kletterbücher in den Regalen weil er vor der Ehe selbst gern gegangen war. Erst wollte er nicht, weil er keine Lust hatte, mit mir, aber dann hat ihn das plötzlich beeindruckt wie ich los bin. Wir sind dann oft ohne meine Mutter los. Das hat uns dann mehr verbunden, gleichzeitig haben wir uns dann aber abends auf den Hütten auch gemeinsam betrunken. Und da wurde mein Vater dann wesentlich offener, zum Teil dann eher sogar selbstmitleidig und hat sein Leid geklagt. Zu Hause hatte er kaum darüber geredet, alles in sich reingefressen und Terror verbreitet.

    Gleichzeitig kam heraus, dass er im Grunde auch total Angst davor hatte, wie ich ihn sehe. Und zu Hause wurde es dadurch nicht einfacher, da es trotzdem absolut nach seinem Kopf gehen musste, er keinerlei widerspruch duldete und er mir aber auch sagte, ich müsste meinen Kopf auch durchsetzen, nur wenn ich es gemacht habe, konnte er absolut nicht damit umgehen.

    Also man konnte es ihm eigentlich nie recht machen, so rum oder anders rum, irgendwas war immer falsch. Wie gesagt, nur in den Bergen war es anders, und gemeinsam trinken ging irgendwie auch, so lange es nicht zu viel war.

    Du fragst, was Du tun kannst? Bei uns ist das ja zumindest während meines halben Lebens miteinander schief gegangen und von daher wäre das wohl eher theoretisch, was ich dazu sagen könnte.
    Was unser Verhältnis aber irgendwann doch noch geklärt hatte war, dass er mir, als ich selbst schon mit dem trinken aufgehört hatte, bestätigt hatte, dass meine Wahrnehmungen früher richtig waren und dass es so beschissen war, wie ich es in Erinnerung hatte. Also dass ich eben nicht spinne oder mir nur was einbilde.
    Von daher kann ich mir vorstellen, dass es Deinen Kinder helfen könnte, wenn Du Dich ihnen "zeigst". Ja, Du warst so und es war soundso.
    Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit, wie von Biene im Prinzip auch schon so gesagt.

    Und ansonsten hat es mir als Kind/Jugendlicher sehr geholfen, dass ich andere Familien kannte, wo ich aus und ein gehen konnte, wenn es zu Hause nicht auszuhalten war, und wo sich mein Weltbild ein bisschen erweitert hat, so dass ich das, was zu Hause war, auch mit einer gewissen Distanz betrachten konnte.

    Gruß Susanne

  • Vielen Dank Biene und Susanne,

    Ich kann mit euren Antworten absolut was anfangen. Ja, Beständigkeit und Zuverlässigkeit, ich versuche es so gut wie es geht. Wenn es mir schlecht geht - wie auch nicht-Alkis - erkläre ich ihnen wieso und dass es nichts mit ihnen zu tun hat. Sie verstehen das. Ich kann halt selber sehr schlecht einschätzen wie sie diese schlimme Zeit erlebt haben und was haften blieb...Sicher mehr als ich mir einbilde. Oder vergisst man das dann wenn sich der Elternteil „normalisiert „? Ihr schreibt beide aus der Jugendzeit, wo es anscheinend wirklich auffiel und sich ein „das-ist-nicht-normal“ bei euch einstellte. Susanne du sagst so mit 7 oder 9 ist dir ein Licht auf...dachtest du da dein Vater ist krank, abhängig, ein Trinker oder einfach nur ein jähzorniger Mensch? Also brachtest du sein Verhalten mit dem Alk oder Stoff in Verbindung damals?
    Ich verstehe dass das nach so langer Zeit bestimmt schwierig ist zu beantworten...

    Ich hoffe halt dass ich nicht zu viel Schaden angerichtet habe....sie sind ja nicht irgendwie verstört oder unterentwickelt oder traumatisiert, also ganz normale Kinder halt. Aber vielleicht sind sie trotzdem irgendwie durch meine Sucht geprägt, angepasst oder so?

    Das mit der Wahrnehmung und deren Bestätigung ist ein wichtiger Punkt. Ich werde das ganz sicher mit Ihnen nochmals aufnehmen und sie in ihren Erinnerungen bestätigen, ich denke die haben sie ganz bestimmt...Der jüngere fragt heute noch jedesmal ob er aus dem und dem Glas trinken kann, das hat ihn geprägt

  • Hallo Rina,

    mir ist beim Lesen Eurer noch etwas eingefallen:
    Ich habe damals verlernt, meiner Wahrnehmung zu trauen
    - es ist gar nicht so schlimm, dass Papa sich nicht um mich kümmert
    - er ist gar nicht soooo betrunken, am Bahnhof liegen die echten Trinker
    - was ich mir gerade wünsche, ist nicht so wichtig
    - OK, die Stimmung zuhause ist nicht so gut, aber aushaltbar
    - ich bin nicht so wichtig
    - wenn ich alles gut mache, dann wird es besser
    - ich bin eben zu anspruchsvoll
    - ich störe, wenn ich etwas erwarte

    Also bestärke Deine Kinder darin, ihrer Wahrnehmung zu trauen. Wenn sie merken, dass Du wütend oder traurig bist, dann bestätige sie in ihrer Wahrnehmung.


  • Susanne du sagst so mit 7 oder 9 ist dir ein Licht auf...dachtest du da dein Vater ist krank, abhängig, ein Trinker oder einfach nur ein jähzorniger Mensch? Also brachtest du sein Verhalten mit dem Alk oder Stoff in Verbindung damals?

    dass ich aus einer Familie stamme, in der das Trinken viel zu normal war, ist mir erst dann aufgegangen, als ich meine eigene Sucht-und Familiengeschichte für die Einzelstunden in der Suchtberatung aufschreiben musste. Also als ich bereits selbst aufgehört hatte.

    Damals hatte ich diesbezüglich null Überblick. Meine Mutter "verkaufte" es mir so, dass mein Vater sehr viel Stress und Ärger bei der Arbeit hatte, und ich ausserdem ein sehr ungezogenes Kind bin, das ihm und ihr sehr viele Schwierigkeiten macht. Und ansonsten noch die böse Welt, alles Arschlöcher, also eigentlich so die üblichen Schuldzuweisungen. Da wars ja sebstverständlich, dass er so schlechte Laune hatte.

    Und es war natürlich nicht der Alkohol, sondern mit dem Alkohol wurde das überhaupt nur erträglich. Und zwar für beide. Spruch meines Vaters, das Leben ist nur im Suff auszuhalten, meine Mutter die typische, "wer Sorgen hat, hat auch Likör". Und wenn man sich irgendwas gönnen will, dann trinkt man auch. Also im Prinzip finde ich da meine gesamte spätere Lebenseinstellung wieder.
    Und wenns mir schlecht ging, war ich sowieso selbst schuld, weil ich halt ein böses und ungezogenes Kind war. Da ich nichts anderes kannte, habe ich das auch lange geglaubt.

    Das ist nicht so auf die leichte Schulter zu nehmen, den Kinder trinkender Eltern haben sehr oft irgendwelche Schäden, entweder haben sie ein deutlich erhöhtes Risiko, selbst irgendwann eine Sucht zu entwickeln, oder sie zweifeln eben wegen dieser verschobenen Wahrnehmung ein halbes Leben an sich selbst und landen irgendwann in Therapien, da gibts noch mehr Möglichkeiten. Muss nicht sein, und damit habe ich mich auch zu wenig beschäftgt, ich bin den Weg gegangen, mein Chaos Kindern gar nicht erst zuzumuten.

    Ich hab dann halt selbst eine Sucht entwickelt, was für mich tatsächlich den Vorteil hatte, dass ich das dann auch von "innen" kannte und ganz anders verstanden habe, was da abgelaufen war, als wenn ich diese Erfahrung nicht hätte.

    Gruß Susanne

  • Im übrigen ist mir damals kein Licht aufgegangen. Das war wohl ein kleines Missverständnis.

    Ich bin halt gegen den Befehlston und die teilweise körperlichen Angriffe in Rebellion gegangen, sobald ich so 12, 13 war, was natürlich zu Reaktionen und mit der Zeit zur Eskalation führte, weil das natürlich nicht ging. Widerworte gegen die Eltern, Du hast sie ja wohl nicht alle...

    Gleichzeitig war ich da schon alt genug, wenn es mir schlecht ging, hiess es, trink einen, dann gehts Dir besser. "auch einen Schnaps"? Die Problemlösung überhaupt.
    Jedes Verständnis für eine Jugendliche, die so betrunken ist, dass sie nicht mehr laufen kann, war mir sicher. Das war ja schliesslich "normal in dem Alter".

    Und weil ich sie mit Saufaktionen ja gar nicht schocken konnte, bei der Rebellion, denn so waren sie ja selbst, kamen mir die Drogen grade recht. Die störten sie und ihre Wohlstandsfassade nämlich durchaus.
    Und die hatten ja auch interessante Wirkungen. Eine Win-Win Situation, damals, so, für mich, wie ich damals tickte.

  • Ich habe damals verlernt, meiner Wahrnehmung zu trauen

    Also bestärke Deine Kinder darin, ihrer Wahrnehmung zu trauen. Wenn sie merken, dass Du wütend oder traurig bist, dann bestätige sie in ihrer Wahrnehmung.

    Das habe ich so ähnlich auch in anderen Beiträgen von Co-Abhängigen gelesen...Ich werde darauf achten, ja.


    Wie war es denn für dich Biene, mit deinem eigenen Alkoholkonsum? Hat dich das so abgeschreckt, dass es dich gar nie reizte zu trinken? Hast du einen normalen Bezug zum Alkohol? Also weder Ablehnung noch Anziehung?


    dass ich aus einer Familie stamme, in der das Trinken viel zu normal war, ist mir erst dann aufgegangen, als ich meine eigene Sucht-und Familiengeschichte für die Einzelstunden in der Suchtberatung aufschreiben musste. Also als ich bereits selbst aufgehört hatte.

    Damals hatte ich diesbezüglich null Überblick. Meine Mutter "verkaufte" es mir so, dass mein Vater sehr viel Stress und Ärger bei der Arbeit hatte, und ich ausserdem ein sehr ungezogenes Kind bin, das ihm und ihr sehr viele Schwierigkeiten macht. Und ansonsten noch die böse Welt, alles Arschlöcher, also eigentlich so die üblichen Schuldzuweisungen. Da wars ja sebstverständlich, dass er so schlechte Laune hatte.

    Das genau ist einer meiner Hauptmotivationen für meine Trockenheit. Ich will auf keinen Fall, dass meine Kinder mit dem Gedanken gross werden, dass Alkoholkonsum zur Normalität gehört. Ich glaube das ist es, was sie im späteren Leben am meistens beeinflussen wird, die Vorstellung, dass Alkohol einfach überall dazu gehört und man den als Erwachsenen trinkt.
    Da ist die Vorbildfunktion meiner Meinung nach ausschlaggebend, welcher Stellenwert hat Ahlkohol in der Familie,im Alltag, am Wochenende?

    Bei uns war es ja oft so, dass ich mich v.a. am Wochenende richtig abschoss...wie können Kinder da ein gesundes Verhältnis zum Wein erlernen wenn er dazu da ist sich in andere Sphären zu katapultieren? Und das habe ich (also wir als Eltern) ihnen so vorgelebt... :(

    In meiner Familie gibt es noch andere Alkoholiker, obwohl die auch - wie ich - in einem nicht-trinkendem Familienkreis aufwuchsen. Beiderseits meiner Grosseltern wurde nie Alkohol getrunken, bei mir zu Hause selten, aber auch so gibt es durch das Band Alkoholiker in meinem weiten Familienkreis...ich gehe für mich da von einer genetischen Prädisposition aus. Vielleicht, weil eben kein Alkohol konsumiert wurde, leben alle Alkoholiker heute trocken. Das ist eigentlich ein kleineres Wunder...Ich kann also schlecht den Gedanken verdrängen, dass meine Kinder eventuell auch genetisch "vorbelastet" sind und ich sehe es daher als umso wichtiger, mein zu Hause alkfrei zu halten.

    Vielleicht stimmt diese Theorie auch gar nicht mit der Prädisposition, ich kann es mir anders nur nicht erklären. Im Norden wird eher exzessiv getrunken, also wenn dann richtig. Das war bei mir zu Hause nicht anders, aber eben sehr selten. Es wurde nie einfach so Bier oder Wein konsumiert...Wie gesagt, bei meinen Grosseltern beider seits gar nie. Ich verbrachte da jeweils 6 Wochen Sommerferien und NIE habe ich irgendjemanden Alkohol trinken sehen. Den gabs da einfach nicht, für niemanden.

    Gleichzeitig war ich da schon alt genug, wenn es mir schlecht ging, hiess es, trink einen, dann gehts Dir besser. "auch einen Schnaps"? Die Problemlösung überhaupt.
    Jedes Verständnis für eine Jugendliche, die so betrunken ist, dass sie nicht mehr laufen kann, war mir sicher. Das war ja schliesslich "normal in dem Alter".

    Ich frage mich da, ob du überhaupt eine Chance hattest nicht alkoholkrank zu werden...? Das wurde dir ja sozusagen mit in die Wiege gelegt, wenn man als Kind / Jugendlicher mit dieser Wertvorstellung aufwächst wird man sie auch nicht hinterfragen können, das ist dann wirklich die Normalität. Wie soll man da nicht in die Spuren der Eltern treten?

    Ich denke von mir, dass ich ev. auch keine Chance hatte, einfach weil der Alkohol bei mir so sehr ins System einschlug, dass ich sofort unbedingt mehr wollte davon. Ich glaube ich war sofort süchtig, nach der Wirkung.


  • Ich frage mich da, ob du überhaupt eine Chance hattest nicht alkoholkrank zu werden...? Das wurde dir ja sozusagen mit in die Wiege gelegt, wenn man als Kind / Jugendlicher mit dieser Wertvorstellung aufwächst wird man sie auch nicht hinterfragen können, das ist dann wirklich die Normalität. Wie soll man da nicht in die Spuren der Eltern treten?

    so einfach ist das nicht. Ich habe - Stichwort Rebellion - überhaupt nicht gemacht, was meine Eltern mir vorgelebt haben, ausser es wurde eben durch meine eigenen Erfahrungen bestätigt, so dass ich mich selbst davon überzeugen konnte.
    Die inneren Einstellugen waren sicher subtiler, aber die wurden auch durch eigene Erfahrungen untermauert. Sicher waren auch selbsterfüllende Prophezeiungen darunter, wie woanders geschreiben, Wahrnehmung ist selektiv und wird durch das Weltbild gesteuert. Aber ich hatte trotzdem auch eine Menge zusätzliche Erfahrungen, grade weil ich ja meine Ängste gegenüber meinem Vater und meiner Mutter überwinden musste und mich von da an von Ängsten nicht mehr so sehr leiten liess und ich gleichzeitig auch nicht besonders naiv war, ich war ja selbst immer kurz davor, das Schlechteste anzunehmen und dementsprechend auf der Hut. Und eine gewisse Schläue hatte ich durchaus auch.
    Selbst meine Mutter fragt mich bis heute oft, ob ich eigentlich überhaupt keine Angst habe, wenn ich mal wieder irgendwas mache. Ich sage dann, für die anderen bin ich genauso gefährlich wie die für mich, wenn sie mich nicht kennen.

    Bei mir hat es halt auch ins System eingeschlagen. Sicher wurde es mir einfach gemacht, diese Erfahrung zu machen und niemand ist dagegen vorgegangen. Aber wenn es mir nicht gefallen hätte, hätte ich das nicht so weitergemacht. Ich hätte da nie so lange daran festgehalten, wenn es die positiven Wirkungen nicht gegeben hätte. Ich habe bis zum Schluss immer wieder nach einem bestimmten idealen Rauschzustand gesucht, den ich ja auch schon mal erlebt hatte. Insofern kann ich die Verantwortung dafür nicht so einfach an meine Eltern abgeben.

    Gruß Susanne

  • Liebe Rina,

    ich finde es toll, dass du diese Frage stellst und dieses Thema anschneidest.

    Ich bin auch - gerade in letzter Zeit - mit dem Gedanken beschäftigt, was mein Trinken bei meinem Kind wohl angerichtet hat, obwohl mein Kind davon bewusst nichts mitbekommen konnte. Aber bewusst ist ja eben nur die Spitze des Eisberges.

    Darüber nachzudenken, ohne mich von Schuldgefühlen erdrücken zu lassen, ist für mich ganz wichtig, denn ich will nichts mehr (bewusst!) verdrängen. (So wie meine Mutter, wenn ich sie auf den Alkoholkonsum meines Vaters anspreche/ansprach.)

    Aber im Jetzt zu schauen (und sich eben auch dabei Hilfe zu holen wie hier zum Beispiel), was man (du, ich) tun oder lassen kann, um es Jetzt „richtig“ zu machen, das ist wohl für mein Kind noch viel wichtiger.

    Insofern nochmal danke, dass du das Thema, das so viel mit Schuldgefühlen zu tun hat, hier angesprochen hast.

    Viele Grüße,
    Camina

  • Guten Morgen Camina,


    Ich bin auch - gerade in letzter Zeit - mit dem Gedanken beschäftigt, was mein Trinken bei meinem Kind wohl angerichtet hat, obwohl mein Kind davon bewusst nichts mitbekommen konnte. Aber bewusst ist ja eben nur die Spitze des Eisberges.

    Darüber nachzudenken, ohne mich von Schuldgefühlen erdrücken zu lassen, ist für mich ganz wichtig, denn ich will nichts mehr (bewusst!) verdrängen.

    Aber im Jetzt zu schauen (und sich eben auch dabei Hilfe zu holen wie hier zum Beispiel), was man (du, ich) tun oder lassen kann, um es Jetzt „richtig“ zu machen, das ist wohl für mein Kind noch viel wichtiger

    Wieso konnte dein Kind nichts mitbekommen? Wegen dem Alter meinst du? Was unbewusst gespeichert wird ist bestimmt ausschlaggebender da gebe ich dir recht. Diese Erfahrungen prägen unaufhaltsam unser Wesen.

    Schuldgefühle sind ein schwieriges Thema...besonders als trinkende Mutter. Dort wo die Gesellschaft beim Alkoholismus des Vaters beide Augen zudrückt und es noch halbwegs als nicht so schlimm (je nach gewaltbereitschaft) sieht gibt es für die Mutter kein Verständnis. Ich finde es wird langsam thematisiert und es ist kein so grosses Tabu mehr aber je nach Gesellschaft immer noch schwierig. Hier in Süd-Frankreich (oder F allgemein) herrscht immer noch eine sehr patriarchale Familienvorstellung vor, gemessen Zu Skandinavischen Ländern (und wahrscheinlich auch Deutschland) fühle ich mich hier wie in den 60-ihre Jahren...Das erleichtert eine solche Diskussion natürlich nicht.

    Mit diesen Erinnerungen und Schuldgefühlen umzugehen ist bestimmt für viele Mütter und auch Väter eine Herausforderung. Was ich hier geschrieben bekommen habe bringt mich ein Stück weiter auf diesem Weg.

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