• Hallo,

    als erstes einmal muss ich mich im Vorfeld für den Roman entschuldigen, der nun folgen wird. Aber um die Komplexität und mein Dilemma zu verstehen muss ich etwas ausholen.

    Ich lebe mit meiner Partnerin in einer langjährigen Beziehung und wir haben zwei Kinder. Das letzte Jahr war für alle anstrengend, da wir durch Hausbau und einen Schicksalsschlag (auf meiner Seite) schon gefordert waren. Aber es geht uns finanziell gut, die Kinder entwickeln sich und nun sollte es "entspannter" werden.
    Trotzdem fühlte ich das irgendetwas nicht stimmt. Sie war distanziert, verweigerte teilweise Nähe und war sehr launisch. Sie ging plötzlich allein feiern und achtete pinibel auf ihr Äußeres. Selbst zu Treffen mit Arbeitskollegen dackelte sie sich übertrieben auf. Darauf angesprochen verschlimmerte es die Situation. Vor drei Monaten war es dann so schlimm, dass ich mit Nachdruck die "abgekühlte" Beziehung angesprochen habe.
    Darauf erhielt ich die Antwort, dass sie sich trennen will. Eine Wohnung habe sie schon angesehen. Bis zum Einzugstermin wollte sie mit der Verkündung aber noch warten.
    Das war ein Schlag! Fast aus dem Nichts kam dieser Hammer. Und es sollte eine endgültige Entscheidung sein!

    Auf Raten ihrer Mutter setzten wir uns dann aber doch noch mal zusammen und im Sinne der Kinder wollte sie es noch einmal probieren. Da dies nicht Kern der Geschichte ist, springe ich mal über die Gesprächsinhalte. Trotzdem fiel mir schon damals auf, dass es keinen wirklichen Grund für die Trennung gab. Es war immer nichts Greifbares und nur Verallgemeinerungen.
    Deshalb vermutete ich halt mehr dahinter. Sie wirkte so unausgeglichen und innerlich zerissen. So ging ich von einer Affäre aus, die sie nicht wirklich aufgeben wollte.

    Seit dieser Zeit läuft das "Experiment des Probierens". Das Zusammenleben war teilweise harmonisch. Trotzdem gab es launische Phasen und jeder Versuch die Vergangenheit aufzuarbeiten warf alles wieder zurück. Trotzdem ist die Beziehung nur brüderlich. Mehr "kann sie momentan nicht".
    Da ich mehr dahinter vermutete beobachtete ich ihr Verhalten natürlich. Grundsätzlich achtete ich auf Anzeichen für eine Affäre. Dabei fiel mir aber auch der Alkohol auf. Komische Vorfälle wunderten mich. Eine Abhängigkeit zog ich aber nicht wirklich in Betracht.

    Eher zufällig geriet ich mit einem Suchtkrankenhelfer ins Gespräch. Diesem schilderte ich die gemachten Beobachtungen. Das Gespräch war sehr gut und er gab mir auch mal paar Tipps auf was ich achten könnte. Die meisten davon schloss ich schon im Vorfeld aus. Weiter gab er mir den Tipp ein Alkoholtagebuch zu schreiben, um den Konsum mal vor Augen zu haben. Einen Ansprechpartner der Suchtberatung vor Ort gab es auch noch! 44.

    Zu Hause fiel ich dann aus allen Wolken. Nahezu alle Tipps waren ein Volltreffer. Auch die im Vorfeld ausgeschlossenen. Es gab Alkohollager und täglichen Konsum über den Tag verteilt. Ich habe eine Woche lang Tagebuch geführt und kam bei dem was ich "nachweisen" konnte auf täglich mindestens zwei Liter Wein/Sekt. Länger wollte ich die Bespitzelung nicht durchziehen.
    So bin ich zur Suchtberatung und wollte alles in Gang bringen. Das Gespräch war gut, aber ich hatte mir über die Sache einfacher vorgestellt.

    Nun zum Problem...

    Ich habe mit ihr das Gespräch geführt. Ohne Vorwürfe, die helfende Hand reichend. Auch habe ich keinen Druck aufgebaut und nur die Sorge geäußert. Auch habe ich keine Sucht, sondern das "Problem Alkohol" benannt.
    Dieses Gespräch ist vollkommen eskaliert. Hier war ich mit dem Vorwurf konfrontiert das ich mir alles nur ausdenke, um sie schlecht hinzustellen. Konstruktiv kam gar nichts heraus!
    Ich habe dann eine Woche gewartet, aber es kam nichts! Und so habe ich eine "Falle" aufgebaut. Am Feiertag wurde jedglicher Alkohol versteckt. Das führte dazu, dass sie am Abend noch mal tanken musste. So etwas hatte ich ja schon erwartet. Ich erspare mir die Details im Gesprächsverlauf, aber nach endlosen Ausreden, die ich wiederlegen konnte, blieb eben der Kauf und Konsum des Alkohols von der Tanke übrig. Ich habe dann verlangt, dass sie sich einem Gespräch mit einer Suchtberatung unterzieht.
    Das Gespräch wurde am Abend natürlich abgebrochen.

    Am nächsten Morgen stand ich wieder vor einem Problem. Ich habe noch mal sachlich meine Hilfe angeboten. Daraufhin bekam ich als Antwort das sie kein Problem hat und es mir beweist, indem sie keinen Alkohol mehr trinkt. Dies klang mehr nach Vorwurf, als nach Konstruktivität. Sie will mit dem Alkoholverzicht zeigen, dass ich eben nicht Recht habe. Ich habe dann noch mal klar gemacht, dass ich mich freue und glücklich darüber wäre, wenn ich mich getäuscht hätte. Hier glaubt sie mir nicht und sagt ich würde mir wünschen das sie süchtig ist.

    Am Abend kam sie dann zu mir und bat an ihre Tasche und das Auto zu durchsuchen. Dies waren ihre beiden Alkohollager. Das lehnte ich ab.


    Nun stehe ich etwas ratlos da. Die üblichen Alkohollager sind leer und ich habe das Gefühl, sie ist einfach nur noch vorsichtiger geworden. Innerlich habe ich aber Angst den Druck zu erhöhen. Was ist wenn ich mich wirklich getäuscht habe? Dann sind die Lager leer, weil sie nicht trinkt und die Vorsicht kommt mir nur so vor...
    Ich kann sie aber nicht 24 Stunden überwachen! Ich will das ja auch nicht.

    Mittlerweile kämpfe ich schon kaum noch um die Beziehung. Mir geht es aber um die Kinder. Sie fährt mit dem Auto und auch mit ihnen.

    Ich komme nicht wirklich weiter. Spionieren oder laufen lassen?

  • Hallo und HERZLICH WILLKOMMEN hier im Forum :welcome:

    Zunächst einmal kurz zu mir: Ich bin m, 56, selbst Alkoholiker, seit einigen Jahren trocken und auch ein wenig in der Suchtselbsthilfe unterwegs.

    Und das "Thema" Alkohol-Depots kenne ich nur zu gut. Darin sind wir ziemlich gut - und erfinderisch. Wenn sie sagt, sie hätte nur diese zwei - und Du glaubst ihr :lach: :sorry:
    Funktionierende Alkoholiker sind die perfektesten Logistiker, die man sich vorstellen kann: Es geht ja nicht nur um das besorgen und Reserven schaffen und konsumieren von Alkohol, ohne dass es der Umgebung möglichst wenig auffällt - auch die Entsorgung der ganzen Flaschen muss ja organisiert werden. Ausflüge, Urlaube etc so organisiert werden, dass man ständig Nachschub hat. Und, und, und ...

    Es ist gut, dass Du das Thema angesprochen und ihr Hilfe angeboten hast. Auch, dass Du nicht auf ihr "Durchsuchungsangebot" eingegangen bist.
    Das mit dem "Druck aufbauen" ist natürlich schwierig, aber Du musst zu Deinem Schutz und dem Eurer Kinder Grenzen ziehen - und diese dann auch konsequent durchsetzen. Und dazu gehört eben auch, dass sie auf keinen Fall mit den Kindern Auto fährt, wenn sie einen Tropfen getrunken hat.
    Ich weiß, das ist schwierig zu vereinbaren und noch schwieriger umzusetzen (24-Stunden-Überwachung) ...

    Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sie Dir "das Blaue vom Himmel" versprechen wird - oder vollkommen auf Trotz und Gegenwehr schaltet.
    Es ist gut, dass Du auch die Suchtberatung noch "im Rücken" hast. Und viwelleicht kannst Du ja auch noch mit ihrer Mutter sprechen??

    Auf jeden Fall wünsche ich Dir viel Kraft und Durchhaltevermögen!
    Und hier einen guten Austausch.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo,

    vielen Dank für die Antwort.

    Ein Stück weit liegt mein Problem genau in dem Hinweis wie ich damit umgehen soll.

    Ich rieche den Alkohol nicht. Mit (starkem) Parfum und Kaugummi ist es für mich unmöglich den Alkoholkonsum zu riechen. Volltrunken ist sie am Tag nie. Auch ist es nur in ihrem Verhalten nur zu erraten. So ist es schwer eine Kosequenz anzudrohen. Ich hatte überlegt sie pusten zu lassen. Ich könnte an so ein Gerät kommen. Aber damit zeige ich natürlich ganz klar das ich ihr nicht traue. Und was ist wenn ich mich doch täusche...

    Entsorgung der Flaschen und unbeobachtete Momente allein hat sie jederzeit, wenn sie "mit dem Hund spazieren" geht.

    Mit ihrer Mutter sprechen wird nichts bringen. Die schaltet auf Verteidigungsmodus. Das habe ich bei der "Trennung" erlebt. Da hat sie zwar für ein Probieren geworben, aber mich für alles verantwortlich gemacht. Sie hat sogar die Wohnungssuche hinter meinem Rücken verteidigt...

  • Hallo VIT,

    deine Geschichte und die Frage, die du stellst, berührt mich sehr. Ich selbst bin trockene Alkoholikerin und erkenne mich in einigem, was du von deiner Frau schreibst, wieder.

    Meine Ehe ging vor einigen Jahren auseinander, und erst danach konnte ich (bisher) dauerhaft mit dem Trinken aufhören. Die Not, die du beschreibst, hatte mein Exmann auch. Und genau wie (vermutlich) deine Frau erlebte ich damals alle Versuche meines Exmannes, mir das Trinken „wegzunehmen“, als Angriff, gegen den ich mich mit allen Mitteln wehren „musste“. So ist die Sucht.

    Es kann sein, dass deine Frau jetzt (eine Weile) nicht mehr trinkt. Es kann aber auch sein, dass sie, wie du befürchtest, nur noch heimlicher weiter trinkt.
    Das Vertrauen scheint bei euch zerstört. So war es auch bei uns.

    Auch ich wollte mich schon mindestens ein Jahr vor der endgültigen Trennung von meinem Mann trennen, habe aber dann - ebenso wie deine Frau - einen Rückzieher gemacht. Auch bei uns hat unser gemeinsames Kind dabei natürlich eine große Rolle gespielt.

    Bei mir war es so, dass mein Alkoholismus sehr lange von mir verheimlicht werden konnte, und für mein Unglücklichsein in der Ehe noch andere Faktoren eine Rolle spielten. Am Schluss, als dann meine Sucht zutage trat, und sein Misstrauen verständlicherweise sehr groß, war dann alles ein großes Chaos und eine nicht mehr aufzulösende Gemengelage.

    Im Nachhinein bin ich überzeugt, dass die Trennung damals die einzige Möglichkeit war, bei aller Verletzung, die dadurch unserem gemeinsamen Kind entstanden ist. Hätten wir uns nicht getrennt, wäre die Verletzung größer. Heute lebe ich alleinerziehend mit meinem Kind, seit sechs Jahren trocken. Der Kontakt zum Vater besteht sehr regelmäßig.

    Ich weiß ja nicht, warum deine Frau sich von dir trennen wollte (und sogar schon eine Wohnung gesucht hat). So wie du es beschreibst, konnte sie es dir auch nicht wirklich verständlich machen.

    Wenn sie jetzt (offiziell) abstinent ist, wäre es vielleicht eine Idee, eine gemeinsame Paarberatung in Anspruch zu nehmen. Dort könntest du auch (moderiert vom Mediator) deine Ängste, dein Misstrauen, deine Befürchtungen loswerden, und ebenso hat sie diese Möglichkeit.

    Aus meiner Erfahrung mit mir selbst weiß ich, dass nichts etwas hilft (half), solange ich nicht selbst mit mir schonungslos ehrlich bin (war). Ob deine Frau das zur Zeit kann, oder ob sie zu tief in der Sucht steckt, so wie ich es auch lange tat, weiß ich nicht.

    Ich finde es ganz großartig, dass du dir selbst Beratung und Hilfe suchst. Das ist auch das Beste, was du für dich, für eure Kinder, und letztlich auch für deine Frau machen kannst.

    Alles Gute und viel Kraft Dir!

    Camina

  • Hallo Camina,

    Das ein Zusammenhang zwischen dem Mißbrauch und den Problemen in der Beziehung besteht, hatte die Suchtberaterin schon ins Spiel gebracht.

    Tja...was ist der Grund für die Trennung. Den wollte sie mir nicht sagen. Wenn ich es selbst nicht weiß, bin ich selbst schuld war die Antwort. Auf Nachfrage wurde dann halt gesagt das dies auch nicht wichtig sei. Es ist halt so. Als ich nicht locker ließ, kam die fehlende Liebe (als Totschlagargument).
    Als wir es erneut probierten, haben wir auch geredet was nun schief gelaufen ist. Aber auch das war ernüchternd. Ich wäre immer auf Arbeit, würde mich nicht um die Kinder kümmern etc. Viele Verallgemeinerungen und nichts konkretes.
    Nach etwa einem Monat wollte ich eine Rückmeldung. Da war ich zu oft zu Hause und würde zu viel mit den Kindern machen. Ich solle mal auf Arbeit bleiben und mir nicht so viel Mühe geben.
    Das war ernüchternd. Und so kam eigentlich der Gedanke das da mehr dahinter steckt. So auch der Eindruck aus meinem Umfeld. Der erste Gedanke war da natürlich ein anderer Typ.
    Sie hat auch Anfang des Jahres eine neue Bezugsperson, zu der sie 1-2 die Woche geht. Treffen bei uns gibt es nicht und da fließt reichlich Alkohol. Bisher war das für mich jedoch kein Thema. Auch ich trinke mit meinen Kumpels auch mal einen.
    Dieser Typ hat wegen Alkohol keinen Führerschein mehr. Mehr weiß ich eigentlich nicht über ihn...

    Nach drei Monaten in dieser Art Beziehung weiß ich gar nicht, ob ich überhaupt noch eine Therapie will.

    Wir hatten ein perfektes Leben. Haus, Arbeit und wundervolle Kinder. Über Nacht ist quasi alles weg und alle Anstrengungen laufen ins Leere...

  • Tja...was ist der Grund für die Trennung. Den wollte sie mir nicht sagen. Wenn ich es selbst nicht weiß, bin ich selbst schuld war die Antwort. Auf Nachfrage wurde dann halt gesagt das dies auch nicht wichtig sei. Es ist halt so. Als ich nicht locker ließ, kam die fehlende Liebe (als Totschlagargument).
    Als wir es erneut probierten, haben wir auch geredet was nun schief gelaufen ist. Aber auch das war ernüchternd. Ich wäre immer auf Arbeit, würde mich nicht um die Kinder kümmern etc. Viele Verallgemeinerungen und nichts konkretes.
    Nach etwa einem Monat wollte ich eine Rückmeldung. Da war ich zu oft zu Hause und würde zu viel mit den Kindern machen. Ich solle mal auf Arbeit bleiben und mir nicht so viel Mühe geben.

    So etwas soll es auch ohne Alkohol geben ... und dann ist das eben so. Meine Frau und ich haben uns auch getrennt - und da war ich schon trocken und der Alkohol war nicht der Grund. So what.

    Aber leider ist etwas anderes sympthomatisch:


    Sie hat auch Anfang des Jahres eine neue Bezugsperson, zu der sie 1-2 die Woche geht. Treffen bei uns gibt es nicht und da fließt reichlich Alkohol. ... Dieser Typ hat wegen Alkohol keinen Führerschein mehr.

    Nach drei Monaten in dieser Art Beziehung weiß ich gar nicht, ob ich überhaupt noch eine Therapie will.

    Zum Einen sucht und hat schon jemanden, mit dem sie trinken kann.

    Zum Anderen hast Du eigentlich schon abgeschlossen. Oder? Nun solltest Du nur noch selbst die Konsequenzen ziehen ...
    Natürlich tut es anfänglich weh, aber danach wird es einfach besser, ruhiger ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Nunja...ich sehe das etwas anders. Auch wenn es in der Öffentlichkeit so propagiert wird. Es geht nicht (immer
    nur darum sich selbst zu verwirklichen. Wir beide haben eine Verantwortung für die Kinder! Und da muss man sich in schwierigen Zeiten auch mal zusammen reißen und nicht gleich auseinanderrennen. Aber das ist ein gesellschaftliches Problem.

    Tja...was will ich? Ich lebe das oben genannte Motto. Ich würde alles für meine Kinder tun. Und das mache ich seit drei Monaten. Ich werde permanent belogen und es ist leider keine Besserung in Sicht. Harmonie kommt dann wenn ich abducke und Probleme ausblende. Das kann nicht der Weg sein.
    Mittlerweile geht es aber an die Substanz. Körperlich als auch psychisch ist es belastend.
    Aber ein Aufgeben ist für mich (derzeit) Verrat an meinen Kindern!

  • Nun, ich hoffe, Du weisst, was Du damit Deinen Kindern antust! Angeblich wird ja immer nur "alles zum Wohle der Kinder" getan - egal, wie sehr man sie damit quält.

    Wenn Du hier mal ein wenig liest, wirst Du einige Geschichten von Angehörigen lesen, was sie als Kinder von Alkoholikern und deren Co's erleben "durften" ...

    Ich selbst glaubte, dass meine Kinder ja noch klein waren und nicht mitbekamen, was ich im Suff ... Das war aber sowas von falsch gedacht! Ich hätte im Boden versinken können, was sie mir so erzählt haben :-[

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Die Kinder bekommen von der Sucht nichts mit. Auch von den Problemen in der Beziehung haben sie keine Ahnung. Dazu sind sie zu klein.

    Aber was soll ich tun? Die Kinder bei ihr lassen? Dann habe ich keine Kontrolle mehr und sie wandern ohne Chance in die Coabhängigkeit.

  • Hallo VIT,

    ich schreibe mal vom anderen Lager (erwachsene Tochter aus alkoholkrankem
    Elternhaus). Deine Geschichte berührt mich sehr, weil zu spüren ist, wie Du kämpfst.

    Es liest sich fast so, als müsstest Du zwei Spannungsbögen auflösen:
    - in der Beziehung liegt etwas im Argen, Deine Frau hat nicht dieselben Gefühle dafür wie Du (?)
    - der Alkohol, möglicherweise schon die Sucht, beeinträchtigt Eure Kommunikationsfähigkeit

    Und bei mir entsteht der Eindruck, Du stündest jetzt mit Werkzeug bereit, um Dich durch
    beide hindurch zu arbeiten: Erstmal das Alkoholthema irgendwie einfangen, "damit" dann
    auch die Beziehung - mit der aktuell auch etwas nicht stimmt - irgendwie gangbar gemacht
    werden kann ... (?)

    Das erscheint mir ganz schön viel "Aufgabe" für Dich, rein schon beim Lesen schlauchend.

    Deshalb eine Frage, weil ich juristisch und ehe-mäßig völliger Laie bin:


    Wir beide haben eine Verantwortung für die Kinder! Und da muss man sich in schwierigen Zeiten
    auch mal zusammen reißen und nicht gleich auseinanderrennen.

    Warum sollten sich zwei (unterschiedlich) belastete und aktuell eher überforderte Menschen
    zwingen, "etwas Gemeinsames" am Laufen zu halten, nur damit die Struktur steht? Wie echt
    wäre das Gebilde, wie echt wäret ihr als Eltern?

    Anmerkung: Ich bin zwischen zwei perfekt funktionierenden (Alltag und Abläufe betreffend)
    Eltern aufgewachsen und wusste bis ich 30 Jahre alt war nicht, dass "Beziehung" etwas anderes
    bedeutet, als in jedem Moment das Erwartete zu sagen. Entsprechenden Entwicklungsbedarf
    habe ich in mein eigenes Leben mitgenommen. Wichtiger als Kontinuität ohne innere Wärme
    ist Authentizität. Das könnten auch getrennt lebende Elternteile sein, die aufgrund des nicht
    mehr bestehenden Zwangs, "es" hinzubekommen, viel befreiter und zugänglicher sind.



    Tja...was will ich? Ich lebe das oben genannte Motto. Ich würde alles für meine Kinder tun.

    Geht es in dem Punkt wirklich um die Kinder? Oder geht es um ein Festhalten an der bisherigen
    Struktur als Familie, mit den gewohnten Plätzen für alle? - Gerade weil ich Familien-Flüchtling bin,
    steht Individualität und die damit verbundene tiefst mögliche Ehrlichkeit einander gegenüber, für
    mich an erster Stelle. Das haben mir meine Eltern nicht vorleben können, sie waren zu verstrickt.
    Ich habe das Gefälle sehr wohl mitbekommen, zwischen Ansprüchen meines Vaters und der Flucht
    meiner Mutter (Alkohol). In mir hat das Spannung hinterlassen, bedrohte Loyalität zu beiden. Ich
    hatte zeitlebens in jeder Form von Gemeinschaft Mühe, mich verbunden zu fühlen, weil ich meine
    eigenen Gefühle, Gedanken, Urteilskraft und die Erlaubnis zu einem eigenen Standpunkt nie als
    "normal" in mir entwickeln konnte. Bei uns waren freie Worte und ehrliche Gefühle nicht mitteilbar.



    Mittlerweile geht es aber an die Substanz. Körperlich als auch psychisch ist es belastend.
    Aber ein Aufgeben ist für mich (derzeit) Verrat an meinen Kindern!

    Das kann ich aus eigener Erfahrung (Co-Abhängigkeit) absolut nachfühlen, gerade aktuell wieder.
    Wenn ich will, dass etwas "hält", geschützt bleibt, gut läuft, und sonst setzt sich keiner dafür ein,
    dann iST das eine uferlose Überforderung der eigenen Kräfte. Zusätzlich zum eigenen Schmerz um
    das, was gerade gefährdet ist.

    Ich hoffe, dass ich Dir mit keiner Überlegung oder Frage auf die Füße trete. Das ist nicht meine
    Absicht.

    Ich finde es gut, dass Du für Dich selbst schon Anlaufstellen gefunden hast. Und statt beim Ziel
    (alles erhalten) anzusetzen, würde ich Dir eher raten wollen, bei Rückhalt für Dich selbst anzusetzen.
    Es gibt Selbsthilfegruppen, wo über Alkohol, die typischen Begleiterscheinungen für die Co-Familie
    und die Möglichkeiten, trotzdem seelisch gesund dadurch zu finden, gesprochen wird. Und vielleicht
    gewinnst Du aus Austausch und ähnlichen Erfahrungen anderer völlig neue Ideen, wie Du INNERHALB
    Deiner Grenzen MIT dem Wunsch, weiterhin für die Kinder da zu sein, eigene Wege anbieten kannst?
    (Statt abzuwarten und darüber mürbe zu werden.)

    Viel Kraft und alles Gute beim Sortieren Deiner Lage, das wünsche ich Dir.
    (Was für Dich nicht passt, gern liegen lassen. ;) )

    Wolfsfrau

  • Danke, Wolfsfrau!

    Die Kinder bekommen von der Sucht nichts mit. Auch von den Problemen in der Beziehung haben sie keine Ahnung. Dazu sind sie zu klein.

    Das habe ich ja auch mal in meinem überheblichen Erwachsenenschädel gedacht :-\

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Zitat

    Das habe ich ja auch mal in meinem überheblichen Erwachsenenschädel gedacht

    Vermutlich ist es wirklich so. Kinder sind unheimlich sensibel für diese Themen. ;(

  • Hallo Wolfsfrau,

    danke für deine Sicht auf die Dinge!

    Zitat

    Warum sollten sich zwei (unterschiedlich) belastete und aktuell eher überforderte Menschen
    zwingen, "etwas Gemeinsames" am Laufen zu halten, nur damit die Struktur steht? Wie echt
    wäre das Gebilde, wie echt wäret ihr als Eltern?

    Diese Frage muss ich auf zwei unterschiedliche Arten beantworten. Erstens gibt es keinen wirklichen (ausgesprochenen) Grund für eine Trennung. Das letzte Jahr war stressig und anstrengend. Aber genau das hätten wir nun hinter uns. Wir haben eigentlich alles geschafft und nun? Die Gründe für die Trennung sind nicht greifbar und wären lösbar.
    Zweitens will ich es nicht irgendwie am Laufen halten. Auch wenn etwas schief gelaufen ist, es Probleme gibt etc. kann man die Probleme auf den Tisch packen. Zusammen anpacken und sich zusammenraufen. Wieder zueinander finden. Wenn man so viele Jahre gemeinsam verbracht hat, dann hat zwei Menschen etwas verbunden. Dieses Band kann man wieder finden. Wenn es nicht klappt, kann man immer noch getrennte Wege gehen. Aber warum soll man es nicht probieren? Hier bin ich vielleicht falsch verstanden worden. Meine Kritik an der derzeitigen gesellschaftlichen "Jederverwirklichtsichwelt" ist, dass jeder den einfachen Weg geht. Bei den ersten Problemen auseinanderzurennen ist eben einfach. Der schwierigere Weg ist es eben sich mit den Problemen und damit mit der Beziehung zu beschäftigen...und vielleicht zu retten.

    Was mich halt noch sehr tief bewegt, ist die Frage ob eine (mögliche) Sucht das unausgesprochene Problem sein kann. Die persönliche Unzufriedenheit mit der Sucht wird auf mich projeziert. Ohne einen Partner lässt es sich einfacher Trinken. Keine Vorwürfe, keine Heimlichkeiten...


    Zitat

    Wichtiger als Kontinuität ohne innere Wärme
    ist Authentizität. Das könnten auch getrennt lebende Elternteile sein, die aufgrund des nicht
    mehr bestehenden Zwangs, "es" hinzubekommen, viel befreiter und zugänglicher sind.

    Hier gebe ich dir vollkommen Recht! Das ist für mich aber der Schritt, wenn es wirklich nicht funktioniert. Nicht nur als einfacher Weg!

    Zitat

    Geht es in dem Punkt wirklich um die Kinder? Oder geht es um ein Festhalten an der bisherigen
    Struktur als Familie, mit den gewohnten Plätzen für alle?

    Natürlich will ich das Gebilde Familie nicht verlieren. Ich für mich egoistisch persönlich. Da es für mich so bedeutsam ist, denke ich (für meine Kinder mit) das die es auch so wollen. Das ist natürlich nur halb ehrlich, aber das (funktionierende) Familiengebilde ist das Richtige für Kinder. Und hier bin ich wieder bei dem o.g. Punkten. Ich verstehe nicht was das Problem ist und warum es keinen Versuch zur Lösung gibt...


    Meine große Angst vor einer Trennung ist das überlassen der Kinder in dem Umfeld einer möglichen Sucht. Wie kann ich sie da vor Coabhängigkeit und anderen Folgen schützen? Eigentlich gar nicht...

  • Hallo VIT,

    nochmal kurz von mir, da mir nach deinem letzten Eintrag dies hier eingefallen ist, das du gestern schriebst.

    Zitat

    Nach drei Monaten in dieser Art Beziehung weiß ich gar nicht, ob ich überhaupt noch eine Therapie will.

    Dafür, Dir selber klar zu werden, was du (nicht) willst, ist genau so ein Austausch wie hier, oder eben auch in einer Suchtberatung oder Selbsthilfegruppe für Angehörige sehr hilfreich.

    Und noch eine Frage an dich fällt mir ein. Du schreibst,

    Zitat

    Ich verstehe nicht was das Problem ist und warum es keinen Versuch zur Lösung gibt.

    Was konkret stellst du dir darunter denn vor?

    Viele Grüße
    Camina

  • Hallo!

    Ich kann langsam nicht mehr. Aber wie wichtig mir die Familie als Gebilde ist, hatte ich der Wolfsfrau schin geschrieben. Dies ist der Grund zum Durchhalten...

    Was ich mir vorstelle hatte ich der Wolfsfrau auch erläutert. Probleme auf den Tisch packen und versuchen diese zu lösen. Ob das klappt steht auf einem anderen Blatt. Aber den Versuch ernsthaft wagen wäre mein Wunsch!!
    Mur wurde die heile Welt über Nacht genommen. Und ich habe keinen Einfluss etwas zu retten... Das ist schwer...

  • Hallo VIT,

    Danke für Deine ausführliche Antwort auf meine Fragen/Gedanken. :)

    Mir fiel noch ein, dass hier mal ein Programm (CRAFT) genannt wurde,
    mit dem Angehörige das Alkoholthema Ihres Partners anders begleiten
    können, als mit der oft empfohlenen klaren Abgrenzung (Distanzierung).

    Ein Beitrag dazu steht hier:
    https://alkoholforum.de//index.php?top…g27794#msg27794

    Und mit der Such-Funktion im Forum sowie bei Google findest Du mehr.


    Du bekommst hier viel Input. Vielleich ist es gut, gerade deshalb langsam
    zu bleiben. Nicht gleich Antworten von sich selbst erwarten, auch kein
    "richtig" sein oder sofort "richtige Lösungen" finden. - Das kommt alles
    mit zunehmender innerer Ordnung. Du beginnst ja gerade erst, das alles
    anzufassen. Und es braucht auch Kraft, Verstandenes zu verarbeiten.

    Ich wünsche Dir den Mut, Kraft und immer wieder auch die nötige Ruhe,
    allem zu begegnen. Und ich finde es gut, dass Du Dich für Deine Kinder
    stark machst.

    :sun:

    Viele Grüße
    Wolfsfrau

  • Vielen Dank für den Hinweis. Es verdichtet sich alles auf eine Theraphieform die sowohl die Beziehung als auch die Sucht thematisiert. Notfalls erst mal nur die Beziehung. Da kommt im Laufe der Behandlung ggf. die Sucht eh zur Sprache.
    Und wenn sie das ablehnt muss ich wohl oder über die Reißleine ziehen... ;(

  • Und noch eine Nachfrage. Bei einer Alkoholsucht wird im Netz teilweise generell von einer Kindeswohlgefährdung ausgegangen. Ist das tatsächlich so?
    Der Missbrauch ist ja nach außen nicht ersichtlich und hat auch keine (sichtbaren) Auswirkungen auf die Kinder.

  • Bei einer Alkoholsucht wird im Netz teilweise generell von einer Kindeswohlgefährdung ausgegangen. Ist das tatsächlich so?
    Der Missbrauch ist ja nach außen nicht ersichtlich und hat auch keine (sichtbaren) Auswirkungen auf die Kinder.

    Ich bin jetzt fast 10 Jahre quasi "nebenbei" als Eigentherapie auch in der Suchtselbsthilfe unterwegs. Und dabei kam ich im Rahmen einer Suchtselbsthilfetagung mit Leuten von NACOA Deutschland - der Interessenvertretung für Kinder aus Suchtfamilien - in Kontakt. Und was ich da gehört und erfahren habe, hat mir als Alkoholiker aber sowas von die Schamesröte ins Gesicht getrieben ... Und ich zitiere mich nochmals:


    Danke, Wolfsfrau!


    Das habe ich ja auch mal in meinem überheblichen Erwachsenenschädel gedacht :-\

    Seitdem rede ich auch mit meinen Kindern (die mittlerweile doch schon 14 und 19 sind) ganz anders über das Thema.

    Und nur weil etwas nach AUßEN nicht offensichtlich ist, heißt es noch lange nicht, dass es nicht zerstörerisch ist.
    Eine Neutronenbombe verursacht ja auch keine sichtbaren Schäden ... (ich weiß, ist ein besch... Vergleich).

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • ICH habe das mittlerweile (dank euch) eingesehen und verstanden. Die Frage ist halt wie es von den Ämtern gesehen wird. Denn die sehen sichtbar in meinem Fall nichts...

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