Ich bin Tanja und meine Mutter trinkt

  • Hallo an alle Mitglieder!

    Sicher werden Einige von euch denken ich wäre dumm,weil ich mein Leben von dem Alkoholismus meiner Mutter vermiesen lasse. Mit 44 Jahren sollte man sich ja abgenabelt haben. Ich habe den Alkoholismus meiner Mutter erst erkannt, als wir dachten sie würde an Demenz leiden. Bei den Untersuchungen und nach dem ich in ihrer Wohnung haufenweise leere Flaschen gefunden habe war es klar. Sie sieht gesteht sich die Krankheit nicht ein und alle Bemühungen sich therapieren zu lassen schlägt sie aus. Wir leben zusammen in einem Haus und sie braucht in manchen Bereichen meine Hilfe.Ihre Gedächnisleistung wird schlimmer und der Alltag ist für sie immer schwerer zu bewältigen. Heute habe ich sie wieder angeschriehen,weil ich wieder einmal überall Flaschen gefunden habe,die sie natürlich nicht getrunken hat und aus der Zeit stammen, als sie noch getrunken hat. Alleine diese Lüge machen mich wahnsinnig. Ich wünschte ich hätte die Möglichkeit wegzuziehen und sie ihrem Schicksal zu überlassen. Aber von meinem Gehalt kann ich mir nicht mal einen Schuhkarton leisten. Also kann ich den Traum vergessen. Sicher gibt es hier Menschen die viel größere Probleme haben. Die Ärzte meiner Mutter haben mir geraten mich an eine Selbsthilfegruppe für Angehörige von Alkoholikern zu wenden.Hat jemand schon mal Erfahrungen mit solchen Gruppen gemacht? Wie helfen die Gruppen bei der Bewältigung der Probleme? Würde mich freuen, wenn sich jemand mit mir austauscht.Danke schön

  • Hallo Tanja,

    ich bin Alkoholikerin und in einer gemischten SHG mit Alkoholikern und Angehörigen. Manchmal haben wir gemeinsame Gruppenabende, aber regelmäßig auch getrennt.
    Das Gute am Austausch in einer Gruppe ist, dass die anderen, die ebenfalls alkoholkrank oder Angehörige eines Alkoholkranken sind, einfach so gut verstehen können, wie es mir als Betroffener geht. Sich verstanden fühlen, sich nicht allein mit dem „Problem“ fühlen, ist sehr hilfreich.

    Ich wünsch dir alles Gute und dass du eine gute Gruppe für dich findest, in der du dich verstanden und gut aufgehoben fühlst!

    Viele Grüße
    Camina

  • Hallo, Tanja, und HERZLICH WILLKOMMEN hier im Forum :welcome:

    Ich bin m, 56, Alkoholiker und nun schon seit einigen Jahren trocken.
    Und bei meiner "Trockenlegung" waren Selbsthilfegruppen ein wichtiger Faktor für mich.

    Denn wenn ich mit jemandem über meine Probleme sprach, der selbst KEIN Alkoholproblem hatte, der konnte mich beim besten Willen einfach nicht verstehen. "Dann hör doch einfach auf!", "Trink weniger!" - toll, wenn das so einfach wäre, gäbe es keine Abhängigen.
    Aber in einer Selbsthilfegruppe haben/hatten alle dieselben bzw ähnliche Probleme und konnten mir erzählen, wie sie die gelöst haben oder wie sie damit umgegangen sind.
    Heute kann ich den Anderen von meinen Erfahrungen berichten.

    Und so ist es in ALLEN Selbsthilfegruppen - es sind alles Menschen mit den gleichen Problemen oder Schicksalen. Zum Beispiel Angehörige von Alkoholikern/Suchtmittelabhängigen.

    Auch ich kann Dir nur raten, Dir eine Angehörigen-Gruppe in Deiner Nähe zu suchen und dort mal hinzugehen.
    Alleine schon das Gefühl, nicht der Einzige mit diesem Problemen zu sein, KANN schon helfen.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Tanja,

    Einen weiteren Punkt an so einer Gruppe finde ich, dass man erkennen kann, das es bestimmte Punkte gibt, die man nicht ändern kann, weil das schon fast alle probiert haben und jede(r() damit gescheitert ist.

    Statt dann ewig dagegen anzukämpfen, kann man sich damit beschäftigen, es zu akzeptieren und seine Kräfte sinnvoller einzusetzen. Ich denke da z.B konkret an diese Wutausbrüche, die ja zu nichts führen. Oder zu erkennen, dass das Lügen einfach bei einem Alkoholkranken (oft) dazugehört und dass es nur die eigenen Nerven sind, die man sich mit der Aufregung darüber ruiniert. Und überhaupt der ganze vergebliche Kraftaufwand, den Angehörigen zum Aufhören zu bewegen.

    In Deinem Fall ist es doch so, dass Du Deiner Mutter anscheinend kaum aus dem Weg gehen kannst. Anderseits wirst Du Dich sehr wahrscheinlich damit abfinden müssen, dass Du sie nicht ändern kannst. Sie ist außerdem erwachsen und nicht entmündigt, so wie ich das verstehe, also wirst Du es ihr auch nicht verbieten können.

    Es geht eigentlich mehr um Deinen eigenen Umgang mit dem ganzen Problem. Ich kann mir auch vorstellen, dass Du mehr unter ihrer Trinkerei leidest als sie selbst. Und dabei kann Dir eine Gruppe schon helfen. Aber wie die Bezeichnung Selbst-Hilfe schon sagt, lernt man dort vor allem, sich selbst zu helfen. Die Gruppe löst die Probleme nicht für einen, man kriegt nur das Handwerkszeug.

    Gruß Susanne

  • Einen weiteren Punkt an so einer Gruppe finde ich, dass man erkennen kann, das es bestimmte Punkte gibt, die man nicht ändern kann, weil das schon fast alle probiert haben und jede(r() damit gescheitert ist.

    Das wäre schön, wenn DAS so funktionieren würde ...

    Du kannst es immer wieder und überall lesen, dass das eben leider nicht ganz so funzt - da fallen mir auf Anhieb einige Sachen ein: kontrolliertes Trinken z.Bsp..
    Oder eben an das gerade erwähnte

    der ganze vergebliche Kraftaufwand, den Angehörigen zum Aufhören zu bewegen

    Das Wichtigste ist wirklich der eigene Umgang mit dem Problem - entweder mit der Sucht oder mit dem Süchtigen.
    Ich vergleiche es immer mit einem sogenannten "Grabbeltisch": alle packen ihre eigenen Erfahrungen und Problemlösungen auf den Tisch und man selbst nimmt sich das, was man meint, dass es für einen am Besten passt. Und wenn es funzt (oder auch nicht), kann man später diese seine eigene Erfahrung selbst auf den Grabbeltisch für die Nächsten packen.

    Die Art und Weise, wie ICH mit meiner Sucht umgegangen bin, ist nicht für jeden das Richtige. Aber ich erzähle immer, was ich wie und warum gemacht habe. Und wer meint, es auch so - oder eben leicht abgewandelt - machen zu wollen, der macht es eben so. Und macht somit seine eigenen Erfahrungen. Vielleicht überzeugen ja auch nur die Begründungen, warum man etwas macht und bringen denjenigen dann auf eigene Ideen.

    Wenn es in einer Selbsthilfegruppe heisst, man MUSS etwas so oder so machen - dann ist da m.E. schon der Wurm drin.
    Ansonsten habe ich hier auch schon einmal meine Gedanken zu dem Thema SHG allgemein aufgeschrieben.

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    können wir nur selber tun!

  • Ich habe nicht geschrieben, dass es immer so funktioniert. Außerdem behaupte ich auch nicht, dass es auf Anhieb funktioniert.

    Aber ich bin sicherlich nicht die Einzige, die lange genug allein mit ihren Problemen rumgewurschtelt hat und dann, als sie sich endlich irgendwo Hilfe gesucht hat, zumindest wusste:
    so wie ich es bisher gemacht habe, funktioniert es nicht. Ich bin irgendwo auf dem Holzweg, deswegen suche ich mir ja Hilfe. Also gucken wir mal bei anderen, was funktioniert hat und was nicht. Und da können schon ein paar Groschen fallen, dass man bislang an einigen Stellen gegen Windmühlen gekämpft hat, eben bei Punkten, die man nicht ändern kann, weil sie z.B. zur Erkrankung dazugehören. Das realisiert man ja gar nicht, so lange man die Fehler nur immer bei sich selbst oder irgendwelchen Umständen sucht.
    Das gilt meiner Ansicht nach für Versuche, den Partner zu drehen, nicht viel anders, als als Abhängiger unbedingt kontroliert trinken zu wollen.

  • Hab noch was vergessen, kann wohl nicht nachbessern.

    Ich habe das ja nur als zusätzliche Möglichkeit genannt, als weiteren Vorteil von Gruppen. Das war kein Widerspruch zu dem, was vorher geschrieben war. An sich ist es auch nur so was, was auf dem Tisch liegt und was man sich nehmen KANN (nicht MUSS).

  • Sorry, wenn es wie ein Vorwurf rüberkam - sollte es definitiv NICHT sein!
    Du hast ja Recht - und ich wollte nur ergänzen.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

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  • Vielen Dank für eure Antworten!

    Meine Mutter wohnt in einer eigenen Wohnung die mittlerweile total verdreckt und überall sind leere Weinflaschen die anfangen zu riechen.Ihre eigene Körperhygiene lässt stark zu wünschen übrig. Ihr Gehirn ist schon so stark angegriffen das sie einen nur noch unbeteiligt anschaut. Medikamente muss ich ihr geben. Ich bin total überfordert. Alleinverdiener muss ich Vollzeit arbeiten.Wen könnte ich um Hilfe bitten? In meiner Familien haben 80% an AlKoholismus gelitten und sind auch alle an den Folgen gestorben.Niemand wurde so alt wie sie und hat mit Alkohol das Gehirn zersetzt.Deshalb weiß ich nicht wie es weitergehen soll.

  • Hallo Tanja,

    aus eigener Erfahrung kann ich Dir sagen, dass es wahrscheinlich nicht einfach wird. Da kannst Du Dich darauf einstellen.

    Bei mir war es der Vater, der getrunken hat. Nach dem Tod seiner letzten Lebensgefährtin hat er alleine in seinem Haus gewohnt und erfolgreich alle Leute, die sich irgendwie kümmern wollten, abgewiesen. Er hat sich auch nie in die Karten schauen lassen, wie es ihm ging.
    Ich wohne in einer anderen Stadt, der Kontakt war viele Jahre eher selten und Geschwister habe ich keine.
    Irgendwann ging es halt nicht mehr, weil er irgendwann aufgefallen ist. Er saß betrunken im Auto, das Haus verwahrloste immer mehr. Dass er stinkt, war mir schon länger aufgefallen, aber mehr als fragen, ob er was braucht, konnte ich ja auch nicht machen. Dann haben seine Nachbarn seinen Bruder angerufen, sein Bruder mich ob ich mich mal kümmern könnte. Mit anderen hat er schon gar nicht mehr geredet.

    Ich habe mit ihm geredet (das war viel schwieriger als es sich anhört), ob er wenigstens mal eine Putzfrau ins Haus lassen würde. Irgendwann hat er eingewilligt. Zuerst habe ich mich dann an die Katholische der Caritas in seiner Stadt gewendet, und die sind dann auch mal hingefahren, aber er hat sie gar nicht erst hereingelassen. Vielleicht konnte er sich auch gar nicht mehr an das Gespräch mit mir erinnern.
    Damit war das erst mal erledigt, aber damit wurde natürlich nichts besser.

    Ich erspare Dir weitere Details, aber mit einem Alkoholiker, der sich nicht helfen lassen will und langsam wegen Alter und Demenz immer hilfloser und gleichzeitig starrsinniger wird, macht wohl jeder Angehörige so seine Erfahrungen.

    Ein Vierteljahr später ist er in seiner Wohnung so gestürzt, dass er nicht mehr laufen konnte. 4 Wochen lang hat er jeden Besuch verboten und jede Hilfe rigoros verweigert, bis einfach gar nichts mehr ging. Er hatte nichts mehr zu essen, die sanitären Einrichtungen funktionierten nicht mehr, ja, und der Alkohol war ihm auch ausgegangen. Erst da brachte ich ihn dazu, mit mir zum Arzt zu gehen.

    Damit nahmen dann die Dinge endlich ihren Lauf. Er musste ins Krankenhaus, ich konnte endlich die Putzfrau holen und mich auch sonst ums Haus kümmern und vor allem, auch in Deinem Fall ganz wichtig:

    Ich lernte in der Sozialstation und im Krankenhaus Leute kennen, die mir weiterhelfen konnten. Ich war da ja da ziemlich unbedarft. Aber weil das ja die meisten Angehörigen erst mal sind, gibt es inzwischen fast überall Pflegestützpunkte, die dazu da sind, die Leute umfassend zu beraten. So wie Du das beschreibst, könnte Deine Mutter vielleicht längst einen Anspruch auf einen Pflegegrad haben, aber das kann ich natürlich nicht beurteilen und ich darf auch keine Rechtsberatung machen.

    Hier ist mal ein link, der Dir weiterhelfen könnte:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Pflegest%C3%BCtzpunkt

    Gruß Susanne

  • Hallo Tanja,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum.

    Ich bin Alkoholiker, 50 Jahre und lebe jetzt schon längere Zeit ohne Alkohol.

    Zitat

    Sicher werden Einige von euch denken ich wäre dumm,weil ich mein Leben von dem Alkoholismus meiner Mutter vermiesen lasse.


    Gleich zu Deinem ersten Satz möchte ich Dir sagen, dass niemand denkt, dass Du dumm bist. Erst mal möchte ich sagen, dass ich der Meinung bin, dass eine ordentliche Portion Mut dazu gehört sich hier im Forum öffnen und über "sein Problem" zu sprechen. Egal ob es nun, wie bei Dir, um eine Suchtproblematik bei Angehörigen geht oder ob man selbst Alkoholiker ist. Mit anderen darüber zu sprechen, und sei es auch "nur" im anonymen Internet ist m. E. ein großer Schritt. Schön, dass Du diesen gegangen bist.

    Ich denke Du hast in den Beiträgen der anderen Teilnehmer hier ja nun schon viel Rückmeldung erhalten. Ich glaube auch, dass Du Dir bereits darüber im Klaren bist, dass Du Deiner Mutter nicht aus ihrer Sucht heraus helfen kannst. Es ist weder Deine Aufgabe noch liegt es in Deiner Macht. Mir ist es deshalb wichtig Dir zu sagen, dass es m. E. nur darum gehen kann, wie es Dir geht und was Du für Dich tun kannst. Um, entweder mit dieser Situation einigermaßen gut leben zu können oder aber um in die Möglichkeit versetzt zu werden, diese Situation für Dich zu verändern. Eine Veränderungsmöglichkeit, nämlich eine räumliche größere Distanz zwischen Dir und Deiner Mutter aufzubauen, hast Du ja selbst bereits abgehakt.

    Aus der Tatsache, dass Du nach Deinen eigenen Worten wünschen würdest Du hättest die (finanziellen) Möglichkeiten sie durch einen Umzug Deinerseits ihrem Schicksal zu überlassen, schließe ich das Du nicht in einem co-Abhängigen Verhältnis lebst. Auch die Tatsache, dass Du hier nicht um Tipps bittest, wie man Deine Mutter vielleicht davon überzeugen könnte, das sie mit dem Trinken aufhört lässt mich annehmen, dass bei Dir kein co-abhängiges Verhalten vorliegt. Das empfinde ich als positiv, denn dann hast Du diese "Baustelle", diese ebenfalls sehr ernste Krankheit, nicht auch noch an der Backe.

    Es geht bei Dir also wohl eher darum, wie Du mit dieser schlimmen Situationen so umgehen kannst, dass sie Dich möglichst wenig belastet. Bei dem was Du hier schilderst ist das Aufgabe genug und ich habe, das sage ich ganz ehrlich, keine einfache Lösung aus meiner Sicht. Selbstverständlich würde ich an Deiner Stelle versuchen in Kontakt mit einre Selbsthilfegruppe zu kommen (was ich als Alkoholiker auch getan habe), einfach schon deshalb, weil Du dort auf Menschen treffen wirst, die eine ähnliche Situation durchleben oder durchlebt haben wie Du. Du wirst selbst merken, ob Du Dich dort wohl fühlst, ob es Dir hilft und ob es Dich weiter bringt.

    Ich kenne jetzt hier auch nicht genau die rechtliche Situation, aber sollten die geistigen "Ausfälle" Deiner Mutter sich häufen oder zur Regel werden (hört sich ein wenig so an, als wäre sie bereits ein Pflegefall?), könnte es Möglichkeiten geben sie evtl. in ein Heim zu überführen. Vielleicht ist hier ja jemand der darüber richtig Bescheid weiß und schreibt Dir, ich kann leider nicht mehr dazu sagen, habe nur Halbwissen. Evtl. wäre das auch etwas, was Du mit dem Arzt mal diskutieren könntest. Wie das ganze dann finanziell aussehen würde weiß ich natürlich auch nicht.

    Auf jeden Fall halte ich es für enorm wichtig, dass Du Dir Freiräume für Dich selbst schaffst und nicht zusammen mit Deiner Mutter durch ihre Sucht unter gehst. Bei ihr kannst Du es nicht ändern, auf Dich musst Du aufpassen, aber deshalb suchst Du ja auch nach Hilfe.

    Es tut mir wirklich Leid, dass ich Dir nichts Konkreteres schreiben kann. Ich wünsche Dir, dass Du noch viele gute und hilfreiche Anregungen und Tipps bekommt und dass sich bald ein guter Weg für Dich auftut.

    Alles alles Gute und einen guten Austausch hier im Forum!

    LG
    gerchla

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