Hallo, ich bin neu hier

  • Guten Tag alle zusammen,
    ich bin schon seit einiger Zeit stille Mitleserin in diesem Forum und habe nun beschlossen, mich auch vorzustellen. Lange hat es gedauert zu begreifen, dass ich Alkoholikerin bin. Scham, Schuld und Angst waren in den letzten gut anderthalb Jahren meine ständigen Begleiter.
    Ich wollte einfach nicht wahrhaben, dass ausgerechnet ich, die nach außen hin (scheinbar!) alles unter Kontrolle hat, einen tollen Ehemann, ein schönes Zuhause und einen guten Job (in dem ich freilich bis zur Selbstaufgabe rangeklotzt habe) hat, ein Alkoholproblem hat.
    Ich habe nach außen hin "moderat" getrunken. Also beim Essen mit Freunden oder meinem Mann ein Glas oder zwei Wein. Heimlich habe ich allerdings immer häufiger zur Flasche gegriffen, weil ich einfach nicht mehr konnte. Mir wurde alles zuviel - aber durch meinen selbst auferlegten Perfektionszwang, dem Zwang, es immer und allen anderen recht machen zu wollen (oder besser: zu müssen), wollte ich das perfekte Leben vortäuschen. Nun, auf dem Irrweg dahin habe ich mich selbst verloren.
    Mein Mann, der das mit dem Heimlich-Trinken (es war bis zu einer Flasche Wein am Tag) lange Zeit nicht mitbekommen hat, aber leise ahnte, dass etwas nicht stimmt, hat mich immer unterstützt und versucht, mich zu motivieren. "Mach was für Dich, tu, was Dir Spaß macht". Leider hatte ich in meinem ewigen Gekreise um den Alkohol und den Kraftakt der "Fassaden-Erhaltung" längst vergessen, was mir eigentlich Spaß macht.
    Meine Tage wurden um den Alkohol herum gebaut. Als ich in vielen Beiträgen über "Vorratshaltung", "Verstecke" und "Flaschen-Logistik" las, musste ich weinen. Das war so sehr ich ...
    Genau das ist es, was ich nicht mehr will: tarnen, tricksen und täuschen. Ich habe mich nach einem langen guten Gespräch mit meiner Vorgesetzten (der war's auch aufgefallen ...) meinem Mann häppchenweise die Wahrheit gesagt und mit meinem Hausarzt sowie einem betrieblichen Suchtexperten gesprochen.
    Bin dann zur Suchtberatung und beginne in Kürze die Reha. Ich habe dann eine Woche lang gar nichts getrunken. Während der Wartezeit auf den Reha-Termin habe ich wieder (heimlich) getrunken - wenn auch nicht mehr eine Flasche Wein am Tag. Meinem Mann habe ich aus Angst davor, ihn zu enttäuschen und alles zu verlieren, was mir etwas bedeutet, die volle Wahrheit gesagt. Das war hart, aber wichtig. Denn ich möchte nicht mehr lügen und mich aus Scham und Schuld kleinmachen. Ich freue mich, dass ich nun nichts mehr trinke (außer literweise Wasser und Kräutertee) und jeden Morgen fit aufwache. Entzugserscheinungen hatte ich Gottseidank nicht - Saufdruck allerdings in den ersten Tagen oft - aber der ging dank viel Bewegung und Lesen in diesem Forum schnell wieder weg. Zum Glück ...
    Ich freue mich auf die Reha - und bin doch so zwiegespalten zwischen Freude auf ein fitteres Leben und der Angst, es nicht zu schaffen und doch noch alles zu verlieren.
    Puh - das war recht lang für die Vorstellung. Ich hoffe, es ist nicht zu "detailreich", weil es ja ein offener Bereich ist.
    Herzliche Grüße,
    Phoenix

  • Hallo Phoenix,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum. Schön, dass Du von der stillen Mitleserin jetzt zu den aktiven Schreibern gewechselt bist. Ich denke, da gehört auch schon mal eine gewisse Portion Mut dazu.

    Ich finde es toll und kann Dir nur dazu gratulieren, dass Du Dich dazu entschlossen hast etwas gegen Deine Sucht zu unternehmen. Als ich Deine Vorstellung las, habe ich sofort Parallen zu meiner eigenen Suchtzeit erkannt. Besonders die Tatsache, dass Du sehr viel heimlich getrunken hast passt sehr gut zu meiner Geschichte. Ich trank quasi komplett heimlich und auch meine Frau (bei Dir war es Dein Mann) hat nicht gemerkt, jedoch geahnt, dass irgendwas nicht stimmt. Auch das Funktionieren, das aufrecht erhalten der Fassade unter zurhilfe nahme zahlreicher Lügen etc. kenne ich nur zu gut. Dann natürlich die Logistik der Flaschenentsorgung --- zum Ende meiner Sucht hin, als die Mengen wirklich ganz enorm waren, war das eine meiner größten Herausforderungen.

    Was ich sagen will: Ich kann Deine Situation sehr sehr gut nachvollziehen. Deine Art die Sucht auszuleben scheint recht nahe an der meinen gewesen zu sein. Auch dieses "sich selbst verlieren" kenn ich nur zu gut.

    Ich will Dir sagen, dass ich glaube, dass Du jetzt erst mal auf einem guten Weg bist. Du hast etwas unternommen. Du hast Dich geoutet, was ich persönlich als einen ganz wichtigen Schritt sehe. Keine Lügerei mehr, kein vertuschen mehr, kein verstecken und Du hast damit vor allem auch ein Hintertürchen geschlossen. Es ist schön für mich zu lesen, dass Du scheinbar noch eine funktionierende Beziehung hast (das war bei mir nicht mehr der Fall), das die Gefühle zu Deinem Mann noch stimmen und dass er an Deiner Seite steht. Das darfst Du gerne als Glückfall für Dich verbuchen. Scheint, als hättest Du noch rechtzeitig die Bremse gezogen!

    Ich weiß nicht genau, was Du von mir schon gelesen hast. Über meinen Weg und wie ich aus der Sucht heraus kam. Ich will Dich (und andere) hier jetzt nicht mit ständigen Wiederholungen nerven. Deshalb: Wenn Du Fragen hast, dann Frage einfach.

    Und das Dir jetzt mulmig zu mute ist, Du vielleicht auch Angst hast wie das alles so funktionieren soll, das halte ich für normal, sogar für "gesund". Es zeigt, dass Du Dir über die ernste Lage bewusst bist und es nicht auf die leichte Schulter nimmst. Aber lass Dich von der Angst nicht zu sehr einschnüren. Du hast hier im Forum ja viele Beispiele von Menschen, die ihren Weg aus der Sucht gegangen sind und jetzt schon viele Jahre nicht mehr trinken. Ich bin sicher, das kannst Du auch schaffen.

    Gehe Deinen Weg und gehe ihn in Deiner Geschwindigkeit. Hole Dir Hilfe wann immer Dir danach ist, Du bist nicht allein unterwegs.

    Dazu noch:

    Zitat

    Ich hoffe, es ist nicht zu "detailreich", weil es ja ein offener Bereich ist.


    Du allein entscheidest, was Du hier offen von Dir preis gibst. Ich z. B. bin hier sehr offen unterwegs, schreibe aber trotzdem nicht alles. Ich schreibe hier das, was ich jemanden (der es wissen möchte) in einem persönlichen Gespräch auch sagen würde. Ich schreibe hier nicht über das, was ich nur ganz eng vertrauten Personen sagen würde.

    Schön das Du hier bist. Schön, dass Du den Kampf gegen Deine Sucht aufgenommen hast. Ich wünsche Dir nur das Allerbeste und natürlich auch einen hilfreichen Austausch hier im Forum.

    LG
    gerchla

  • Vielen Dank für die nette Aufnahme im Forum.
    Gerchla , Deine Geschichte habe ich, wie so viele andere, mit Interesse gelesen. Hut ab vor allen, die hier so schonungslos und ungeschönt ihre Lebens- und Suchtgeschichten erzählen. Ich war bei manchem wirklich erschrocken aber auch hoffnungsvoll. Danke auch für das Angebot, hier im Forum immer Hilfe zu finden.
    Ja, im Moment bin ich total zwischen Baum und Borke. Ich fühle mich körperlich fit und genieße wieder viel Bewegung. Aber: Mein Mann ist verständlicherweise enttäuscht wegen des Vertrauensbruchs und ich mache mir gerade schwere Vorwürfe. Auf der anderen Seite hoffe ich, dass ich mich in der Reha wieder (neu-)entdecken kann. Ich werde gern über die spannende Zeit berichten - dann aber in einem anderen Thread.
    Liebe Grüße :)

  • Moin Phoenix,
    herzlich willkommen und Glückwünsch zu deinem Entschluss. Du hast die ersten Schritte unternommen und jetzt kannst du ganz in Ruhe mit entsprechender Hilfe deinen Weg suchen. Ich wünsche dir, dass du deinem für dich gewünschten Ziel Schritt für Schritt näher kommst. Ich habe mich mit jedem Schritt besser gefühlt und hatte das Gefühl, ich würde in die Freiheit laufen. Heute bin ich frei und fröhlich, gesund und sehr entspannt. Ich bin froh, diesen Weg gegangen zu sein. Ich wünsche dir hier einen guten Austausch.
    LG Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Liebe Phoenix,

    auch von mir herzlich willkommen, und herzlichen Glückwunsch du deinem Entschluss!

    So wie Gerchla fühlte ich mich durch deine Schilderung auch an mich selbst erinnert. Ich habe auch heimlich getrunken und dabei sehr lange ziemlich gut funktioniert, bis es halt nicht mehr funktioniert hat. Die Scham und die Angst und das zerstörte Selbstwertgefühl kenne ich sehr gut.

    Aber es wird besser, wenn du dich jetzt auf den Weg machst. Toll, dass du so zügig deine Reha beginnen kannst. Hast du bis dahin weitere Termine in der Suchtberatung zu Gesprächen?

    Ich freu mich, weiter hier von dir zu lesen, und wünsche dir einen guten Austausch hier und insgesamt alles Gute!

    Camina, w, 50, trocken seit Ende 2013

  • Guten Morgen und nochmals danke für die herzliche Aufnahme und die aufmunternden Worte!
    Ich merke auch, wie es mir an jedem Tag besser und besser geht - weil ich gut schlafe, fit und wach bin und mich vor allen Dingen nicht mehr verstecken muss. Zum Glück gibt es rehavorbereitend die Möglichkeit, an einer Gruppensitzung teilzunehmen. Darüber hinaus bin ich seit drei Monaten (unabhängig von der Reha) bei einer Therapeutin. Das hilft beides sehr. Und nicht zuletzt dieses Forum - ich habe sehr viel quergelesen und schon so manch Wertvolles für mich mitnehmen können.Danke schon einmal dafür.
    Ich wünsche allen einen schönen Tag!
    Phoenix

  • Hallo, Phoenix, und ein ganz HERZLICHES WILLKOMMEN :welcome: hier im Forum!

    Als ich Deine Vorstellung las, musste ich unwillkürlich denken "Hut ab und Respekt!" dafür, dass Du doch mehr oder weniger alleine zu der Erkenntnis "Ich bin Alkoholikerin/habe ein Alkoholproblem und brauche Hilfe!" gekommen und auch in Aktion getreten bist 44.
    Sicher - so eine Vorstellung ist nur ein ganz kurzer Abriss vom eigenen "Werdegang". Aber wenn ich daran denke, wie lange ich gebraucht habe, um alleine zu der Erkenntnis zu kommen, ein Alkoholproblem zu haben, geschweige denn Alkoholiker zu sein. Und dann noch mal, um aktiv zu werden ... Oder andere, die ich in meiner Zeit in der Suchtselbsthilfe kennengelernt habe ...

    Ich möchte damit sagen, dass Du auf einem sehr guten Weg bist! Und ich finde es wunderbar, dass Du dabei auch Unterstützung im familären und auch Arbeitsumfeld hast - da kann man wesentlich "befreiter" an und mit sich arbeiten.

    Und da Du ja hier schon einige Zeit mitgelesen hast, weisst Du ja: Wenn Du Fragen hast - immer raus damit!

    Ich wünsche Dir ganz viel Erfolg für Deinen weiteren Weg - und erstmal für die anstehende Reha :sun:

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

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    können wir nur selber tun!

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