Neu hier. Bitte um Unterstützung bei Abstinenz-Entschluss

  • Hallo zusammen,
    bin 60, männlich, und trinke seit ich 13 war. Als Erwachsener habe ich stets zu den Alkoholikern gehört, die es irgendwie trotzdem schaffen, in der Außenwelt zu funktionieren. In meinem Fall hieß/heißt dies: abgeschlossenes Studium, Familie (trotz Scheidung) , Kinder und Broterwerb. Doch auf den letzten Metern des Lebens stelle ich fest, dass die Spuren, die der Alkohol bei mir hinterlassen hat, so gewaltig sind, dass ich dieses bisherige Leben als weitestgehend gescheitert und sinnlos erachte. Den umfassenden Rückblick möchte ich euch ersparen und dafür eine Begebenheit erzählen, die sich an diesem Heiligabend zugetragen hat. Ich glaube, dadurch kann ich meine Problemantik plastischer zusammenfassen:

    Wie fast jedes Jahr habe ich mit meinen (erwachsenen) Kindern und deren Mutter (meine Ex-Frau) gefeiert, diesmal in meiner Wohnung. Seit wir uns getrennt haben, wollten meine (damals kleine) Kinder mich immer dabei haben; die Mutter hatte zunächst nichts dagegen und mittlerweile ist es für sie und für uns alle eine Selbstverständlichkeit. Dieses mal war es auch sehr schön und jeder hat wie immer versucht zu zeigen, wie viel ihm die anderen bedeuten. Meine Kinder und meine Ex-Frau haben - auch wie immer und wohl wie die meisten Menschen - massvoll getrunken und ich tat es ihnen nach... bis sie weg waren. Danach habe ich eine halbe Flasche Grappa getrunken und ich hätte die ganze auch locker geschafft, wäre ich nicht irgendwann auf dem Sessel eingeschlafen.

    Naturgemäß waren die körperlichen Symptome am nächsten Tag das geringste Problem, doch seelisch habe ich mich wieder mal wie der letzte Dreck gefühlt; wie ein Arschloch eben, der darauf gewartet oder vielleicht gehofft hat, dass seine lieben Menschen und mit ihnen das schöne Familienerlebnis verschwinden, um seiner Sucht ungestört nachzugehen. Von dieser Heuchelei, von diesem Doppelleben ist meine ganze Existenz durchzogen.

    Nun, apropos Leben bzw. wie dieses so spielt: ich bin am 2.Weihnachtstag an einer sehr starken Grippe erkrankt, die mich zur Einnahme von Antibiotika zwingt. Den erforderlichen Alkoholverzicht habe ich zunächst zähneknirschend hingenommen, in der Erwartung, dass ich mich spätestens an Silvester an meine (respektablen) Alkohol-Reserven machen könnte. Doch, siehe da, am zweiten oder dritten Tag fing ich an zu merken, wie angenehm, ja wie geil es eigentlich ist, mit einem klaren Kopf und nicht verkatert aufzuwachen. Trotz Grippe war ich auch z.B, imstande, ein ziemlich schwieriges Buch zu Ende zu lesen, von dem ich zuvor in meiner -meist verkaterten- Freizeit gerade mal eine oder zwei Seiten lesen konnte.
    Durch die Erkrankung hatte ich auch viel Zeit nachzudenken, vor allem über die oben beschriebene einsame Sauferei sowie über die unzähligen Abstürze der Vergangenheit und deren Folgen.
    Seit nunmehr 6 Tagen stehen die ganzen Alkoholflaschen alle noch im Schrank bzw. Kühlschrank...intakt. Ich kann es kaum glauben.

    Mein Alkoholproblem bzw. meine Abhängigkeit habe ich schon längst erkannt, doch ich habe mich stets hartnäckig geweigert, auf einen so wichtigen “Faktor der Lebensfreude“ ganz zu verzichten und mich deshalb auch immer für fähig gehalten, “kontrolliert“ zu trinken. Bloß, den Beginn der kontrollierten Phase habe ich auch ständig auf den nächsten Tag verschoben, so dass ich am Ende an gar nichts und am allerwenigsten an mich geglaubt habe.

    Spätestens heute, nach dem ich Silvester allein und bei einem Glas Sprudel bzw. einer Tasse Tee “gefeiert“ habe, ist mir klar geworden, dass es für mich zwischen Alkoholabhängigkeit und Abstinenz keine weitere Option gibt. Will ich in der mir verbleibenden Lebenszeit wirklich ein wenig Linderung für den Schmerz erreichen, den der Alkohol bei mir und indirekt bei meinen lieben Menschen verursacht hat, so muss ich abstinent leben.

    Helft mir bitte, diese Erkenntnis zu bestätigen und zu befestigen und, wenn jemand praktische Tipps hat, wie man dem verdammten Craving widerstehen kann, bin ich selbstverständlich sehr dankbar.

  • Hallo Albert,
    Ersteinmal meinen herzlichen Glückwunsch zu deinem Entschluss....nicht mehr Alkohol zu trinken...
    Ich selber werde dir leider nicht helfen können, bin auch erst seit dem 25.12.18 zur Vernunft gekommen. Ich schleppe mich nun von Tag zu Tag. Aber noch habe ich keinen Tropfen angerührt. Mir haben hier schon einige Leute richtig gute Tipps geschrieben. Ich glaube als erstes, hab den Mut...schmeiß die noch vorhandenen Flaschen weg, im Kühlschrank aufbewahren ist eine schlechte Idee.

    Weiß deine Familie von deiner Krankheit. Egal...sprich mit Ihnen hol dir Hilfe dazu. Alleine wird es schwer. Du bist doch gerade in ärztlicher Behandlung, sprich mit dem Arzt und such dir eine Selbsthilfegruppe.
    Das jedenfalls habe ich vor. Ich wünsche dir ganz viel Kraft und für dieses Jahr...ein neues Lebensgefühl,....ganz ohne Alkohol. Wir stehen am Anfang, aber wir können das schaffen.
    Viel Glück, herzliche Grüße Jutta

  • Auf ein gutes neues Jahr, Albert – und willkommen im Forum!

    Wir sind fast gleichalt – und auch der Beginn unserer Sucht lag in denselben Jugendjahren.
    Ich war, wie Du auch, ein funktionierender Alkoholiker, der es trotz öfter mal eskalierenden Totalabstürzen immer wieder geschafft hat, die Kurve zu kriegen.
    Mit zunehmendem Alter, und nachdem ich viele Jahre stabil trocken geblieben war, und schließlich aber doch, sei’s aus Leichtsinn, aus Selbstsicherheit oder einfach aus völliger Selbstüberschätzung gegenüber der mächtigen Sucht, doch wieder rückfällig wurde, war ich dann – für meine Verhältnisse – ganz unten.
    Seither ging es dann ebenso rasant wieder aufwärts, und heute wollte ich meine gewonnene Freiheit um nichts auf der Welt, schon gar nicht für den Alkohol eintauschen wollen.
    Das Schöne daran ist, dass je länger meine Abstinenz andauert, umso weniger reizt mich die schnelle Rauschwirkung des Alkohols und anderer Drogen. (Ich war polytox.)

    Warum das so ist, kann ich Dir von mir berichten: Probleme im Leben, die es selbstverständlich auch in meinem abstinenten Leben gibt, erscheinen nüchtern nicht nur lösbarer – sie sind auch leichter zu lösen. Das wirklich Entscheidende aber dabei ist, dass die Glücksgefühle und die Befriedigung, die sich beim nüchternen Erleben der Erfolge einstellt, ein Qualität haben, wie sie im Rauschzustand niemals zu erreichen sind.

    Ich bin in der Suchtselbsthilfe engagiert, und ich schreibe Dir aufgrund Deiner hier eingestellten biografischen Züge, dass ich im Verlauf vieler Jahre feststellte, wieviel schwerer sich oft sehr intelligente und intellektuelle Betroffene tun, ihre Sucht zum Stillstand bringen zu können. Der Verstand gaukelt ihnen wohl eine vermeintliche Kontrollfähigkeit vor, die aber in der aktiven Sucht bei ihnen genauso verloren gegangen ist, wie bei jedem anderen Süchtigen auch.

    Zitat von Albert"

    Mein Alkoholproblem bzw. meine Abhängigkeit habe ich schon längst erkannt, doch ich habe mich stets hartnäckig geweigert, auf einen so wichtigen “Faktor der Lebensfreude“ ganz zu verzichten und mich deshalb auch immer für fähig gehalten, “kontrolliert“ zu trinken.


    Mir erging es auch so wie Dir. Lange bevor meine Sucht nach außen ruchbar wurde, wusste ich, dass ich mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit zum Betroffenenkreis der Süchtigen gehörte. Nur wollte ich das, gerade ob meines weithin funktionierenden Lebens und meines durchaus für Alkoholiker eher annehmbaren sozialen Status nicht wahrhaben.

    Dieses Eingeständnis, und hier breche ich mal wieder eine Lanze für die oft belächelten Anonymen Alkoholiker, ist der entscheidende Schritt überhaupt: Die eigenen Machtlosigkeit in der aktiven Sucht – solange ich mit meinem Suchtmittel in Berührung komme.
    Das ist kein Versagen oder Scheitern, das ist schlicht der Mächtigkeit und dem allumfassenden Wesen der Sucht geschuldet. Sie greift in den noch so kleinesten Winkel in meinem Leben und hinterlässt dort ihre Spuren und ihre Vernichtung.
    Die einzige Chance, die mir gegen sie blieb und bleibt: Das Suchtmittel komplett zu meiden.

    Nein, es gibt keine Alternative für mich, und wahrscheinlich auch nicht für Dich.
    Aber ich kann Dir aus den nun auch wieder nicht wenigen Jahren meiner zweiten Abstinenz nur schreiben: Es braucht auch keine Alternative „Alkohol“.
    Hey, wir sind jetzt 60+, und nach allgemeinen Schätzungen dürfen noch gut und gern 30 Jahre vor uns liegen. Wie wir diese verbringen wollen, haben wir alleine in der Hand.
    Ich für meinen Teil möchte sie in Freiheit verbringen.
    Die Sucht nimmt Dir die Freiheit. Sie diktiert Dir, was mit Dir geschieht, wie Deine Tage aussehen, und was Du statt ihrer alles zu lassen hast.

    Craving kommt und geht auch wieder. Wenn Du es nicht von innen heraus „befeuerst“, also nicht zulässt, dass sich Deine Gedanken ständig um den vermeintlich begehrenswerten nächsten Schluck drehen.
    Wenn ich heute manchmal noch einen leisen Anflug von Craving habe – es wird nämlich kontinuierlicher weniger, das ist sicher – dann mache ich craving urge surfing: Ich reite auf der Welle des Verlanges – bis sie ausläuft. (Du kannst bei Interesse ja mal googlen, oder hier im Forum nach den Links suchen.)
    Anfangs habe ich mich bewusst mit etwas abgelenkt, das meiner ganzen Aufmerksamkeit bedurfte. Ich sagte mir dann: „Wenn Du in 2 oder 3 Stunden immer noch diesen Druck verspürst, dann kannst Du immer noch etwas holen.“ Tatsächlich war der Suchtdruck nach dieser Zeitspanne gar nicht mehr vorhanden.

    Du liest es aber vielleicht heraus: Es war in so einer Situation extrem hilfreich, dass kein Alkohol verfügbar Zuhause herumstand. Der Aufwand, diesen beschaffen zu könne, muss so hoch sein, dass man es sich besser dreimal überlegt.
    Ich wünsche Dir, dass das neue Jahr nicht nur mit guten Vorsätzen beginnt, sondern diese sich auch erfolgreich in die Tat umsetzen lassen!

  • Hallo Albert!

    Willkommen im Forum und ein gesundes neues Jahr.

    Ich kann an Dietmars Ausführungen anknüpfen.

    Ganz wichtig ist, dass Deine Wohnung alkoholfrei ist. Da darf nichts mehr von dem Zeug rumstehen, das Du früher gesoffen hast.

    Kommt das Verlangen nach dem Suchtstoff auf und es nichts daheim, hast Du auf dem Weg zum Laden/Kiosk/Tanke noch genügend Zeit, den Entschluss wieder zu trinken, zu hinterfragen.

    Ferner rate ich zu einer Kontaktaufnahme mit der Suchtberatung, um dein Bild umfassend zu überprüfen.

    Auch die Lektüre von Fachliteratur sei dir ans Herz gelegt.

    Gutes Gelingen wünscht
    der Rekonvaleszent

  • Lieber Dietmar, lieber Rekonvaleszent (Jutta habe ich extra geschrieben),
    danke erstmal für die erhellenden Ausführungen. Sie werden ganz bestimmt meine künftige Reflexion und auch meine nächsten praktischen Schritte begleiten.
    Zu den bei mir herumstehenden Flaschen: Es ist mir schon klar, dass sie gewisse Zweifeln an der Ernsthaftigkeit meines Entschlusses aufkommen lassen könnten. Ja, es würde schon in das Verhaltensmuster der Simulation passen, dass ich mir angeeignet habe, um ein Leben lang als Normalo durchzugehen, wenn ich sie am Lager halte, um gemütlich weiter zu saufen, nachdem ich mir hier das schlechte Gewissen aus dem Leib geschrieben habe.
    Doch die Präsenz der Flaschen bei mir hat einen rein “technischen“ Grund: Ich wohne alleine und – abgesehen vom Arztbesuch am 28.12. bzw. von ein paar Noteinkäufen - bin ich wegen der Grippe die ganze Zeit bis einschließlich heute zuhause geblieben. Morgen werde ich sie wegbringen bzw. jemandem schenken, dem ich auch den Grund dafür nennen werde.
    Bei diesem jemandem handelt es sich übrigens um einen Menschen, der objektiv gesprochen, Alkohol kontrolliert trinken kann, bzw. der keine äußere Kontrolle dafür nötig hat.
    Was denkt Ihr angesichts dieser brutalen Kluft zwischen Menschen wie mir (oder uns) und Menschen wie ihm, die spontan und ohne Anstrengung all dies genießen können, was wir – wenn überhaupt- erst nach einem schwierigen und oft schmerzvollen Prozess der Abstinenz erreichen können, nämlich Freiheit von Sucht?

  • Guten Morgen Albert,

    Zitat

    Zu den bei mir herumstehenden Flaschen: Es ist mir schon klar, dass sie gewisse Zweifeln an der Ernsthaftigkeit meines Entschlusses aufkommen lassen könnten.


    Ich kann hier nur für mich sprechen: Zweifel habe ich an Deinen Vorsätzen überhaupt keine. Ich weiß nur aus eigener Erfahrung heraus, dass es auf dem Weg zu einer gesicherten Abstinenz sehr schwierig wird, wenn das einst geliebte Suchtmittel jederzeit verfügbar ist.
    Aber Du hast dazu ja bereits einen Plan, was sich gut liest.

    Ich kenne nicht wenige Alkoholiker, die den Weg des Kontrollierten Trinkens nach Professor Körkel beschritten haben, also sogar nicht wenig dafür bezahlt haben, dass sie es lernen durften.
    Ich kenne aber leider auch die Realität dieser Trinker, die versuchen die Kontrolle über ihren Alkoholkonsum zurückzuerhalten. Hier bei mir gibt es tatsächlich eine schon einige Jahre bestehende Selbsthilfegruppe nur für KT.
    Inzwischen könnte ich im Kalender im Voraus ankreuzen, wann die jeweiligen Teilnehmer dann mal wieder zur Entgiftung müssen. Bei den einen erfolgt das im 1,5 – 2 Jahresrhythmus, bei anderen dauert es keine 6 – 8 Monate.
    Das ist also nicht die Freiheit, die ich für mich meine.

    Hier im Forum wurde schon seitenlang über diese Möglichkeit sehr kontrovers diskutiert, die halt ganz nüchtern betrachtet bei Betroffenen, die per Definition eine Alkoholabhängigkeit (Sucht) haben, etwas vorgaukelt, was aufgrund jahrzehntelanger Erfahrung und Erkenntnis mit der Alkoholabhängigkeit (u. mit anderen Suchtmitteln) für die weitaus größte Zahl der Abhängigen nicht mehr möglich ist: Die Kontrolle über den Konsum des Suchtmittels durch Erlernen zurückzuerlangen.

    Im Übrigen, weil Du von „genießen“ schreibst. Ich bezweifele sehr stark, dass zu einen Nahrungsmittel oder wie hier zu einem definierten Nerven- und Genussgift noch ein Genussverhältnis vorhanden sein kann, wenn man einerseits die konsumierte Menge kontrollieren muss, und andererseits die starke Gier vorhanden ist, es maßlos zu konsumieren.

    Zitat

    was wir – wenn überhaupt- erst nach einem schwierigen und oft schmerzvollen Prozess der Abstinenz erreichen können, nämlich Freiheit von Sucht?


    Das ist m. E. nur dann ein schmerzvoller Prozess, wenn damit ein Verlust einhergeht.
    Bei mir war es schließlich, als es für mich nicht weiter nach unten gehen konnte, ein befreiender, freudiger und alles andere, als schmerzvoller Prozess. Das Gegenteil traf zu: Als ich mich aus der Sucht befreien konnte, erlangte ich das erste Mal wieder meine Lebensfreude und den Genuss zu vielen Dingen zurück, der mit dem Suchtmittel völlig verloren gegangen ist.

    Ich glaube, wenn Betroffene ihre Trockenheit (ich schreibe hier jetzt bewusst nicht von Abstinenz, sondern von „trocken“.) als Verlust und Versagen ansehen, dann dauert sie nicht sehr lange an. Eine Abstinenz dagegen, die als Gewinn und Bereicherung betrachtet wird, lässt eher nach mehr davon streben …

  • Hallo und HERZLICH WILLKOMMEN hier im Forum :welcome:

    Na, das nenne ich mal einen guten Start ins Neue Jahr 44.

    Nachdem Du hier schon einige gute Tipps (z.Bsp. alkoholfreie Wohnung, Gespräche mit der Familie) bekommen hast, möchte ich Dir auch noch zwei unserer Seiten ans Herz legen, wo Du ebenfalls noch viele weitere und wertvolle Hinweise findest: dies sind zum Einen "Ich will mit dem Trinken aufhören. Was tun? Wer hilft mir?" und zum Anderen unsere Linksammlung.

    Gerade in der Linksammlung findest Du Hinweise auf die nächste Suchtberatung und/oder Selbsthilfegruppe, die gerade für Neuausteiger wie Dich ganz wichtige Ansprechpartner sind/sein können - nach dem Hausarzt. Denn bei aller Nützlichkeit und Informativität des Internets ersetzt doch nichts das Gespräch mit einem echten Menschen - finde ich.

    Und uns hast Du nebenbei ja auch noch. Also: Wenn Du Fragen hast - raus damit!

    Ansonsten findest Du gerade hier im Vorstellungsbereich viele verschiedenste Geschichten von Betroffenen (Manchmal auch aus der Sicht der Angehörigen erzählt). Wie gesagt: verschiedenste Geschichten. Und doch ähnlich ...

    Ich wünsche Dir jedenfalls einen guten Start ins Neue Jahr/Leben!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Lieber Albert,
    schön, dass du hierher gefunden hast. Du liest dich sehr reflektiert und entschlossen.
    Mit meinem Outing ging es nach hinten los: Als ich mich vor fast 5 Jahren dazu entschloss, meinem Mann alles zu erzählen , nahm er mich in die Arme und sagte:
    ...dann hör doch einfach auf...Am nächsten Tag soff ich alle im Haus befindlichen alkoholischen Flaschen weg. Mit 2,7 ‰ ging ich in den Entzug. Erst dann beschäftigte sich mein Mann mit dieser Krankheit. Im März bin ich 5 Jahre trocken,
    im Haushalt gibt es nichts Alkoholisches. Therapeutische Hilfe und SHG sind für mich bis heute wichtige Begleiter. Der Begiff kontrolliertes Trinken existiert für mich nicht, denn ich bin Alkoholikerin. Die Gier nach mehr ist immer da.
    Ich wünsche dir immer die richtigen Entscheidungen
    Lg Britt

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Hi Dietmar,
    es freut mich, zu lesen, dass du keine Zweifel an die Seriosität meines Anliegens hast.
    Hinsichtlich der Seriosität des sog. “kontrollierten Trinkens“ habe ich bereits in meinem Vorstellungstext versucht, klar zu stellen, dass diese Option für mich lediglich eine elegante Art darstellt, sich etwas in die eigene Tasche zu lügen, wie ich es übrigens Jahrzehnte lang getan habe. Vor diesem Hintergrund habe ich den von dir in Kursiv gesetzten Verweis auf Prof. Körkel zunächst – wegen der Analogie zum “Korken“ bzw. aufgrund meiner Ignoranz - als eine bei “Euch“ kursierende witzige Formulierung interpretiert (die wiederum eine traurige Realität widerspiegelt).
    Für das Ausschließen dieser „Option“ spricht also in meinem Fall, neben den von dir angeführten knallharten Fakten zur Rückfälligkeit von sogenannten Kontrollierenden, die Angst, als absolut lächerliche Figur zu gelten bzw. -angesichts meines Alters- in die Erinnerung meiner Lieben und Bekannten einzugehen.
    Gleich nachdem ich meine Antwort an Euch los schickte, beschlich mich die Vermutung, dass vieles an dem - von mir, aber auch allgemein, verwendeten- Vokabular– ziemlich unscharf ist, und dass die meisten Problemfelder anhand von dichotomischen Begriffen umschrieben werden, bei denen die Suchtfreiheit mit einem hohen Negativitätsanteil behaftet ist: Abstinenz, Verzicht, Kontrolle, ja, selbst in die alternative Bezeichnung “trocken sein“, enthält unmissverständliche Anklänge an eine Dürrekatastrophe.
    Es ist hier vielleicht nicht der passende Ort, um olle Kamellen wie den Unterschied zwischen Freiheit von und Freiheit zu wieder auszupacken, doch Letzteres hatte ich im Sinne als ich von der Person berichtete, der ich meine Flaschen schenken werde. Als ich gelesen habe, dass ich “kontrolliert“ usw. geschrieben habe, dachte ich in etwa: du verwendest wieder mal selbst dieses stupide Klischee, um dich in den Diskurs hier einzuklinken oder um deine Gedanken schneller zu transportieren, etc.

    Aber was ich im Grunde sagen wollte ist, dass diese Person schlicht und ergreifend über eine organische Selbstregulation verfügt, die ihren Alkoholkonsum bestimmt, ohne dass sie bewusst darin eingreifen muss bzw. ihr Wille greift lediglich bei der Entscheidung ein, ein Glas und nur ein Glas irgendwas zu trinken und sie braucht sich auch keinen Zwang anzutun, um es dabei zu belassen. Mein vorläufiger Begriff dafür wäre eben “Genuss“.
    In Anbetracht dessen, kann ich nicht umhin, meinen Neid einzugestehen, wenn ich z.B. bei ihr bin und feststelle, dass die vor einer Woche angebrochene Flasche Wein, immer noch halbvoll ist, oder dass ein und dieselbe Schnapsflasche seit Jahren ungeöffnet im Regal steht. Es handelt sich, wohlgemerkt, um einen retrospektiven Neid oder meinetwegen um die Sehnsucht nach dem, was bei mir anders hätte laufen können, und es hat nur insofern mit meinem Entschluss zu tun, keinen Alkohol mehr zu trinken, als ich diesen auch als eine Angelegenheit betrachte, bei der am Ende die ganze Wahrheit über mich selbst ans Licht kommen sollte.

  • Lieber Greenfox, lieber Britta,
    danke für die herzliche Aufnahme und, dir Greenfox, für die wertvollen Tipps. Bei SHGs bin ich noch nicht gewesen ( werde es auf jeden Fall bald nachholen), wohl aber bei einigen Therapeuten aus verschiedenen psychologischen Schulen. Wie ich aus der Lektüre von anderen Forum-Beiträgen erfahren habe, kann man auf diesem Sektor – wie übrigens bei jeder Profession der Fall ist, aber bei dieser insbesondere- alles Mögliche erwarten. So war es auch bei mir, leider mit sehr schlechten Resultaten: Der erste hat sich während meiner “Behandlung“ mit Antabus auch irgendwann mal für meine Träume interessiert. Sein Kommentar, nachdem ich ihm einen erzählte, den ich mühsam aufgeschrieben habe: “Sie träumen aber komische Sachen“. So, als wenn ein Atomphysiker sich weigern würde, irgendeine Aufgabe in Angriff zu nehmen, weil eine Gleichung 2. Grades darin enthalten ist.
    Als ich ihm höflichst mitteilte, dass ich die Behandlung lieber abbrechen möchte, hat er mich gleich als Schmarotzer bezeichnet, der sich auf Kosten der Allgemeinheit, bla, bla…
    Den anderen, bei dem ich allerdings wegen einer Depression in Behandlung war, haben die Sorgen um meine Alkoholabhängigkeit nur am Rande interessiert: er wollte partout und ausschließlich in den Kern meines Ödipuskomplexes vordringen.
    Trotz dieser Erfahrungen bin ich alles andere als grundsätzlich wissenschafts- bzw. psychologiefeindlich eingestellt. Es mir jedoch klar geworden, dass auf diesem -immer noch boomenden Sektor- viele Luschen bzw. unfähige Menschen unterwegs sind. Deshalb sind einschlägige Tipps zu wirklich nachgewiesen kompetenten Therapeuten bei mir sehr willkommen.
    Britta, ich habe bereits zufällig einiges aus dem von dir eröffneten Thread gelesen, einschließlich der ausführlichen und sehr offenen Worte, die jemand zu deiner Ehe bzw. zu deinem Ehemann geschrieben hat. Ich sehe – und du sagst es auch- dass es ein schmerzvolles Dilemma ist. Doch im Vergleich zu mir hast du den Vorteil, dass bei dir die Fronten geklärt sind bzw. werden können. Bei mir geht es – wie ich es angedeutet habe – um etwas diffuserem, das mit meinen langjährigen Missbrauch des Kredits zu tun hat, den mir meine Kinder und andere lieben Menschen jahrelang gewährt haben. Ich wollte schon immer glauben, dass sie meinen Alkoholkonsum zwar kopfschüttelnd aber irgendwie wohlwollend hingenommen haben, sozusagen als eine Skurrilität, die im Paket zusammen mit meinem Humor und meiner Liebenswürdigkeit ihnen gegenüber enthalten war. Sie haben z.B. nicht oder nur sehr indirekt über meine einsame brutale Sauferei erfahren, kaum dass sie nach ihrem Besuch weggegangen sind. Von den Gedanken an diese Besuche als lästige Saufhindernisse bzw. – Unterbrechung ganz zu schweigen.
    Auch wenn es mir gelingt, mich von der Sucht zu befreien, weiß ich, ehrlich gesagt, nicht ob ich dieses verdammte Schuldgefühl je los werden kann.

  • Hallo Albert,

    mein Name ist Luise und ich bin Alkoholikerin. Ich bin heute 6 Wochen trocken und stehe noch ganz an Anfang!

    Es freut mich, dass du den ersten Schritt gehen willst! Und ich hoffe, du hast es auch bis heute geschafft.
    Nun habe ich eine Frage zu Deinen lieben Menschen: Hast Du ihnen mitgeteilt, was Du vor hast? Ich glaube damit kannst Du viel für sie, für Dich UND vorallem für Dein schlechtes Gewissen tun. Wie du es beschreibst, lieben sie Dich und wollen sicher, dass du noch sehr lange unter Ihnen weilst.

    Weiterhin alles Gute für Dich!

    Liebe Grüße Luise

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