Hallo zusammen!
Ich habe mich hier neu angemeldet und da finde ich, gehört es sich, auch vorzustellen.
Ich bin Mitte 40 und bin das, was man einen funktionierenden Alkoholiker nennt.
Familie intakt, sehr guter Job, gesundheitlich zumindest äußerlich alles im grünen Bereich.
Ich bin auf einem Dorf an der Küste groß geworden, wo Alkohol zu jedem Dorffest dazu gehörte. Mutter und Großvater beide Trinker.
Schon während des Abiturs wurde tüchtig an den Wochenenden gezecht und auch mal auf der Reeperbahn
die Nächte durchgesoffen.
Das waren aber alles nur Momentaufnahmen. Da konnten auch mal Wochen ohne Alkohol dabei sein, zumal ich
parallel Leistungssportler war.
Der Beruf zog mich in eine andere Stadt in den Süden. Ich gründete eine Familie, mein Job wuchs und ich bekam immer
mehr Verantwortung. In den Kreisen kommen dann irgendwann auch mal Wein- und Whiskytastings dazu und dann hat man
irgendwann auch seinen Weinkeller etc..
Das ich damals schon Nervengift in mich reinkippte, der Gedanke kam mir gar nicht. Was soll an einem so edlen Tropfen schon schlecht sein?
Ich arbeitete später bis zu 16 Stunden am Stück und um mich zu belohnen und schlafen zu können gab es dann eben Wein. Immer mehr, immer öfter.
Richtige Abstürze gab es noch nicht.
Es ging weiter, man arbeitete auch von zuhause aus und der Konsum blieb nicht hoch, aber konstant. Teilweise habe ich mir dann schon morgens oder Mittags was gegönnt. Ab da dämmerte mir, da stimmt was nicht. Aber als Alkoholiker sah ich mich noch lange nicht.
Mit der Zeit vertrug ich den Alkohol immer schlechter und ich stieg auf harte Sachen um, weil das Beschaffen und den Müll wegbringen dann doch nervte.
Ich füllte den Alkohol gleich um in andere Flaschen usw. eben die ganz klassische Verschleierungstaktik. Noch immer sah ich mich nicht als Alkoholiker.
Bis zu einem Tag wo ich es echt übertrieben hatte und meine Frau mich in einem erbärmlichen Zustand vorfand. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte niemand etwas gemerkt, denn mein Umfeld hätte mich angesprochen. Definitiv. Ich habe mich krank gemeldet, bin zum Arzt, war aber zu feige, ihm zu sagen, was mit mir los war. Ich habe mich so geschämt. Das schlimmste waren immer die eigenen Vorwürfe, die die Psyche immer weiter beschädigte.
Ich war den Abend noch bei einer SHG und habe mir viel angelesen damals. Ich habe damals viel Glück gehabt, denn ich habe den heute unverantwortlichen Fehler gemacht, mich selbst zu entgiften bzw. habe von dem Tag an nicht mehr getrunken. Im Nachhinein betrachtet Wahnsinn.
Ich habe selber dann den Arbeitgeber gewechselt in ein Umfeld mit weniger Druck und geregelten Arbeitszeiten. Ich wollte die alten Muster durchbrechen.
Habe mir als Ziel gesetzt eine Laufveranstaltung mitzulaufen, die riesiges Training und einen gesunden Lebensstil erforderte und habe dieses auch durchgezogen, dabei 1/3 meines Körpergewichtes verloren.
Ich bin heute glücklich ohne Alkohol, aber mir ist bewusst, dass die Gefahr immer da ist und ich auf mich achtgeben muss. Ich lasse mittlerweile seit knapp 4 Jahren das erste Glas stehen und mir geht es gut dabei. Ich habe da meine Kniffe und Wege gefunden, dass ich gut damit klarkomme. Im Gegenteil mir geht es so viel besser als vorher. Es ist kein "ich darf ja nicht mehr" sondern ein "schön, dass ich nicht mehr muss".
Ich erhoffe mir hier weitere Tips und Ideen an schlechten Tagen, so wie heute, alleine im Büro und draussen graues Wetter. Da ist es dann einer der seltenen Momente, wo ich an Alkohol denke. Nicht im Sinne von "ich hätte gern welchen" aber alleine der Gedanke an Alkohol und meine Krankheit an sich. Das zeigt mir, sie wird immer mein Begleiter sein. Ich hadere nicht mit mir, ich nehme die Sache an wie sie ist. Ich weiß nur, ich möchte niemals wieder zurück zu meiner nassen Zeit.
Als ich heute morgen so beim Arzt saß beim Routine-Checkup und die Urinprobe und die Blutprobe abgegeben hatte, dachte ich so bei mir, wie schön es ist, nicht mehr in der Angst zu leben, dass da eventuell Alkohol drin gefunden würde. (So stellte ich mir das vor). Und ich merkte, ich bin zwar oft bei meiner SHG aber generell kann wieder mehr Aufmerksamkeit nicht schaden. Man darf auf keinem Fall nachlässig werden.
Daher habe ich mich hier angemeldet, quasi um immer eine SHG dabei zu haben und immer mal wieder was zu dem Thema zu lesen.
Wir bekommen in Kürze einen Hund, der wird mir weiter guttun, mit dem werde ich dann viel Zeit neben der Arbeit draußen verbringen.
Outdoorfan eben. Darauf freue ich mich sehr.
in diesem Sinne,
habt einen schönen Tag.