Wie spreche ich mit Kindern über die Sucht ihres Vaters?

  • Liebes Forum,

    ich habe ja bereits im Bereich "Vorstellung" etwas über meine Situation geschrieben. Also dass mein Ex offensichtlich Alkoholiker ist, dass ich das vor einem 3/4 Jahr gemerkt habe, nicht weiß, seit wann das schon geht, aber das ist ja auch schon fast egal.
    Mein Ex ist absolut uneinsichtig, meint, er hätte das Problem inzwischen alleine im Griff, was ich absolut nicht glauben kann.

    Jetzt will er in 2 Wochen mit den Kindern in den Urlaub fahren, was insgesamt 2x 6 Stunden und nochmal 2x 5 Stunden Fahrzeit bedeuten würde. Von mir aus kann er machen was er will, aber wenn es um die Kinder geht, kann ich das nicht einfach zulassen.

    Ich habe ihn gefragt, ob er einem Alkoholtest zustimmen würde, und er lehnt es kathegorisch ab. Meine Sorgen seien unbegründet, dass ich kein Vertrauen mehr in ihn habe mein Problem. Er würde mit den Kindern fahren und basta.

    Jetzt kann ich ihm theoretisch verbieten mit den Kindern zu fahren. Er darf sie ohne meine Erlaubnis nicht einfach irgendwohin mitnehmen. Das wäre der letzte Strohhalm, aber das wäre für die Kinder natürlich traumatisch.

    Bislang haben wir seine Alkoholprobleme kaum thematisiert. Nicht, weil ich das nicht zulassen würde. Aber obwohl sie wissen, dass er mal einen zu viel getrunken hat, kann ich nicht sagen, ob ihnen das gesamte Ausmaß bewusst ist. Da wir eigentlich offen über alles reden können, denke ich schon, dass sie das angesprochen hätten. Ich bin also zurückhaltend, weil ich die Sorgen, die sie vielleicht noch gar nicht in dem Ausmaß hatten, nicht noch schüren möchte.

    Auf der anderen Seite habe ich das Gefühl, dass mich die Situation so langsam dazu zwingt. Ich will sie nicht zu meinen Spionen machen, die mir rapportieren, ob der Papa zuviel getrunken hat. Aber ich kann sie auch nicht unwissenderweise einfach mit ihm fahren lassen. Er ist zwar meistens lieb zu ihnen, aber kann halt auch sehr verbal aggressiv werden, und dann wissen sie gar nicht was los ist.

    Hat hier jemand Erfahrung mit eigenen Kindern, oder selbst als Kind? Bin für alle Hinweise dankbar. Meine beiden Mädchen sind 8 und 10 Jahre alt.

    Viele Grüße
    Ailin

  • Hallo Ailin,

    ich kann dich sehr gut verstehen. Meine Situation war folgende: ich habe mich vor 12 Jahren von meinem ex-Mann getrennt, weil dieser ein Alkohol Problem hatte und ein notorischer Lügner. Damit mein Sohn seinen Vater auch regelmäßig sieht, sollte sein Vater ihn jedes 2te Wochenende holen. Anfangs habe ich ihn gebracht, weil er seinen Führerschein schon lang vor meiner Zeit verloren hatte, und etwas später hatte er eine nette neue Freundin, die ihn gefahren hat. Anfangs war auch alles ok, ich habe nie erlebt das er getrunken hat, wenn sein Sohn bei ihm war.

    Dann kam er eines Tages, hackedicht daher, um seinen Sohn fürs Wochenende zu holen. Seine neue stand blass und hilflos daneben. Mein Sohn war dabei als ich ihnen ruhig erklärt habe, das er meinen kleinen in dem Zustand nicht haben kann. Er brüllte und weinte (mein ex), er habe nichts getrunken, das wären die starken Medikamente (die es nie gab). Mein Sohn hat geweint, mein ex hat sich auf den Boden geschmissen und sich an den Jungen geklammert und geheult. Aber ich bin hart geblieben! Mir hat es fast das Herz zerrissen, aber ich hätte ihn niemals guten Gewissens mit ihnen gehen lassen können.

    Wir sind dann bald darauf in eine andere Stadt gezogen, nicht weit weg, aber weit genug um zur Ruhe zu kommen. Wir haben dann besprochen, wenn Ferien sind, darf mein Sohn auch mal eine Woche zu ihm, sofern er seine Gruppe der AAs wieder besucht (das hatte er während unserer gemeinsamen Zeit eine Weile gemacht). Dann war es soweit, mein Sohn durfte zu ihm. Seine Freundin und mein ex kamen am Samstag und holten ihn. Am Montag rief mich meine Mutter an (die in der selben Ortschaft wohnte wie er). Mein ex hat früh angerufen, er müsse für 2-3 Stunden arbeiten, seine Freundin ist auch auf Arbeit, ob meine Mutter auf den kleinen aufpassen kann. Natürlich hat sie sich gefreut und ihn genommen. Am Nachmittag war von meinem ex noch nichts zu sehen, und telefonisch hat sie ihn auch nicht erreicht. Ich hatte gleich ein blödes Gefühl und hab noch eine gute Weile versucht ihn anzurufen, vergeblich. Dann habe ich mich ins Auto gesetzt und bin zu ihnen gefahren. Als erstes zu meinem ex. Er war brav volltrunken zuhause und hatte die Musik typischerweise bis zum anschlag aufgedreht. Kurz darauf kam seine Freundin, die wie vor dem Kopf geschlagen war, als sie mich sah. Sie hat mir die Sachen meines Sohnes weinend eingepackt, sagen konnte sie nichts mehr. Mein Sohn war nie wieder bei seinem Vater. Nicht weil ich das verboten hätte, sondern weil er den Kontakt abgebrochen hat. Er hat ihn nur 2 Jahre später angerufen um ihm zu erzählen das er einen Bruder bekommen hat.

    Ich bereue es nicht das ich ihm den Jungen nicht mehr gegeben habe. Ich habe meinem Sohn ehrlich gesagt das sein Vater Zuviel Bier trinkt und da einfach nicht gut genug auf ihn aufpassen kann. Es hat ihm lange Zeit sehr weh getan. Aber mein Sohn sagt heute selbst, wenn er ihn genug geliebt hätte, hätte er aufgehört zu trinken. Durch die Trennung Ansicht war mein Sohn eh schon angeschlagen, aber das ihn sein Vater wegen Bier verlassen hat, das hat ihm fast das Herz gebrochen. Aber er sagt heute selbst, das er es versteht warum ich da hart durch gegriffen habe.

    Die Entscheidung kann dir keiner abnehmen, aber ich bin zuversichtlich das du die richtige für dich und vor allem für deine Kinder triffst!

    Liebe Grüße
    Claudia

  • Liebe Claudia,

    Danke für Deine Antwort. Ich denke, dass Du sicher alles richtig gemacht hast in der Situation.
    Bei anderen erscheint einem alles so klar.
    Mein "Problem" ist, dass noch alles so neu ist. Die Kinder haben ihn nie betrunken erlebt. Die Kleine hat mal Flaschen gefunden, aber sie bringt das erst sehr abstrakt in Verbindung. Wenn sie ihn mal alkoholisiert erlebt hätten und davor Angst hätten, fiele es mir leichter. Oder wenn er deswegen schon mal den Führerschein verloren hätte. Aber benimmt sich absolut unauffällig. Ich denke, dass ihnen nicht mal sein Alkoholgeruch auffällt, weil sie es nicht direkt dem Alkohol zuordnen können.
    Aber ich werde wohl tun, was ich tun muss. Aber es ist schon schwer das auszuhalten. Ich möchte den Kindern so gerne das ersparen, aber er ist absolut uneinsichtig und es wird wohl auf diesen Showdown hinauslaufen müssen.

    Dir ganz liebe Grüße
    Ailin

  • Liebe Ailin,

    Ich verstehe dich sehr gut. Mein ex-Mann hatte es immer vermieden, das mein Sohn ihn betrunken erlebt. Er kam immer dann „voll“ nach Hause, wenn der kleine im. Bett war. Am nächsten Tag war mein Sohn immer froh das Papa da ist, für ihn hat er einfach länger gearbeitet. Richtig betrunken hat er ihn an diesem einen Tag das erste mal erlebt. Und da konnte er das mit seinen 4 Jahren nicht einschätzen was mit seinem Vater los ist. Für ihn war Papa einfach nur komisch drauf.

    Aber glaub mir eins, Kinder sind nicht dumm. Du denkst vielleicht das ihnen nichts aufgefallen ist, aber auch wenn die Kinder dieses Wort „Alkoholiker“ oder „saufen“ nicht im Zusammenhang mit ihrem Vater bringen können, so haben deine Mädchen bestimmt etwas bemerkt. Sei es eben der Geruch, oder eine leichte Wesensveränderung die wir erwachsene gar nicht so wahr nehmen. Kinder sind oft viel feinfühliger und klüger als wir annehmen.

    Liebe Grüße
    Claudia

  • Als Alkoholiker kann ich Dir sagen, dass gerade Kinder wesentlich mehr mitkriegen, als uns lieb ist. Und als viele Erwachsene denken/wahrhaben wollen/ihnen zutrauen.
    Ich habe auch immer gedacht, dass meiner Kinder nix mitgekriegt haben - das war natürlich ein ganz großer Trugschluß ;(

    Vielleicht ist es wirklich das Beste, wenn Du ihnen die Situation versuchst, mit kindgerechten Worten zu erklären.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Liebe Claudia, lieber Greenfox,

    Danke für Eure Gedanken. Dass meine Kinder viel mitbekommen haben ist mir vollkommen klar. Nur wie klar sie daraus ihre Konsequenz ziehen können, das weiss ich nicht. Für sie hat der Papa offensichtlich mal zu viel getrunken. Die Wesensveränderung haben wir alle ganz massiv mitbekommen, nur konnten wir uns das damals noch nicht erklären (ich war ja selbst auf dem falschen Dampfer und dachte "nur" an Depression).
    Jetzt ist es so, dass sie schon lange seinen Kampf mit den Zigaretten mitverfolgen. Auch hier hat er viel versucht zu verheimlichen und zu vertuschen, aber jetzt wissen sie es. Und meine Kleine hat bereits deswegen eine Heidenangst um ihn.

    Ich schrecke davor zurück, ihr noch mehr Sorgen aufzubürden. Denn wenn das Kind einen Namen hat, dann kommen die Zusammenhänge. Stirbt er jetzt daran? Endet er unter der Brücke wie ein Penner?

    Natürlich werden sie sich irgendwann mit diesen Fragen auseinandersetzen müssen. Aber es tut mir so weh, dass es schon mit 8 und 10 Jahren sein muss.

    Aber es wird kein Weg daran vorbeiführen, das wird mir immer klarer. Ich habe sie versucht, vor der Wahrheit so gut es geht zu schützen. Wenn er sich zusammenreissen würde und nicht auf Konfrontation gehen würde, könnte ich es ihnen wohl noch eine Weile ersparen. Aber es geht nicht anders.

    Wenn ich dann höre, dass 1/3 der Kinder aus "alkoholkranken" Familien selber süchtig werden, 1/3 psychische Probleme haben, dann wird mit echt ganz schlecht. Aber nicht drüber Reden ist natürlich keine Lösung, und eigentlich auch nicht meine Art. Aber es wird hart, für uns alle.

    Wie gesagt gehe ich nächste Woche zum Kinderpsychologen, der die Kinder zur Zeit betreut (offiziell wegen der Trennung). Vielleicht kann er mir helfen, wie ich das am Besten angehe.

    Vielen Dank nochmal
    Ailin

  • Liebe Ailin,

    das ist eine sehr gute Idee mit dem Kinderpsychologen. Nachdem du schon einen an der Hand hast, er deine Mädchen auch schon kennt, wird er dir wohl am besten sagen können wie du mit der Situation umgehen kannst. Lass dich auch bitte nicht von solchen Zahlen beeindrucken, denn DU bist nicht alkoholkrank! Du gibst deinen Mädchen ein sicheres Zuhause und zeigst ihnen, das man nicht trinken muss!

    Liebe Grüße
    Claudia

  • Liebe Leser
    So, die Katze ist aus dem Sack. Ich hatte mit dem Kinderpsychologen ein sehr gutes Gespräch. Im Prinzip hat er mich in meinen Annahmen bestätigt und mir auch gesagt, dass Offenheit sehr wichtig ist.
    Dann hatte sich mein Ex ja darauf eingelassen, dass ich den Alkoholtester kaufe und er vor jeder Fahrt freiwillig im Beisein der Kinder pustet. Das setzt natürlich auch ein Gespräch voraus. Eigentlich wollten wir es beide gemeinsam diesen Samstag machen (d.h. es war meine Idee, das gemeinsam zu machen). Heute morgen rief er dann an, ziemlich aggro, und meinte er könne mich momentan nicht sehen und ich solle ihm nicht unter die Augen kommen. Wie sich herausstellte, eskaliert es gerade in dem Verein, in dem wir beide sind, und er zur Zeit Vorsitzender ist. Der ehemalige Vorsitzende hat ihm schon mal angekündigt, dass bei der nächsten Wahl auch das Thema Alkohol auf dem Tapet landen wird. Tja, natürlich bin ich diejenige, die alle Welt gegen ihn aufhetzt, wie ich ausgerechnet mit dem reden könne. Ich bin ganz ruhig geblieben und habe nur gesagt, dass ich natürlich mit jedem offen über das Thema spreche, aber dass ich mich zurückgehalten habe, bis ich darauf angesprochen wurde. D.h. dass ich die Nachricht nicht aktiv verbreitet habe. Natürlich bin ich in letzter Zeit sehr offensiv damit umgegangen, aber eigentlich habe ich überall offene Türen eingerannt. Das habe ich ihm auch gesagt: Jeder weiß es. Naja, da hat er ein wenig vor sich hin geschimpft. Meinte dann, er überlege noch, ob er es den Kindern erst morgen sagt (ich hatte ihm bereits gesagt, dass Sonntag schlecht sind, weil die Kleine eingeladen ist). Naja, auf einmal wollte er dann alleine mit den Kindern reden.

    Letztendlich waren wir beide in unseren Schrebergärten, er war mit den Kindern Äpfel pflücken, ich bei mir Kartoffeln ernten. Beim Abholen ist mir schon wieder eine Bierfahne im ganzen Treppenhaus aufgefallen. Auf die habe ich ihn dann wieder angesprochen. Er hat sich wieder echauffiert, es sei Wochenende, er hätte gestern was getrunken, ich solle doch mit dem Scheiß aufhören, hätte immer nur das eine Thema, wolle einfach nur nicht wahrhaben, dass er jetzt viel glücklicher sei als vorher mit mir. (Zum Glück perlt so was ja schon ab wie Teflon, damit trifft er mich schon lange nicht mehr).

    Egal, also habe ich ihm gesagt, dass Ehrlichkeit nach wie vor Teil unseres Deals ist und ich den auch noch jederzeit abblase. Als ich dann mit den Kindern zu Hause war, habe ich ihnen ganz ruhig erklärt, dass Papa ein Alkoholproblem hat, Probleme hat, das zuzugeben, deswegen auch oft sauer auf mich und andere ist. Dass ich mir deswegen Sorgen wegen des Urlaubs gemacht hätte, aber Papa jetzt vorgeschlagen hat vor jeder Fahrt freiwillig zu pusten.

    Für die Große war das erstmal ein Schock. Obwohl sie sicherlich auch hier und da etwas mitbekommen hat, war das Thema irgendwie erstmal sehr viel. Sie fing gleich an zu weinen, konnte erstmal nichts sagen dazu. Die Kleine hingegen, die ja die Flaschen gefunden hatte und mir ja neulich von den "Scheiß-Drogen" erzählt hatte, schien das sehr viel gefasster wegzustecken. Ihr kamen zwar auch wieder die Tränen, aber sie war nach kurzer Zeit wieder ruhig und tröstete ihre große Schwester. Sie wollte dann auch gleich ihren Papa anrufen, die Große wollte davon erstmal nichts wissen. Wahrscheinlich hatte sie sich schon mehr damit auseinander gesetzt und hatte ihren Zusammenbruch einfach schon hinter sich. Trotzdem hat es mich überrascht.
    Die Kleine hat ihn dann angerufen und gesagt, dass ich mit ihnen geredet hätte. Sie hat auch gleich auf Lautsprecher geschaltet. Er war ganz ruhig mit ihr und hat ihr auch nochmal erklärt, dass er vor jeder Fahrt pusten wird. Hat also sein Versprechen vor den Kindern erneuert.

    Ich werde jetzt sehen, wie die nächste Woche läuft. Es ist gut, dass wir darüber offen sprechen konnten. Auch wenn meine Große jetzt wohl noch Zeit zum Verdauen braucht. Immerhin haben beide Kinder zusammen nächste Woche noch einen Termin beim Psychologen, der hoffentlich auch noch mal hilft.

    Die größte Fassade ist eingerissen. Ich habe ihm gesagt, dass ich auch seine Eltern und die Bekannten in Frankreich informiert habe, zu denen er ja hinfährt. Insofern sind die Kinder nicht alleine. Wenn er sich querstellt, oder das Gerät etwas anzeigt, haben sie Leute da, die sie unterstützen und die Bescheid wissen. Es ist trotzdem hart für sie. Deswegen ist sein Versprechen, es freiwillig zu tun, so wichtig.
    Ich denke ja, dass er in der Lage ist, Trinkpausen einzulegen. Auch wenn er dann noch nicht trocken denkt. Aber wir werden sehen, was sich diese Woche noch so tut. Die Reissleine ist noch immer in Reichweite.

    Letztendlich bleiben die Zweifel, egal was ich tue. Ob dieses letzte bisschen Vertrauen, was ich jetzt nochmal vorschiesse, dass er sich an sein Versprechen hält und somit die Kinder nicht in Gefahr bringt, ob dieses Vertrauen doch zuviel ist. Ich weiß es nicht.

    Aber jetzt werde ich es auf mich zukommen lassen und dann wohl im letzten Moment sehen, wie es steht.

    Wie gesagt. Die Fassade liegt in Stücken am Boden. Jetzt muss er sehen, was er damit anfängt.

    Ailin

  • Ich finde es "gut", dass die Kinder jetzt auch offiziell Bescheid wissen. So kann er sie nicht mehr als Druckmittel benutzen ("sonst erzähl ich es den Kindern") bzw. er kann ihnen nicht mehr irgendwelchen anderen Quark erzählen. Auch wenn die jetzt erst einmal den Schock verdauen müssen.
    Auch, dass Du es den Leuten in Frankreich erzählt hast - immerhin ist es weitab von hier. Und da ist es schon gut, zusätzliche "Augen" zu haben. Soweit ich weiss, ist es in Frankreich ja auch Vorschrift, Alkoholtester im Auto mitzuführen - damit sich niemand herausreden kann, er hätte nicht gewusst, dass er schon mehr als die dort ebenfalls erlaubten 0,5 o/oo intus hat. Und wenn Du dann noch Deine Augen/verlängerten Arme dort hast, die ihm 0,0 o/oo vorgeben 44.

    Die Sicherheit der Kinder geht vor!

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

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    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Liebe Leute,

    Ich bin jetzt also seit ein paar Tagen kinderlos, was mir einerseits schwer fällt, was ich andererseits auch gut für mich und meine Gedanken nutzen kann. Ich bekomme regelmäßig kleine Nachrichten und Fotos oder wir telefonieren. Die Kinder scheinen die Zeit zu geniessen, das ist das Wichtigste. Die Freunde aus Frankreich haben sich auch gemeldet, dass soweit alles gut zu laufen scheint. Insofern muss ich mich darauf verlassen, dass er seinem Teil des Deals nachkommt. Insofern kann ich mich auf mich konzentrieren. Soweit, dass ich mich jetzt ins Wellness-Hotel begebe und es mir nur gut sein lasse, bin ich nicht. Die Gedanken kreisen nach wie vor um das Thema. Aber ich tue mir trotzdem Gutes, indem ich mir die Zeit nehme, mit Freunden bei einem schönen Abendessen zu quatschen, mich zum Tee zu verabreden usw. Das Thema ist dabei immer sehr präsent. Aber es tut mir gut, dass die Leute zuhören können und Verständnis zeigen. Aber mir auch immer mal wieder den Spiegel vorhalten und mich zum Nachdenken anregen.
    Zum Beispiel, dass ich vielleicht nicht bewusst seine Alkoholprobleme gedeckt habe. Aber sein aggressives Verhalten teilweise entschuldigt habe (ohne zu ahnen, was dahinter stecken könnte). Ich hatte von mir immer das Bild der dominanten Frau, die ihren armen Mann triezt. Das wurde mir von verschiedenen Leuten so gesagt: Du bist aber streng mit ihm! Dabei war ich das nur teilweise, ich hatte oft viel zu viel Verständnis.
    Komisch, wie die Wahrnehmung von einigen Leuten die Selbstwahrnehmung beeinflussen können. Da muss ich noch ein wenig für mich schauen: wie war ich jetzt eigentlich. Wahrscheinlich stimmt beides zum Teil. Ich konnte manchmal sehr streng sein, wenn mir die Hutschnur gerissen ist. Aber auf der anderen Seite war ich dann auch mal wieder voller Mitgefühl und Verständnis. Wahrscheinlich auch nicht die beste Kombination.

    Aber egal, ich muss mich vor allem fragen: Wie verhalte ich mich in Zukunft, und das im Hinblick auf die Kinder? Mir ist aufgefallen, dass ich neulich, als er wieder wegen einer Lappalie gelogen hat und sowohl die Kinder als auch ich (als auch er) wussten, dass da was nicht stimmt ich wieder Dinge gesagt habe, um die Wogen zu glätten. Die Große hat ihn auf einen Termin beim Psychologen angesprochen und er hat verneint, dass es den gäbe. Meine Tochter war ganz verwirrt und ich wusste, dass er lügt. (Hatte ich vielleicht schon in dem anderen Faden geschrieben). Egal, ich habe dann gesagt: naja, vielleicht haben wir das mit dem Termin ja auch falsch verstanden. Weil ich das Thema beenden wollte (und ihm damit einen Weg gegeben habe, ohne Gesichtsverlust aus der Lüge rauszukommen). Warum? Weil ich den Kindern ersparen wollte, den Papa bei einer Lüge zu ertappen? Weil ich zwischen Tür und Angel keine Möglichkeit sah, um das zu besprechen? Weil ich verhindern wollte, dass er sich aufregt, noch mehr abstreitet und letztendlich nicht mehr mitspielt was unsere Absprachen betrifft?

    Vielleicht viele gute Gründe. Aber als er dann weg war und meine Tochter immer noch verwirrt war, da habe ich ihr in Ruhe erklärt, dass ich weiß, dass sie Recht hatte. Das ihre Wahrnehmung sie nicht täuscht, aber dass ihr Papa zur Zeit solche Dinge nicht zugeben kann.

    Ich wollte ihr bestätigen, dass sie nicht an sich und ihrer Wahrnehmung zweifeln muss. Aber im Nachhinein denke ich doch: ich hätte es gleich sagen sollen. Auch wenn es hier nicht um Alkohol ging. Aber dann hält mich meine innere Stimme zurück, die mir sagt: Nach einer Trennung darf man den Ex-Partner vor den Kindern nicht schlecht machen. Aber ist es das? Mache ich ihn schlecht, wenn ich bzgl. von objektiven Wahrheiten (dass er trinkt, dass er lügt etc.) sage wie es ist? Das finde ich gerade sehr schwer zu beantworten.

    Eine Bekannte, mit der ich lange darüber geredet hat, meinte, dass man natürlich nicht nach der Trennung Kinder damit belasten darf, indem man sagt: Dein Vater ist ein A...l... und taugt nichts, weil es Kinder, die ihren Vater ja lieben, tief verletzt. Aber alles überzuglasieren und von ihnen fern halten zu wollen geht auch nicht. Das ist mir in Bezug auf den Alkohol klar geworden, und den Schritt habe ich ja auch getan. Aber ich sehe jetzt, dass da noch viel mehr dran hängt.
    Natürlich will ich die Kinder mit all den Problemen nicht überfordern. Aber es ist und bleibt ein Balanceakt und ich stehe noch ganz am Anfang des Seils.

    Das sind so die Gedanken, mit denen ich mich auseinander setze. Aber es tut gut, dass zu tun, und es ist auch sicher notwendig, auch wenn es dafür kein Patentrezept gibt. Wünsche mir trotzdem manchmal ein Buch: Co-Alkoholismus für Dummies.

    Soweit mein Gedankenknäuel.
    Euch allen viele Grüße
    Ailin

  • Hallo Ailin,

    Zitat

    Die Kinder scheinen die Zeit zu geniessen, das ist das Wichtigste.


    Das würde ich auch mal so sehen. Und darüber hinaus scheint er sich ja einigermaßen im Griff zu haben, was ich sehr positive sehe. Offenbar kann er sich seinen Kindern zu liebe (wenn auch durch Druck erzeugt) zurück halten. Vielleicht bemerkt er ja, dass er das gerne dauerhaft so haben möchte.

    Zitat

    Das Thema ist dabei immer sehr präsent.


    Das ist ganz normal. Ich stand ja auf der anderen Seite, war also der Trinker, und als ich aufhörte war dieses Thema natürlich omnipräsent. Also nicht nur in meinem Hirn sondern eben auch in den Gesprächen die ich mit den Menschen führte die davon wussten. Enge Freunde, Familie usw. Und ich denke mal, bei meiner Frau wird das damals nicht anders gewesen sein. Schließlich ist hier ja eine Welt, eine geplante Zukunft, einfach mal so in Schutt und Asche gelegt worden. Das braucht seine Zeit, bis das Thema dann wieder in den Hintergrund gerät und ich glaube es ist gut sich diese Zeit auch zu nehmen.

    Zitat

    Ich hatte von mir immer das Bild der dominanten Frau, die ihren armen Mann triezt.


    Ich glaube Du hast erkannt, dass es nicht so viel Sinn macht darüber nachzudenken, was oder wie Du als seine Frau warst. Er ist der Trinker, ich sage jetzt mal: er ist der Täter - so hat das meine Frau mal zu mir gesagt und sie hatte damit Recht. Klar kann man sagen: Es gehören immer zwei dazu. Aber ich halte das in diesem Fall für nicht korrekt. Denn Dein Mann hat sich dazu entschlossen zu trinken, sich in den Alkohol zu flüchten. Völlig egal erst mal, warum er das getan hat. Denn Alternativen hätte er gehabt, sonst würde ja die gesamte Menschheit saufen um irgendwelchen Problemen zu entgehen. Und in dem Moment wo er sich dafür entschieden hat, hat er sich auch Deinem "Zugriff" entzogen. Ab dem Moment wo er süchtig war, gab es für Dich keine Möglichkeit mehr ihn richtig zu erreichen, egal ob Du dominant, zurückhaltend oder wie auch immer mit ihm umgegangen wärst.

    Zitat

    Aber als er dann weg war und meine Tochter immer noch verwirrt war, da habe ich ihr in Ruhe erklärt, dass ich weiß, dass sie Recht hatte.


    Dazu fallen mir zwei Dinge ein: Einmal denke ich, dass es eine große Stärke von Dir wäre und ich glaube auch für die ganze Situation sehr gut wäre, wenn Du es schaffen könntest, Deinen Kindern gegenüber kein schlechtes Wort über ihn zu verlieren. Und ich schätze Dich so ein, dass Du genau das auch so machst. Das ist gut so, denn für die Kinder ist das alles nicht so einfach zu verstehen. Bestimmt hast Du eine absolut nachvollziehbare und berechtigte Wut auf Deinen Mann, vielleicht könntest Du ihn x und y schimpfen. Aber für Deine Kinder wäre das nicht gut. Wenn Mama und Papa schon nicht mehr zusammen sind, dannn sollen sie wenigsten noch einigermaßen gut miteinander umgehen, so dass die Kinder nicht in einen inneren Konflikt geraten für den ein oder den anderen Partei ergreifen zu wollen.

    Und das andere: Ich glaube nicht, dass Du für ihn lügen "musst", damit er vor seinen Kindern nicht sein Gesicht verliert. Das ist dann zuviel des Guten. Da darfst Du, finde ich jedenfalls, einfach nur ehrlich sein. Ohne Vorwürfe, ohne Beschimpfungen (wie gesagt, ich denke das Du so ohnehin nicht unterwegs bist), aber ehrlich. Nur dann schnallt er vielleicht, dass er mit seiner üblichen Masche (eine typische Alkoholikermasche übrigens) bei Dir nicht weiter kommt. Und er wird sich überlegen, ob er sich diese Blöße seinen Kinder gegenüber (aber ggf. auch anderen Gegenüber) nochmal geben möchte. Deine große Stärke ist, dass Du fair, korrekt und ehrlich bist. Dieser Stärke kann er nur begegnen, wenn er genauso handelt. Tut er es nicht, ist immer er derjenige der die Konsequenzen tragen muss. Du hast Dir nichts vorzuwerfen und auch Deine Kinder bekommen dadurch ein verlässliches und klares Bild.

    Zitat

    Natürlich will ich die Kinder mit all den Problemen nicht überfordern. Aber es ist und bleibt ein Balanceakt und ich stehe noch ganz am Anfang des Seils.


    Das ist so. Aber Deine Kinder werden spüren, dass sie sich 100% auf Dich verlassen können. Dass Du immer ehrlich zu ihnen bist und dass Du immer für sie da sein wirst. Das wird ihnen Ruhe geben und die Kraft mit dieser Situation umzugehen. Dein Mann kann sein übriges dazu tun, wenn er kapiert wie wichtig seine Rolle ist. Idealerweise hört er mit dem Trinken auf und ändert sein Leben. Aber ok, auch wenn er das nicht schafft oder will, vielleicht kann er sich an bestimmte Regeln halten weil er merkt, dass sie gut für ihn und seine Kinder sind.

    Die aktuelle Situation in Frankreich geht genau in diese Richtung. Ein wenig Hoffnung darf also schon sein. Möglich, dass er diese bald wieder zerstört aber im Moment könnte es diesbezüglich auch schlimmer sein. Ich wünsche Dir, dass Du / Ihr bald in ein ruhiges und verlässliches Fahrwasser kommt!

    LG
    gerchla

  • Lieber Gerchla,
    liebe Foristen,

    Danke erstmal für Dein Feedback, das wie immer hilfreich war.
    Seit Sonntag sind die Kinder nun wieder zu Hause, alles ist gut gelaufen. Sie scheinen eine gute Zeit gehabt zu haben, bislang gab es in den Erzählungen keine Zwischentöne, die etwas anderes suggerieren. Ich habe mal vorsichtig nachgefragt, wie es mit dem Pusten war und ob es für sie in irgendeiner Weise komisch war. Beide sagten mir, dass es "ok" war, meistens hätte Papa von selber dran gedacht, manchmal hätten sie ihn erinnert (das muss nichts heißen, vielleicht waren sie manchmal einfach schneller). Auf jeden Fall hat das Gerät immer 0 angezeigt, es gab keine komischen Situationen und sie mussten ihn nicht dazu "überreden", es lief wohl alles ganz automatisch. Trotzdem war das sicherlich keine einfache Situation, aber die Alternative wäre halt gewesen, dass sie nicht mehr mit ihrem Vater wegkönnen.
    Also ist mein Zwischenfazit, dass es für dieses Mal besser als erwartet war und die Belastung für die Kinder sich in Grenzen hielt.

    Trotzdem habe ich auch schon einiges an negativem Feedback von anderen Leuten gehört, die mir sagten, ich könne die Kinder nicht mit so etwas belasten und würde sie damit über Gebühr einspannen Verantwortung für ihren Vater zu übernehmen. Diese Zweifel habe ich selbst auch und es macht es nicht einfacher, das vorgeworfen zu bekommen. Aber ich habe diesen Entschluss so getroffen, und jetzt muss ich und halt auch die Kinder damit umgehen.

    Jetzt muss ich die Situation einfach weiter beobachten. Natürlich werde ich so gut wie möglich vermeiden, dass die Kinder zu oft in diese Situation kommen. Wir werden sehen, wie sich das Ganze weiter entwickelt. Offensichtlich war er noch in der Lage eine Trinkpause einzulegen. Hoffnungen, dass ihn die Tatsache, dass es jetzt alle, inkl. seiner Kinder wissen, vom weiteren Trinken abhält habe ich nicht. Aber ich hätte natürlich nichts dagegen, mich durch ein Wunder vom Gegenteil überzeugen zu lassen. Aber wie gesagt: keine Erwartungen. Es wird sich schnell genug zeigen.

    Fürs erste erleichtert
    Eure Ailin

  • Guten Morgen Ailin,

    ich möchte Dir kurz meine Gedanken dazu da lassen:

    Zitat

    Trotzdem habe ich auch schon einiges an negativem Feedback von anderen Leuten gehört, die mir sagten, ich könne die Kinder nicht mit so etwas belasten und würde sie damit über Gebühr einspannen Verantwortung für ihren Vater zu übernehmen. Diese Zweifel habe ich selbst auch und es macht es nicht einfacher, das vorgeworfen zu bekommen. Aber ich habe diesen Entschluss so getroffen, und jetzt muss ich und halt auch die Kinder damit umgehen.

    Ich kann schon verstehen, dass es Menschen gibt, die erst mal der Meinung sind, man könnte Kindern nicht zumuten zu kontrollieren, ob der eigene Vater fahrtüchtig ist oder nicht. Ich denke man kann diese Meinung vertreten und Du selbst sagst ja auch, dass Du darüber intensiv nachgedacht hast.
    Andererseits ist es für Außenstehende natürlich immer recht einfach zu sagen: das geht doch nicht.

    Fakt ist doch, dass Du mit Deinen Kindern beim Kinderpsychologen warst. Und Fakt ist doch auch, das dieser Dir gesagt hat, dass Du den Kindern gegenüber möglichst offen mit dem Thema umgehen solltest. Was Du auch getan hast und ich persönlich bin davon überzeugt, dass es genau so richtig ist. Ich habe es bei meinen Kindern ja selbst so erlebt.

    Deine Kinder wissen also, dass ihr Papa da ein Problem hat. Vielleicht können sie es noch nicht ganz so einordnen, was es bedeutet aber sie wissen auch, dass man betrunken nicht Auto fahren darf. Eigentlich gibt diese kleine Regel, die Du mit Deinem Ex-Mann da vereinbart hast, Deinen Kindern sogar die Sicherheit, dass sie beruhigt bei Papa ins Auto steigen können. Ansonsten würden sie wahrscheinlich auch mitfahren, aber was ginge in ihren kleinen Köpfen ab? Darf Papa wirklich fahren? Hat er wirklich nichts getrunken?

    Wenn ich da an meine Tochter zurück denke, als sie 9 Jahre alt war. Ich glaube sie hätte so einen "Deal" durchaus verstanden, d. h. sie hätte ihn auf ihre damals kindliche Art verstanden und es hätte keinen Schaden bei ihr angerichtet. Meine Frau entschied sich ja dafür, sie überhaupt erst gar nicht bei mir mitfahren zu lassen. Wieso und weshalb hat sie ihr sicher auch erklärt und auch ich habe mit ihr auch darüber gesprochen. Ich meine damit, das ganze Thema ist bei Euch ja raus, was einfach wirklich das beste überhaupt ist. Und wenn's mal raus ist, dann macht es aus meiner Sicht auch keinen Sinn an der ein oder anderen Stelle dann aber wieder irgendwelche (für Kinder oft nicht nachvollziehbare) Dinge zu verheimlichen. Ich glaube, dass Du Deine Kinder durch genau diese offene und ehrliche Art enorm stärkst und damit dazu beiträgst, dass sie mit dieser Situation zurecht kommen ohne Schaden zu nehmen. Und alles was Du ihnen sagst, wirst Du ja kindgerecht sagen, so dass sie es verstehen können, so dass es in ihre kleine Welt passt. Also, ich denke wirklich Du machst das richtig und, ich hab's schon mehrmals geschrieben glaube ich, Du hast meinen allergrößten Respekt dafür.

    Es freut mich auch sehr, dass Du Positives vom Urlaub Deiner Kinder berichtest. Sie hatten wohl eine schöne Zeit mit Papa und Papa eine schöne Zeit mit ihnen. Das ist für beide Seiten einfach nur wunderbar.

    Ich glaube jetzt musst Du einfach mal abwarten, wie die ganze Geschichte weiter verläuft. Du hast keine Erwartungen, das kann Dich davor bewahren allzu sehr enttäuscht zu werden. Vielleicht wirst Du auch positiv übrrascht, wobei egal wie, es liegt nicht in Deiner Hand und nicht in Deiner Verantwortung. Ob nun gleich ein Wunder notwendig wäre, dass Dein Ex-Mann mit dem Trinken aufhört kann ich nicht beurteilen, weil ich ja nicht genau weiß, wie sehr er eigentlich in der Sucht hängt. Es gibt schon Menschen, wo ich mir dachte, da kann wirklich nur noch ein Wunder helfen. Besonders bei Alkoholikern in hohem Alter denke ich mir das manchmal, denn es stellt sich für einen Alkoholiker ja immer die Frage: Wofür soll ich denn (noch) mit dem Trinken aufhören?

    Bei Deinem Ex-Mann sehe ich das allerdings anders. Er hätte gute Gründe, könnte sehr viel für sein weiteres Leben erreichen, wenn er es ohne Alkohol leben würde. Ich würde mich echt freuen, wenn Du hier irgendwann mal schreiben würdest, dass er es angeht und aufhören möchte. Aber aktuell tust Du gut daran nicht damit zu rechnen. Achte nur auf Dich, Dein Leben und natürlich auf Deine Kinder. Alles andere wird sich geben. Für Dich wird es so oder so gut werden, davon bin ich überzeugt. Und Dein Ex-Mann hat es selbst in der Hand.

    Alles alles Gute weiterhin!

    LG
    gerchla

  • Liebe Leser,

    Es ist wieder eine Weile her, aber manchmal tut es gut, dieses Forum wie eine Art Tagebuch zu nutzen und die Ereignisse aufzuschreiben und loszuwerden.
    Eigentlich läuft alles in halbwegs geordneten Bahnen. Aber natürlich ist das Thema nicht aus der Welt. Ich stelle immer wieder fest, dass er trinkt, und die Kinder auch. Meine Kleine hat mir neulich erzählt, dass er während der Ferien wohl doch ab und zu ohne Pusten mit den Kindern gefahren ist. Immer nur Kurzstrecken, also morgens zum Bäcker. Aber auch hier hatte er mir ja versprochen, dass er bei jeder noch so kurzen Fahrt pustet. Angeblich lief es immer so, dass sie alle schon im Auto saßen und gerade losfuhren. Dann sagte er wohl sinngemäß "oh, wir haben ja das Pusten vergessen. Naja, ihr vertraut mir doch, dass ich morgens nichts trinke, oder soll ich umdrehen?" Natürlich haben die Kinder gesagt (und sicher auch glauben wollen), dass alles in Ordnung ist. Vielleicht war es das auch. Vielleicht auch nicht. Es macht ja keinen Sinn, nachträglich deswegen Stress zu machen, vor allem nicht den Kindern.

    Aber neulich erzählte die Kleine auch (sie ist die mit den feineren Antennen meiner beiden) sie hätte beim Papa auf dem Schoß gesessen und er hätte mal aufstoßen müssen, und da hätte es nach Bier gerochen. Sie hätte aber nichts gesagt.

    Ich habe ihr dann erklärt, dass sie ihren Papa ruhig darauf ansprechen darf, wenn sie möchte. Aber gleichzeitig habe ich ihr auch erklärt, dass es Menschen mit Alkoholproblemen oft schwer fällt, ihr Problem zuzugeben und es daher sein kann, dass Papa es abstreitet. Ich wollte ihr damit die Möglichkeit geben, es anzusprechen, aber sie darauf vorbereiten, dass sie nicht an ihrer Wahrnehmung zweifeln muss.

    Kurz darauf waren die Kinder wieder zur Übernachtung bei ihm. Er kam uns mit dem Rad entgegen (und ist erstmal komplett an uns Dreien vorbeigerauscht, als ob er uns in der engen Straße nicht gesehen hätte). Als er dann umdrehte meinte ich schon, eine Fahne zu riechen. Sie sind dann die 100 Meter zu ihm gefahren. Und als sie am nächsten Tag wieder da waren erzählte die Kleine, dass sie wieder fand, dass Papa nach Bier riechen würde. Und dass sie ihn dieses Mal gefragt hätte. Und er so reagiert habe, wie ich vorhergesagt hätte, nämlich, dass es nicht stimmt und er nichts getrunken hätte.
    Tja, das finde ich bitter, aber immerhin weiß die Kleine, dass sie nicht spinnt, wenn ihr so etwas auffällt.

    Gestern morgen kam er vorbei, um die Kleine zur Schule zu begleiten. Und ich musste ihn kurzfristig um das Auto bitten (das wir uns noch teilen). Er meckerte mich dann an, warum ich das nicht vorher sagen könnte. Es hatte sich aber gerade erst ergeben und es war gerade halb 8. Da sagte er etwas von "Warum sagst Du dann nicht schon gestern abend oder nachts Bescheid". Ich war etwas perplex, was jetzt sein Problem wäre. Tja, aber als ich dann mit dem Auto losfuhr, wurde mir der Grund klar. Es klapperte im Kofferraum von 2 Kisten Leergut. Die hätte er natürlich gerne vorher entsorgt, deswegen wäre es ihm wohl auch recht gewesen, wenn ich ihn noch mitten in der Nacht vorgewarnt hätte!

    Man kommt oft gar nicht darauf, warum er so komisch tickt, aber wie so oft hat immer der Alkohol etwas damit zu tun. Ich habe aber keine Lust, ihn drauf anzusprechen. Die zwei Bierkisten werden von irgendwelchen Feiern im Verein sein, und nicht von ihm (und das Sixpack Bier vom Aldi einfach nur für Besucher, nehme ich an). Alles klar.

    Schön auch, dass der Verein jetzt entschieden hat, ab und an zum Frühschoppen einzuladen. Ein schöner Grund, um schon morgens tanken zu können.
    Tja, leider scheint er noch weit entfernt von irgendeinem Punkt der Einsicht zu sein.

    Danke fürs Zuhören
    Ailin

  • Irgendwie finde ich es gut, das/wie Du Deine Kids sensibilisierst.
    Stör Dich bitte nicht an dem "irgendwie" - ich bin schließlich Alkoholiker und weiß nicht, wie ich es gemacht oder gefunden hätte ...

    44.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Ailin,

    ich habe schon ein paar mal an Dich denken müssen in der letzten Zeit. Ich fragte mich, wie es bei Euch jetzt wohl so läuft und ob sich das alles einspielt. Jetzt weiß ich es. Ich finde es schade, dass er es nicht hinbekommt etwas gegen sein Sucht zu unternehmen. Stattdessen schilderst Du das ganz klassische Verhalten eines Alkoholikers.

    Als Du das geschrieben hast mit "man kommt gar nicht drauf warum er so komisch tickt", da musste ich wieder mal an meine eigenen Geschichte denken. Was habe ich meiner Frau damals für wirre und irre Geschichten erzählt, die sie mir dann auch noch geglaubt hat (bei Dir ist das natürlich anders weil Du Bescheid weißt). Da war ich manchmal selbst verblüfft wie ich mit meiner Lügerei so "gut" durchkommen kann.

    Nach wie vor finde ich, dass Du es mit Deinen Kindern sehr sehr gut machst. Offen und ehrlich, für mich der einzig richtige Weg. Viel mehr kannst Du aktuell wohl auch nicht tun. Ich finde es gut, dass die Kinder den Kontakt zu ihrem Papa haben. Ich denke, hier wird die Zeit auch einiges regeln. Dinge werden sich vielleicht verändern. Die fortschreitende Trennung zwischen Dir und ihm wird zu weiteren Veränderungen führen. Und letztlich wird es auch entscheidend sein, wie es mit seiner Sucht weiter geht. Es kann sein, dass die Kinder irgendwann nicht mehr so häufig zu ihm wollen, es kann auch sein das er sie nicht mehr so oft sehen möchte bzw. es ihm nicht mehr so viel aus macht, wenn er sie mal länger nicht sieht. Auch er wächst (ob Alki oder nicht) in eine neue Rolle hinein und braucht dafür etwas Zeit (ich spreche aus eigener Erfahrung). Ich denke, da wird sich noch einiges tun in den nächsten Monaten bei Euch.

    Aber das hast Du nicht in der Hand und Du musst eben auf das reagieren was kommt. Verdammt schade, dass er nix schnallt, so schade. Du legst ihm keine Steine in den Weg, Du greifst ihn nicht an, mit Dir als Ex-Frau und Mutter seiner Kinder hätte er alle Chancen der Welt wieder zurück zu einem glücklichen Leben zu finden. Wenn er seine Sucht hinter sich lassen würde. Aber gut, es ist wie es ist.

    Viel Kraft wünsche ich Dir weiterhin. Ich finde Du machst das wirklich toll!

    LG
    gerchla

  • Liebes Forum,

    ich habe eine Weile nur eher passiv mitgelesen. Bei mir war viel los. Stress, aber auch Positiv. Die gemeinsame Wohnung ist verkauft und ich habe direkt im Anschluss etwas Neues für mich und die Kinder in der Nähe gekauft. Jetzt bin ich wegen der gemeinsamen Wohnung nicht mehr erpressbar, und das ist ein gutes Gefühl.
    Ich habe die letzten Wochen noch viel den Mund gehalten, z.B. wenn er mit Fahne beim Elterngespräch mit der Klassenlehrerin auftauchte usw. Ich habe nichts gesagt, weil ich Angst hatte, dass er kurz vor dem Notartermin noch einmal alles hinschmeißt. Aber es ging alles glatt.
    Auf Wunsch der Kinder haben wir Heiligabend teilweise gemeinsam verbracht. Allerdings ist er mit den Kindern nachmittags ins Kino gefahren und hat sich trotz meiner Bitte geweigert, wie abgesprochen den Alkoholtester zu nutzen. Ich habe bei der Rückkehr keine Szene gemacht, weil ich den Kindern nicht das Fest verderben wollte. Aber das war definitiv mein letzter Akt als Co.!

    Ich werde ab jetzt gnadenlos alles ansprechen und die Kinder werden nicht mehr mit ihm Auto fahren, wenn er sich nicht an die Regeln hält. Wir werden zwar bald weiter weg wohnen und das wird dann im Endeffekt für mich mehr Fahrdienste bedeuten, aber wenn es sein muss, ist es halt so. Seit den Herbstferien sind sie nicht mehr mit ihm gefahren und beim ersten Mal verweigert er sich wieder konsequent. Aber es ist wie es ist.

    Ich habe die letzten Tage einen langen Brief an ihn geschrieben. Ich habe versucht, ohne Groll zu formulieren. Ich wollte ihn nur wissen lassen, wie sich die Situation aus meiner Sicht darstellt. Dass ich verstehe, warum für ihn momentan Angriff die beste Verteidigung zu sein scheint. Dass ich ihm wünsche, dass er irgendwann mal den Weg raus aus der Sucht findet. Ich meine, ich habe das ohne Vorwurf formuliert. Nicht in der Hoffnung, dass ein Brief von mir ihn zur Besinnung bringt. Aber um doch einfach mal ehrlich zu sagen, wie es steht. Nicht um Nachzutreten.

    Wahrscheinlich bringt es nichts, aber ich werde den Brief wahrscheinlich doch Neujahr abschicken. Darin schreibe ich ihm auch, dass ich die Kinder nicht mehr mit ihm fahren lasse, wenn er sich nicht an die Regel hält. Das wird er wohl eher als Affront auffassen, aber das kann ich nicht ändern. Ich habe ihm auch geschrieben, dass er auf meine Unterstützung zählen kann, falls er sich irgendwann mal dazu entschließt dem Alkohol den Rücken zu kehren und an sich zu arbeiten. (Und damit meine ich nicht, dass er wieder bei uns einziehen kann).

    Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Aber schaden kann es doch auch nicht, oder?
    Euch allen einen guten Rutsch in ein hoffentlich alkoholfreies 2019.

    Ailin

  • Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Aber schaden kann es doch auch nicht, oder?

    ICH halte es für eine gute Idee. Ich würde Dir aber vorschlagen (falls Du nicht selbst auf die Idee gekommen bist), eine Kopie des Briefes zu behalten. Einfach, um später entweder einen Nachweis zu haben oder um ihm (oder auch den Kindern) mal zu zeigen, was mal war und wie es sich entwickelt hat ...

    Ich wünsche auch Dir und Deinen Kindern einen guten Rutsch in ein gutes Neues Jahr - und einen erfolgreichen Neuanfang!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

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    können wir nur selber tun!

  • Lieber Greenfox und allen anderen,

    Erstmal ein frohes neues Jahr.
    Ich habe den Brief, ca. 4 Seiten, also abgeschickt. Darin habe ich seine Sucht sehr deutlich angesprochen, Dinge, die mir aufgefallen sind, Öffnungszeiten von Beratungsstellen vor Ort usw.
    Gestern abend kam dann eine kurze Antwort.

    „Hi,
    danke für deine email.
    Ich habe deine Gedanken gelesen und nehme sie ernst. Ich habe schon ein bisschen länger anerkannt dass es nicht mehr normal war.
    LG“

    Es hätte Schlimmer sein können, aber ob es ernst gemeint ist? Wenn er es angeblich seit längerem selber erkannt hat, warum macht er dann nichts? Mein Gefühl sagt mir aber, dass ich es jetzt gut sein lassen soll, also nicht nachhaken oder sogar pushen. Mich raushalten. Oder denkt ihr, dass man jetzt die Chance nutzen sollte und weiter dran bleiben sollte?

    Danke und Gruss
    Ailin

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