Hallo, ich habe mich endlich angemeldet...

  • Hallo zusammen,

    ich bin 34, Mutter von zwei kleinen Kindern und verheiratet. Ich hatte eine gute Kindheit, habe eine "ordentliche" Ausbildung und einen Job der mir Spaß macht. Trotzdem habe ich nach dem Abi, als ich angefangen habe zu studieren und viele hundert Kilometer entfernt von der elterlichen Kontrolle in eine WG gezogen bin, nicht den Dreh gekriegt und aus dem "normalen " jugendlichen Wochenendtrinken wurde tägliches Trinken. Meist ca. eine Flasche Sekt oder Wein, am Wochenende mehr. Ich bin nicht dumm und ich wußte, dass das, was ich da tat, nicht gut für mich war. Trotzdem machte ich weiter. Einfach weils Spaß gemacht hat. Und die anderen tranken ja auch (hab ich mir eingeredet). Ich trank in Gesellschaft und auch gerne alleine. Es ist mir im Nachhinein e vt ein Rätsel, wie ich meine Ausbildung durchziehen konnte. Ich war seehr oft verkatert und kaputt.
    Als ich geplant schwanger wurde hörte ich von einem Tag auf den nächsten auf, die Schwangerschaft und Stillzeit war ich durchgehend abstinent. Nachdem ich abgestillt hatte ging es aber weiter wie vorher, bis zur 2. Schwangerschaft. Wieder war ich durchgehend bis zum Abstillen abstinent, dann verfiel ich wieder in meine alten Gewohnheiten. Ich trank immer abends, um meine Kinder habe ich mich immer gut gekümmert - zwar häufig hundemüde, aber für die beiden hatte ich zumindest noch so viel Verantwortungsgefühl - für mich selbst irgendwie gar nicht. Natürlich wußte ich immer, dass es viel zu viel ist aber das habe ich verdrängt. Nur ein paar Mal, zwischendurch hatte ich so "lichte" Momente, in denen ich dachte: Mein Gott, du richtest dich zugrunde. Und dann, eines Tages, keine Ahnung warum, sah ich meinem Kind in die Augen, war wieder mal total müde und in dem Moment machte es Klick. Ich dachte : Willst du wirklich, dass deine Kinder eine trinkende Mutter haben? Ab da habe ich keinen Schluck mehr getrunken. Das war am 7.9.2017. In den ersten drei Tagen ging es mir nicht so gut. Kopfschmerzen, leichte Übelkeit (dass man das kalter Entzug nennt und dass das nicht so schlau ist, davon wußte ich zu dem Zeitpunkt nicht). Ab da habe ich mich durch die Foren gelesen, hab auch - ehrlich wahr! - zum ersten Mal gelesen, dass Alkohol krebserregend ist und es nicht nur die Leber ist, die einen Schaden bekommt. Mir wurde beim Lesen ganz schlecht. Dem Hausarzt habe ich ehrlich gesagt, welche Mengen ich über welchen Zeitraum getrunken habe. Es wurde ein großes Blutbild mit allen erheblichen Leberwerten gemacht, ein Utraschall - beides unauffällig. Wir haben auch lange darüber gredet und ich habe seit September kein Verlangen gehabt, Alkohol zu trinken. Eigentlich könnte ich froh und dankbar sein. Es geht mir nicht nur körperlich gut, ich habe auch festgestellt, dass all die kleinen und großen Problemchen in meinem Leben hausgemacht waren. Dramen mit Typen während der Studienzeit, depressive Momente nach durchzechten Nächten, das schlechte Gewissen nach Parties, wenn ich nicht mehr sicher war, ob ich mich eventuell danebenbenommen habe...
    Wie gesagt, ich könnte glücklich und froh sein. Ich mache mir aner nach wie vor häufig Gedanken: Ob es wirklich sein kann, dass mein Körper die vielen Jahres des Alkoholmissbrauchs gesund überstanden hat, das kann doch nicht folgenlos geblieben sein, ob der Arzt sich nicht geirrt hat? Ich habe Mitleid mit meinen Kindern, weil ich manchmal unsicher bin, ob ich wirklich eine gute Mutter war. Ob ich früher sterben werde obwohl ich jetzt sozusagen trocken bin und keinen Tropfen mehr anrühre. Natürlich weiß kein Mensch, wann und wie er sterben wird, rational ist mir das alles klar, aber diese Gedanken kreisen und kreisen und ich habe teilweise große Schuldgefühle.
    Kennt ihr das und wie geht ihr damit um? Wird das besser? Könnt ihr mir etwas raten?
    Ich danke euch! Ihr habt mir schon allein dadurch, dass ich immer still mitlesen durfte, sehr sehr geholfen. Und danke euch für Eure Mühe, falls ihr diesen Monstertext tatsächlich durchgelesen habt ;)
    Es grüßt euch herzlich
    Eure Lali

  • Hallo, Lali, und jetzt offiziell ;) HERZLICH WILLKOMMEN hier bei uns im Forum :welcome:

    Kurz zu mir: Ich bin m, 55, Alkoholiker, seit einigen Jahren trocken und in der Selbsthilfe aktiv.

    Zunächst einmal Herzlichen Glückwunsch zu 10 Monaten ohne Alk :heartBalloon:

    Ich mache mir aner nach wie vor häufig Gedanken: Ob es wirklich sein kann, dass mein Körper die vielen Jahres des Alkoholmissbrauchs gesund überstanden hat, das kann doch nicht folgenlos geblieben sein, ob der Arzt sich nicht geirrt hat? Ich habe Mitleid mit meinen Kindern, weil ich manchmal unsicher bin, ob ich wirklich eine gute Mutter war. Ob ich früher sterben werde obwohl ich jetzt sozusagen trocken bin und keinen Tropfen mehr anrühre. Natürlich weiß kein Mensch, wann und wie er sterben wird, rational ist mir das alles klar, aber diese Gedanken kreisen und kreisen und ich habe teilweise große Schuldgefühle.

    Man kann sich natürlich auch alle Erfolge schlechtreden. Natürlich hättest Du viel früher aufhören können zu trinken. Zum Beispiel, als Du während der ersten Schwangerschaft abstinent warst - hättest es ja bleiben können. Hättest aber auch schon vorher erwachsen werden können und gar nicht mit dem Alk anfangen können.
    Du hättest Dir auch ein anderes Hobby suchen können. Fallschirmspringen zum Beispiel. Dann hättest Du eben kurz und schmerzlos abstürzen können.

    Oder Du hättest ... einfach mal stolz auf das Erreichte sein können! Denn eine schlechte Mutter wärst Du nur, wenn Du weitersaufen würdest und nicht im Interesse Deiner Kinder (und ganz nebenbei auch in Deinem) Dein Leben geändert!

    Da Du den Absprung komplett alleine gemeistert hast (nochmals: Hut ab!) und ohne psychologische Unterstützung ... vielleicht solltest Du Dir wirklich psychologische Hilfe suchen und das Ganze mit einem Psychologen aufarbeiten. Und/oder Dir eine SHG mit realen Menschen suchen, mit denen Du über das ganze Thema Alkohol und Sucht REDEN kannst ...
    Nicht alles, was man alleine schafft, meistert man auch alleine.

    Nur mal so als Denkanstoß!

    Ansonsten wünsche ich Dir und uns einen guten Austausch!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Lali,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum. Nicht mehr als stille Leserin, sondern als aktive Teilnehmerin. Das finde ich super.

    Du bist jetzt 34 Jahre und hast Deine Sucht in den Griff bekommen. Ich sage jetzt mal, damit gehörst Du zu den Ausnahmen. In diesem Alter tobt sich die Sucht normalerweise erst mal so richtig aus. Ich habe über die Jahre festgestellt, dass die meisten Menschen so ab 40 Jahren mit dem Ausstieg aus der Sucht beginnen. Also das ist jetzt nur mal so ein Gefühl von mir, ohne wissenschaftlichen Hintergrund.

    Nicht zu vergessen, dass die große Masse der Menschen mit Alkoholproblem erst gar nicht versuchen oder in der Lage sind, einen Ausstieg zu schaffen. Viele müssen auch erst den berüchtigten "persönlichen Tiefpunkt" erreicht haben, um dann ernsthaft etwas gegen die Sucht zu unternehmen. Viele trinken sich einfach zu Tode, sehr viele.

    Du hattest "das Glück", dass es bei Dir einfach Klick gemacht hat. Ja, auch davon hört und liest man immer wieder mal. Plötzlich war dem Alkoholiker klar: jetzt ist es vorbei.

    Dass das, was dann folgt nicht einfach ist, ist auch klar. Aber bei vielen, die dieses Klick-Erlebnis hatten, funktionierte es dann auch mit der Abstinenz.

    Also, was ich sagen will: Du bist 34 Jahre, hast zwei (ich vermute mal wunderbare) Kinder, Du hast noch einen großen Teil Deines Lebens vor Dir und Du kannst diesen Teil Deines Lebens Dank Deines Ausstiegs aus der Sucht nach Deinem Gusto leben und genießen.

    Hast Du Dir schon mal klar gemacht, in welch wunderbaren Situation Du Dich eigentlich befindest?

    Und dann bekommst Du es sogar noch schwarz auf weiß, dass Deine Sauferei keine körperlichen Schäden hinterlassen hat! Und statt sich zu freuen, zweifelst Du das an?

    Ich bin kein Arzt, aber ich kenne Menschen, persönlich, die haben ihr Leben lang gesoffen und ich meine jetzt wirklich GESOFFEN. Und sie wurden sehr alt. Glücklich waren sie nicht, soweit ich das einschätzen kann, denn sie waren schwer süchtige Alkoholiker, aber sie wurden richtig alt. Wie kann das sein? Wie kann das sein, dass mein Opa erst mit Mitte 80 an Darmkrebs verstarb, wo der doch bis zum Schluss getrunken hat? Und in seiner Sturm- und Drangzeit wirklich keinen Abend nüchtern war. Wie kann das sein?

    Und wie kann es sein, dass andere Menschen, die nur kurz und im Vergleich relativ wenig trinken, sofort alkoholbedingte Schäden davon tragen?

    Wie kann es sein, dass es Menschen gibt, die viele Jahre lang erhebliche Mengen Alkohol regelmäßig in sich hinein schütten und trotzdem nicht süchtig werden. Wie kann das sein, dass solche Menschen trotzdem irgendwann einfach aufhören können bzw. ganz "normal" trinken als wäre nie etwas gewesen. Und andere, die regelmäßig ein Feierabendbier trinken bereits süchtig sind und nicht mehr von dem Zeug weg kommen, wie kann das sein?

    Was will ich Dir damit sagen? Es gibt keine Formel, Menschen sind individuell, Gene sind individuell, eventuelle andere Vorerkrankungen spielen eine große Rolle, wie der jeweilige Körper genetisch gestrickt ist spielt eine Rolle, ganz viel spielt eine Rolle. Es gibt eben keine Formel "wenn Du diese oder jene Menge über diese oder jene Zeit trinkst, dann wirst Du diese oder jene Krankheiten bekommen". Es gibt nur Wahrscheinlichkeiten, erhöhte Risiken, die durch praktische Erhebungen belegt sind. Jedoch nicht auf den jeweils einzelnen Trinker übertragen werden können.

    Du solltest also einfach mal Deinem Arzt vertrauen oder Dir von einem zweiten Arzt nochmal eine Meinung einholen.

    Und wenn Du solche Ängste länger und tiefer hast, solltest Du vielleicht auch darüber nachdenken, ob Du darüber nicht mal mit einem Experten sprichst, z. B. einem Psychologen. Vielleicht steckt da ja auch etwas mehr dahinter?

    Schön, dass Du da bist. Ich wünsche Dir einen guten Austausch hier im Forum.

    LG
    gerchla

  • Lieber Greenfox, lieber Gerchla,

    dankeschön für eure Nachrichten und die Mühe, die ihr euch gemacht habt, mir so ausführlich zu antworten.
    Es ist sicher eine gute Idee, sich psychologische Hilfe zu suchen und einiges einfach einmal aufzuarbeiten. Das Trinken kam ja nicht von ungefähr und auch wenn ich jedem der's hören wollte immer fleißig erzählt habe, dass mir dieser oder jener Wein einfach hervorragend schmeckt und ich ja nur wegen dieses Geschmacks trinke - natürlich habe ich wegen der Wirkung getrunken, keine Frage. Ich hatte schon immer ein kleines Problem mit meinem Selbstwertgefühl und habe mir immer ungeheure Sorgen darum gemacht, was andere wohl von mir denken. Komisch, das passt dann irgendwie gar nicht damit zusammen, dass ich mich regelmäßig angetrunken zum Horst gemacht habe. Am Morgen nach der Party hatte ich zwat wie gesagt immer ein ordentlich schlechtes Gewissen und habe mich diverse Male bei Leuten entschuldigt, aber das hat mich absolut nicht davon angehalten, denselben Mist bei nächster Gelegenheit zu wiederholen.
    Wenn ich guten Mutes bin und positiv drauf und sowas sage ich mir gerne, dass die Angst vor Krankheit und frühzeitigem Ableben gut für mich ist, weil sie mir den Spaß am Trinken verdirbt und mich abstinent hält. Auf der anderen Seite ist Angst natürlich anstrengend so auf Dauer.
    Wie gesagt, Hilfe wäre eine gute Sache und ich denke ja auch häufig daran, mir eine Selbsthilfegruppe zu suchen. Ich habe da nur ein wenig Berührungsängste weil ich unter anderem Schiss davor habe, meinen Nachbarn zu treffen oder wen aus dem Kindergarten. :-[ Da muss ich aber bestimmt mal langsam ran, denn ich habe doch ein wenig Sorge, dass ich auch irgendwann leichtsinnig werden könnte, weil es alles zu einfach scheint...
    Ich bin jedenfalls erstmal froh, dass ich den Schritt gemacht habe, hier zu schreiben und habe mich echt über den freundlichen Empfang gefreut!
    Liebe Grüße von Lali

  • Wie sagt Mario Barth immer: Nich reden - machen!

    Ich habe da nur ein wenig Berührungsängste weil ich unter anderem Schiss davor habe, meinen Nachbarn zu treffen oder wen aus dem Kindergarten.

    Nur mal eine Frage: Wenn Du in einer SHG jemanden treffen solltest, den Du kennst - warum ist der/die wohl da??

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