Eingeständnis

  • Hallo Zusammen,
    Ich bin heute auf dieses Forum gestoßen. Ich weiß schon länger, dass ich ein Problem habe. Ich trinke viel zu viel. Selbst mein Sohn macht sich mit seinen 17 Jahren enorme Sorgen um mich. Oftmals habe ich schon versprochen, dass alles besser wird. Hält nur leider nie lange an. Ich weiß eigentlich gar nicht, wo ich anfangen soll. Wohl am besten am Anfang. Bei uns in der Familie war Alkohol immer gegenwärtig. Mit 15 hatte ich meinen ersten Rausch. Im Laufe der Jahre wurde der Alkohol so etwas wie mein Seelentröster und das Werkzeug runterzukommen. Ich habe einen stressigen Beruf, den ich trotzdem über alles liebe. Hier habe ich jetzt zumindest auch mal angefangen NEIN zu sagen. Ist schwer, aber es klappt :) Letztes Jahr hatte ich eine Phase, inder ich auf alkoholfreie Getränke umgestiegen bin. Die ach so tollen Freunde, die sich heute anscheind Sorgen machen, hatten dafür nur dumme Sprüche übrig. Mit denen hat mein Sohn auch das Gespräch gesucht. Das kann ich auch sehr gut verstehen. Nur frage ich mich: warum redet denn keiner der sogenannten Freunde dann mal mit mir? Macht man das nicht so. Die Einzige die mit mir gesprochen hat, war dann schlussendlich meine Schwester. Ich habe die letzten Wochen meinen Konsum drastisch reduziert. Gestern dann wieder totaler Absturz. Gott sei Dank ist mein Kind gerade nicht da und musste das nicht mit ansehen. Könnt Ihr mir sagen, welche Schritte ich gehen muss, um mir richtige Hilfe zu holen? Für meinen persönlichen Bereich habe ich schon Vorstellungen, was ich ändern muss. Ich glaube der erste Punkt ist, mich von Freunden zu trennen, die nicht mehr als Bekannte sind. Hier ist seit letztes Jahr zuviel passiert, was mich zum Nachdenken gebracht hat. Wird zwar hart, weil sie direkt gegenüber wohnen. Aber ich glaube, dass es einfach sein muss. Dann sollte ich es einfach bleiben lassen, dass ich es allen immer recht machen will. Das wird alles nicht einfach, das weiß ich. Der erste Schritt in die richtige Richtung ist, dass ich eingesehen habe, dass ich Hilfe brauche.

    Für Eure Unterstützung und Tipps wäre ich sehr dankbar.

    Viele Grüße
    Lonelyme

  • Hallo und HERZLICH WILLKOMMEN hier im Forum :welcome:

    Schön, dass Du nicht nur hergefunden, sondern auch den Schritt der Anmeldung gewagt hast 44.

    Kurz zu mir: Ich bin m, 55, Alkoholiker und seit einigen Jahren trocken und in der (klassischen) Selbsthilfe aktiv.

    Zunächst einmal möchte ich Dir unsere Linksammlung empfehlen - hier findest Du auch weiterführende hilfreiche Links. Insbesondere für Menschen, die aufhören wollen zu trinken und nicht wissen, was zu tun ist.

    Den Anfang hast Du ja schon mal gemacht, nicht indem Du Dir klargeworden bist, dass Du mit dem Trinken aufhören willst, sondern dass Du dabei Hilfe brauchst.
    Super finde ich auch, die "Trink-Bekanntschaften" von den Freunden zu selektieren und auszusondern.
    Den Austausch mit Menschen, die in der selben Situation wie jetzt sind bzw. waren, empfinde ich auch als sehr hilfreich. Hier wirst Du viele entsprechende Geschichten lesen können, die Dir wahrscheinlich "bekannt" vorkommen werden.
    Ich persönlich empfehle auch den Besuch einer Suchtberatung (ist anonym und kostenlos) und/oder einer Selbsthilfegruppe.

    Bei den SHG kriegt man Tipps und Ratschläge direkt und ohne Umwege. Allerdings gibt es viele verschiedene SHG - Monolog- bzw. Dialog-Gruppen, angeleitete Gruppen, reine Betroffenengruppen, mit konfessioneller Ausrichtung und ohne, ...
    Es ist also manchmal notwendig, sich mehrere anzuschauen, bis man die für sich richtige Gruppe gefunden hat.

    Bevor ich Dich hier zutexte: Vielleicht liest Du Dich erst einmal ein wenig durch. Und kannst dann gezielt Fragen stellen (kannst Du natürlich auch, ohne Dich durchzulesen ;) ).

    Du bist aber schonmal auf einem guten Weg!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Greenfox,

    herzlichen Dank für Deine Antwort. Ich habe schon angefangen zu lesen. Ist sicherlich hilfreich.

    Bei meinen sogenannten Freunden ist es schon, dass getrunken wird, aber nicht in dem Mass, wie ich das tu. Vielmehr bin ich hier unendlich menschlich enttäuscht. Man sieht, dass ich ein Problem habe, macht aber eher dumme Sprüche, wenn ich nichts trinke. Da heißt es schnell: ein Glas geht doch. Nein, geht es nicht. Denn da wird schnell eine Flasche draus. Es sind hier noch viel mehr Faktoren, die mich zum Nachdenken gebracht haben. Als erstes natürlich mein Alkoholkonsum. Zum anderen der Gedanke, warum ich das Gefühl hatte, nur so akzeptiert zu werden. Völliger Irrglaube. Freunde sollten sich um ihrer selbst mögen und schätzen. Das ist natürlich alles keine Entschuldigung. Denn trinken tu ich.

    Ich werde auf jeden Fall hier weiterlesen. Habe schon einige Beiträge gefunden, in denen ich mich selbst sehe.

    Ganz lieben Dank
    Lonelyone

  • Man sieht, dass ich ein Problem habe, macht aber eher dumme Sprüche, wenn ich nichts trinke. Da heißt es schnell: ein Glas geht doch. Nein, geht es nicht. Denn da wird schnell eine Flasche draus.

    Eine meiner Strategien als Selbstschutz gegen solche dummen Sprüche war "Aggressivität" von Anfang an: Meinem näheren Umfeld (auch meinen Arbeitskollegen) habe ich von Anfang an reines Wasser eingeschenkt und gesagt: Ich bin Alkoholiker, ich bin jetzt trocken - und das möchte ich auch bleiben, also trinke ich keinen Alkohol mehr!
    Außenstehende kriegen diesen Spruch auch zu hören - wenn sie mir nach der 2.Ablehnung immernoch etwas anbieten/aufdrängen wollen.

    Meine Erfahrung damit war sehr gut. Keiner hat einen 3. Versuch gestartet, mir etwas anbieten/aufdrängen zu wollen - auch nicht Tage/Wochen später. Vielmehr gab es dann entweder Ruhe oder Gespräche. Meist über "Bekannte", die auch so ein Problem haben :lach:

    Okay - so eine Offenheit/Aggressivität ist nicht jedermanns Sache. Da muss jeder seinen Weg finden.
    Auch bei mir hat sich damals schnell gezeigt, wer wirklich meine Freunde waren - und wer nur "Trink-Freunde". Letztere kamen nach meinem Outing komischerweise immer seltener und schließlich garnicht mehr ;)

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  • Hallo, Lonelyme,
    na ja, ich sehe das mit den Freunden ein wenig anders: Erst einmal ist jeder der Alkohol trinkt, egal wie und wie oft, ein potentiell betroffener. Das verunsichert die Menschen und sie wollen es oft verdrängen. Dann habe ich es erlebt, dass Menschen schlicht nicht wissen, wie sie mit einem umgehen sollen der den Alkohol ablehnt.
    Für mich war klar: Ich trinke nicht. Das war kein trotziges oder gar wütendes Statement sondern nur die einfache Aussage. Bisher hat das immer in jeder Situation gereicht.

    Aber aus meiner Sicht viel wichtiger ist, dass du dir dein Problem zu eigen machst. Du trinkst und willst nicht mehr. Welcher Meinung da andere, auch Freunde sind, könnte dir doch egal sein?
    Aber es stimmt schon: Auch ich habe meinen Freundeskreis im Laufe der Zeit völlig umgebaut. Nicht, weil ich die nicht mehr leiden konnte oder ihnen etwas vorwarf, sondern weil es sich so ergeben hat. Meine (wenigen) heutigen Freunde trinken alle Alkohol. Mäßig aber immerhin. Solange es Wasser aus dem Kran gibt stört mich das nicht, denn im Gegensatz zu mir können sie mit dem Alkohol umgehen.

    Gruß

    Laurids

  • Hallo!

    Mir drängt keiner Alkohol auf. Ich lehne dankend ab und das war es dann. Falls doch mal eine Nachfrage kommen sollte, ich kann mich momentan an keine erinnern: "Ich trinke keinen und damit ist das Thema für mich erledigt."

    Freundeskreis: Ja, der ändert sich. Die ehemaligen Saufkumpanen sind weggefallen. Das gemeinsame Bindeglied war halt der Alkohol. Sie "bechern" weiter, ich nicht. Das passt nicht zusammen.

    Ich habe mal irgendwo von einem langjährig Abstinenten gelesen: "Und dann ist nichts mehr so, wie es mal war." Da ist was Wahres dran. Mein seit mehr als 3 Jahren abstinentes Leben ist ein grundsätzlich anderes geworden. Das ist gut so.

    Gruß
    Rekonvaleszent

  • Hallo Lonelyme,

    gut, dass Du etwas gegen Deine Sucht unternehmen willst. Es liest sich gut, was ich von Dir lese. Die Art wie Du schreibst deutet für mich darauf hin, dass ernsthaft etwas unternehmen willst. Das ist schon mal eine der Grundvoraussetzungen um es überhaupt schaffen zu können.

    Noch ganz kurz zu mir: Ich bin Ende 40, Alkoholiker und lebe nun schon seit längerer Zeit ohne Alkohol.

    Du stellst Dir ja die Frage, wie Du das jetzt richtig angehen kannst. Ich will Dir dazu sagen, dass unsere Krankheit sehr individuell und es auch sehr viele individuelle Weg heraus aus der Sucht gibt. Ich hatte sehr viele Versuche mit dem trinken aufzuhören. Sehr viel gescheiterte Versuche um genauer zu sein. Kurz zusammen gefasst, war der Grund dafür eigentlich immer, dass ich es nicht 100%ig wollte, dass ich noch nicht so weit war, bedingungslos alles dafür zu tun um von der Sucht weg zu kommen.

    Dieses "bereit sein alles dafür zu tun", ich glaube das war für mich der Schlüssel zum Gelingen. Ich hätte also wirklich alles dafür getan, ich hätte auch eine Langzeittherapie angetreten, wenn mein Arzt das als die einzig richtige Maßnahme gesehen hätte.

    Was ich aber tatsächlich gemacht habe, war dann etwas anderes. Ich ging bereits am ersten nüchternen Tag in eine reale SHG, die ersten Wochen fast täglich. Ich ging zum Arzt, ich ging zum Psychologen, ich ließ mich beraten. Ich outete mich gegenüber meiner Familie und meinen (echten) Freunden. Ich führte zahlreiche Gespräche. Mein Weg führte mich in ein Kloster zu einem Mönch, mit dem ich montelang regelmäßig Gespräche führte. Nich über Gott und Glauben, sondern über meine Sucht, die Schuld die ich auf mich geladen hatte (mein Umfeld hatte sehr viel auszuhalten) und darüber, wo ich in meinem Leben eigetlich hin möchte. Dieser Mensch hat mir z. B. am meisten geholfen, besonders bei der für mich enorm wichtigen Aufarbeitung meiner Suchtgeschichte. Und wie gesagt, da lagen keine religiösen Motive dahinter.

    Ich habe keine amulante- oder Langzeitthrapie gemacht. Wäre aber bereit gewesen das zu tun, wenn ich gemerkt hätte, dass ich nicht weiter komme. Ich bin also einen nicht unbedingt klassischen Weg aus der Sucht heraus gegangen, besonders die Geschichte mit dem Mönch ist sicher nicht "normal". Aber es war mein Weg und er hat sehr gut funktioniert. Und Du musst nun Deinen Weg finden.

    Grundsätzlich glaube ich, ist es nicht das schlechteste die klassischen Schritte einzuleiten. Also, mit dem Arzt sprechen, gemeinsam beraten was zu tun ist, eine professionelle Entgiftung machen, Suchtberatung in Anspruch nehmen, eine SHG besuchen (oder zumindest testen ob das etwas für einen ist) und ggf. auch eine Therapie machen, kann ja auch eine ambulante sein. Dieser Weg ist einer, der bei vielen schon sehr gut funktioniert hat. Er kann also nicht so schlecht sein, er ist aber sicher nicht für alle der einzig mögliche.

    Also, ich wünsche Dir, dass Du Deinen Weg findest. Wenn Du Fragen hast, immer raus damit.

    LG
    gerchla

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