2. Versuch

  • Hallo ihr Alle,
    heute soll mein 2. Versuch beginnen, mit dem Trinken aufzuhören. Ich hoffe, in eurer Gemeinschaft Kraft zu finden und mich zu orientieren, um es endlich zu schaffen....
    Ich trinke eigentlich so lange ich denken kann, also schon seit frühester Jugend. Mal mehr mal weniger, mit Unterbrechungen (Schwangerschaft), aber es wurde sukzessiv immer mehr. Vor vier Jahren habe ich es schon einmal geschafft, ein halbes Jahr nicht mehr zu trinken. Damals häuften sich Unfälle (ich bin zB. betrunken so gestürzt, dass meine Wunde im Krankenhaus genäht werden musste), Blackouts waren selbstverständlich nach einem Trinkabend und es gab eigentlich keinen wirklich nüchternen Abend mehr.... und ich sah keinen anderen Ausweg als die Abstinenz. Leider hab ich dann aber irgendwann gedacht, ich hätte es im Griff und kann wieder trinken. Nur ein wenig.....Es ging auch wieder eine ganze Weile gut, aber jetzt stehe ich wieder genau dort, wo ich schon einmal war.
    Ich habe eine unfassbare Angst vor einer komplett nüchternen Zeit, obwohl es mir mit dem halben Jahr ohne Alkohol sehr gut ging... Ich denke, das kennt ihr sicher auch, dass einem eine Zeit ohne Alkohol nicht lebenswert erscheint.
    Wenn ich aufhöre, habe ich keine körperlichen Entzugserscheinungen (hatte ich damals zumindest nicht). Ich schätze mich selbst als eine gewohnheitsmäßige Trinkerin ein und trinke in der Regel auch nur nach Feierabend. Außer manchmal im Urlaub und an den Wochenende, dann auch eher. Trotzdem fällt es mir unendlich schwer.... Ich habe versucht das Trinken zu kontrollieren, aber heute sitze ich hier mit einem mega mäßigen Kater. Es funktioniert bei mir einfach nicht. Ich schäme mich und kann kaum denken...habe Kopfschmerzen und muss gleich zur Arbeit und funktionierten...Ich möchte versuchen, mein Leben wieder in den Griff zu bekommen und weiss, dass es mit Alkohol nicht mehr funktionieren wird. Die Droge bestimmt einfach mein Leben. Beim kontrollierten Trinken, hab ich an nichts anderes mehr gedacht, als an Alkohol und vor allem hab ich eine Ausnahme nach der anderen gemacht. Ich sehne mich nach einem glücklichen Leben, was ich sicher mit Alkohol nicht haben werde. Bei mir ist es problematisch, dass mein Umfeld ebenfalls trinkt (mein Mann trink recht regelmäßig und in meinem Freundeskreis wird viel und ausgiebig gefeiert). Ich wirke in der Regel nach außen kontrolliert und als jemand, die ihr Leben im Griff hat...Damals, als ich das halbe Jahr nicht trank, wollte mir niemand glauben, dass ich ein Problem damit habe. Bis auf meine Familie, die meine Ausfälle natürlich mitbekamen und es auch irgendwann nicht mehr lustig fanden, mich manchmal morgens im Badezimmer auf dem Fußboden schlafend vorzufinden...Ich kann mir aber nicht vorstellen, nochmal den Versuch zu starten und mit meine Freunden zu reden, weil ich denke, ich müsste erst dagegen angehen, dass wieder alle meinen, dass es doch gar nicht schlimm sei usw.....
    Ich rechne daher kaum mit Unterstützung aus meinem Umfeld, eben weil dort jeder sehr gern recht viel trinkt...Ich weiss aber, dass es wichtig ist, sich mit Menschen auseinander zu setzen, die das Problem kennen....Ich versuche mein Schreiben hier als ersten Schritt zu sehen, auch wenn ich wirklich gerade Angst habe...
    Ich danke euch,
    Libelle

  • Hallo Libelle!

    Herzlich willkommen hier im Forum und gut das Du einen entscheidenden Schritt gemacht hast.

    Dein Konsum ist schon sehr bedenklich, gerade wenn auch Kinder involviert sind.

    Das Dein Mann auch trinkt und wohl auch weiter Alkohol im Haus sein wird, wenn Du ihn nicht davon überzeugen kannst das Zeug zu entsorgen, macht alles wirklich nicht leichter.

    Als erstes solltes Du zum Arzt gehen und Deinen Wunsch trocken zu leben mit ihm besprechen. Er wird Dich auch durchchecken.

    Hast Du die Möglichkeit zur einer Selbsthilfegruppe zu gehen, bzw. Suchtberatung? Dort bekommst Du noch weitere Hilfe bei Deinem Vorhaben.

    Tausch Dich hier aus und auch wenn der Anfang schwer ist - bin selber noch am Anfang, aber habe schon mal 3 Jahre aufgehört und weiß wie schön das Leben ohne Alkohol sein kann.

    Ein Pärchen habe ich in meinem Leben kennengelernt wo er weiter getrunken hat und sie aufgehört hat. Aber glücklich und zufrieden trocken war sie nicht.

    Lieben Gruß

    Karoline

  • Auch von mir ein HERZLICHES WILLKOMMEN hier im Forum :welcome:

    Ich habe eine unfassbare Angst vor einer komplett nüchternen Zeit, obwohl es mir mit dem halben Jahr ohne Alkohol sehr gut ging... Ich denke, das kennt ihr sicher auch, dass einem eine Zeit ohne Alkohol nicht lebenswert erscheint.

    Ich bin selber Alkoholiker und seit einigen Jahren trocken.
    Und ich hatte keine Angst vor der abstinenten Zeit, denn ich wollte endlich wieder selbstbestimmt leben. Und nicht den ganzen Alltag auf den Suff ausrichten (wann kann ich endlich wieder, habe ich noch genug, wo kriege ich Nachschub her, wie entsorge ich die Flaschen möglichst unauffällig etc..
    Was mir Angst gemacht hat, war die - ich nenne es jetzt mal so - "Zwischenzeit". Also die Zeit zwischen meinem letzten Schluck bis hin zur "Normalität" Abstinenz, also bis dahin, wo die Abstinenz mehr oder weniger schon normal wird.

    Denn das war für mich immer ein Kampf, den ich mehrmals gegen den Alkohol verloren habe. Erst nach 4-5 Anläufen habe ich es bis zu meiner heutigen zufriedenen Abstinenz geschafft.

    Leider hab ich dann aber irgendwann gedacht, ich hätte es im Griff und kann wieder trinken. Nur ein wenig.....Es ging auch wieder eine ganze Weile gut, aber jetzt stehe ich wieder genau dort, wo ich schon einmal war.

    Mein erster Anlauf funktionierte anderthalb Jahre - und dann ging es mir wie Dir und wahrscheinlich auch zig Anderen.

    Heute weiß ich, dass ich nie wieder etwas trinken kann, weil ich dann die Kontrolle verliere. Aber wozu sollte ich?? Ich brauche das Zeug nicht! Einen wunderschönen Sonnenuntergang kann ich auch bei einem schönen Ginger Ale mit 'nem Orangenscheibchen geniessen. Ein schönes Wasser mit nem Spritzer Zitrone ist doch auch etwas Feines, oder!?

    Schön, dass Du den Anfang wagen willst. Such Dir Unterstützung bei einer Suchtberatung, einer SHG. Vor Allem bei Deinem Arzt.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Libelle,

    Zitat

    Ich habe eine unfassbare Angst vor einer komplett nüchternen Zeit


    Das habe ich schon gehört, dass jemand von der Therapie zurück kam und bitterlich weinte, dass sie ja nie mehr Alkohol trinken kann. Hat natürlich auch nicht lange gehalten.
    Sehe es als Befreiung, keinen Alk mehr trinken zu müssen.

    LG Gerd

  • Hallo Libelle,

    schön, dass Du hierher gefunden hast um einen Neuanfang zu beginnen!

    Immerhin, einen Versucht hast Du schon gemacht und weißt, dass es funktionieren kann.
    Wenn Du von der Angst schreibst, die beim Gedanken „nie wieder Alkohol“ aufkommt, dann kann ich mich gut zurück erinnern, wie das bei mir war.
    Für mich war das lange Zeit schlicht unvorstellbar, weil mein gesamtes Umfeld, privat und beruflich durch und durch „im Alkohol geschwommen“ ist.
    Ich kann mich heute an niemand mehr zurückerinnern, der nicht regelmäßig dem Alkohol zugesprochen hat.
    Nur, die hatten, wie ich heute weiß, keine Suchtveranlagung. Zumindest nicht alle. Einige hörten irgendwann einfach damit auf und hatten zumindest fast keine erkennbare Entzugssymptome.

    Auch in meiner Kindheit und Jugend war Alkohol der ständige Begleiter. Im Elternhaus war der erste Spruch, wenn man etwas erledigt hatte oder aber etwas Ärger verursachte: „Darauf trinken wir jetzt erst mal einen Schnaps.“
    Es ist nicht einfach in so einem Umfeld mit dem Trinken aufzuhören. Und bei mir war es irgendwann dann wirklich so, dass ich mich von einigen „Freunden“ und „guten Bekannten“ trennen musste.
    Kennt man Alkoholismus wirklich gut mit all seinen Auswirkungen auf die Psyche und körperliche Gesundheit, dann ist das Verhalten des Umfelds, wenn jemand sich outet, dass er ein Alkoholproblem hat, nicht nachzuvollziehen.
    Schließlich würde man bei jemand, der z.B. eine Nuss-Allergie hat, die lebensbedrohlich sein kann, strikt darauf achten, dass er mit Nüssen nicht mehr in Kontakt kommt.
    Alkoholismus ist den harten Fakten nach eine tödlich verlaufende Krankheit. Wird sie nicht zum Stillstand gebracht, dann ist in aller Regel ein jämmerliches Ende vorher zu sehen.
    Dass Du keine körperlichen Entzugssymptome aufweist, kann gut sein. Lies mal die Trinkertypologie von Jellinek, besonders den Alpha, Beta und Epsilon Trinker.

    Die Frage ist jetzt einfach: Wie möchtest Du vorgehen, was ist „Deine“ Strategie?
    Karoline und Greenfox schrieben Dir schon: 1. Arzt, 2. am besten zur Suchtberatung und 3. Selbsthilfegruppen sind besonders jetzt sehr hilfreich.
    Dort erhältst Du die Unterstützung, die Dir offenbar von Deinem Umfeld versagt wird.

  • Hallo Libelle,

    apropos "eine Zeit ohne Alkohol ist nicht lebenswert ". Sieh es doch mal so: Zurzeit MUSST du trinken, damit du keine Angst davor haben musst, dass eine Zeit ohne Alkohol nicht lebenswert ist. Wenn es dir gelingt, deine Sucht zu besiegen, hast du eine Angst weniger.
    Und mal ganz nebenbei: Solche Ängste sind abstrakt. Sie entbehren jeder Grundlage. Was ist an einer Sache lebenswert, die man nicht tun will, sondern tun muss?

    Alles Gute
    Bassmann

  • Hallo Libelle,

    schön, dass Du etwas gegen Deine Sucht unternehmen willst.

    Zitat

    Ich habe eine unfassbare Angst vor einer komplett nüchternen Zeit, obwohl es mir mit dem halben Jahr ohne Alkohol sehr gut ging... Ich denke, das kennt ihr sicher auch, dass einem eine Zeit ohne Alkohol nicht lebenswert erscheint.

    Alle die mit dem Trinken aufgehört haben waren mal an einem ähnlichen Punkt wie Du jetzt. Ich weiß das auch noch sehr gut von mir. Wie die meisten brauchte ich mehrere Versuche um den Ausstieg zu schaffen. Im Nachhinein stelle ich mir dann auch die Frage, ob ich alle meine Trinkpausen als Ausstiegsversuche bezeichnen kann. Ich denke sicher nicht. Ich hatte eine lange Pause von vielen Monaten, mehrere Pausen von einigen Wochen und noch mehr von einigen Tagen. Mit zunehmender Dauer meiner Sucht war es mir immer weniger möglich Pausen einzulegen, die letzten Jahre habe ich es dann schon gar nicht mehr versucht.

    Fast immer war es so, dass ich mir genau solche Gedanken gemacht habe wie Du jetzt auch. Also: Ganz ohne Alkohol leben? Das geht doch gar nicht... Schwer beschäftig haben mich auch immer irgendwelche Anlässe zu denen nach meiner Ansicht Alkohol ja auf jeden Fall dazu gehört. Also z. B. Silvester, Weihnachten mit der Familie, Urlaub in Frankreich, Geburtstage usw. Nicht selten habe dafür dann meine Trinkpausen abgebrochen oder sie erst gar nicht angetreten, wenn es nur noch ein paar Tage oder Wochen bis zu so einem Anlass waren. Nach dem Motto: Nach dem 50sten vom XY kannst Du dann mit dem Trinken aufhören. Jetzt vorher "rentiert" sich das ja nicht....

    Wenn ich mir das jetzt alles, nach mehreren Jahren Trockenheit, so durch den Kopf gehen lassen, dann könnte ich fast schon schmunzeln. Wenn das alles nicht so furchtbar schlimm gewesen wäre. Es ist die Sucht, die einem das alles vorgauckelt und einredet. Selbstverständlich braucht kein Mensch Alkohol. Nur der Süchtige meint es geht nicht ohne und er würde an Lebensqualität verlieren. Das Gegenteil ist der Fall....

    Zitat

    Leider hab ich dann aber irgendwann gedacht, ich hätte es im Griff und kann wieder trinken. Nur ein wenig.....Es ging auch wieder eine ganze Weile gut, aber jetzt stehe ich wieder genau dort, wo ich schon einmal war.

    und

    Zitat

    Ich habe versucht das Trinken zu kontrollieren, aber heute sitze ich hier mit einem mega mäßigen Kater. Es funktioniert bei mir einfach nicht.


    Mit diesen Erfahrungen stehst Du nicht alleine da. Wahrscheinlich haben wir die alle gemacht. Das Positive daran ist, dass es Dir zeigt, dass Du nicht mehr kontrolliert trinken kannst. Daraus folgt, dass Du gar nicht mehr drüber nachdenken musst, wie Du es schaffst weniger zu trinken sondern dass Du Dich gleich auf die Abstinenz konzentrienen kannst.

    Zitat

    Beim kontrollierten Trinken, hab ich an nichts anderes mehr gedacht, als an Alkohol und vor allem hab ich eine Ausnahme nach der anderen gemacht.

    Also hat Dir das KT keinerlei Lebensqualität geboten. Du konnste vielleicht Dein Gewissen etwas beruhigen, weil Du weniger getrunken hast, warst aber nur damit beschäftigt ständig an Alk zu denken und eigentlich ging es Dir ziemlich bescheiden. Die Ausnahmen waren dann die Konsequenz daraus. Das war bei mir ganz genau so. Ich konnte das Anfangs schon auch mal längere Zeit, mal nur eine bestimmte Menge zu trinken. Aber mir ging es dabei nicht wirklich gut. Und ich bin früher oder später immer wieder zusammen gebrochen und habe dann einfach soviel getrunken bis ich den Kanal voll hatte. Also war irgendwann mal klar: Wenn ich mal aufhören sollte, dann komplett! Das wusste ich irgendwann und als es dann so weit war, habe ich nicht mal ansatzweise daran gedacht, irgendwann mal wieder Alkohol trinken zu können oder zu wollen.

    Zitat

    Damals, als ich das halbe Jahr nicht trank, wollte mir niemand glauben, dass ich ein Problem damit habe.

    Das kenne ich auch. Zu meinen Anfangszeiten gab es mal Situationen, wo ich gesagt habe ich trinke jetzt nicht mehr weil es mir zu viel ist. Damals war mein Niveau noch recht niedrig, trotzdem hatte ich so das Gefühl ich hätte da ein Problem (was ja auch gestimmt hat). Ich wurde belächelt und es wurde mir gesagt, dass ich übertreibe. Später dann hat irgendwann meine Frau mir gesagt, dass sie denkt ich würde zu viel und vor allem zu regelmäßig trinken. Ab diesem Zeitpunkt habe ich dann begonnen heimlich zu trinken. Ich merkte, dass ich nicht mehr einfach aufhören konnte und ich wollte den für mich einfachsten Weg gehen. Und vor allem den Konflikt mit der Familie meiden. Daraus wurden dann viele viele Jahre des heimlichen Trinkens bis irgendwann mein Kartenhaus zusammen gefallen ist.

    Ich hatte nach meinem Ausstieg niemanden um mich, der mich zum Trinken animiert hätte. Entweder war ich alleine oder hatte ein Umfeld welches kaum trinkt. Hilfreich wäre es sicher, wenn zumindest Deine eigene Familie, sprich also auch Dein Mann, Dich bei Deinem Ausstieg unterstützen würden. Und vor allem Deine Sucht ernst nimmt. Kannst Du da mit ihm reden? Wäre er in der Lage ebenfalls nichts mehr zu trinken oder wenigsten in Deiner Gegenwart keinen Alkohol zu konsumieren? Zumindest in der Anfangszeit könnte das sehr hilfreich sein.

    Hast Du schon Pläne, wie Du jetzt weiter vorgehen möchtest? Wirst Du zur Suchtberatung gehen, Deinen Arzt informieren, eine SHG aufsuchen? Das kann alles sehr hilfreich sein.

    Ich wünsche Dir einen guten Austausch hier um Forum und alles Gute auf Deinem Weg.

    LG
    gerchla

  • Vielen Dank für eure Antworten und das herzliche Willkommen...Das hat mir sehr geholfen!!
    Ich musste meinen Arbeitstag heute abbrechen, weil es mir zu schlecht ging.

    Ich habe noch nie darüber nachgedacht zum Arzt oder einer Selbsthilfegruppe zu gehen. Vielleicht ist das wirklich eine gute Idee.
    Meine Tochter ist schon aus dem Haus, sie ist 28 (ich 49), daher bin ich froh, gerade tatsächlich keine Kinder hineinzuziehen...Ich stamme selbst aus einem Alkoholiker Haushalt (meine Mutter) und weiss, was es bedeutet mit einem unzuverlässigen Elternteil klar kommen zu müssen. Ich hab mich in der Erziehung zwar auch nicht ausschließlich mit Ruhm bekleckert, aber derartige Ausfälle, wie ich sie selbst kennen gelernt habe, hatte ich zum Glück damals nicht. Ich habe mich eben sehr gesteigert über die Zeit. Schlimmere Formen bei mir nahm es erst an, als die Kinder schon erwachsen waren. Nichtsdestotrotz sorgt meine Tochter sich und sie gehört zu denjenigen, mit denen ich sogar über das Thema sprechen kann.

    Im Moment bin ich froh, wenn das schlechte Gewissen nachlässt (ich hab gestern mal wieder Sachen gesagt/getan, die ich lieber hätte lassen und nicht sagen sollen) und wenn der Kater etwas nachlässt. Ich schäme mich auch dafür, dass ich nicht einmal meinen Arbeitstag bewältigt habe. Das kommt wirklich selten vor. Meist kann ich mich trotz Kater durch den Tag quälen.
    Ich bin auch sehr froh, eine Entscheidung getroffen zu haben und weiss nun auch dass KT nichts ist, was mir hilft. Es war ja auch nicht mein erster Versuch. Es stimmt, ich konnte dann zwar trinken, aber wirklich glücklich war ich dabei nicht...Das hat tatsächlich etwas positives, Gerchla: ich brauche über KT nicht mehr nachdenken und kann mich auf die Abstinenz konzentrieren.
    Es fällt mir einfach so schwer mir einzugestehen, dass ich eben nicht "normal" trinken kann. Und ich falle immer wieder darauf herein zu denken, dass man es wieder erlernen kann...
    Ich hab ja schon geschrieben, dass ich mich eher für eine (sehr) starke Gewohnheitstrinkerin halte und von mir einfach nicht glauben will, dass ich das gleiche Problem wie meine Mutter haben soll....Aber vielleicht ist es auch nicht von Bedeutung, welchen Namen das Kind trägt, wenn es das eigene Leben so zerstört.

    Die nächste Zeit wird sicher nicht einfach. Zum Beispiel hat sich ein Freund aus der Jugendzeit für nächste Woche angekündigt, der mit mir mal so richtig um die Häuser ziehen will. Wir haben uns vor kurzen erst nach vielen Jahren das erste mal wieder getroffen. Tatsächlich war mein erster Gedanke heute früh: was mach ich mit der Verabredung? Absagen, Ehrlich sein? Löse ich Enttäuschungen aus? Und morgen das Essen mit zwei Freundinnen...Schaffe ich es nicht zu trinken? Wie reagiere ich auf die langen Gesichter, wenn ich auf meinen Wein verzichte und überhaupt nicht mehr "mitmache"? Ich möchte es ja nicht jedem auf die Nase binden, dass ich ein Alkoholproblem habe. Ich bin zwar gerade fest im Willen, aber ich traue mir selbst noch nicht über den Weg....

    Ach ja, da war die Frage nach der Strategie: Ich versuche mir Hilfe zu holen und schaue heute noch ins Internet, ob es Selbsthilfegruppen gibt. Diese Gruppe ist ja auch schon ein Schritt und ich merke, wie gut es jetzt schon tut...ihr habt alle ähnliches erlebt.
    Ich denke, dann muss ich mit meinem Mann sprechen, vielleicht nicht heute. Aber die nächsten Tage...Ich werde es nicht schaffen, wenn jeden Abend eine Flasche Wein auf dem Tisch steht. Das steht fest. Aber ich muss auch damit klar kommen, dass ich auch ihn enttäuscht habe. Ich muss wohl erst noch meine Reste an Selbstvertrauen zusammenfegen...
    Ihr habt so viel geschrieben, über das ich noch nachdenken möchte. Tausend Dank dafür!
    LG, Libelle

  • Hallo Liebelle,

    ich wünsche Dir keine Hoffnung zu verlieren und immer den besten Weg zu finden. Versuch immer beschäftigt zu sein.

    Viele Grüße!

  • Ach ja, da war die Frage nach der Strategie: Ich versuche mir Hilfe zu holen und schaue heute noch ins Internet, ob es Selbsthilfegruppen gibt.

    Nicht versuchen - machen. Und es gibt garantiert Selbsthilfegruppen.

    Schluß mit "vielleicht, versuchen & Co"!

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Guten morgen,
    heute geht es mir wieder etwas besser, wenn auch noch etwas zerschlagen.
    Psychisch muss ich erst noch hinter mir aufräumen, ich bin ganz schön traurig und ich schäme mich auch immer noch, für das was ich im Suff so veranstalte...
    Die ausgefallene Arbeit muss ich am Samstag nachholen. Ein bisschen denke ich: Strafe muss sein, vielleicht erinnere ich mich dann etwas länger daran, wie beschissen es mir ging....Ich muss rückblickend auch sagen, dass das KT bei mir die schlimmeren Abstürze verursacht hat. Es fühlt sich immer noch wie eine Vergiftung an...
    Ich habe eine Frage:
    Ich gebe zu, dass ich mich vor Selbsthilfegruppen etwas fürchte. Ich habe Angst jemanden zu kennen, über das Thema offen zu reden, oder auch vielleicht nicht "krank" genug zu sein, um Hilfe zu erwarten usw. Ich habe gestern wirklich schon etwas recherchiert und gleich um die Ecke gibt es eine AA Gruppe, falls die noch besteht.
    Hat jemand Erfahrungen mit den AA?
    Es gibt auch noch andere Gruppen, das Blaue Kreuz zB. Ich hab gar keine Ahnung....Ich hab bisher immer gedacht, ich schaffe es allein. Tue ich aber offensichtlich nicht. Zumindest nicht auf Dauer.
    Ja, Greenfox, ich versuche wirklich mal etwas zu tun und nicht nur zu labern. Das hab ich tatsächlich über Jahre praktiziert.
    Leider hält mich die Angst immer noch umklammert, aber das wird sich hoffentlich legen....
    Danke und habt einen schönen Tag! Libelle

  • Guten Morgen Libelle,

    erst mal möchte ich Dir kurz meine Erfahrung mit SHG mitteilen. Ich war nämlich gerade mal 24 Stunden ohne Alkohol als ich genau diese besuchte. Und es war eine Gruppe der AA.

    Und ganz ehrlich, es war damals für mich ein ganz wichtiger und richtiger Schritt. Ich wohne in einer größeren Stadt und hätte dort schon die Auswahl gehabt zwischen mehreren unterschiedlichen Gruppen. Aber ich hatte keinerlei Erfahrung oder Ahnung und so habe ich mir erst mal einfach die Gruppe ausgesucht, zu der ich sogar zu Fuß habe hinlaufen können.

    Die AA sind eine Monologgruppe. Ich denke, dass ist erst mal das wichtigste was man wissen sollte. D.h., dass Du dort während der Gruppensitzungen nicht diskutierst. Jeder der sprechen möchte darf das. Aber er oder sie erzählt dann einfach was ihm oder ihr gerade auf dem Herzen liegt. Die anderen hören zu, die kommentieren nicht. Ist einer fertig, darf der nächste sprechen usw.

    Das ist schon etwas was man mögen muss, sag ich jetzt mal so. Natürlich haben wir dann schon auch mal diskutiert. Vorher z. B. oder nachher beim Kaffee. Man muss dort nicht reden, wenn man nicht will. Das ist aber bei den meisten Gruppen so. Dazu können Dir hier aber andere Forumsteilnehmer mehr sagen, denn da haben einige viel mehr Erfahrung als ich.

    Was für mich damals eine Art Schlüsselerlebnis war, war die Tatsache, dass bei den AA (zumindest war das bei mir so) alle Gruppenteilnehmer erst mal ihre Geschichte erzählt haben. Also, da kam ein Neuer (ich) und die Gruppe hat nicht ihr übliches "Programm" abgespielt sondern die Menschen haben mir quasi erzählt wie das bei ihnen so war. Das hat mir sehr geholfen und ich habe plötzlich realisiert, dass ich 1. nicht allein bin und 2. das ich es schaffen kann! Denn es waren auch Leute dabei, die noch viel tiefer in der Sch...e gesessen haben und es geschafft haben. Ich habe dort auch ganz nette Menschen getroffen die mir gesagt haben, dass sie 7 oder 10 Jahre trocken waren und dann wieder angefangen haben. Ich meine, da sitzt ein ganz gepflegter netter Mann neben Dir, mit dem Du dich gut unterhalten kannst, und der sagt Dir, dass er vor 4 Wochen wieder aufgehört hat mit dem Trinken nachdem er vorher schon mal 10 Jahre trocken war und dann wieder 2 Jahre gesoffen hat. Verstehst Du, wenn Du das wirklich echt, also nicht im Internet, erlebst und mit jemanden sprichst, dann wird Dir noch viel mehr bewusst, welche Krankheit Du da eigentlich hast! Ich weiß nicht wie ich das ausdrücken soll, aber solche Erfahrungen waren es, die mich wirklich geprägt haben. Niemals werde ich meine Krankheit auf die leichte Schulder nehmen.

    Ich habe die Gruppe dann übrigens nach einiger Zeit verlassen. Sie brachte mir nichts mehr und ich ging andere Wege. Das hat sich so entwickelt und hat nicht mit einer schlechten Gruppe oder so zu tun. Ich möchte diese Erfahrung nie missen, denn ich profitiere noch heute davon und ich würde jederzeit wieder in eine Gruppe gehen, wenn mir danach wäre.

    Gedanken über "du könntest nicht krank genug sein" oder so, kannst Du getrost vergessen. Wenn ich ehrlich bin denke ich, dass Du "krank genug" bist um so eine Gruppe zu besuchen. Mach Dir selbst nichts vor und fange vor allem nicht an darüber nachzudenken, ob Du vielleicht nur "Missbrauch" betreibst und noch gar keine Alkoholikerin bist. Denn das bringt Dir nichts Gutes. Offensichtlich ist es doch so, dass Du nicht mit dem Trinken aufhören kannst. Was ist das dann? Ich würde mal sagen, auch wenn mir das nicht zu steht: Das ist Sucht.

    Diese Gedanken, es könnte ja nur Missbrauch sein, die hatte ich natürlich auch. Sogar heute kommen die manchmal noch kurz auf. Aber was soll einem das sagen? Das soll einem sagen, dass die Sucht versucht jemanden dazu zu bringen, auszuprobieren ob das stimmt. Denn wenn Du länger nicht mehr getrunken hast und warst aber nur Missbräuchler, also noch nicht süchtig, dann könntest Du ja doch ab und zu wieder mal ein Gläßchen trinken, gell?

    Das hast Du doch schon durch, oder? Und was ist passiert? Das Gleiche wie bei mir und vielen anderen hier.

    Und mal ganz unabhängig davon. Du kannst auch als Missbräuchler gerne zur SHG. Ich denke andere werden Dir dazu noch bessere Infos geben können.

    Zitat


    Die nächste Zeit wird sicher nicht einfach. Zum Beispiel hat sich ein Freund aus der Jugendzeit für nächste Woche angekündigt, der mit mir mal so richtig um die Häuser ziehen will


    Das wird Dir erst mal immer wieder passieren. Vor allem wenn Du eine trinkfreudige Umgebung hast. Ich habe mich damals geoutet. Bei meiner Familie und bei meinen Freunden. Das war schlimm und nicht einfach. Durch mein heimliches Trinken haben die alle nix von meiner Sucht gewusst und sind aus allen Wolken gefallen. Sie haben mich aber alle unterstützt. Und es war auch niemand dabei, der gesagt hat ich würde übertreiben. Allerdings habe ich wirklich offen gesprochen. Ihnen auch erzählt, wieviel ich getrunken habe und wo und wie und was. Das war sehr sehr schwer. Wer erzählt schon gerne seinen Freunden, dass er im Auto kein Reserverad mehr hatte und die dafür vorgehsehene Kuhle immer mit Bierflaschen aufgefüllt hat?

    Das Outing hat ein weiteres Hintertürchen für mich geschlossen. Denn jetzt wussten sie alle Bescheid und hatten mich im Blick. Ich konnte nicht mehr so tun als wäre nichts. Und natürlich wurde mir auch kein Alkohol mehr angeboten. Das ist vor allem anfangs äußerst hilfreich.

    Zitat

    Ich bin zwar gerade fest im Willen, aber ich traue mir selbst noch nicht über den Weg....

    Schön, dass Du fest im Willen bist. Meine Erfahrung ist, es ist keine reine Frage des Willens. Alkoholismus ist keine Willensschwäche. Es wäre doch relativ einfach, wenn der Wille allein ausreichen würde nicht mehr zu trinken. Der Wille hilft, eine bestimmte Zeit zu überstehen, zu überbrücken. Ein starker Wille kann da sehr hilfreich sein. Aber auf Dauer funktioniert das nicht.

    Die Frage ist ja dann: Was hilft statt dessen? Wie kann man es schaffen?

    Das ist sehr individuell, wie das Trinken selbst auch. Meine Erfahrung ist, dass man seine Sucht unbeding aufarbeiten sollte. Ich meine, das ist ja letztlich auch das, was bei einer Therapie passiert. Aufarbeiten bedeutete für mich zu verstehen, warum ich getrunken habe. Wie es überhaupt dazu kommen konnte. Es bedeutete aber auch wieder zu lernen, nüchtern zu denken. Das dauert. Nur weil man nichts mehr trinkt ist man noch lange nicht trocken. Auch noch Wochen oder Monaten nicht. Der Alkohol, die Sucht, hat unser Hirn verändert. Unser Denken und Fühlen und auch unseren Charakter. Es ist harte Arbeit wieder zurück zu finden. Dabei kann Dir z. B. eine SHG helfen. Aber auch ein Psyschologe, Gespräche mich sehr guten Freunden (oder Deiner Tochter) oder was auch immer. Ich hatte z. B. auch einen Mönch, der mir bei meiner Aufarbeitung unglaublich geholfen hat. Ein für mich eigentlich fremder Mensch, den ich nur per Zufall mal getroffen hatte und an den ich mich erinnerte. Und den ich dann fragte, ob er bereit wäre, Gespräche mit mir zu führen.

    Letztlich geht ja darum zufrieden abstinent zu sein. Glücklich abstinent zu sein. Über den Willen allein funktioniert das nicht. Erst wenn man erkannt hat, wirklich verinnerlicht hat wie sinnlos Alkohol ist und das man das Zeug wirklich überhaupt zu gar nichts braucht, dann vermisst man es auch nicht mehr. Wenn man (wieder) gelernt hat alle Dinge, die man vorher nur mit Alkohol genießen konnte, genausogut oder soger noch besser ohne zu genießen, dann vermisst man ihn nicht mehr. Und wenn man etwas nicht vermisst, hat man auch keinen Verlangen danach.

    Ich habe heute keinerlei Verlangen mehr. Es ist mir auch egal wenn andere etwas trinken. Besäufnisse vermeide oder verlasse ich. Nicht weil ich Angst hätte selbst zu trinken sondern weil es mich einfach peinlich berührt wie Menschen sich verändern wenn sie richtig besoffen sind.

    Zitat

    Ich werde es nicht schaffen, wenn jeden Abend eine Flasche Wein auf dem Tisch steht. Das steht fest.

    Ich glaube, dass ist mit einer Deiner größten Herausforderungen. Was machst Du denn, wenn er sich weigert auf seinen Wein zu verzichten? Wie weit gehst Du für Deine Abstinenz? Hast Du einen Plan, wie es dann weiter gehen würde? Oder würdest Du dann sagen: "Na dann schaffe ich es eh nicht" und trinkst einfach weiter?

    Das sind alles Dinge und Fragen, wo Du Dir eben Hilfe suchen solltest. So wie Du jetzt hier mit uns schreibst, kann man solche Dinge eben auch mit der Suchtberatung besprechen, auch mit Psychologen besprechen usw. Man weiß oft selbst nicht, welche Möglichkeiten man hat, welche Wege man gehen könnte.

    Jetzt wünsche ich Dir erst mal ein gutes (alkoholfreies) Wochenende!

    LG
    gerchla

  • Danke für deine Zeilen Gerchla,
    Gestern hab ich mich mit zwei Freundinnen getroffen und es war gar anfangs nicht so leicht zu verzichten (ich bin/war eine große Weinliebhaberin), aber desto weiter der Abend voran rückte, desto stolzer war ich. Aber da ich auch immer noch total kaputt von der Trinkerei vor zwei Tagen und mein Magen noch nicht ok war, war das jetzt nicht das allergrößte Kunststück...Zum Glück haben sie gar nicht groß gefragt. Ich habe ein Unwohlsein vorgeschoben.
    Mit dem "Jugendfreund" hab ich mich schwerer getan. Er hat extra ein Hotel hier gebucht und reist ein paar hundert Kilometer für mich an. Aber da das Wein trinken so im Vordergrund für unser Treffen stand, hab ich gedacht, ich muss etwas sagen. Ich schrieb ihm heute, dass ich mich auf ihn freue, aber zur Zeit auf Alkohol verzichte....Er hat besser reagiert als ich dachte und nur noch gefragt, ob er denn trinken könne, oder ob es ein Problem sei und hat sich eher Sorgen gemacht. Immerhin weiss er von früher noch, dass meine Mutter schwer getrunken hat und kann sich sicher denken, aus welcher Richtung der Wind weht.
    Das wäre damit schon mal geschafft und nun hab ich nur noch Angst vor Weihnachten, Silvester und dem Urlaub... Naja, eigentlich fürchte ich mich noch vor jeden einzelnen kommenden Tag, aber das wird hoffentlich vergehen...
    Ich kann nicht sagen, wie es zu Hause weiter gehen wird und wie weit ich mit der Absicht gehe, nüchtern zu bleiben, wenn der Partner trinkt. Ich lebe prinzipiell in einem Umfeld in dem viel und gern getrunken wird und ich kann und möchte auf meine sozialen Kontakte nicht verzichten. Ich hätte Angst mich in eine Einsamkeit zu manövrieren. Ich denke, auch da kann ich nur Schritt für Schritt vorgehen. Es gibt eine Freundin, die schon mein KT ein wenig beaufsichtigt hat und selbst momentan sehr wenig trinkt. Mit der werde ich natürlich reden. Sie hat mir auch vor zwei Tagen geholfen, als ich nicht mehr arbeiten konnte. Hat alle Termine für mich abgesagt und sich um die Kunden gekümmert, während ich mich regelmäßig ins Badezimmer verkrümeln musste. Peinlich. Immerhin versteht sie mittlerweile die Brisanz.
    Mein Mann spricht nach meine letzten Eskapade noch nicht wieder mit mir. Es ist nicht der Zeitpunkt, an dem ich mit dem Finger auf ihn zeige und sein Trinkverhalten kritisiere. Er trinkt zwar viel und regelmäßig, verliert aber nie die Kontrolle wie ich. Dass es in Zukunft dadurch schwer wird, weiss ich. Aber den Weg sehe ich noch nicht so glasklar vor mir.
    Schwer wird auch sein, nicht nach einiger Zeit das Problem zu verharmlosen. Das habe ich bisher immer so gemacht. Und hab mich dabei auf Menschen gestützt, die meinten: ach, ich trinke doch auch mal zu viel, ist doch nicht so wild. Und so schlimm trinkst du doch nicht!
    Ja, und das hab ich dann irgendwann geglaubt und alles ging von vorn los. Die Verharmlosung ist für mich das allerschlimmste.
    Danke, dass du mir dein Erfahrungen beschreibst, Gerchla. Ich werde auf jeden Fall nach einer Selbsthilfegruppe schauen und ich kann dann ja entscheiden, wo ich bleibe. Ich kann mir nur gerade nicht vorstellen, mit bekannten Gesichtern zusammen zu sitzen. Dazu bin ich noch zu feige....
    Ich beneide dich darum, dass dein Umfeld dich so unterstützt hat. Ich schätze, deine Frau ist auch bei dir geblieben.
    De Frage danach, warum man trinkt, treibt mich zwar auch um, aber ich bin mittlerweile einfach in der Gewohnheit gefangen. Aber das ist sicher zu oberflächig gedacht. Ich habe wahrscheinlich wirklich noch viel zu tun und viel vor mir, wenn ich durchhalten will.
    Komischerweise geht es mir heute immer noch nicht wirklich gut. Bin immer noch maßlos müde und erschöpft.
    Ich muss jetzt erst einmal ein wenig arbeiten und dann sehe ich weiter. Heute Abend treffe ich besagte Freundin.
    Es kann ja alles nur besser werden.
    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende!
    Libelle

  • Liebe Libelle,

    wie geht es Dir aktuell? Konntest Du standhaft bleiben die letzten Tage?

    Ich habe Deine Zeilen jetzt ein paar mal gelesen. Ich möchte Dir dazu einfach nur meine Gedanken schreiben.

    Zuerst mal die Geschichte mit Deinem Jugendfreund. Schau mal einer an, wie sich da plötzlich Deine ganzen Ängste in Luft aufgelöst haben. Ich weiß nicht, ob Du ihn gebeten hast ebenfalls nichts zu trinken. Aber Du siehst, sogar das hat er Dir angeboten! Wär hätte das gedacht, wo Du geschrieben hattest, wie sehr Dich das belastet...

    Das ist übrigens eine Erfahrung, die ich sehr häufig gemacht habe nachdem ich aufgehört hatte. Ich hatte Angst, genau wie Du, vor Weihnachten, vor Silvester usw. Wobei die Feiern mit der Familie nicht mein Problem waren, denn ich hatte mich ja geoutet. Das ist dann natürlich sehr hilfreich. Aber ich bin z. B. irgendwann dann mal umgezogen, hatte (bzw. habe) eine wahnsinnig nette Nachbarschaft. Mein Vermieter ist ebenfalls mein Nachbar und wir verstehen uns blendend. Anfangs hat er dann immer wieder gesagt, wir sollen doch mal rüber kommen auf ein Glas Wein ( er ist Weinkenner mit eigenem Weinkeller, aber sicher kein Alkoholiker). Wie man das halt so sagt. Vor diesem Tag hatte ich wirklich allergrößten Respekt. Obwohl ich da schon längere Zeit trocken war. Und ich wollte ja nun auch nicht gleich meinem Vermieter und Nachbarn erzählen das ich trockener Alkohliker bin. Also wurde dieses Treffen erst mal immer wieder verschoben und irgendwann war es dann doch so weit.

    Und was soll ich sagen. Ich sagte ihm ich trinke nie Alkohol. Er sagte: Ah, ok was darf ich Dir alternativ zum Wein anbieten? That's it. Es war ein wunderbarer Abend und es folgten noch zahlreiche und kommen hoffentlich noch viele. Er hat mich nie gefragt warum ich nicht trinke. Irgendwann, als er in redseeliger Weinlaune war, habe ich es ihm dann mal erzählt. Hat sich so ergeben. Er sagte, dass er sich sowas gedacht hat und deshalb auch nicht weiter nachgefragt oder gedrängt hat. Und dass er großen Respekt vor mir hat.

    Und so waren meine Bedenken oder Ängste die ich vor bestimmten Situationen hatte eigentlich immer unbegründet. Die schlimmen Szenarien, die ich mir ausdachte, blieben immer aus. Allerdings, das muss ich klar sagen, hatte und habe ich immer eine ganz klare Strategie, wie ich reagiere, wenn mich jemand bedrängen sollte Alkohol zu trinken. Das glaube ich, ist enorm wichtig. Ich kann Dir nur eines sagen, dass aber aus tiefster Überzeugung: Das wichtigste, dass allerwichtigste ist DEINE Abstinenz. Nichts und niemand darf Dich dazu überreden können wieder zu trinken.

    Wenn Du wieder trinken wolltest, dann wäre das Deine Entscheidung. Niemand könnte es Dir verbieten und es ist ja auch nicht verboten. Es wäre Deine eigene Entscheidung, wie es auch meine wäre.

    Zitat

    Naja, eigentlich fürchte ich mich noch vor jeden einzelnen kommenden Tag, aber das wird hoffentlich vergehen...

    Da spüre oder lese ich ganz viel Furcht. Vertraue nicht darauf, dass es einfach so vergeht. Mach' was dafür. Eine SHG könnte ein erster Schritt sein. Die Suchtberatung wäre auch ein guter Schritt. Hab keine Angst davor, dass Du dort jemanden kennen könntest. Wäre es was wäre denn dann? Er oder Sie hätte das gleiche Problem wie Du. Nix anderes. Und was in der SHG passiert bleibt auch in der SHG, so ist das.

    Eine große Gefahr besteht aus meiner Sicht darin, dass Du einfach nichts mehr trinkst. Ohne weiter etwas zu unternehmen. Ich habe das so oft gemacht. Mit festem Willen aufgehört... Ohne weiter etwas zu unternehmen. Es ging immer schief, mal früher mal später. Und Du hast doch diese Erfahrung auch schon gemacht....

    Ich rede jetzt mal wieder von mir, dass ich hier nicht als Klugschei...er rüber komme der schlaue Ratschläge gibt:

    Erst als ich meine Krankheit oder besser die Bekämpfung meiner Krankheit als das wichtigste in meinem zukünftigen Leben gesehen habe, konnte ich trocken werden. Ich war bereit und wollte alles diesem Ziel, also trocken zu werden, unterordnen. Ich war zu allem bereit, z. B. auch zu einer LZT, wenn es nur so gegangen wäre. Ich hätte meine Job gekündigt, wenn sich dieser als mein eigentliches Problem herausgestellt hätte. Ich wusste, dass ich am Alkohol sterben würde wenn ich weiter trinke! So einfach war das. Ich würde mich irgendwann tot saufen oder aber, falls meine Konstitution das hinaus gezögert hätte, ich hätte ein vom Alkohol gezeichnetes Leben geführt und wäre immer tiefer im Sumpf versunken.

    Und um Deine Frage zu beantworten bezüglich meiner Frau. Sie wäre wohl noch mit mir zusammen, sie wollte es weiter mit mir versuchen trotz allem was ich getan hatte. Aber ich habe mich nach einigzer Zeit als trockener Alkoholiker von ihr getrennt. Wir sind längst geschieden. Details würden jetzt hier den Rahmen sprengen aber ich darf Dir versichern, dass ich mich im nassen Zustand niemals von ihr getrennt hätte.

    Wenn man trocken wird, wenn man wirklich bewusst seine Sucht aufarbeitet und richtig trocken ist, was nun nicht schon nach ein paar Tagen oder Wochen der Fall sein kann, dann verändert man sich. Man ist nicht mehr der Mensch der man vorher war. Man ist auch nicht mehr der Mensch, der man war bevor man süchtig wurde. Man ist ein ganz anderer Mensch.

    Und das ist übrigens auch ein Grund, warum viele Beziehungen nicht unbedingt oder automatisch besser werden, wenn der trinkende Partner trocken wird. Denn dieser "neue" trockene Partner ist ein anderer Mensch. Er kann und will plötzlich sein Leben wieder selbst in die Hand nehmen. Er hat wieder gelernt Verantwortung für sich zu übernehmen. Er denkt erst mal an sich, bevor er an andere denkt.... Und damit meine ich jetzt nicht, dass man ein mießer egoistisch wird. Es geht hier um einen gesunden Egoismus, um Selbstschutz.

    Ich glaube, was die Beziehung zu Deinem Mann betrifft, an eine komplexe Herausforderung für Dich. Wenn Du wirklich dauerhaft weg willst vom Alkohol wirst Du Dich dieser stellen müssen. Aber auch hier gilt: Schritt für Schritt.... Wenn es Dir hilft, denke immer in kleinen Zeiträumen. Denke nicht gleich alles bis zum Ende durch, was könnte oder wird passieren wenn.... Du hast bei Deinem Jugendfreund gesehen, dass es oft anders kommt. Das gilt auch für andere Bereiche. Ich habe die ersten Monate von Tag zu Tag gelebt und mich jeden morgen einfach nur gefreut, dass ich nicht mehr trinken muss.... Und nebenher aufgearbeitet so gut es ging....

    Ich wünsche Dir, dass Du Klarheit gewinnst, wie Du Deinen Weg gehen kannst und gehen willst. Und dass sich Deine Ängste dann langsam auflösen und Du die großen Chancen erkennst, die Dir ein trockenes Leben bieten wird.

    LG
    gerchla

  • Ja, Libelle, ich kann mich Gerchla nur anschließen. Ich habe sehr ähnliche Erfahrungen gemacht.
    Vor allem mit diesem Kopf-Kino, der Angst vor der Angst. Und natürlich mit dem dann tatsächlichen Erleben.

    Nicht nur in Bezug auf das Trinken. Auch auf Arbeit. Ich dachte immer, ich könne doch keine Arbeit ablehnen, was denken die denn dann von mir?! Ergebnis: "Okay. Frag ich halt jemand anderen."
    Äh, wie jetzt? Kein "Wie kannst Du nur, Du Loser?" o.ä.

    In einem anderen Thread schrieb ich mal:


    Wer sich selbst kaputt macht, nur weil er denkt, sonst nicht gemocht zu werden, kann ziemlich schnell niemandem mehr helfen. Und nur weil Jemand NEIN sagt, nicht kann, geht die Welt nicht unter. Wie oft habe ich gehört, wenn ich Jemandem auf eine Frage/Bitte eine abschlägige Antwort gegeben habe/geben musste: „Okay, kein Problem. Dann frage ich eben jemand anderen.“
    Man sollte nur ein paar Dinge beherzigen/bedenken:

    1. Nein-sagen-lernen heißt NICHT Ja-sagen-verlernen!
    2. Jeder darf NEIN sagen – also auch mein Gegenüber!
    3. Ich muss nicht mit Allem und Jedem einverstanden sein – aber auch mit mir muss nicht Jeder einer Meinung sein!

    Gerade anfangs ist das vielleicht leicht gesagt - aber nicht nur ich habe die Erfahrung gemacht. Man sollte sich nur schon vorher eine schlagfertige ;) Antwort für die leider doch vorhandenen Vollpfosten überlegen, die Einen trotzdem dumm anmachen ("Nu hab Dich nicht so, EINEN wirst Du ja vertragen"), die es auch nach der 2. Ablehnung nicht kapieren ...

    Aber zurück zu Deiner momenatnen Verfassung: Wie ist sie? Wie geht es Dir?

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Lieben Dank für eure Zeilen...Getrunken habe ich bisher nichts und bin auch sehr froh darüber. Ich versuche mich abzulenken so gut es geht, damit ich an den Abenden nicht immerzu daran denke ...Was natürlich noch schwer bis gar nicht gelingt...
    Heute ist ja schon der fünfte Tag und es gibt durchaus Momente, in denen ich nichts als froh bin, dass ich rechtzeitig ausgestiegen bin. Bevor ich vor vier Jahren die letzte längere Trinkpause gemacht hatte, hab ich in einer ähnlichen Phase noch nicht die Notbremse gezogen.
    Es wechseln gerade depressive Anwandlungen (öfter) mit regelrechten Hochgefühlen ab (seltener - aber es gibt sie).
    Naja, ich dachte ja bis vor ein paar Wochen tatsächlich noch, ich bekomme es in den Griff und kann lernen "normal" mit Alkohol umzugehen. Wenn nicht heute dann morgen. Ich habe zwischenzeitlich schon ein bisschen im Forum gelesen und habe den Eindruck, dass sich an diesen Strohhalm schon so mancher vergeblich geklammert hat. Im Grunde habe ich nach dem halben Jahr Trinkpause zwar ein paar Wochen recht manierlich getrunken, aber danach wieder täglich.

    Mir ist bewusst, dass ich irgendetwas unternehmen muss, damit es nicht wieder passiert....Ich hab schon einmal eine Therapie gemacht und mein Alkoholmissbrauch war dort auch Thema, aber nicht der Hauptgrund. Meine Therapeutin hielt mich schon damals für eine Alkoholikerin, was ich auf ihre Unerfahrenheit geschoben habe; sie war noch sehr jung. Ich hab mich immer verteidigt und gedacht, sie therapiert am falschen Ende herum....Ich hab mich schon lange mit dem Konsum und vor allem der Menge unwohl gefühlt. Aber wenn jemand es angesprochen hat, hab ich es verteidigt wie eine Löwin ihr Junges....Ich habe ja sonst keinerlei Laster, da kann man ja wohl mal einen mehr heben....
    Ansonsten treffe ich meist nur auf Verharmlosung. Da ich Medikamente nehmen muss, fragt mein Hausarzt auch regelmäßig meinen Alkoholkonsum ab und er hat nicht mit der Wimper gezuckt, als ich vorsichtig sagte: Naja, ne Flasche Wein. In der Woche? Nein im Moment täglich...Hat er nur aufgeschrieben. Ich mach dann gern mal ein Witzchen, gelobe fröhlich Besserung und fertig...Im Grunde wäre ich froh gewesen, wenn er mal gesagt hätte, dass das vielleicht ein kleines Problemchen sei...
    Naja, er ist kein schlechter Arzt, er glaubt mir einfach und man sieht es mir auch wirklich nicht an. Die häufigen Migräneanfälle durch die Trinkerei habe ich mit entsprechenden Medikamenten immer in den Griff bekommen. Bis auf letzte Woche und dafür bin ich jetzt fast dankbar. Irgend etwas muss ja meist passieren, damit man wachgerüttelt wird und wirklich mal etwas tut.

    Das mit dem outen habe ich übrigens beim letzten Mal hin und wieder bei Freunden versucht. Die meist gehörte Antwort: Was, so ein Quatsch, du doch nicht!
    Dann lässt man es auch irgendwann.

    Ich hab ja schon geschrieben, dass mein schlimmstes Problem die Verharmlosung ist. Ich denke ja sowieso den ganzen Tag darüber nach und nicht selten hab ich die immer wieder kehrenden Gedanken: so schlimm war das doch gar nicht. Du übertreibst doch schon wieder maßlos. Das ist nur Kopfkino. Das war eine Ausnahme. Es ist dann natürlich Futter für mich, wenn das von außen bestätigt wird.

    Aufarbeiten und nicht nur einfach aufhören zu trinken schriebst du Gerchla. Genau das muss ich sicher tun, damit ich selbst nicht wieder in die Verharmlosungs-Falle tappe. Ich weiss, dass ich durch meine trinkende Mutter nie einen vernünftigen Umgang mit Alkohol gelernt habe, aber das ist sicher nicht der einzige Grund für mein maßloses Verhalten. Und trotzdem ist mir gerade noch etwas schleierhaft, wie ich es diesmal besser machen soll, außer "durchzuhalten", bis es mir ohne Alkohol gut geht. Ich war noch nie in einer SHG und tue mich wirklich schwer damit.
    Es steht einfach so viel an, was ich tun müsste. Und ich möchte es diesmal wirklich ernsthaft schaffen. Aber ich würde lügen, wenn ich sage, ich kann das jetzt gerade mit vollem Elan angehen. Ich hab erst einmal damit zu tun, mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass ich ein Leben ohne Rauschmittel leben werde.
    Ich freue mich aber jetzt schon auf DEN Morgen, wenn ich keinen Kloß mehr im Hals habe, nicht zu schwitzen beginne, wenn ich daran denke, was mir bevor steht und das Thema Alkohol einfach nicht ständig im meinem Kopf herumgeistert.
    Ich bin unglaublich froh über das Forum hier, über eure Gedanken und Erfahrungen. Es bestätigt mich und lässt hoffen. Und gibt so viele Anstöße.
    Ich bin auch froh, dass ich einfach mal alles herunter schreiben kann...Es tut mir leid, wenn es manchmal etwas viel und eventuell wirre ist.
    LG, Libelle

  • Meine Therapeutin hielt mich schon damals für eine Alkoholikerin, was ich auf ihre Unerfahrenheit geschoben habe; sie war noch sehr jung. Ich hab mich immer verteidigt und gedacht, sie therapiert am falschen Ende herum....Ich hab mich schon lange mit dem Konsum und vor allem der Menge unwohl gefühlt. Aber wenn jemand es angesprochen hat, hab ich es verteidigt wie eine Löwin ihr Junges....Ich habe ja sonst keinerlei Laster, da kann man ja wohl mal einen mehr heben....

    ;D Entschuldige, wenn ich kurz lachen musste: So ähnlich war es bei mir auch. Egal, ob es hier, in meiner SHG oder bei anderen Gesprächen ist: Bei der Erzählung der jeweiligen Geschichte der Menschen erlebe ich immer wieder, dass mir dabei quasi ein Spiegel vorgehalten wird.
    Ein Gruppenfreund hat mal gesagt: "Wieso erzählst Du MEINE Geschichte?"


    Das mit dem outen habe ich übrigens beim letzten Mal hin und wieder bei Freunden versucht. Die meist gehörte Antwort: Was, so ein Quatsch, du doch nicht!
    Dann lässt man es auch irgendwann.

    Auch das habe ich 2-3 Mal erlebt. Einmal sogar von meiner (damaligen) Hausärztin - die mich danach übrigens nie wieder gesehen hat.
    ICH habe dann den Leuten gesagt, dass ich mich ja wohl besser kenne. Und die Freunde, die mir soetwas gesagt haben, haben mich ja auch nur bei Feierlichkeiten etc erlebt, wo ich mich alkoholtechnisch zurückgehalten habe - da ich dann danach zu Hause mir meinen Pegel geholt habe.
    Ich kann Dir nur raten, wenn wieder mal so eine Aussage geäußert wird, zu sagen: "Ich kenne mich besser und bitte Dich/Euch, dies zu akzeptieren und zu respektieren, dass ich keinen Alkohol mehr trinken möchte!"

    Ich freue mich aber jetzt schon auf DEN Morgen, wenn ich keinen Kloß mehr im Hals habe, nicht zu schwitzen beginne, wenn ich daran denke, was mir bevor steht und das Thema Alkohol einfach nicht ständig im meinem Kopf herumgeistert.

    Ich glaube, diesen Morgen wirst Du so nicht erleben - denn das entwickelt sich allmälich. Um so schöner ist es dann im Rückblick.

    Auf jeden Fall bist Du auf einem guten Weg!!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Guten Morgen Libelle,

    erst mal will ich Dir sagen, dass es mich sehr freut, dass Du nach wie vor standhaft bist und weiterhin ohne Alkohol durchs Leben gehst.

    Das was Du so beschreibst, also diese Gedanken die Du hast bezüglich der Verharmlosung, das kennen wir hier wirklich alle. Also alle hier, die selbst Alkoholiker sind. Weißt Du, genau das ist die Sucht. Genau das ist Dein Suchtgedächtinis. Oder manche sprechen vom Suchtteufelchen, dass einem immer wieder einflüstert, dass man doch wieder mal ein Gläschen trinken könnte und dass es doch gar nicht so schlimm war. Wenn Du jetzt noch länger abstinent bleibst, wird es Dir auch sagen: "Siehst du, du hast doch gar kein Problem. Jetzt hast du soooooo lange ohne Alkohol gelebt, da kannst du doch gar kein Alki sein."

    Und das meine ich dann auch mit aufarbeiten. Irgendwann wird man schwach, irgendwann gibt man nach und sagt: Naja, ich könnte es ja mal probieren und ich kann ja notfalls auch wieder aufhören. Hat ja dieses mal auch geklappt....

    Wenn man seine Sucht aber aufgearbeitet hat, wenn man dadurch nicht nur weiß warum man (höchstwahrscheinlich) getrunken hat sondern wenn man auch gelernt hat wie diese Sucht funktioniert, dann kann man seine Sucht auch überwinden. Und zwar so überwinden, dass man eben nicht jeden Tag auf's Neue kämpfen muss. Denn klar, kämpfe kann man führen und man kann sie auch gewinnen. Aber auf Dauer wird man auch mal einen verlieren - und das ist bei unserer Krankheit leider fatal.

    Mit Aufarbeiten meine ich eben auch, dass man sich bewusst darüber wird, wie sinnfrei dieser Alkohol eigentlich ist. Das man sich mal überlegt, welche Vorteile einem das trinken eingentlich gebracht hat und auch welche Nachteile. Dass man sich mal bewusst macht, dass der Mensch diesen Stoff absolut überhaupt nicht braucht um glücklich zu sein. Aufarbeiten ist für mich ein ganz tiefes auseinandersetzen mit sich selbst, mit der Sucht, mit dem eigenen Leben. Wer bin ich, wer will ich sein, wo will ich hin, was ist der Sinn meines Lebens?

    Es besteht sicher die Gefahr, dass Du das was ich hier jetzt schreibe als Gefasel und Geblubbere verstehst, aber das ist so nicht gemeint. Ich stehe ganz sicher mit beiden Beinen fest im Leben und bin kein Esoteriker o.Ä. - Aber diese Sinnfragen, dieses Eintauchen in mein eigenes Inneres, das war und ist für mich sehr sehr wichtig. Darüber wurde mir klar, was Alkohol bei mir eigentlich angerichtet hat. Das ich ja ewige Zeiten lang einfach nur fremdbestimmt war. Dass der Alkohol über die Jahre mein eigentliches ich erst verdrängt und nebenher auch noch verändert hat... Das habe ich alles mit mir machen lassen, das war meine eigenen Entscheidung! Weil ich getrunken habe, habe ich mein Leben und die Verantwortung dafür einfach aus der Hand gegeben.

    Wenn Du es schaffst Dir wirklich, aus tiefster Überzeugung heraus, bewusst zu werden, wie sinnfrei Alkohol eigentlich ist, dann wirst Du nicht mehr kämpfen müssen! Dann bist Du das los, was Dich im Moment noch so beschäftigt und Dir so viel Angst machst. Und ich meine halt, dass man das leichter mit Hilfe schaffen kann. Bei mir ging das durch ganz viele unterschiedliche Ebenen. Also, vom professionenellen Psychologen über SHG hin zu meinem besten Freund, der mir viel geholfen hat. Und natürlich der schon erwähnte Mönch. Und letztlich waren es immer "nur" die Gespräche, die Gedanken, die da dann ausgetauscht wurden. Und genau darüber entstand dann einfach ein Bewusstsein, eine Änderung meines Denkverhaltens, meiner typischen (nassen) Muster...

    Schwer zu erklären und jeder geht da andere Wege. Schreib hier, wann immer Dir danach ist. Ich denke, dass hilft Dir im Moment auch sehr. Und dann schau mer halt einfach mal, wohin Dein Weg führen wird! Kämpfe! - es lohnt sich, dass kann ich Dir versprechen.

    LG
    gerchla

  • Hallo Libelle,

    mit den Antworten von Gerchla und Greenfox hast Du schon reichlich etwas zum verarbeiten bekommen. Wobei ich selbst der Meinung bin, dass ich, egal ob bei guten Freunden oder Fremden, niemandem Rechenschaft dafür ablegen muss, wenn ich ganz einfach abstinent bevorzuge. ;)

    Bzgl. Deines Arztes könnte es auch sein, dass er Erfahrung im Umgang mit Suchtpatienten hat und deswegen nichts mehr zum angegebenen Konsum sagt, weil er weiß, wie wenig es nützt mit jemand darüber zu reden, solange die eigenen Einsicht fehlt.

    Zitat

    Ich hab ja schon geschrieben, dass mein schlimmstes Problem die Verharmlosung ist. Ich denke ja sowieso den ganzen Tag darüber nach und nicht selten hab ich die immer wieder kehrenden Gedanken: so schlimm war das doch gar nicht. Du übertreibst doch schon wieder maßlos. Das ist nur Kopfkino. Das war eine Ausnahme. Es ist dann natürlich Futter für mich, wenn das von außen bestätigt wird.

    Das ist übrigens der Knackpunkt, warum so viele wieder rückfällig werden: Das schlimme Erlebnis „Rückfall“ und wie elend es einem dabei ergangen ist, verblasst ziemlich schnell.
    Wir hatten in der Therapie das Thema „Wie motiviere ich mich in meiner Abstinenz“ und „Was schützt mich vor einem Rückfall“.
    Häufig kam da die Antwort: „Wenn ich zurück denke, wie schlecht es mir bei meinem letzten Rückfall ergangen ist und wie schlimm der Entzug war, dann werde ich bestimmt nicht mehr trinken.“
    Ich war dann so ehrlich zu sagen: „Ich habe vor und während meiner Rückfälle oft daran gedacht, wie schlimm es mir beim letzten Mal ergangen ist, aber vom Wiedertrinken hat mich das nie abgehalten. Euch … ?“
    Ich will damit sagen: Glücklicherweise ist es ja bei uns Menschen so, dass schlimme Erlebnisse relativ rasch „verblassen“. Als Alki fängt man dann auch schnell zu relativieren an. „Naja, ganz sooo schlimm war es dann auch nicht.“ Oder „diesmal wird’s bestimmt nicht mehr sooo schlimm werden.“
    Vielleicht hilft dann an dieser Stelle viel mehr die Zuwendung an das Jetzt und Heute?
    „Wie gut geht es mir Jetzt ohne Alkohol?“ – „Zu was Alles bin ich ohne Alkohol in der Lage, das ich mit Alkohol nie schaffen würde?“ – „Ich fühle mich Jetzt so gut, wie ich mich mit Alkohol nie fühlen könnte …“
    Damit wende ich mich aktiv meiner Abstinenz als Gewinn meiner Lebensqualität zu. Ich gewinne durch sie! Ist der Alkohol weg aus meinem Leben, ist das kein Verlust, sondern ein Gewinn.

  • Guten morgen!
    heute ist Sonntag und ich bin frisch und munter. Heute ist der 10. Tag, den ich nüchtern bin. Seit gestern geht es mir auch etwas besser.
    Ich habe nicht mit dieser massiven Anstrengung gerechnet, die ich aufbringen muss....Bzw. ich hatte es vergessen...(insofern stimmt es, was du schreibst Dietmar, ein schlechtes Erlebnis/die Erinnerung hält nicht allein davon ab, einen Rückfall zu haben).
    Ich war in der letzten Woche extrem schlecht drauf, nervös, müde und alles erschien sinnlos. Jetzt stiehlt sich schon der ein oder andere Sonnenstrahl in mein Leben und ich beginne die Klarheit zu genießen. Das Treffen mit dem Freund, der mit mir um die Häuser ziehen wollte, lief auch halbwegs gut ab. Komischerweise konnte ich es nicht gut haben, dass er anfangs versuchte, mir zu liebe nur alkoholfreies Bier zu trinken und dabei aber sehr unentspannt war. Ich hab ihn fast genötigt, das zu tun, was er möchte und er trank dann auch seinen Wein. Hätte er von sich aus nichts trinken wollen, wäre es etwas anderes gewesen, das hatte mich selbstverständlich gefreut. Ich muss mich ja eh damit abfinden, dass Alkohol nicht aus der Welt verschwindet und ich damit andauernd konfrontiert werde...Mir ist es lieber, wenn jeder das tut, was er für richtig hält. Wenn ich erst das Gefühl bekomme, dass wegen MIR jemand Verzicht übt, dann wird der nächste Schritt sein, dass ich ausgeschlossen werde. Das möchte ich nicht. Und ich muss zugeben, dass ich ja nicht anders war. Ich hab am liebsten meine Zeit mit Leuten verbracht, die es - wie ich - nicht schlimm fanden, wenn der Abend uU ausartet....Und auf jeden Fall konnte ich es nicht gut aushalten, wenn jemand nicht trank.
    Ich denke, ich werde in Zukunft selbst entscheiden, was ich ertragen kann und wann ich von einem Treffen, einer Party verschwinde; ab wann es mir zu bunt wird. Hab ich den Abend dann auch gemacht. Besagter Freund ist noch auf dem Kiez gezogen und hat bis in die Morgenstunden gefeiert und ich bin gegen Mitternacht nach Hause und war glücklich, dass ich es so geschafft habe und fand den Abend zwar extrem ungewohnt, aber ansonsten angenehm.
    Ich hab mich auch mal umgeschaut, was so getrunken wird und war schier verblüfft, dass es doch einige gibt, die in einer Kneipe Cola trinken (und wahrscheinlich keine trockenen Alkoholiker waren). Das wäre mir im Traum nicht eingefallen...
    Natürlich ist das häusliche Umfeld etwas anderes und hier fände ich es natürlich gut, wenn mein Partner mir zuliebe zumindest seinen Alkoholkonsum drastisch reduziert. Da stehen Auseinandersetzungen sicher noch an. Gerade haben wir das Wochenende getrennt voneinander verbracht, was mir echt richtig gut tut.
    Ich habe viel über das nachgedacht, was ihr geschrieben habt (und es mir vor allem in den Abendstunden, als es mir wirklich nicht sonderlich gut ging, immer wieder durchgelesen). Ich kann natürlich nicht alles aufschreiben, was es in mir ausgelöst hat (das wäre auch langweilig, aber es war viel), aber ich befürchte wirklich, dass der ehemalige Trinker sich verändern wird (und auch muss) und so wie ich mir die Freiheit herausnehmen möchte, mit den Situationen umzugehen, wie es mir gut tut und erträglich erscheint, muss ich das auch den anderen zugestehen.
    Es wird sicher nichts bleiben wie es war. Aber es muss ja nicht zwangsläufig schlechter werden.
    Ich habe es immer noch nicht geschafft eine SHG zu besuchen. Aber ich habe meinen Hausarzt angerufen und nächste Woche einen Telefontermin vereinbart. Das hab ich zu einem Zeitpunkt gemacht, als ich noch am Boden war und nicht wusste, wie ich es allein schaffen soll. Da ich mir nicht einbilde, dass die nächste Zeit rosig wird, nur weil heute mal endlich ein guter Tag ist, lass ich den Termin stehen. Im Moment würde ich es für mich schlau finden, eine Therapie zu beginnen und eben nicht mehr das Thema Alkohol verharmlosen....
    Ich wünsche allen ein wunderbares Wochenende! :)

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