Brauche mal einen Rat...

  • Hallo zusammen!
    Ich bräuchte ml einen erfahrenen "Rat" und habe mich deshalb an dieses Forum gewandt.
    Ich bin, was das Thema angeht, sehr unerfahren, habe allerdings eine Bekannten/guten Freund, der regelmäßig trinkt und um den ich mir Sorgen mache...bin mir einfach nicht sicher, ob das noch im "normalen" Bereich liegt.
    Er trinkt ausschließlich Bier, das allerdings fast täglich und dann gleich mehrere innerhalb kurzer Zeit (bis so ca. 8 Bier ist völlig "normal" bei ihm). Also er betrinkt sich jetzt nicht komplett, aber ich bemerke durchaus Verhaltensänderungen.
    Ich habe z.B. beobachtet, dass er ohne Alkohol meistens eher verschlossen, in sich gekehrt und fast melancholisch ist... je mehr er allerdings getrunken hat, desto offener, redseliger und lustiger wird er. Dafür genügen schon ca. 2 Bier.
    Ich weiß nun nicht, ob das noch im "gesunden Maße" ist (vermutlich nicht) und ob ich ihn da irgendwie ansprechen sollte/kann. Wir haben eigentlich ein sehr gutes Verhältnis und können über viele Dinge miteinander reden. Ich will ihn ja auch nicht "bekehren", sondern mache mir einfach nur Sorgen um ihn...will ihn aber natürlich auch nicht vor den Kopf stoßen...
    Ich freue mich über ein paar Tipps/Ratschläge!
    Viele Grüße
    Lara

  • Hallo Lara,

    ich würde schon sagen, wenn Alkohol zu einer Wesensänderung dauerhaft beiträgt, ist zumindest eine sehr starke Suchtgefährdung gegeben.
    Obwohl es nicht ausschließlich auf die Menge des konsumierten Alkohols ankommt, um letztlich süchtig zu sein, ist die von Dir angegebene Menge von locker mal 8 Bier (das entspricht 158,4 gr. reinem Alkohol. Die empfohlene unbedenklich Menge ist bei Männern 24 gr./Tag.) bereits mehr als nur grenzwertig, vor allem, wenn sie die Regel darstellt. Im „normalen Bereich“ jedenfalls liegt dieser Konsum nicht mehr.
    Wenn gleichzeitig dazu kommt, dass Dein Freund diese Menge relativ problemlos verträgt, also keine gravierende Ausfallerscheinungen hat, dann ist seine Alkoholtoleranz schon relativ hoch.

    Da Ihr gute Freunde seid, würde ich ihn in jedem Fall darauf ansprechen und meine Sorgen zum Ausdruck bringen.
    Sehr viele, spätere Alkoholiker sind so in die Sucht geschlittert.
    Allerdings kann man einem Süchtigen nicht helfen, wenn er keine Hilfe annehmen möchte.
    Aus Erfahrung kann ich sagen, dass gegen Ende meiner Alkoholikerkarriere jede direkte, konkrete Ansprache zu meinem Konsum ein Baustein war, um schließlich die Sucht zum Stillstand bringen zu können. Ziel ist es ja immer, dass sich Betroffene kritisch und weiterführend mit ihrem Konsum auseinandersetzen.

  • Vielen lieben Dank für die ausführliche Antwort! Ich denke, dass er möglichst bald handeln sollte, da es vielleicht JETZT noch nicht zu spät ist. Er trinkt auch nicht jeden Tag etwas, aber 4/5 mal pro Woche mindestens. Und dann eben gerne auch mehr als nur eins. Es ist eben auch die Frage, wie es weitergeht. Wenn er nichts ändert, wird sich das vermutlich im Laufe der Jahre immer weiter steigern.
    Ausfallerscheinungen hat er keine. Wenn man ihn nicht kennt, dann merkt man es ihm nicht einmal an, dass er etwas getrunken hat. Ich erkenne es halt an seinen Verhaltensänderungen. Ich habe fast das Gefühl, dass er ohne zeitweise richtig depressiv wirkt, je nachdem wie sein Tag so verlaufen ist.
    Ich werde dann auf jeden Fall in einer ruhigen Minute darauf ansprechen...allerdings wird er es mit Sicherheit zunächst abstreiten. Aber es wäre ja schon einmal etwas, wenn er wenigstens mal darüber nachdenken würde und sich mit seinem Problem auseinandersetzen würde. Das braucht sicherlich auch ein wenig Zeit.
    Und natürlich kann er jederzeit auf meine Unterstützung zählen!
    Viele Grüße, Lara

  • Hallo Lara,

    ich sollte noch dazu schreiben, dass Betroffene, die u. U. ihr Alkoholproblem zumindest schon erahnen, hervorragende Täuscher sind.
    Gerade, wenn Du Deinen ansprichst, und er das weit von sich weißt, hat das seine Gründe.

    Wenn Du schreibst, dass er bei der angesprochenen Menge keine Ausfallserscheinungen hat, ist das nicht wirklich gut. Es zeugt nur davon, dass er schon sehr an Alkohol gewöhnt ist.
    Die "depressive Stimmung" kann im Übrigen auch vom Alkoholkonsum kommen. Immer dann, wenn er nicht genügend konsumiert hat. (Hast Du ja auch ähnlich beschrieben.)

    Und ja, ich sehe bei diesem Konsum auch die große Gefahr, dass Dein Freund in die Sucht abrutscht - falls es nicht schon geschehen ist.
    Kaum vorstellbar, dass er tatsächlich an 4-5 Tagen in der Woche diese Menge konsumiert, und an den restlichen nicht entzügig ist.

  • Vielen Dank noch einmal für die Antwort!
    Ich habe mich wahrscheinlich etwas unklar ausgedrückt. An den "übrigen Tagen" trinkt er vermutlich durchaus eins/zwei "Feierabendbierchen" zu Hause, so wie viele andere Leute auch - zumindest hat sein Sohn mal solche Andeutungen gemacht. Aber an den übrigen Tagen - in Gesellschaft - trinkt er eben deutlich mehr.

    Ja und bezüglich der depressiven Stimmung frage ich mich oft, was wohl ZUERST da war, also ob seine depressive Stimmung letztlich zum Alkoholkonsum geführt hat oder ob er depressiv geworden ist aufgrund des Alkohols. Das kann ich leider nicht sagen, da ich ihn nur SO kenne und es natürlich auch ein bisschen gedauert hat, bis ich ihn "durchschaut" habe.
    Allerdings weiß ich, dass er nicht wirklich glücklich ist in seinem Leben - auch wenn er mich immer wieder vom Gegenteil überzeugen will... ich habe das Gefühl, er will es sich dadurch selber "einreden"...so viel zur "Selbsttäuschung"... von daher war meine erste Vermutung, dass es bei im eine Art "Flucht" ist... aber das ist auch nur eine Vermutung und dafür habe ich von der ganzen Thematik auch zu wenig Ahnung.
    Meine Befürchtung bleibt daher - wenn er an seinem nicht grundlegend etwas ändert bzw. sich seine Probleme nicht eingesteht, wird er es immer schwerer haben, den Absprung zu schaffen. Ich hoffe wirklich, dass ich ihm irgendwie eine Hilfe sein kann...

  • Hallo Lara,

    Zitat

    An den "übrigen Tagen" trinkt er vermutlich durchaus eins/zwei "Feierabendbierchen" zu Hause, so wie viele andere Leute auch - zumindest hat sein Sohn mal solche Andeutungen gemacht. Aber an den übrigen Tagen - in Gesellschaft - trinkt er eben deutlich mehr.

    Du weißt es nicht und sein Sohn weiß vermutlich nur, was er sieht.
    Als ich soweit war, dass ich mal flugs 8 Flaschen Bier in mich kippen konnte, natürlich ohne größere Ausfallerscheinungen, hätten mir 2 Bier als Nachtrunk am nächsten Tag nicht gereicht.

    Zitat

    Ja und bezüglich der depressiven Stimmung frage ich mich oft, was wohl ZUERST da war, also ob seine depressive Stimmung letztlich zum Alkoholkonsum geführt hat oder ob er depressiv geworden ist aufgrund des Alkohols.

    Da hast Du auf Anhieb eine schon sehr lange immer wieder diskutierte Frage angesprochen: Was war zuerst? Der Alkohol oder die Depression.
    Aus sehr langer Erfahrung mit Alkoholismus und dementsprechend natürlich auch durch das Miterleben des Suchtverlaufes bei vielen anderen Betroffenen, kann ich nur dazu feststellen: In sehr vielen Fällen verschwand die Depression binnen Kurzem, nachdem der Alkoholkonsum eingestellt, also die Sucht zum Stillstand gekommen ist.

    Zitat

    Allerdings weiß ich, dass er nicht wirklich glücklich ist in seinem Leben - auch wenn er mich immer wieder vom Gegenteil überzeugen will... ich habe das Gefühl, er will es sich dadurch selber "einreden"...so viel zur "Selbsttäuschung"... von daher war meine erste Vermutung, dass es bei im eine Art "Flucht" ist... aber das ist auch nur eine Vermutung und dafür habe ich von der ganzen Thematik auch zu wenig Ahnung.

    Sucht, egal mit welchem Suchtmittel praktiziert, ist immer eine Flucht aus der Realität. Die Betroffenen bekommen ihr Leben nicht mehr so auf Reihe, wie sie es sich wünschten, und sie meinen dann, mit Alkohol würde es besser funktionieren. Das ist natürlich eine fatale Selbsttäuschung, weil ihnen durch den Alkohol ihr Leben noch mehr entgleitet.

    Es gibt viele Auslöser, warum jemand mit dem Trinken beginnt.
    Stress bei der Arbeit und im Privaten, Konflikte, die Betroffene nicht regeln und nicht aushalten können, steter Ärger über Dies und Das, fehlende Konzepte zum Erreichen der eigenen Wunschziele.
    Und vieles andere mehr.

    Letztlich ist es egal, wie die Auslöser lauten. Durch den Alkoholkonsum werden sie aber durchweg größer, statt kleiner. Was dann wiederum zu einem erhöhten Konsum führt, bis der Betroffene in der Suchtspirale, die immer abwärts geht, drinsteckt.
    Es ist vermutlich sehr selten, dass sich eine Freundin so in die Problematik vertieft, wie Du es jetzt tust. Aber, Du musst auch höllisch auf Dich selbst aufpassen. Stichwort: Co-Abhängigkeit.
    Diese kann sich zumindest im Ansatz schon darin äußern, dass Du Dich nicht getraust das Thema offen bei Deinem Freund anzusprechen, aus Sorge, dass er dann z. B. die Freundschaft aufkündigt. Dass Du ihn dann quasi stillschweigend weitertrinken lässt.

    Zitat

    Meine Befürchtung bleibt daher - wenn er an seinem nicht grundlegend etwas ändert bzw. sich seine Probleme nicht eingesteht, wird er es immer schwerer haben, den Absprung zu schaffen.

    Das siehst Du sehr realistisch. Um aus dem Teufelskreis der Sucht herauszukommen, muss sich wirklich grundlegend im Leben des Betroffenen vieles ändern. Manche Unerfahrene meinen, es genüge einfach das Suchtmittel wegzulassen und alles wäre gut.
    Erfahrungsgemäß klappt das bei den Wenigstens.
    Die Leere, die das Weglassen des Alkohols hinterlässt, muss mit etwas Anderem, Sinnvollerem gefüllt werden. Zudem gehört eine Strategie dazu, um wirklich die Finger vom Stoff lassen zu können.

    Die meisten Betroffenen schaffen einen nachhaltigen Ausstieg nur über >stationäre Entgiftung >Therapie (ambulant oder stationär). Und nicht wenige habe die Erfahrung gemacht, dass ihnen auch die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe hilft, trocken zu bleiben.
    Zu Deinem Verständnis: Niemand säuft solche Mengen, weil er es für gut und richtig hält, oder gar aus Langeweile. Man weiß bis heute nicht, warum manche sehr schnell süchtig werden, während andere jahrelangen Missbrauch betreiben können und nicht süchtig werden.

    Aus medizinischer Sicht ist aber inzwischen klar: Alkohol greift unmittelbar in den Gehirnstoffwechsel ein und verändert ihn langfristig.
    Das sogenannte Belohnungszentrum, dass für unsere Glücks- und Zufriedenheitsgefühle zuständig ist, schüttet normalerweise bei Bedarf Botenstoffe, die Neurotransmitter, wie Dopamin, Nonadrenalin, Serotonin, β-Endorphin (siehe Die vier Botenstoffe für Glück) aus.
    Bei einem Alkoholiker ist dieses System langfristig gestört. Die Botenstoffe werden nicht mehr nach Bedarf produziert, sondern quasi auf Zuruf (Zufuhr) vom Alkohol erzeugt.
    Das Belohnungszentrum stellt dann irgendwann die eigene, natürliche Produktion der Botenstoffe ein und wartet auf die Zufuhr von Alkohol. (Sehr vereinfacht ausgedrückt!)
    Die Folge ist, dass Betroffene, um sich einigermaßen wohlzufühlen, stetigen Alkoholkonsum betreiben müssen.
    Auch sehr gut erforscht ist, dass die durchschnittliche Dauer einer totalen Entgiftung zwischen 7 und 10 Tage dauert. (Viele meinen auch heute noch, nach 3 Tagen wäre der Körper entgiftet. Tatsächlich aber sind Betroffene nach 3 Tagen das erste Mal wieder richtig nüchtern.)
    Wenn Du wirklich gut wissen möchtest, was Du für Deinen Freund tun kannst, dann würde ich Dir empfehlen zu einer Suchtberatungsstelle zu gehen und dort um ein Gespräch zu bitten.
    Bei der Caritas nennt sich das: Psychosoziale Beratungs-und Behandlungsstelle
    Für Suchtkranke/-gefährdete und Angehörige.
    Im konkreten, realen Gespräch mit einer Suchtberaterin kannst Du wahrscheinlich noch viel diffiziler auf Deine Sorgen eingehen und erhältst fachlicher Hand beste Ratschläge.

    Einmal editiert, zuletzt von Dietmar (19. März 2017 um 10:28)

  • Zitat

    Was war zuerst? Der Alkohol oder die Depression.


    Das lässt sich nur aber leicht feststellen, wenn man längere Zeit den Alk weg lässt.

    LG Gerd

  • Das mit den "Botenstoffen für Glück" habe ich nicht gewusst...aber das erklärt natürlich seine oft sehr in sich gekehrte, fast schon lethargische Stimmung.
    Wenn es jedoch auch Menschen gibt, die trotzjahrelangen Alkoholmissbrauchs NICHT abhängig werden, besteht ja zumindest ein wenig Hoffnung, dass er vielleicht dazugehören könnte - ich will das hier jetzt allerdings auch nicht "schönreden".
    Es erschreckt mich zu hören, dass es nicht viele Freunde gibt, die sich mit der Problematik auseinandersetzen. Aber ich kann und möchte nicht einfach die Augen verschließen und so tun, als würde ich es nicht wahrnehmen. Ich würde mir später immer Vorwürfe machen und empfinde es als selbstverständlich, dass ich mich sorge.
    Gerne würde ich auch ein paar konkrete Beispiele aufführen, mag das aber nicht in diesem öffentlichen Rahmen tun. Wahrscheinlich ist es wirklich das Beste, wenn ich mich mal an so eine Einrichtung wende. Ich werde mich diesbezüglich mal informieren!
    Vielen lieben Dank und herzliche Grüße, Lara

  • Hallo Lara,

    ich finde es gut, dass Du Deinen Freund auf seinen Konsum ansprechen willst/wirst. Es ist oft so, dass das Umfeld ganz klar mitbekommt das etwas nicht stimmt, sich aber nicht traut den Betroffenen anzusprechen. Dafür gibt es sicher unterschiedliche Gründe. Die reichen von "geht micht nichts an" bis "und wenn ich mich doch täusche?".

    Ich denke aber, wie Dietmar schon geschrieben hat, jedes Mal wenn ein Alkoholiker direkt angesprochen wird, wird ihm deutlich gemacht, dass er eben ein Problem hat. Meistens weiß er das ja selbst, verdrängt es aber oder redet es sich schön. Der Konsum, den Du von Deinem Freund beschreibst, ist auf jeden Fall weit jenseits des Normalen. Dazu möchte ich aus meiner eigenen Trinkergeschichte noch sagen, dass das Umfeld meist nur die Spitze des Eisbergs wahr nimmt. Ich beispielsweise trank nach außen hin quasi fast gar nichts. Mal ein Bier, mal ein Biermischgetränk. Meinen tatsächlich notwenigen Pegel trank ich heimlich.

    Du solltest darauf vorbereitet sein, dass er möglicherweise unerwartet reagiert. Evtl. wird er alles abstreiten, vielleicht reagiert er sogar aggressiv oder aber sehr verständnisvoll und bejahend, vielleicht auch jammernd und selbstmitleidig. Aber das ist eigentlich egal, es geht darum, dass Du ihm Deine Sicht der Dinge schilderst und er die Möglichkeit hat, vielleicht auch erst später wenn er Ruhe hat, darüber nachzudenken. Denn, wie von anderen schon geschrieben, "trockenlegen" kannst Du ihn nicht. Das muss er selbst wollen. Im übrigens glaube ich auch nicht, dass es etwas bringt wenn Du ihn künftig ständig und immer wieder ansprichst. Denn sollte er beim ersten Mal nicht einsichtig reagieren und eventuell auch gleich etwas unternehmen, dann wird er sich bei mehrmaligen Ansprachen von Dir missverstanden und genervt fühlen. Und sich evtl. sogar zurück ziehen.

    Aber bis dahin ist erst mal noch ein weiter Weg. Erst mal sehen wie er reagiert. Und Du hast Recht: Egal wie es ausgeht, Du brauchst Dir später auch keine Vorwürfe zu machen, dass Du nichts gesagt hat. Nur sei Dir auch im Klaren darüber, dass Du nicht für ihn verantwortlich bist und dass Du nicht die Macht hast ihn zur Abstinenz zu bringen. Du kannst aber den Anstoss geben und, falls er sich dafür entscheidet und falls er auch tatsächlich bereits süchtig ist, kannst Du ihn begleiten. Als ich aufgehört habe war mein bester Freund einer derjenigen, die mir mit am meisten geholfen hat. Einfach nur durch ganz viele wichtige und tiefe Gespräche. Die anders verliefen als z. B. diejenigen, die ich mit Psychologen geführt habe. Beides hat mir aber enorm geholfen meinen Weg zu finden.

    Ich wünsche Dir alles Gute, viel Glück bei Deinem Gespräch und ich freue mich, wieder von Dir zu lesen!

    LG
    gerchla

  • Liebe Lara,

    das mit den Botenstoffen, war nur ein relativ kleiner Teil von den Folgen, die Alkoholismus bewirkt. Man spricht dann auch von Komorbidität (Begleiterkrankungen, die dann aber bei längerem Alkoholismus eine völlig eigenständige Entwicklung haben.)

    Zitat

    Wenn es jedoch auch Menschen gibt, die trotzjahrelangen Alkoholmissbrauchs NICHT abhängig werden, besteht ja zumindest ein wenig Hoffnung, dass er vielleicht dazugehören könnte.

    Das gibt es tatsächlich, aber sehr, sehr selten. Ich muss vielleicht dazu schreiben, dass ich es so von Betroffenen gehört habe. Dabei war ich nicht, wenn sie mit dem Alkoholkonsum aufgehört habe, weiß also nicht, ob es tatsächlich keine Entzugssymptome gab. Aber, die Hoffnung darf m. E. immer da sein! ;)

    Zitat

    Es erschreckt mich zu hören, dass es nicht viele Freunde gibt, die sich mit der Problematik auseinandersetzen.

    Das ist doch meinst mit Krankheiten so. Man bedauert, hat Mitleid, auch echtes Mitgefühl, aber wirklich vertiefen möchte man seine Kenntnisse über die Krankheit, vor allem aber darüber, wie man „wirklich richtig“ helfen kann, eher weniger.
    Häufig ist’s auch so, dass das persönliche Umfeld eines Betroffenen seine Stimmung und Ausstrahlung schon deutlich wahrnimmt. Da ist dann oft die Befürchtung da, dass er – wie auch Gerchla schrieb - aggressiv wird, alles abstreitet, beleidigt ist, oder sich völlig zurück zieht.

    Zitat

    Ich würde mir später immer Vorwürfe machen und empfinde es als selbstverständlich, dass ich mich sorge.

    Das ehrt Dich sehr! Ich hoffe, Dein Freund weiß das zu schätzen!
    Es könnte auch so sein, wie es bei mir war, als mich ein sehr guter Freund angesprochen hat: Da ist bei mir ein Knoten geplatzt und ich konnte endlich meine Sucht schonungslos zugeben und darüber reden. Um dann anschließend alles weitere in die Wege zu leiten.
    Dieser Freund ist leider inzwischen verstorben und die Gespräche mit ihm, die weit in meine abstinente Zeit hinein reichten, fehlen mir manchmal schon.
    Im Übrigen stimme ich Gerchla auch darin zu: Selbst als ich mich zu meiner Sucht bekannt habe, sagte recht gute Bekannte, die mich häufig gesehen haben: "Das glaub ich jetzt nicht! Du und Alkoholiker, das kann nie und nimmer sein!"

    Zitat

    Gerne würde ich auch ein paar konkrete Beispiele aufführen, mag das aber nicht in diesem öffentlichen Rahmen tun.

    Vielleicht gibt es ja die Möglichkeit für den Admin (Greenfox) Dich für das Interne frei zu schalten?
    Ich finde jedenfalls, dass diese Möglichkeit gerade Angehörigen und Freunde, die sich so wie Du um ihre Freunde sorgen und kümmern und einen offenen Austausch über die Alkoholkrankheit suchen, gegeben sein sollte.

    Zitat

    Wahrscheinlich ist es wirklich das Beste, wenn ich mich mal an so eine Einrichtung wende. Ich werde mich diesbezüglich mal informieren!

    Das finde ich super! Es ist keine verlorene Zeit und Mühe, und sicher nutzt es Dir sehr viel auch für die Zukunft. Du wirst halt den allgegenwärtigen Alkoholkonsum nie wieder mit denselben, oft naiven Augen sehen können. ;)

  • Hallo Dietmar und gerchla!
    Vielen lieben Dank für die Mühe, die ihr euch gebt, um mir zu helfen!
    Den Gedanken "Das geht mich nichts an", den lasse ich nicht zu, denn in dem Moment, wo ich mich als richtigen Freund bezeichne, geht es mich auf jeden Fall etwas an, sonst wäre eine Freundschaft ja irgendwie sehr oberflächlich - Gleiches würde ich natürlich auch von meinen besten Freunden MIR gegenüber erwarten. Der andere Gedanke "Was ist, wenn ich mich doch täusche" beschäftigt mich sehr wohl, da ich mir noch immer nicht sicher bin, aber auch wirklich null Vorerfahrung zu diesem Thema habe. Ich habe beispielsweise auch gar nicht gewusst, dass es auch Menschen gibt, die in der "Öffentlichkeit" nicht trinken, sondern nur alleine. Inwiefern er ganz alleine etwas trinkt, weiß ich natürlich nicht -ich glaube aber eher nicht... außer zu Hause, wie schon erwähnt.
    Auf jeden Fall werde ich auf einen geeigneten Moment warten, das ist ja nichts, was man mal eben so nebenbei anspricht. So wie ich ihn kenne, gehe ich auch davon aus, dass er es abstreiten wird, aber vielleicht animiert es ihn dazu wenigstens darüber nachzudenken. Dass er aggressiv werden könnte schließe ich eigentlich aus.
    Schön zu hören gerchla, dass auch dir dein bester Freund zur Seite stand. Das macht mir Mut! So sollte das doch in so einem Fall auch sein. In einer Freundschaft miteinander lachen zu können und Spaß zu haben ist leicht - eine richtige Freundschaft zeigt sich jedoch erst, wenn man auch "unschöne" Momente/Zeiten miteinander erlebt und diese meistert. Und es freut mich, Dietmar, dass auch bei dir "der Knoten platzte" als ein Freund dich ansprach. Ich fürchte nur, dass er auch hier ein "Meister" im Verdrängen von Tatsachen ist und sich recht gut selbst belügen kann. Auch Emotionen zeigt er eigentlich nur selten.
    Müsste ich den Admin irgendwie kontaktieren, um für den internen Bereich freigeschaltet zu werden? Oder wie funktioniert das?
    Liebe Grüße und nochmals vielen Dank für eure Hilfe!
    Lara

  • Zitat

    Müsste ich den Admin irgendwie kontaktieren, um für den internen Bereich freigeschaltet zu werden? Oder wie funktioniert das?

    Ich gehe davon aus, dass Greenfox hier gewissenhaft mitliest und das Nötige, wenn möglich, veranlasst.

  • Hallo Lara,

    Zitat

    Ich habe beispielsweise auch gar nicht gewusst, dass es auch Menschen gibt, die in der "Öffentlichkeit" nicht trinken, sondern nur alleine. Inwiefern er ganz alleine etwas trinkt, weiß ich natürlich nicht -ich glaube aber eher nicht... außer zu Hause, wie schon erwähnt.

    Also, eigentlich ist es ja egal, Du wirst mit ihm sprechen und Du wirst sehen wie er reagiert. Und es ist gut, dass Du das machst.

    Trotzdem will ich Dir zu diesem Thema kurz von mir erzählen. Wie schon gesagt, ich trank heimlich. So sah bei mir ein Standard-Tag aus, mehrere Jahre lang und noch vor der Zeit, als ich dann auch schon morgens mit dem Trinken begann:

    Morgens in die Arbeit (nüchtern oder mit Restalkohol vom Vortag, je nach Pegel vom Vorabend) - Früher Nachmittag leichte Nervosität, Gedanken an Alkohol wurden stärker - Nachmittags der Gang in den Keller meiner Arbeitsstätte, denn dort hatte ich ein Alkohollager - Ein bis zwei Bier getrunken - Gegen 17 Uhr die Arbeit verlassen und zur S-Bahn - Vorher im Bahnhof 3 - 4 Dosen Billigbier gekauft - In der S-Bahn auf dem Weg nach Hause mindestens 2 dieser Biere getrunken (Fahrtzeit: 15 Minuten) - Dann von S-Bahn nach Hause gelaufen - die anderen 2 Biere getrunken (Laufweg: nochmal 15 Minuten) - Zuhause angekommen und für meine Familie vollkommen nüchtern erschienen!!!! Mal nachgerechnet: Da hatte ich schon mindestens 5 Bier inuts - Aber keiner hat's gemerkt.

    Ich will das jetzt hier nicht ausdehen, aber Du kannst Dir denken, dass der Abend entsprechend weiter ging. Da trank ich dann zum Essen vielleicht so 1 bis maximal 2 Mal pro Woche ein offizielles Feierabendbier und der "Rest" wurde dann ebenfalls geheim gekippt. Was an einem normalen Abend sicher mindestens nochmal 5 Bier waren, ggf. auch mehr oder mal noch Wein dazu. Alles heimlich getrunken und alle Flaschen auch heimlich entsorgt. Das ging - frage mich nicht wie. Meine Ex-Frau hat mir versichert nichts bemerkt zu haben.

    D. h. sie hat etwas bemerkt, nämlich das ich mich verändere bzw. verändert habe. Dass unsere Ehe den Bach runter geht usw usf. Aber sie hat nicht an Alkohol gedacht. Du bemerkst bei Deinem Freund auch etwas. Bist Dir jetzt unsicher ob Du nicht überreagierst, ob Du Dich nicht täuschen könntest. Ist egal: Wenn er ein guter Freund ist und tatäschlich kein Problem hat (was bei Deiner Beschreibung eher unwahrscheinlich ist), dann wird Dir trotzdem dankbar sein, dass Du ihm das gesagt hast. Er wird Dir nicht böse sein, warum sollte er. Du machst Dir sorgen und willst helfen. Schön so jemanden an seiner Seite zu haben!

    Zitat

    Ich fürchte nur, dass er auch hier ein "Meister" im Verdrängen von Tatsachen ist und sich recht gut selbst belügen kann.

    Warte es ab. Und wenn es so kommt, dann hast Du Deines dazu beigetragen, dass er sich seiner Krankheit bewusst wird. Wie schon gesagt, ich denke nicht, dass es dann was bringt, wenn Du ihn wöchtenlich erneut ansprichst. Aber Du kannst ihn im Auge behalten und vielleicht zu gegebener Zeit oder zu einem bestimmten Anlass mal wieder etwas sagen. Da musst Du jetzt einfach auch mal abwarten was von ihm kommt.

    Zitat


    Müsste ich den Admin irgendwie kontaktieren, um für den internen Bereich freigeschaltet zu werden? Oder wie funktioniert das?

    Ich wurde damals "einfach so" freigeschalten. Ich denke er ließt ja hier auch mit. Aber Du kannst ihm ja auch einfach mal schreiben.

    Bis bald mal

    LG
    gerchla

  • Ich gehe davon aus, dass Greenfox hier gewissenhaft mitliest und das Nötige, wenn möglich, veranlasst.

    Alles gut. Ich habe Lara frei geschaltet und ihr Bescheid gegeben. ;)

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Super, Betty! :)
    Es ist gut, dass hier eine aufmerksame Moderatorin und ein Admin ist!! 44.

  • Es ist gut, dass hier eine aufmerksame Moderatorin und ein Admin ist!! 44.

    Ja, soetwas nennt man "Team" - wir haben übrigens 2 (aktive) Admins und 3 Mods ... :D

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Zitat

    Ja, soetwas nennt man "Team" - wir haben übrigens 2 (aktive) Admins und 3 Mods ... :D

    Genau :) ;) 44.

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Liebe Lara,

    ich verstehe Deine Besorgnis, dass Du Sorge hast hier im Forum erkannt zu werden und ggf. sogar Dein Freund hier mit liest. Letzteres wäre sogar ein gutes Zeichen, weil er sich dann selbst schon Gedanken über seinen Konsum macht.

    Dein Anliegen und Deine Sorge um ihn sind nicht nur absolut legitim, sondern darüber hinaus ein Zeichen von echter Freundschaft. (Sonst wäre Dir das ja egal!)
    Und ja, noch mal: Ich denke, dass genau diese Art von Thread in den öffentlichen Bereich gehört, weil bestimmt nicht wenige Angehörige und Freunde von Betroffenen hier mitlesen und für sich aus solchen Beiträgen die notwendigen Schritte ableiten können.

    Natürlich ist die erreichte Toleranz gegenüber der Wirkung von Alkohol, die ein Betroffener erreicht, wenn er regelmäßig Alkohol trinkt, schon ein deutliches Zeichen, dass er zumindest extrem in Gefahr ist, süchtig zu werden.
    Das muss man auch ganz sachlich sehen: 12 Bier sind ca. 240 gr. reiner Alkohol. Also das 6-fache der gerade noch als unbedenklich angesehene Maß für einen Mann. (Bei Frauen deutlich weniger.) Würde ein ansonsten gelegentlicher „Normalkonsument“ diese Menge konsumieren, wäre er stockbetrunken.

    Um Dir das noch zusätzlich zu verdeutlichen: Ich gehe von einer Größe von 180 cm und einem Gewicht um die 75 kg aus. Zudem davon, dass über den Tag auf 8 Std. verteilt gleichmäßig getrunken wird. Dann hat Dein Freund nach diesen 8 Std. einen Promillewert von 2,3 ‰ erreicht. (Zwischendurch ist dieser dann deutlich höher!)
    In diesem Zustand würdest Du mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der Intensivstation landen.
    Dass Dein Freund am nächsten Tag „nur“ 2 Bier und ein Radler in Deiner Gegenwart getrunken hat, zeigt nicht, dass er auch weniger trinken kann. Es zeigt vielmehr, dass er nach der vorherigen schweren Alkohol-Intoxikation (bei 240 gr. + ist das schon eine richtig schwere Vergiftung) Alkohol benötigt um seine Spiegel aufrechtzuerhalten und Entzugssymptome zu verhindern.

    Ich denke, dass Dein Freund annähernd dieselbe Menge jeden Tag benötigt um zu „funktionieren“ und durch Entzugssymptome nicht aufzufallen.

    Wenn Du ihn doch relativ regelmäßig siehst, warum konntest Du dann nicht Deine Sorgen ansprechen? So ganz verstehe ich Dein Problem damit nicht. Wovor hast Du denn konkret Angst?
    Niemand kann in der Suchtproblematik wirklich helfen, wenn man schweigt und so tut, als wäre Alles in Ordnung, oder gar, die Problematik würde sich von alleine in Luft auflösen.
    Dadurch wird tatsächlich sogar die Sucht verlängert! Und Du selbst näherst Dich mit diesem (schweigenden) Verhalten immer mehr einer >Co-Abhängigkeit. (google mal!)

    Bei vielen Alkoholabhängigen ist es leider so, dass sie um sich herum das ideale Umfeld zum Weitertrinken geschaffen haben. Solange dieses Umfeld ihren hohen Konsum akzeptiert und schweigt, gibt es keinen Anlass sich selbst darüber Gedanken zu machen.
    Erst die vielen „Anstupser“, deutliche Abgrenzung zum Konsum, das „Aufdecken“ der Sucht, indem man nicht mehr so tut, als wäre das Alles noch „normal“, bewegt Betroffene dazu irgendwann etwas zu unternehmen, um ihre Sucht zum Stillstand bringen zu können.
    Leider sind auch häufig sehr gravierende Konsequenzen, sei es am Arbeitsplatz, in der Partnerschaft, Verlust des Führerscheins usw., notwendig um ein Umdenken zustande zu bringen.

    Vielleicht kannst Du ja auch mal mit seiner Frau reden und Ihr macht zusammen einen Plan, wie Ihr Eure Sorgen Deinem Freund nahe bringen könnt?
    Du wolltest ja zudem auch mal eine Suchtberatungsstelle aufsuchen um im direkten, persönlichen Gespräch Deine weitere Vorgehensweise erörtern zu können. Was ist denn daraus geworden?

    Lieben Gruß
    Dietmar

  • Das muss man auch ganz sachlich sehen: 12 Bier sind ca. 240 gr. reiner Alkohol. Also das 6-fache der gerade noch als unbedenklich angesehene Maß für einen Mann. (Bei Frauen deutlich weniger.) Würde ein ansonsten gelegentlicher „Normalkonsument“ diese Menge konsumieren, wäre er stockbetrunken.

    Um es vielleicht auch mal für alle, die meinen, ja "nur" Wein/Bier zu trinken/getrunken zu haben, mal ein kleines Beispiel:

    Alkoholmenge in Gramm
    - Menge des Getränks in ml
    - Alkoholgehalt in Volumenprozent (Vol-%)
    - spezifisches Gewicht von Alkohol (0,8 g/cm³)

    Formel zur Berechnung Gramm reiner Alkohol: Menge in ml x (Vol-%/100) x 0,8

    Beispiele:
    1 Flasche Bier (500 ml, 5,0 Vol-%): 500 ml x (5,0/100) x 0,8 = 20 g Alkohol
    1 Flasche Wein (700 ml, 11 Vol-%): 700 ml x (11,0/100) x 0,8 = 61,6 g Alkohol
    1 Flasche Schnaps (700 ml, 38 Vol-%): 700 ml x (38,0/100) x 0,8 = 212,8 g Alkohol

    Es entsprechen also ca.

    10 Flaschen Bier = 3,5 Flaschen Wein = 1 Flasche Schnaps

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!