Angehörige informieren oder einfach sagen....

  • Hallo,
    mit meinem letzten Beitrag, habe ich einige dinge für mich erkennen können und habe nun weitere fragen...
    Mich würde Interessieren wie eurer meinung nach der beste weg ist angehörige über das Problem Alkoholsucht zu informieren.
    Hat damit jemand erfahrung, oder gute ideen?
    Ich frage deshalb weil ich genau vor so einer Situation stehe und es doch etwas unbehaglich ist.
    Klar ist vermutlich ein einfacher weg alles seinen lauf nehmen zu lassen und irgendwann ist es dann einfach offensichtlich,
    und da es einem ja sooo schlecht geht ist dann das mitgefühl sicher, und es kommt nicht zu unangenehmen vorwürfen oder fragen...
    Aber hand aufs herz, dass ist doch ne hintertür die man nutzt um nicht zu sich und seinem problem stehen zu müssen oder?
    Ich will natürlich nicht von mir auf andere schließen, aber ich habe gedanken im kopf wie: Wenn es mir mal wieder richtig beschissen geht werden sie es ohnehinn bemerken,
    und dann ist es ja auch kein problem es offenzulegen, weil dann mehr mitgefühl da ist...
    Ich hoffe ihr wisst was ich meine.
    Gibt es hier leute die von sich aus den entschluss gefasst haben es ihren angehörigen zu sagen?
    Und wie lief dass ab?
    Vielen Dank

  • Hallo Nick,

    ich sag' Dir einfach mal wie ich es gemacht habe:

    Ich habe nachmittags mein letztes Bier getrunken und abends meiner Familie erzählt was los ist, also erst mal meiner Frau, dann meinem damals fast schon erwachsenen Sohn. Meine Tochter war noch kleiner, da haben wir beschlossen erst mal mit einem Psychologen zu sprechen. Am Tag 2 bin ich abends in eine SHG und habe dort natürlich auch offen gesprochen. Dann habe ich innerhalb weniger Tage (ganz genau weiß ich es jetzt auch nicht mehr) meine Geschwister und meine Eltern informiert. Etwas später dann noch meinen besten Freund und noch etwas später weitere enge Freunde. Ich habe Anfang Dezember aufgehört mit dem Trinken, bis Weihnachten wussten alle Bescheid die mir nahe standen.

    Also, ich war ja Heimlichtrinker und es scheint, dass ich darin wirklich gut war. Oft wird ja berichtet dass alle bereits wissen das man trinkt aber keiner sagt einem was. Bei mir war das wohl nicht so, denn ausnahmslos alle sind aus den Wolken gefallen, konnten es nicht glauben und haben dann im Nachhinein aber Dinge verstanden, die sie sich vorher nicht erklären konnten.

    Du kannst mir glauben, dass diese Gespräche - vor allem mit meiner Frau, meinen Kindern, meinen Eltern und meinen Geschwistern sehr sehr schwer für mich waren. Ich möchte sagen, dass ich mich dabei fürchterlich gefühlt habe und dass ich dabei aber auch wirklich reinen Tisch gemacht habe. Viele Dinge, die ich in meiner Säuferzeit heimlich fabriziert habe, musste ich dabei offen legen. Die Lebensversicherung versoffen, den Sparvertrag gibt es nicht mehr usw. usf. und noch viele andere Dinge die ich jetzt hier nicht weiter ausführen möchte.

    Aber ich will Dir sagen, dass ich von dem Moment an, an dem mir klar war, dass ich nicht mehr trinken will und werde, wusste, dass ich allen reinen Wein ( ;) ) einschenken werde und einschenken muss. Denn weiter irgendwas verheimlich kam für mich nicht mehr in Frage. Alles musste auf den Tisch und ich wollte neu anfangen. Ohne Alkohol, ein neues Leben beginnen. Lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende. Ich konnte auch nicht mehr, ich war psychisch tot!

    Ich wollte das mein Umfeld Bescheid weiß, weil ich viele Jahre lang immer wieder versucht hatte heimlich mit dem Trinken aufzuhören. Also quasi: Heimlich getrunken und auch heimlich aufhören, dann kann man seine weise Weste behalten. Das hat selbstverständlich nie funktioniert - es wurden immer Trinkpausen und ich konnte immer bequem in mein altes Muster zurück. Denn niemand wusste ja, dass ich ein Problem habe, alles prima, wenn der Suchtteufel mich überzeugt hatte, dass ich mir mal wieder was gönnen kann, dann konnte ich das, ohne dass ich Angst haben musste, dass jemand aus meinem Umfeld mit wachem Auge auf mich schaut. Wenn man sich geoutet hat, dann ist das anders!

    Das Umfeld weiß Bescheid und merkt, wenn man heimlich konsumiert. Zumindest schneller als wenn sie keine Ahnung haben. Das Umfeld kann aber auch Unterstützen und Helfen, so war das bei mir. Viele Gesrpäche mit meinem alten Freund. Er hat mir sehr geholfen.

    Deswegen bin jemand der sagt: Karten auf den Tisch, wenn Du es ernst meinst! Das bedeutet nicht, dass Du es jeden und überall erzählen musst. Es kann auch kontraproduktiv sein, z. B. in der Arbeit. Da muss man abwägen ob es gut ist oder nicht. Das kann ich aber aus der Ferne nicht beurteilen.

    Heute weiß mein erweitertes Umfeld bescheid. Z. B. die Nachbarschaft usw. Aber nicht alle mit denen ich so zu tun habe. Aber alle wissen, das ich der bin, der keinen Alkohol trinkt und für keinen (soweit ich das beurteilen kann) ist das in irgendeiner Form ein Problem.

    LG
    gerchla


  • Deswegen bin jemand der sagt: Karten auf den Tisch, wenn Du es ernst meinst! Das bedeutet nicht, dass Du es jeden und überall erzählen musst. Es kann auch kontraproduktiv sein, z. B. in der Arbeit. Da muss man abwägen ob es gut ist oder nicht. Das kann ich aber aus der Ferne nicht beurteilen.

    Heute weiß mein erweitertes Umfeld bescheid. Z. B. die Nachbarschaft usw. Aber nicht alle mit denen ich so zu tun habe. Aber alle wissen, das ich der bin, der keinen Alkohol trinkt und für keinen (soweit ich das beurteilen kann) ist das in irgendeiner Form ein Problem.

    44.

    Dem kann ich nix hinzufügen!
    (Übrigens: Bei MIR wusste mein Umfeld von meinem Problem und war über mein Outing nicht überrascht - was MICH überraschte. Dachte, ich habe es perfekt vertuscht ...)

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Gottseidank hab ich keine Verwandtschaft mehr, der ich es beichten müsste... Mein Partner ist trockener Alkoholiker, dem hab ich von Anfang an reinen Wein eingeschenkt (oder lieber Cola light..) und vice versa. Mit vielen meiner früheren Bekannten hab ich gebrochen oder die Freundschaft auslaufen lassen - nicht wegen meines Alkoholkonsums (also nicht mehrheitlich - es haben mich "Freunde" fallen lassen wie eine heisse Kartoffel, als ich mich im Suff mal daneben benommen habe) - sondern vor allem, weil ich am 24.12.2014 wirklich ein neues Leben anfangen wollte - auf verschiedenen Ebenen. Mein jetziger Freundeskreis weiss Bescheid - die Leute habe ich teilweise aus der Burn out Reha, wo man ja die Karten bekanntlich auf den Tisch legt. Es ist mir ein bissl peinlich, dass mich meine engste Freundin gestern das erste Mal in "voller Blüte" erwischt hat.. Wenn mich jemand fragt, warum ich nicht mehr mein obligates Bier trinke (denn gesoffen hab ich nie in Gesellschaft, immer nur allein daheim - oder im Büro..), erzähl ich von Antidepressiva, deren Konsumation zusammen mit Alkohol kontraproduktiv wäre (ist auch keine Lüge; mein Psychiater hat mich explizit darauf hingewiesen - obwohl er keine Ahnung von meinem Alkoholmissbrauch hat)

  • Hallo Katanka!

    Wen man alles einweiht, ist jedem selbst überlassen. Es gibt Herrschaften, die mit ihrer Krankheit völlig offen umgehen.

    Ich halte es so, wie es mir mein ehemaliger Therapeut geraten hat: Die Leute, die ich einweihe, suche ich mir selbst aus. Der Kreis ist sehr überschaubar.

    Fragt jemand, den meine Krankengeschichte nichts angeht, so bekommt er die wahrheitsgemäße Antwort: "Der Alkohol bekommt mir nicht mehr." Weiter gehe ich darauf nicht ein. Damit ist dann das Thema für mich erledigt.

    Mit dieser Vorgehensweise bin ich die vergangenen mehr als 2 Jahre gut gefahren. Daher sehe ich keinen Änderungsbedarf.

    Gruß
    Rekonvaleszent.

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