Kann man Alkoholismus/Abhängigkeit als "Schmuh" bezeichnen

  • Das verstehe ich jetzt nicht. Wie kann Dein Weg, den Du für Dich gehst, Gehirnwäsche sein?

    Nur soviel: es wurde geschrieben, dass die Menschen in SHG einer Gehirnwäsche unterzogen werden, wamit sie daraun "glauben", für immer abhängig zu sein ...

    So, für MICH ist die Diskussion hier (in diesem Thread) beendet - ich habe meine Meinung geschrieben und bevor ich mich weiter echauffiere ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Also, Verzeihung, aber irgendwie kommt mir das Ganze jetzt allmählich lächerlich vor.

    Das ist ein Diskussionsforum, oder?

    Wir scheinen und einig zu sein, dass es sehr individuelle Weg in die Sucht und aus der Sucht heraus gibt, oder?

    Es sind dann ganz, ganz alte, unglaublich erfahrene Betragsschreiber dabei, die ... beim besten Willen, ich kann das nicht anders sehen ... das gleiche sind, wie die anderen User hier: Alkoholiker, die keinen Alkohol mehr konsumieren.
    Da kann einer 35 Jahre Sucht studiert haben, ein anderer, der auch nicht mehr Alkohol konsumiert, ist genauso weit wie jeder andere.

    Ist doch toll, dass es so viele verschiedene Wege und Möglichkeiten gibt! Wenn's schee macht ....

    Die Aussage, zu glauben, man wäre von etwas abhängig, das man gar nicht mehr (zum leben) braucht, ist ... hm, bei näherer Betrachtung etwas konfus.
    Abhängig, im klassischen Sinn ist doch nur jemand, der etwas (vielleicht sogar nur meint) zum Leben braucht. Wenn er den Stoff nicht mehr braucht, dann ist er davon nicht mehr abhängig.
    Was ganz anderes ist, dass eine Suchtveranlagung fortwährend im Betroffenen schlummert, und ggf. beim kleinsten Kontakt mit dem Stoff wieder ausbricht.

    Meine Herrn, warum nur ist es so schwer die Erfahrungen anderer einfach so stehen zu lassen, wie sie gemacht worden sind?
    Da wird dann gleich mit Konsequenzen gedroht: Der eine schreibt, dass er zwar eine eigenen Meinung hat, aber die aufgrund ... was auch immer ... nicht kundtun wird.
    Der nächste will sich nicht "echauffieren" - soll wohl heißen aus der Haut fahren.
    Und wieder einer, der holt den ganz großen Hammer raus, und stellt demnächst Referenzen hier rein.

    Und ich schreib jetzt einfach: Das ist mir echt zu blöd!

  • Leute, nu mal Butter bei die Fische.

    Neulich hat jemand gebeten, doch alle persönlichen Eitelkeiten zurückzustellen - und das fand ich sehr treffend formuliert. Es geht doch hier gar nicht darum, wer Recht hat, wer es besser oder richtiger macht, das ist doch alles kein Wettbewerb. Es geht doch darum, dass wir uns gegenseitig helfen, Mut machen und Hilfe zur Selbsthilfe geben. Dass wir uns konstruktiv austauschen, von unseren Erfahrungen reden und uns stärken.

    Bleibt doch ruhig, das schaukelt sich hier manchmal so schnell auf und im Prinzip bringt es niemandem etwas, außer dass alle möglichen Leute einen hohen Blutdruck bekommen. Wofür? Wir brauchen doch alle unsere Energie für unsere Genesung, nicht wahr?

    So und jetzt verziehe ich mich schleunigst wieder aus der Arena, bevor es Steine auf mich hagelt. ;D

    Vor dem Abschicken atme ich mal gaaaaaaaaaaaaaanz tief durch. ;)

    Pinguin

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Guten Tag in die Runde

    Was ich absolut nicht verstehe ist, warum kann man nicht die verschiedenen Ansätze neben sich stehen lassen und akzeptieren? Jeder einzelne hier ist doch in erster Linie froh, es aus der Sucht geschafft zu haben. Das sollte doch die Hauptsache sein. Oder ist die "Trockenheit" (oder von mir aus das Wenig-Trinken bei denen, die trotzdem ab und zu Alkohol zu sich nehmen) oder das suchtfreie Leben von einigen als besser zu bewerten, weil sie es nach Methode xy geschafft haben?

    Es gibt von total Abstinenten bis zu Leuten, die es schaffen wieder "normal" zu Trinken alle Arten von Schattierungen. Und nicht nur Schwarz und Weiss. Die ganz Abstinenten sind nicht zu belächeln und die Existenz von wieder "normal oder kontrolliert-Trinkern" nicht abzustreiten.

    Viele Alkoholiker tauchen ausserdem auch nie in irgendeiner Statistik auf, weil diese weder in eine Klinik gehen noch in eine SHG oder in ein Internetforum.

    Und es gibt nebst dem Ansatz, nie wieder Alkohol zu sich zu nehmen auch Ansätze, wo die Betroffenen trotzdem jeden Tag trinken. Also eigentlich immer noch Alkoholiker sind, aber die Menge ist nicht mehr so dramatisch, so dass mit medizinischer Begleitung trotzdem ein normales Leben möglich ist. Klar könnte man sagen, das ist Nichts, der einzig richtige Weg ist die Abstinenz. Aber wie wär es mit etwas Pragatismus in dieser Hinsicht? Nicht jeder kann/will diesen Weg bestreiten. Ich kenn mich nicht aus - wie z.B. Greenfox - in der Welt der Enzugskliniken mit immer denselben Süchtigen, die es nie lange schaffen. Aber gerade für so Leute wäre das doch ein besserer Weg, als immer wieder in den totalen Absturz zu rutschen. Dasselbe wird auch schwerst Heroinabhängingen angeboten. In der Schweiz gibt es für schwere Fälle staatlich verschriebenes Heroin (ich mein jetzt nicht Methadon), damit trotzdem ein würdiges Leben gelebt werden kann. Das sind natürlich Ausnahmen. Ich hab dieses Beispiel einfach genommen um zu sagen, es gibt nie immer nur eine Lösung, und sicher nie eine die für alle passt.

    @ gamma draconis
    Du schreibst, nur 1% schaffen es aus der Sucht langfristig. Woher hast du diese Zahl? Was ist mit all den Menschen, die es einfach so geschafft haben, und nie in irgendeiner Statistik auftauchen? Gibt es die in deiner Wahrnehmung einfach nicht? Und du schreibst hier einem seit 20 jahren Trockenem (ich glaube es war Dietmar), das sei mal ein guter Anfang. Um im gleichen Absatz zu erzählen, ein Bekannter von dir hat nach 23 Jahren einen Rückfall gehabt. Sorry, aber das finde ich nicht die feine Art. 20 Jahre sind nicht ein guter Anfang! 20 Jahre sind 20 Jahre ein alkoholfreies Leben geführt zu haben. Das ist fantastisch. Und so einem Menschen sollte man gratulieren und nicht so tun, als ob er mit seiner Einstellung (die nicht genau die gleiche ist, wie du sie hast) auf dem Holzweg ist.

    @Dietmar
    Der Ton hat sich u.a. auch verschäft, weil teilweise persönliche ungelöste Differenzen zwischen verschiedenen Schreibern an die Oberfläche kommen.

    Für mich persönlich kann ich sagen, dass ich mit meinem Weg auch gut fahre. V.a. habe ich keine Angst, wieder Rückfällig zu werden, auch wenn es in meinem nahen Umfeld (also ein paar Meter neben mir ;-)) immer Alkohol hätte. Aber das ist kein Problem. Ich könnte an das Oktoberfest an den Zapfhahnen zum arbeiten gehen, auch das würde mir nichts ausmachen. Denn ich seh das Problem in mir, bei mir, und nicht in der Substanz Alkohol. Was mich davon abhält ist das Wissen, das mein Leben 100% schöner ist so, und die schlimmen Erinnerungen an diese Zeit.

    Liebe Grüsse
    Mira

    Edit/PS: Und ja, m.M.n. darf man es als Schmuh bezeichnen, um die Eingangsfrage zu beantworten.

  • LOL Dietmar! ;D

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Klasse Beitrag von Mira! 44.

    Das schreibe ich nicht, weil sie mich darin erwähnt, sondern, sondern, weil es genauso meine Denke ist.

    Ich kenne auch Menschen, die schaffen es einfach nicht, sich völlig von der Sucht zu lösen.
    In einem anderen Thread hier, habe ich Aniza geschrieben, dass der tiefste Punkt bei jedem anders ist.
    ich war auch schon oft dabei, wenn sich Selbsthilfegruppen in Kliniken vorgestellt haben.
    Ich halte das für gut, und ich habe hohen Respekt vor den Leuten, die das teils schon viele Jahre machen, um anderen zu helfen.

    Andererseits ist mir schon klar, dass man einfach nicht jeden damit erreichen kann.
    Vor einigen Jahren stellte sich ein Ehepaar von einer SHG vor. Er "schwandronierte" regelrecht damit, was er durch den Alkohol alles verloren hatte, bis ihm eine Umkehr möglich war.
    Neben mir saß einer, den ich privat und beruflich sehr gut kenne: Der hatte mal eine Sanitärfirma mit 250 Leuten, mehrere Wohnblöcke! in Vermietung, Autos, dass er extra 5 Hallen dafür brauchte, usw. ...
    Alles futsch.
    Als der die Story des SHG Leiters hörte, grinste er nur müde und murmelte mir zu: "Was meinst Du, gehen wir anschließend einen saufen?"

    In einer von mir sehr geschätzten Entzugsklinik wird seit ca. 5 Jahren ein neuer Weg gegangen.
    Das Ziel ist, die Zeit zwischen den Rückfällen zu verlängern.
    Orginalzitat des mehr als 40 Jahren erfahrenen Oberarztes: Alkoholismus ist eine Rückfallkrankheit.

    Das ist nicht als Verharmlosung zu verstehen. Sondern als deutliche Stellungsnahme dazu, wie die Sucht leider nun einmal realistisch funktioniert.
    "Wir müssen versuchen, die Lebensqualität von Alkoholikern, die es einfach nicht schaffen, mit dem Trinken aufzuhören, zu verbessern."

    Ich schreibe dazu jetzt extra: Das hat nichts mit KT zu tun!

    Ich selbst habe bei recht vielen Abhängigen erlebt, dass allein schon das Angebot "bei einem Rückfall jederzeit herzlich willkommen zu sein", es ihnen ermöglicht hat, ihre Rückfallzeit deutlich zu verkürzen.
    Das macht schon einen Unterschied. Ob da einer kommt, der x-Wochen gesoffen hat, oder ob er bereits nach 14 Tagen eintrudelt.

  • [...]
    Du schreibst, nur 1% schaffen es aus der Sucht langfristig. Woher hast du diese Zahl? Was ist mit all den Menschen, die es einfach so geschafft haben, und nie in irgendeiner Statistik auftauchen? Gibt es die in deiner Wahrnehmung einfach nicht?[...]

    Die Zahl habe ich von der leitenden Psychologin der Suchtstation in der Nervenklinik Köthenwald. Ich bin ziemlich sicher, daß diese Frau gut informiert ist und weiß, wovon sie spricht. In bin auch ziemlich sicher, daß die eventuell existieren Menschen, die es einfach so geschafft haben, in den Angaben mit berücksichtigt werden.

    [...]Und du schreibst hier einem seit 20 jahren Trockenem (ich glaube es war Dietmar), das sei mal ein guter Anfang. Um im gleichen Absatz zu erzählen, ein Bekannter von dir hat nach 23 Jahren einen Rückfall gehabt. Sorry, aber das finde ich nicht die feine Art. 20 Jahre sind nicht ein guter Anfang! 20 Jahre sind 20 Jahre ein alkoholfreies Leben geführt zu haben. Das ist fantastisch. Und so einem Menschen sollte man gratulieren und nicht so tun, als ob er mit seiner Einstellung (die nicht genau die gleiche ist, wie du sie hast) auf dem Holzweg ist.

    Siehst du, genau weil ich jemanden persönlich kenne, der wegen des Holzweges nach 23 Jahren rückfällig wurde, darum sind 20 Jahre ein guter Anfang. Da Alkoholismus nicht geheilt, sondern nur zum Stillstand gebracht werden kann, da bleibt es auch immer nur ein guter Anfang. Ob der Weg endgültig funktioniert hat weiß man erst, wenn der Deckel über dem Betroffenen geschlossen wird.

    Und da die angesprochene Person gegen alle Erfahrungen und Ratschläge von Betroffenen wie Professionellen meint, es anders machen zu müssen, darum ist es für mich ein Holzweg und speziell auch deswegen nur ein Anfang. Ich habe in den Jahren, die ich jetzt bei AA und anderen SHGs verbracht habe, eine Menge Menschen erlebt, die meinten, bei ihnen wäre es aber anders und deswegen gingen sie ein anderen Weg als den, den sehr viel Erfahrene und Professionelle empfehlen. Der nach 23 Jahren Rückfällige hat selbst gesagt, daß es er auch besser zu wissen glaubte und deshalb auch die Schnauze fiel und ich habe noch niemanden erlebt, der es länger geschafft hätte, den "bei mir ist es aber anders"-Weg durchzuhalten. Ich kenne aber eine menge Menschen, die an die Ratschläge und Erfahrungen glaubten und sich danach richteten - und sei es nur vorsichtshalber.

    Es scheint allzu leicht in Vergessenheit zu geraten, daß der Alkoholismus sehr leicht tödlich enden kann und meist auch endet. Wer aber glaubt, trotz dieses Wissens und des Risikos einen eigenen Weg erfinden zu müssen, den sehe ich nicht als Vorbild an. Aus diesem Grund verstehe ich auch nicht, warum man es als rückwärtsgewandt bezeichnet, sich immer wieder mal vor Augen zu führen, mit welchem Risiko man lebt. Die einzigen, von denen ich solche Argumente bisher kannte, das waren die Drehtürpatienten in der Nervenklinik, in der ich meine SHG regelmäßig vorstellte. Die haben mir immer wieder erklärt, daß SHGs nichts für sie wären, was sie alles besser wüßten und könnten und daß sie schließlich ihren eigenen Weg hätten. Dafür traf ich sie dann auch regelmäßig in der Entzugsstation wieder.

    Jeder muß selbst wissen, ob er gern mit dem Feuer spielt und welches Risiko er für sein Leben einzugehen gedenkt. Ich bringe nur das ein, was ich in vielen Jahren erlebt habe.

  • Edit/PS: Und ja, m.M.n. darf man es als Schmuh bezeichnen, um die Eingangsfrage zu beantworten.

    Sorry, sehe ich anders, weil ich denke, dass es dem Ernst der Angelegenheit widerspricht:

    Siehst du, genau weil ich jemanden persönlich kenne, der wegen des Holzweges nach 23 Jahren rückfällig wurde, darum sind 20 Jahre ein guter Anfang. Da Alkoholismus nicht geheilt, sondern nur zum Stillstand gebracht werden kann, da bleibt es auch immer nur ein guter Anfang. Ob der Weg endgültig funktioniert hat weiß man erst, wenn der Deckel über dem Betroffenen geschlossen wird.

    Trotzdem finde auch ich diese Formulierung mehr als unglücklich! Ich finde, es ist für jeden ein guter Anfang - wenn er sich auf den Weg macht und 4 Tage, 4 Wochen, 4 Monate geschafft hat. Wenn aber jemand (round about) 5 Jahre geschafft hat, dann ist er auf einem guten Weg. Und wer dann einen Rückfall hat/baut/erleidet, der fängt ja (nach MEINEM Verständnis) schließlich nicht wieder bei Null an - er kann auf die Erfahrungen der letzten, trockenen Jahre zurückgreifen. Und eventuell einiges/etwas anders machen.

    Orginalzitat des mehr als 40 Jahren erfahrenen Oberarztes: Alkoholismus ist eine Rückfallkrankheit.

    Yepp! Und diesen Satz benutze ich auch bei meinen Krankenhausvorstellungen - und ergänze ihn:

    "Alkoholismus ist bekanntermaßen eine Rückfallkrankheit. Aber WIR benutzen dies nicht als Alibi, um 14tägig einen Rückfall zu haben, sondern tun alles dafür, um KEINEN Rückfall zu haben."

    Ich selbst habe bei recht vielen Abhängigen erlebt, dass allein schon das Angebot "bei einem Rückfall jederzeit herzlich willkommen zu sein", es ihnen ermöglicht hat, ihre Rückfallzeit deutlich zu verkürzen.
    Das macht schon einen Unterschied. Ob da einer kommt, der x-Wochen gesoffen hat, oder ob er bereits nach 14 Tagen eintrudelt.

    Wenn Du mit "Rückfallzeit" die Dauer des Rückfalles und nicht die Zeit zwischen den Rückfällen meinst, dann kann ich dies aus eigener Erfahrung nur bestätigen! Vor allem, das Menschen sich auch nicht scheuen, während eines Rückfalls bei der Gruppe um Hilfe zu bitten!


    Nu konnte ich mich doch nicht zurückhalten ;)

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Mira,

    Zitat

    nur 1% schaffen es aus der Sucht langfristig. Woher hast du diese Zahl?


    Diese "Zahl" gibt es meines Wissens nach nicht.
    Sie geistert aber seit mehr als 25 Jahre immer wieder mal durch die Alkoholikerszene. Harte Fakten konnte ich bislang nicht recherchieren.
    Ich kenne nur Studien, die auf max. 10 Jahre zurückgreifen können.
    Alles darüber hinaus wird immer mehr durch Annahmen und statistischen Rechenbeispiele fabriziert.

    Die Dunkelziffern sind zwar durchweg recht hoch, werden aber wissenschaftlich in Relation gesetzt.
    Wenn Du wirklich daran interessiert bist, kann ich Dir gerne diverse Links zukommen lassen. Hier reinstellen mag ich nicht, weil ich keine Rechthaberdiskussionen anheizen möchte.

    Im Grunde ist es auch wurscht.
    Ich freue mich über jeden, der seine Lebensqualität durch Verzicht deutlich erhöhen kann.
    Und über jeden, der es fertig bringt, sich Hilfe zu holen.

    Zitat

    Wenn Du mit "Rückfallzeit" die Dauer des Rückfalles und nicht die Zeit zwischen den Rückfällen meinst, dann kann ich dies aus eigener Erfahrung nur bestätigen!


    Natürlich war damit die Rückfallzeit, also die Zeit gemeint, in der ein Rückfaller meint trinken zu müssen, gemeint.

    Ist mir denn da irgendetwas entgangen, dass wer tatsächlich "Alkoholismus" als Schmu bezeichnete? nixweiss0

  • Trotzdem finde auch ich diese Formulierung mehr als unglücklich! Ich finde, es ist für jeden ein guter Anfang - wenn er sich auf den Weg macht und 4 Tage, 4 Wochen, 4 Monate geschafft hat. Wenn aber jemand (round about) 5 Jahre geschafft hat, dann ist er auf einem guten Weg. Und wer dann einen Rückfall hat/baut/erleidet, der fängt ja (nach MEINEM Verständnis) schließlich nicht wieder bei Null an - er kann auf die Erfahrungen der letzten, trockenen Jahre zurückgreifen. Und eventuell einiges/etwas anders machen.

    Das ist wie so oft Geschmacksache. Nachdem ich durch Übermut einen Rückfall gebaut habe, da habe ich meinen anfänglichen Optimismus auf diese Formulierung reduziert und ich denke, daß sie angesichts einer nicht heilbaren Krankheit, die so viele umbringt, durchaus realistisch ist. Mein Rückfall hat mich gelehrt, daß es ganz schnell vorbei sein kann. Wer aber Lob oder Stolz angesichts seines Weges braucht, der wird auf "ein guter Anfang" natürlich beleidigt reagieren. Wer cool genug ist und über den Dingen steht, der hat sich bisher noch nie darüber beschwert.

    Zu deinen Worten zum Rückfall bin ich ganz anderer Meinung. Wer einen Rückfall baut, der kann auf absolut nichts zurückgreifen, denn sein bisheriger Weg hat ja nicht funktioniert. Auf welche Teile seiner Erfahrungen soll er denn zurückgreifen, wenn die Summe seiner Erfahrungen wieder nur zum Alkohol führte? Soll er angesichts eines Rückfalls "try and error" spielen, obwohl es um sein Leben geht, oder soll er alles Bisherige als nicht zielführend vergessen und einen ganz neuen Weg probieren? Ich habe mich für die zweite Methode entschieden und bin sicher, daß es genau deswegen geklappt hat.

    Grüße aus dem Drachenhort

  • Übermut bei einer, wie du schreibst, unheilbaren und meist tödlich verlaufenden Krankheit? Wie ist das zu erklären?

    Ganz einfach. Ich hatte mich noch nicht von der Lust auf Rausch verabschiedet. Da ich vor Alkohol Angst hatte, begann ich wieder mit dem Kiffen. Nach ca. 3 1/2 Jahren Abstinenz ist das natürlich idiotisch, aber auch normales Suchtverhalten. Da das Dope keine negativen Folgen hatte, dachte ich nach einiger Zeit, auch wieder Alkohol trinken zu können. Der Rückfall verlief zwar relativ harmlos, d.h. ich habe nur wenig und in großen Abständen getrunken, aber nach etwa einem Jahr fing es an, mehr zu werden.

    Die panische Angst davor, wieder in das absolute Elend des täglichen Vollrauschs abzurutschen, ließ mich dann ein zweites Mal aufhören. Ich hatte endlich verstanden, daß nicht der Alkohol das Kernproblem war, sondern die Sucht nach Rausch, danach, mich aus dem Leben wegzubeamen. Dazu war es das Mittel egal, das Ausblenden aus dem Leben war wichtig. Nach dieser Erkenntnis hat es dann auch funktioniert - bis heute jedenfalls.

    Das Wissen um die meist tödlich verlaufende Krankheit allein reicht offensichtlich nicht, es muß noch etwas anderes dazu kommen, um aus der Sucht auszusteigen. Was der zusätzliche Faktor ist, das ist wohl noch nicht geklärt. Sonst hätte man bei viel mehr Betroffenen den Ansatzpunkt, um ihnen zu helfen.

    Grüße aus dem Drachenhort

  • Also MEINER Meinung nach ist Rausch an sich ja nichts Schlechtes. Der Mensch hat diese Ur-Sehnsucht nach Transzendenz, das ist meine Theorie. Jedenfalls ist das bei mir auch ein Kern-Problem (gewesen). Habe früher z.B. auch (nicht wenig) gekifft. Es ging mir nicht in erster Linie um Betäubung, sondern eher um (Selbst-)Erkenntnis bzw. Selbsterfahrung. Die Wahl der Mittel war für mich allerdings eher destruktiver Natur.

    Irgendwann habe ich für mich entschieden, dass ich mir diese Zustände lieber auf einem gesünderen und weniger suchtgefährdenden Weg verschaffe. Sei es durch das klassische Flow-Erlebnis (Aufgehen in einer Tätigkeit, die ich liebe, z.B. beim Musizieren, Singen oder Tanzen), durch Meditation, Lachen oder schlicht und ergreifend durch Bewegung bzw. Sport. Unser Körper ist einfach eine Wundermaschine, die Wohlfühl-Hormone selbst produzieren kann, ohne künstliche Zufuhr von außen. Daraus möchte ich gerne gelegentlich schöpfen. Denn diese Art von "Räusche" sind einfach viel schöner, die Sinne sind geschärft, nicht betäubt und man verdummt dabei nicht, sondern wächst innerlich.

    Liebe Grüße
    Pinguin

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“


  • Also MEINER Meinung nach ist Rausch an sich ja nichts Schlechtes. Der Mensch hat diese Ur-Sehnsucht nach Transzendenz, das ist meine Theorie. Jedenfalls ist das bei mir auch ein Kern-Problem (gewesen). Habe früher z.B. auch (nicht wenig) gekifft. Es ging mir nicht in erster Linie um Betäubung, sondern eher um (Selbst-)Erkenntnis bzw. Selbsterfahrung. Die Wahl der Mittel war für mich allerdings eher destruktiver Natur.


    Deswegen habe ich "Rausch" ja auch ergänzt durch "mich aus dem Leben wegbeamen". Der Rausch war für mich Flucht aus dem Leben, das in nüchternem Zustand unerträglich war. Das Kiffen oder LSD eine Selbsterfahrung bringt, war eine niedliche Theorie der 60er, aber meiner Ansicht nach falsch, weil diese Erfahrung durch ein Mittel induziert wird, also nicht von selbst aus dem Geist entsteht. Die Selbsterfahrung war aber eine gute Ausrede, um sich den Kopf zuzudröhnen, womit auch immer.

    Meditation, in meinem Fall Vipassana, ist für mich kein Rausch, sondern im Gegenteil die höchste Form von Bewußtheit, eine absolute Klarheit der Wahrnehmung. Aber das ist eine Frage des individuellen Sprachgebrauchs. Um darüber zu diskutieren, müßten wir erst einmal klären, was wir unter den verschiedenen Begriffen verstehen und vor allem, was wir assoziieren. Bei mir zum Beispiel löst "Rausch" immer noch ein höchst ungutes Bauchgefühl aus, weil ich damit nach wie vor die bösen alten Zeiten verbinde.

    Grüße aus dem Drachenhort

  • Ich verstehe, was Du meinst, wahrscheinlich habe ich mich falsch ausgedrückt. Also hier im Forum muss man schon sehr auf Begrifflichkeiten achten. :(

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • PS: Aber ich hatte schon erwähnt, dass für mich Meditation nichts Betäubendes hat.

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Ich verstehe, was Du meinst, wahrscheinlich habe ich mich falsch ausgedrückt. Also hier im Forum muss man schon sehr auf Begrifflichkeiten achten. :(

    Nicht nur hier im Forum. Ich war 30 Jahre im technischen Außendienst und deshalb ist es für mich ganz normal, auf die Wortwahl zu achten. Ich finde das auch nicht schlimm, denn es verhindert Missverständnisse. Solange wir uns friedlich auf einen gemeinsamen Sprachgebrauch einigen, da ist doch alles prima.

    Grüße aus dem Drachenhort

  • Okay, gamma.

    Wie Du schon geschrieben hast, hängt auch viel davon ab, was man persönlich mit einem Begriff assoziiert. Wenn Du schreibst, dass das Wort "Rausch" für Dich eher negativ behaftet ist, dann kann ich das nachvollziehen. Mir wird eigentlich schon fast übel, wenn ich an "Rausch" denke.

    Wenn man davon ausgeht, dass Rausch lediglich das "Wegbeamen" bezeichnet, dann ist es nicht (mehr) das, was ich persönlich will. Inzwischen geht es mir eher um Klarheit und Gewahrsein. Von daher reden wir - denke ich - nicht so sehr aneinander vorbei. Wollte ich nur mal sagen. Und Frieden strebe ich sowieso an. :)

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

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