Tausend Gründe

  • Trinken (Alkohol) hat immer einen Grund.

    Als ich mich daran machte, diesen Grund herauszufinden, stieß ich auf viele Gründe.
    Zu viele, um durch eine Veränderung mein Trinkverhalten zu stoppen.
    Um alle Gründe zu bewältigen, hätte ich tot sein müssen.
    Weil selbst Leben ein Grund war weiterzutrinken, um mein Leben nicht mehr wahrzunehmen, als das, was es für mich war: ein Schrecken ohne Ende.

    Es gibt ja unzählige Ansätze, in denen Therapeuten versuchen mit dem Patienten „der Sache auf den Grund zu gehen“.
    Häufig beginnt die Suche in der Kindheit.


      [li]Schlechte Kindheit gehabt, klar ist das ein Grund, warum ich gesoffen habe.[/li]
      [li]Eltern, zu streng, zu erzieherisch, vielleicht sogar Kinderschläger, logisch, dass ich da zu Saufen anfangen musste.[/li]
      [li]Eltern mit Alkoholproblemen behaftet, auch klar, dass die Kinder dann davon lernen und ebenfalls dem Alkohol zusprechen.[/li]

    Dann die Bildungswege.

      [li]Schlecht in der Schule? Aber dafür ein Teufelskerl! Meist halt nur mittels Alkohol.[/li]
      [li]Gut in der Schule? Vielleicht zugut? Da haben wir den typischen Außenseiter, der als Streber von allen gemieden wird und bereits in diesem Alter zur Flasche greift.
      Entweder um doch dazuzugehören, oder um seine gefühlte Andersartigkeit zu ertränken.[/li]

    Schließlich das Berufsleben.

      [li]Vielleicht eine harte Lehre mit strengen Lehrmeistern gehabt?
      Es macht Sinn, dass ich diesem Druck nur durch Trinken entkommen konnte.
      [/li][li]Alles in den Schoß gefallen?
      Da bekommt so ein junger Bursch garantiert einen Höhenflug und glaubt mit Alkohol noch eine Zacke draufsetzen zu können.[/li]

    Die Partnerschaft.

      [li]Unbefriedigend?
      Kein Verständnis von der eigenen Frau?
      Völlig klar, dass ich mich vor lauter Verzweiflung in Alkohol geflüchtet habe.[/li]

    Dann kam Glück.
    Kinder.
    Oder war’s mein Pech?

      [li]Noch mehr anschaffen.[/li]
      [li]Dazu die ganze Verantwortung. Der Stress. Die Forderungen.[/li]
      [li]Um dann sowieso nicht geachtet, geehrt und respektiert zu werden. Bloß weil ich mir abends meine 3, 4, naja oft auch mehr Bierchen gegönnt habe.
      Um abzuschalten.[/li]


    Schließlich der Crash.

    Ehe am Arsch.
    Job in akuter Gefahr.
    Die Kinder wollen nichts mehr von mir wissen.
    Ich sitz da, allein, deprimiert, verzweifelt.
    Macht Sinn, sich doch wenigstens mittels Alkohol ein bisschen besser fühlen zu wollen. Oder?
    Ich war streng genommen. Immer allein. Wollte immer anders leben, wie ich lebe. In mir schlummert ein völlig anderer Typ, wie der, den die anderen sehen. Ich könnte alles erreichen. Ich könnte alles haben.
    Es ist einfach nicht mein Leben.
    Tausend Gründe, diese Qual mit Alkohol zu bewältigen.

  • Hallo Dietmar,

    sehr interessant, was Du da schreibst! Warum habe ich bloß zum Saufen angefangen? Die Frage stellt sich wahrscheinlich jeder, auch ich habe sie mir natürlich gestellt und versucht aufzuarbeiten. Aber so richtig weit bin ich dann doch nicht gekommen.....

    Mein Vater, wenigstens ein Alkoholmißbräuchler, vielleicht auch Alkoholiker. Hat viel getrunken während meiner Kindheit, war aber ein friedlicher Mensch (und ist er noch) auf dem man sich verlassen konnte. Meine Mutter - normale ehrliche Frau die viel gearbeitet hat, nix getrunken... Solls daran gelegen haben, dass ich zum Alkoholiker wurde?

    Mein Opa - ein absoluter Vollalki - viel Zeit habe ich bei ihm verbracht. Er hat mich auf Händen getragen, ich war sein Held. Nebenher hat er seine Biere getrunken bis er irgendwann ins Bett ist. Solls daran gelegen haben das ich Alki geworden bin?

    Schule, Beruf, Karriere - Alles prima. Immer auf der Sonnenseite! Mit Glück aber auch mit Einsatz weit gekommen, toller Job, Anerkennung, prima Klima. Wenn's dem Esel zu wohl ist, geht er auf' s Eis - war's das, was mich zum Saufen brachte?

    Familie - Frau und Kinder, alles bestens. Eine Frau die da war, übliche Auf's und Ab's, keine Katastrophen, keine Geldsorgen, gesunde Kinder, die ihren Weg gegangen sind und noch gehen - hat trotzdem was gefehlt und ich habe deshalb getrunken?

    Gesundheit - Bestens, nie was schlimmes gehabt. Auch während der Sauferei und danach keine Folgeschäden.

    Schicksalsschläge, die einen aus dem Leben reißen und die andere aber trotzdem nüchtern bewältigen - Keine

    Nur ein so ein paar Gedanken von mir. ICH habe keinen Grund gehabt zu saufen, wenn man die genetische Komponente mal weg lässt. Ich hab's aber trotzdem getan. Und je mehr ich mich da hinein manövriert habe umso schlimmer ist es geworden. Da habe ich mir dann meinen Grund zum Saufen sozusagen selbst her gesoffen. Vorher hatte ich keinen Grund. Während des Saufens habe ich dann Dinge gemacht, die ich im nüchternen Zustand gar nicht ertragen konnte. Wenn das mal kein Grund zum Saufen ist :wall:

    LG
    gerchla


  • Und je mehr ich mich da hinein manövriert habe umso schlimmer ist es geworden. Da habe ich mir dann meinen Grund zum Saufen sozusagen selbst her gesoffen. Vorher hatte ich keinen Grund. Während des Saufens habe ich dann Dinge gemacht, die ich im nüchternen Zustand gar nicht ertragen konnte. Wenn das mal kein Grund zum Saufen ist :wall:

    https://alkoholforum.de//index.php?act…sa=view;pic=168
    Irgendwie funzt es immer wieder nicht mit dem Bilder einfügen ... ;(

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • 44. Ich stimme Gerchla absolut zu.

    Auf der Suche nach meinen "Saufgründen" habe ich nicht wirklich Gründe gefunden. Ohne Alkohol geht nämlich alles aber auch wirklich alles und das auch noch viel besser. Meine Lebensgeschichte ist sicher nicht einfach, aber mit Alkohol ist sie auch nicht besser geworden - eher schlechter.

    Ich bin irgendwann ehrlich zu mir selbst geworden. Saufen? Ja, das hat Spaß gemacht. Das war Party, das war lustig, das war berauscht sein. Kater? Ja, nicht so schlimm. Ging wieder weg. Aber im Laufe der Jahre war es dann irgendwann nicht mehr nur noch Party etc... und dann eben auch nicht mehr lustig.

    Für mich gilt heute: Gründe zum Saufen gibt es gar nicht. Das waren alles nur Ausreden, um Saufen zu können.

    LG Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • @ Greenfox

    Ja. Das stimmt genau.

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Hallo Gerlach,

    Zitat

    Warum habe ich bloß zum Saufen angefangen? Die Frage stellt sich wahrscheinlich jeder, auch ich habe sie mir natürlich gestellt und versucht aufzuarbeiten. Aber so richtig weit bin ich dann doch nicht gekommen.....

    ... bis ich über den Misserfolg dieses Versuchs so verzweifelt war, dass ich wieder trinken musste.

    Hi Betty,

    Zitat

    Gründe zum Saufen gibt es gar nicht. Das waren alles nur Ausreden, um Saufen zu können.

    Oh, ich find' schon, dass es fürs Saufen Gründe gibt. Schon weil ich sie brauchte, sonst hätte ich nicht gesoffen.
    Aber es gibt heute tausendmal mehr Gründe für mich nicht zu saufen. Die mich trocken halten.

    Ich habe neulich an Roberto gedacht:

    Zitat

    Natürlich bin ich darüber sehr traurig und schäme mich auch dafür


    »Was machst du hier?«, sprach er zu dem Säufer, den er stumm sitzend vor einer Reihe leerer und einer Reihe voller Flaschen vorfand.
    »Ich trinke«, antwortete der Säufer mit düsterer Miene.
    »Und warum trinkst du?«, fragte der kleine Prinz.
    »Um zu vergessen«, antwortete der Säufer.
    »Was willst du vergessen?«, fragte der kleine Prinz, der ihm schon leid tat.
    »Ich will vergessen, dass ich mich schäme«, gestand der Säufer und ließ den Kopf hängen.
    »Über was schämst du dich?«, fragte der kleine Prinz beharrlich weiter, denn er wollte ihm helfen.
    »Ich schäme mich, weil ich saufe!«, sagte der Säufer abschließend und hüllte sich in tiefes Schweigen.

  • Aber es gibt heute tausendmal mehr Gründe für mich nicht zu saufen. Die mich trocken halten.

    Und DAS ist das Komma in dem Satz

    "Hängen nicht laufenlassen!"

    Solange ich wesentlich mehr Gründe für's Nicht-Saufen habe, befindet sich mein Komma hinter dem "nicht" ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Greenfox,

    am Rande des Threadthemas.

    Zitat

    Und DAS ist das Komma in dem Satz

    "DAS" ist das Komma in dem Satz?
    Ich verstehe Bahnhof.

    Solange ich wesentlich mehr Gründe fürs Nicht-Saufen habe, befindet sich mein Komma hinter dem "nicht" ...

    Kann man so schreiben. Muss man nicht.
    Wenn, dann hätte ich es vermutlich so geschrieben:
    "Aber es gibt heute tausendmal mehr Gründe für mich, nicht zu saufen.

  • Gründe zu saufen gibt es keine aber es gibt Ursachen.
    Ich meine damit das Verhalten, das zur Sucht geführt hat
    und da gibt's so viele wie es Alkis gibt, kein Weg ist identisch mit dem anderen.
    Aber was solls, morgen ist die wichtige und entscheidende Zukunft.

  • Bin gerade über diesen alten Thread gestossen (den habe ich bis jetzt übersehen) und muss auch noch meinen Senf dazugeben:


    Warum habe ich bloß zum Saufen angefangen?

    Für mich: weils lustig war, weil man sich kurzfristig toll fühlte und weil es alle (viele halt) auch machten => Gruppendynamik. Man (ich) wollte ja nicht zu den Langweilern und Supervernünftigen gehören.

    Das war am Anfang. Dann wars Gewohnheit und alle unangenehmen Gefühle hinunterzuspülen (lustig wars mit Alkohol auch noch (manchmal)).

    Noch später wars dann Notwendigkeit um sich halbwegs gut zu fühlen.

    Dann kam schliesslich der Punkt (die kamen öftes), da ging ohne Alkohol (und auch mit Alkohol) nich mehr recht viel. Viele verlorene Tag wegen Kater, nicht fit sein, Müdigkeit, ... Das war dann der Punkt, wo dann die Fragen aufkommen. Hallo, kanns das sein? => Das war dann der "Umkehrpunkt" gewissermassen.

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