die Zeit in den Finstermeeren

  • Hey liebe Leute!

    Nun will ich mal wieder einen aktuellen persönlichen Thread hier aufmachen.
    Seit meinem Suchtausstieg im Frühjahr 2014 habe ich weit über ein Jahr lang nahezu täglich hier im Forum gelesen und geschrieben. Der intensive Austausch und die Reflexionen hier waren mir in dieser Zeit immer sehr bedeutende Hilfe, Anregung und Unterstützung.

    Diesen Thread hier -mein Logbuch- möchte ich vor Allem dazu nutzen um, je nach Zeit und Muse, einige Gedanken und Empfindungen aus dieser für mich so bedeutsamen Zeit zusammen zu tragen. Doch es soll natürlich auch aktuelles, Fragen, weiterer Austausch und Anderes mehr hier hinein finden.
    Nach meinen bisherigen persönlichen Threads im `Internen´ stelle ich mein Logbuch nun ganz bewusst zunächst mal hier in den offenen Forumsbereich und denke dass ich das auch so halten werde. Mal schauen wie es sich entwickelt…

    Euch Allen Gute innere Kraft immer!!

    Ahoi und bis bald,
    Euer Land-in-Sicht

    Einmal editiert, zuletzt von Land-in-Sicht (20. Dezember 2015 um 16:03)

  • Nun, wie beginne ich so einen Thread …

    Mein Name ist Land-in-Sicht, ich bin 36, und seit dem Frühjahr 2014 bin ich nun wieder Käptn auf meinem eigenen Boot :D

    Meine Geschichte ist eigentlich eine in einem recht klassischen Stil. Am Anfang war ja alles Spaß. In der frühen Jugend so mit 14, 15 der erste Konsum und bald schon auch der erste 'harmlose' Rausch. Wie das halt so ist, man hängt mit Freunden ab und feiert und dazu gibt es Alkohol. Es scheint ganz 'normal' und gehört halt irgendwann irgendwie dazu. So hielt der riskante Konsum Einzug in mein Leben. In den folgenden Jahren zudem dann auch sporadische Erfahrungen mit anderen Drogen. Mein Glück war wohl dass ich immer auch viele andere Lebensinhalte von meiner Familie und meinen engen Freunden vermittelt bekommen habe und (er)lebte. Menschen, Natur, Literatur, Kreatives, Musik, Soziales, Handwerk,… Doch kamen in dieser Zeit ein par Dinge in meinem Seelenleben durcheinander. Obwohl eigentlich immer von Freunden und einem sehr guten familiären Netzwerk umgeben, war ich mitunter doch im Inneren ein auch recht einsamer und suchender Mensch. Zudem hatte ich es noch nicht gelernt mich lieben und nahe stehenden Menschen über diesen tiefen inneren Konflikt öffnen zu können. Mit Alkohol begann ich dies und andere Unsicherheiten zu überspielen und grade zu bügeln, und aus dem Spaß begann nun definitiv Ernst zu werden. Zwar sagte ich, ohne irgendwelche Probleme damit zu haben, den Drogen ab; ich hatte diese ja nie regelmäßig konsumiert sondern halt was mir so 'über den Weg lief' hier und da einfach 'nicht ausgelassen'. Doch nach dem Drogenstopp stand der Alkohol dann unscheinbar, dafür aber umso heimtückischer und verheerend für mich parat! Der Konsum wurde von da an unmerklich immer selbstverständlicher, gehörte halt dazu, und es kamen so, ebenfalls ab dem Alter so um 20 rum, die ersten Filmrisse auf Feiern mit heftigsten und megapeinlichen 'Ausrutschern'. Entgegen allen Beteuerungen nach solchen Desastern gelang es mir allerdings nicht, den verhängnisvollen Umgang grundlegend zu ändern, dies wiederholte sich etwa im viertel- bis halbjährigen Abständen. Und es sollten nun noch über 15 Jahre folgen, in denen der Alkohol nach und nach kaum merklich aber dennoch konstant zunehmend immer mehr Besitz von mir ergriff und ich ihm eine immer bestimmendere Rolle in meiner Lebensauffassung und –gestaltung einräumte.

    Zunächst waren es, vor allem in Ausbildungs und Arbeitszeiten, eher die Wochenenden aber da wurde im Prinzip schon recht genau durchgeplant. Es war nahezu jedes Wochenende, wie viel brauche ich und was besorg ich wo. Immer unter dem Deckmantel der Freude und des Genusses. Klar, man kann auch zweidrei Flaschen Wein oder 7Bier 'genießen'. Ich hab mir ja fast sogar was drauf eingebildet mehr als andere zu vertragen.
    Und manchmal hab ich mir sogar ganz konkret eingebildet, ja tatsächlich(!): dass ich im Rausch dann sozusagen in eine höhere Gedankensphäre eintreten werde, in der sich mir sozusagen als Vision die Lösung meiner finanziellen und aller weiteren Probleme offenbaren wird. Dass ich so den erlösenden Knackpunkt finden werde! Allerdings einmal dann tatsächlich am Trinken hab ich alles Andere gemacht und an alles Andere gedacht, nur nicht an Problemlösungen…

    Ein Alkoholproblem schloss ich da noch aus für mich. Ich trank ja schließlich 'nur' Bier oder Wein. Härtere Sachen wie (sehr stark) gemixte Longdrinks hob ich mir für ganz 'besondere' Gelegenheiten auf. Zunächst war ich ja auch lange Zeit im Wochenendtrinkmuster, was natürlich dann die letzten Jahre nicht mehr so war. Klar gelang es mir in den letzten Jahren in der Woche halt das irgendwie noch in erträglichem Maße zu halten, aber dennoch war ich da bereits schon lange im nahezu täglichen Konsum angelangt. Stand ich phasenweise in keinem Arbeitsverhältnis, dann gab es natürlich kaum einen Unterschied zwischen Wochenende und Woche. Im Urlaub oder auch in Beziehungen konnte ich auch absolut problemlos (ausnahmsweise!) mal ein par Tage oder auch Wochen abstinent leben. Meine körperliche Abhängigkeit war also zum Glück noch nicht so sehr stark ausgeprägt. Ich habe auch niemals tagsüber oder bereits morgens getrunken. Ausschließlich immer erst ab frühen Abend, zur Entspannung und Wochenends um mich mal ordendlich gehen zu lassen.

    Irgendwann begann halt definitiv ein sich verselbständigendes Suchtkarussel zu drehen. Zu den heftigen Abstürzen mit Kontrollverlusten alle par Monate, kamen nun andere ungute Folge wie z.B. berufliche Spannungen und Schwierigkeiten oder auch Trennungen von Beziehungen und Freundschaften hinzu. Dennoch bekam ich das trotz dieser gehäuften Negativerfahrungen nicht mehr in den Griff und da wusste ich eigentlich irgendwo in meinem Inneren schon dass das was ich tat im Prinzip falsch war, und dass ich in gewissen Bereichen ein falsches Leben lebte. Aber ich verdrängte das über viele Jahre erfolgreich, auch weil ich einfach keine Handlungsalternativen parat hatte und auch keine Änderungsmöglichkeiten sah.
    Es gab Phasen in denen gab ich mich aus reiner Euphorie den Exzessen hin, das Leben wollte schließlich `gefeiert´ werden. Ich bereue mein Leben nicht, im Gegenteil, ich hänge sehr an vielen schönen Dingen auch aus dieser Zeit – ich glaube aber mittlerweile dass ich die schönen Dinge nicht wie ich lange dachte wegen dem 'Livestyle' des Trinkens erleben durfte, sondern vielmehr trotz dessen.
    Es gab andere Phasen in denen trank ich halt einfach so oder auch aus Langeweile. Und es gab andere, schlimme Phasen in denen soff ich weil ich Probleme hatte. Gravierende Berufliche und finanzielle Probleme zum Beispiel und ein Gefühl der Perspektiv- und Ausweglosigkeit – wegen denen schoss ich mich weg - das Wegschießen führte folgend natürlich nur zu mehr Problemen – wegen denen ich wieder trank - … eine verhängnissvolle Abwärtsspirale.

    Soweit erstmal für Heute - ist ein etwas längeres Post geworden...

    Ich bin Land-in-Sicht, vor nunmehr über anderthalb Jahren habe ich das Steuerruder meines Lebens herumgerissen, bin aus den Labyrinthen der Düstermeere heraus gesegelt - und bestimme seit dem selbst den Kurs meines eigenen freien Lebens. Meine Reise ist eine Reise zu mir selbst.

    GuteKraft Euch und immer einen lichtvollen Funken der Hoffnung
    und stets eine frische, gute Brise Wind in den Segeln!

    AHOI und bis bald,
    Euer Land-in-Sicht :)

    Einmal editiert, zuletzt von Land-in-Sicht (20. September 2015 um 16:49)

  • Hallo LiS,


    ich glaube aber mittlerweile dass ich die schönen Dinge nicht wie ich lange dachte wegen dem 'Livestyle' des Trinkens erleben durfte, sondern vielmehr trotz dessen.

    Für mich ist das schon lange keine „Glaubenssache“ mehr, sondern eine Tatsache.

    Ich kann die Wirkung von Drogen zwar nur an Alkohol und Tabak festmachen. Aber ich habe mit beiden dasselbe erlebt. Und dieses Erleben bestand letztendlich aus einer vom jeweiligen Suchtmittel initiierten großen Illusion, die zwar einen realen Hintergrund, nämlich das Dopamin hat, die im Grunde genommen aber ein großer Fake ist, weil es früher oder später nur noch um eins geht: Nämlich das Beseitigen von Entzugserscheinungen, die das Leben vermiesen und die man ohne den übermäßigen Konsum des Suchtmittels niemals gehabt hätte.

    Das wirkliche, spannende, glückliche usw. Leben findet immer außerhalb des Suchtkreislaufs statt.

    Grüße vom
    Bassmann

  • Hallo Land-In-Sicht,

    ist dieser Thread für Dich alleine gedacht? als Logbuch oder als Dialog?
    Falls ersteres, kann ich ja den Post dann wieder löschen.

    Also, was ich da kurz sagen möchte: wills ja nicht verharmlosen: für mich
    klingt das eher nach Missbrauch (und das auch eher seelisch, um Stimmungen zu hebe),
    den du betriebst, und nicht nach Abhängigkeit, zumal du ja geschrieben hast, du hast nie am morgen oder unter Tag getrunken.

    Das habe ich im Gegensatz zu dir schon öfters gemacht, (unter der Arbeitswoche nicht, aber am Wochenende) zb, falls ich am Vortag viel zu viel getrunken haben
    habe ich dann schon ab und an am morgen/vormittag einge Reparaturbiere getrunken.

    Ich hatte aber auch nie verlangen nach etwas anderem als Wein und Bier, Schnapps und hochprozentiges waren mir immer zuwieder.

    Bassmann : ich denke, du kennst das Pdf "Der süchtige Hirnstamm". Da ist das mit dem Dopamin gut beschrieben.

  • Hallo, LiS,

    wollte nur kurz kundtun, dass ich mich auf weitere Logbucheinträge freue!

    für mich klingt das eher nach Missbrauch und nicht nach Abhängigkeit, zumal du ja geschrieben hast, du hast nie am morgen oder unter Tag getrunken.

    Zum Einen denke ich, dass, wenn jemand für sich erkannt und/oder entschieden hat, dass er/sie abhängig von etwas ist und sein Leben dementsprechend (zum Besseren) ändern will - dann sollte man es ihm/ihr nicht ausreden wollen!
    Und zum Anderen bin ich der Meinung, dass dieses "nie am Morgen oder unter Tag" absolut kein Zeichen für eine Nicht-Abhängigkeit ist! Es gibt viele Menschen, die morgens und/oder über Tag nicht trinken (sei es, weil sie noch arbeiten gehen oder aus anderen Gründen) und trotzdem abhängig sind. Man denke u.a. auch an die "Quartalstrinker", die tage-, wochen-, monatelang keinen Tropfen anrühren ...

    LiS, ich finde es gut und völlig in Ordnung, wenn Du Dich als abhängig/süchtig siehst - und demenstprechend Deinen Kurs geändert hast.
    Besser, als den Kurs trotz sichtbarer Sturmfront und löchrigen Schiff nicht zu ändern und drauf zu und mitten durch segeln zu wollen, in der Hoffnung, dass es schon irgendwie vielleicht eventuell und unter günstigsten Umständen gut gehen könnte ...

    Halt Deinen Kurs - ich wünsch Dir immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel und stets eine günstige Brise!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Zum Einen denke ich, dass, wenn jemand für sich erkannt und/oder entschieden hat, dass er/sie abhängig von etwas ist und sein Leben dementsprechend (zum Besseren) ändern will - dann sollte man es ihm/ihr nicht ausreden wollen!
    Und zum Anderen bin ich der Meinung, dass dieses "nie am Morgen oder unter Tag" absolut kein Zeichen für eine Nicht-Abhängigkeit ist! Es gibt viele Menschen, die morgens und/oder über Tag nicht trinken (sei es, weil sie noch arbeiten gehen oder aus anderen Gründen) und trotzdem abhängig sind. Man denke u.a. auch an die "Quartalstrinker", die tage-, wochen-, monatelang keinen Tropfen anrühren ...


    Ahm, ja. ich wollte es nicht kleinreden und schon gar nicht ausreden! Es ist halt in meinem Kopf (wahrscheinlich auch in vielen anderen) immer noch
    zu präsent, dass ein Alkoholiker wirklich rund um die Uhr schon fast trinkt.

    Ich habe mich auch lange was vorgemacht, in dem ich zb alle zwei Monate zb. von Mo bis Freitag keinen Alkohol trank. So recht und schlecht ists
    eh gegangen, aha, geht ja, dann kanns eh nicht so schlimm sein mit der Abhängigkeit, vielleicht ein wenig bremsen...

    Mit dieser falschen Rechtfertigung habe ich halt lange herumgedoktert. Aber ich habe ja selten wie ein Genusstrinker ein, zwei Bier am Abend getrunken, sondern fünf bis sieben meistens (oder auch manchmal mehr, besonders am Wochenende). D.h. unkontrollierter Konsum.
    In Wirklichkeit war mein mittlerer Alkoholkonsum deutlich (jahrelang) über der Gefährdungsgrenze von 60g pro Tag.

    Ich schweife ab, hier gehts um LiS ;)

  • Hallo,
    vielen Dank für die Feedbacks und Eure Gedanken!

    Ich möchte hier einfach als Spiegelung aber gerne auch mal nahe legen mit solchen (Be-)Wertungen á la 'nur' Missbrauch oder Abhängigkeit Anderen gegenüber vielleicht etwas vorsichtiger zu sein. Das kann schnell verletzend wirken. Zumindest tritt man dem Anderen damit, egal in welche Richtung, in einem empfindlichen Bereich sehr nahe. Ich jedenfalls war als ich das vorhin las erstmal baff und auch für den ersten Moment etwas sprachlos. Denn das was ich in all den Jahren meiner Sucht mitunter an Tiefpunkten, Verzweiflungen, Verletzungen und irrealen Sachen erlebt habe - ich bezweifle sehr dass das jemand unbedingt erleben möchte.

    Ich hab den Link zu den >>ICD-10 Kriterien<< schon mehrfach hier im Forum gepostet. Entscheidend für eine Sucht ist nicht ob man schwere körperliche Entzugserscheinungen hat, sondern vielmehr der Schaden den der Konsum im Leben anrichtet und dass man trotz des sich mehrenden Schadens lange nicht aus dem Kreisel rausfindet. (siehe Link)
    Ich finde zudem dass man nur weil man keine stärkeren Entzugserscheinungen (zittern etc.) hat, das noch lange nicht heißt man sei nicht körperlich abhängig! Weil, das ganze Verlangen nach Alkohol (Craving), die Auswirkungen langzeitlichen Konsums auf die körpereigene Biochemie (stichwort Dopamin etc.), die akute Wirkung von Alkohol auf den menschlichen Körper ... was ist das denn anderes als in körperlichen Abläufen begründet??

    Gute Grüße,
    Land-in-Sicht

  • Hallo Land-in-Sicht,

    sorry, da habe ich etwas leichtfertig geschrieben gestern (und auch nicht viel gedacht dabei, dass das verletztend herüberkommen könnte).
    Wahrscheinlich habe ich mich auch noch zuwenig darüber informiert gehabt (diese ICD-10 Kriterien). Also bitte nichts für ungut.

    Ich finde es grossartig, wie Du schon lange erfolgreich diesen Weg gehst.

    Einmal editiert, zuletzt von franz68 (21. September 2015 um 20:17)

  • Hallo lieber Franz.
    Ja, alles gut :) Drum redet man ja mitnander.
    Und Danke auch für dein Feedback.

    Gute Grüße und die allerbeste Kraft!

    LiS

  • ..naja, Franz (und natürlich auch alle Anderen), an sich ist es ja aber auch schon so ein Punkt. Denn wenn ich noch wenige Wochen vor meinem Ausstieg sozusagen 'meine eigene Geschichte' hier weiter oben gelesen hätte, dann hätte ich es mir eben noch vor nicht mal zwei Jahren noch mächtig schöngeredet. Ich bildete mir immer ein Alkohol gehöre einfach zu meinem Lebensstil, zu meiner Persönlichkeit und ich konnte es mir ohne nicht vorstellen. Da war ich tatsächlich auch noch felsenfest der Meinung dass das allenfalls missbräuchlicher Konsum war den ich betrieb.

    Wo mich dieser Selbstbetrug dann über die Jahre letztlich hingeführt hat, darüber werd ich bald auch noch mehr schreiben.


    Das wirkliche, spannende, glückliche usw. Leben findet immer außerhalb des Suchtkreislaufs statt.


    Ja Bassmann, das sehe und erlebe ich auch so. Wenn ich allein sehe wie ich mich in der ersten Zeit so ganz ungefiltert und schonungslos offen meinen inneren Schatten gestellt habe … und doch eröffnete sich mir von Beginn an begleitend auch die komplette weitere Gefühlspalette des rauschmittelfreien, puren Lebens. Vor Allem empfand ich von Beginn an auch eine unglaublich tiefe innere Freude über den Prozess meiner Befreiung. Diese Freude und auch ein wachsender Stolz trieb und treibt mich nun immer weiter und weiter an.
    Das Tal durchschritt ich - immer mit einem lichtvollen Funken der Hoffnung in den Händen. Und so verschwand auch der dunkle Schleier nach und nach. Und was sich mir nun in meinem Leben, fern von jeglichen blockierenden Rauschmitteln gänzlich eröffnet, das ist jede Menge ECHTE Freude, Power!, Durchhaltevermögen, Genuss, Verbundenheit, Liebe, Selbstliebe, Hartnäckigkeit, Standhaftigkeit, Ausgewogenheit, Kraft, Zuversicht, Klarheit, und noch so Vieles, Vieles mehr…..

    Land-in-Sicht

  • Bevor mein ‚Reisebericht’ bald in wirklich weitaus schönere Gefilde übergeht doch noch ein wenig über die Zeit in der ich mich in der Sucht gefangen hielt - über mein Leben in den Düstermeeren.

    Wenn mein längeres Posting weiter oben für manchen vielleicht doch immer noch eine Spur weit 'harmlos' rüberkam, so mag das vielleicht auch daran liegen dass ich hier eigentlich nicht schreiben möchte um alle meine Erlebnisse dieser Zeit nochmals haarklein hochzuholen und einzeln nochmal 'aufzubrühen'. Dafür bin ich auch viel zu sehr tief im Herzen dankbar und froh darum dies nun endlich und endgültig hinter mir gelassen zu haben.

    Zudem denk ich auch dass eigentlich nahezu rede/r Betroffene der/die hier mit entsprechendem Hintergrund liest, recht genau weiß was dahinter steht wenn ich von über die Jahre hinweg zunehmendem gewohnheitsmäßigem Konsum und auch immer wiederkehrenden totalen Filmrissen mit den entsprechenden Abstürzen und schlimmen Kontrollverlusten schreibe.

    Einen weiteren Einblick möchte ich dennoch geben:

    Wie schon geschrieben war mein gewohnheitsmäßiger Konsum über die Jahre hinweg kaum merklich, langsam aber stetig zunehmend. Eigentlich weniger in der Menge, sondern eher von der Häufigkeit her. Waren es zunächst die Wochenenden und besondere Anlässe bei denen ich mich gepflegt wegschoss, spielte der Alkohol in der letzten Zeit dann eigentlich nahezu täglich eine feste Rolle in meinem Leben. Klar waren es in Arbeitszeiten weiterhin vorübergehend die Wochenenden an denen ich mich gänzlich in den Rausch ‚fallen ließ’, in der Woche zügelte ich mich halt so gut es ging. Oder halt auch mal nicht… Meine Hausärztin sah mich jedenfalls oft in dieser Zeit wegen diversen AU-Schreibungen.
    Es gab natürlich darüber hinaus viele erschüttende Erlebnisse bei denen jeder mit normal gesundem Menschenverstand schon nach dem ersten Male, im Leben keinen Alkohol, und wenn dann nur mit äußerst großem Respekt und Vorsicht angerührt hätte. In meiner Kraft lag dies nicht. Zwar setzten mir solche Ereignisse natürlich auch immer sehr zu, und ich wollte ja schon absolut niemandem irgendwie bewusst schaden oder so. Aber meine festen Schwüre mir selbst und auch den Anderen gegenüber des „Nie wieder!“ konnte ich zu meinem tiefen Leid nicht umsetzen. Und so kehrten diese Kontrollverlustabstürze in unregelmäßigen Abständen von Wochen oder Monaten über viele Jahre hinweg immer und immer wieder. Da beleidigte ich Menschen die mir sehr lieb und teuer waren und da ging auch mal was zu Bruch; und das obwohl mich meine Freunde und Verwandte immer als einen sehr friedlichen, harmonisch ausgeglichenen und fröhlichen Menschen kannten. Einmal den ‚Schalter’ weggeschossen aber gab es weder Verwandten noch Freunde mehr – so wie es für mich sowieso gar nichts mehr gab, weil ich in meiner Betäubung davon eh nahezu gänzlich nichts mehr mitbekam. Allenfalls blieben manchmal wenige wage, schemenhafte Erinnerungsfetzen hängen. Doch war mein Geist eigentlich komplett ausgeschalten – wie ein schwarzes Loch – mein Körper jedoch funktionierte weiter und was in solchen Abstürzen ebenfalls noch funktionierte das war, dass ich es wohl als meine Aufgabe betrachtete weiterhin jeglichen Alkohol um mich herum eigens durch Vertilgen zu vernichten!!
    Wie durch ein Wunder ist es in diesen Eskalationen glücklicherweise niemals zu körperlicher Gewalt gekommen sondern lief ausschließlich auf verbalen und allenfalls gegenständlichen Ebenen, aber wie gesagt, das ist wird wohl eher Glück gewesen sein. Oder dass ich selbst nicht Prügel kassierte so unmöglich wie ich mich oft benahm, doch das kann auch daran liegen dass ich dann vielleicht derart aggressiv rüberkam, dass selbst potentielle Raufbolde mich in Ruhe ließen(?)
    Einmal, mein Promillepegel MUSS in sehr hochstelligem Bereich gewesen sein, habe ich sogar deeskalierend gewirkt und ruhig und sachlich mit Polizisten geredet und dadurch eine spätnächtliche Situation, schließlich hatte ja jemand diese Streife gerufen, absolut wohlwollend und ruhig sachlich geschlichtet – ich selbst wusste am nächsten Tag NICHTS mehr davon. Bekam es nur erzählt…
    Mehrmals hatte ich auch Glück mein eigenes Leben betreffend. Meistens ja auf den erinnerungslosen Nachhausewegen. Denn wie durch ein Wunder erwachte ich, manchmal ohne, manchmal dafür mit deutlichen Blessuren, im Bett. Nach einer Sylvesterfeier z.B. fand ich ein par Tage später einen meiner Turnschuhe an einem steilen Abhang mit entsprechenden Spuren nahe hin zu einem fließenden Bach wieder. Schnee, klirrende Kälte Minusgrade, was soll ich dazu noch sagen… Oder etwa Stürze mit dem Fahrrad oder auch einfach so… Es gäbe da wirklich sehr viele unschöne `Geschichten´ zu berichten. Es war mir oft ein Rätsel was am Vorabend passiert und wie ich letztlich nach Hause gekommen war. Ich kann es mir nur mit dem alten Weisheit erklären, dass Besoffene und Kinder einen Schutzengel haben.

    Mehr als einmal, ich bin Handwerker, betrachtete ich nach solch einem Absturz meine Hände und redete zu mir selbst: „Wenn der gute alte Mann da oben über den Wolken mich trotz meiner Achtlosigkeit bisher doch immer so beschützt hat, dann scheint er wohl doch noch etwas mit diesen meinen Händen vor zu haben!?!“

    Nun, ich habe mich dessen besonnen.

    Im Frühjahr 2014 habe ich beschlossen den Kurs meines Lebens nun ein für alle Male, und zwar grundlegend zu korrigieren. Ich habe das Steuerruder meines Lebens wieder zurückerobert. Seit dem bin ich wieder Käptn auf meinem eigenen Boot. Ich nenne mich Land-in-Sicht und bestimme selbst den Kurs meiner Reise! Der Kompass meiner Reise folgt einer tiefen inneren Sehnsucht. Es ist eine Reise zu mir selbst. Es ist mir gelungen die Düstermeere zu verlassen und in neue, weite Meere zu segeln. Und der Wind, der nun die Segel meines Schiffes füllt, singt in schönen wie auch in schwierigen Momenten von Zuversicht und Hoffnung …. !

    Ahoi und bis bald wieder :)
    euer Land-in-Sicht

  • Aber meine festen Schwüre mir selbst und auch den Anderen gegenüber des „Nie wieder!“ konnte ich zu meinem tiefen Leid nicht umsetzen.

    Ja, das kenne ich leider auch zur Genüge. Über kurz oder lang (meist kurz, sehr kurz) kam dann die Pseudo-Frage "Wer hat das gesagt?" und weiter ging's ... ;(

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

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    können wir nur selber tun!

  • Lieber LiS,

    das kommt mir denn teilweise recht bekannt vor. Wie schön ist mein Leben jetzt ohne solche Vorkommnisse und leidvollen Erfahrungen. Ich fühl mich sehr gut so wie es jetzt ist.

    Dir weiterhin alles erdenklich Gute.

    Was macht der Job?

    LG Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.


  • ... das kenne ich leider auch zur Genüge. Über kurz oder lang (meist kurz, sehr kurz)...


    Ja Fox, es gab Lebenssituationen, in denen hielt dieses felsenfeste "Nie wieder!" vor allem wenn ich es 'nur' mir selbst gegenüber ausgesprochen hatte, oft nicht mal bis zum Abend des selben Tages an....:(

    Ich denke ein Knackpunkt liegt für mich persönlich darin, hab das ja auch schon mehrfach hier im Forum geschrieben, dass ich an Stelle des "Niewieder..." - ein deutliches "Von nun an für Immer!" setzte. Ein "Von nun an kämpfe ich immer, jeden Tag und jeden Augenblick meines Lebens mit jeder Faser meines Herzens für mein gesundes und glückliches Leben!" und ich bin bereit DAFÜR alles im meiner Macht liegende zu tun....


    Wie schön ist mein Leben jetzt ...


    Liebe Betty, das nehm ich dir sofort ab. Ich finde das auch echt erstaunlich was sich in den eineinhalb Jahren nun schon so alles zum Guten gewandelt und verändert hat. Im Innen so wie im Außen. Daran hätte ich noch vor zwei Jahren kaum zu glauben gewagt! :D


    Was macht der Job?


    Nunja, eine wirklich langfristige berufliche Perspektive und Zukunft ist nach wie vor so eine Baustelle an der ich definitiv immernoch zu arbeiten habe. Die vorübergehend überbrückende Lösung derzeit fühlt sich aber wirklich ganz gut an und läuft auch erstmal echt gut an soweit. Im Katastrophendenken der Sucht führte ich mir solches immer als unlösbares Problem vor. Heute sehe ich sowas als persönliche Herausforderung und Aufgabe, und da komme ich wieder darauf zurück > es ist etwas FÜR das ich kämpfen kann!

    Einen schönen Wochenendausklang Euch,
    und gute Grüße in eine ebenso gute frische Woche!

    LiS

  • Ihr Lieben!

    Bitte wundert Euch nicht wenn ich derzeit doch immer mal 'ne kleine Auszeit vom Thread hier nehme.

    Zunächst will ich hier ja, sozusagen einigermaßen chronologisch, ein wenig über die Zeit meiner Sucht sprechen. Das habe ich in den vergangenen anderthalb Jahren natürlich schriftlich, in zahlreich tiefgreifenden Gesprächen, sowie auch in intensiver und ehrlich aufrichtiger Selbstreflexion nach und nach für mich selbst aufgearbeitet. Doch liegt es mir sehr nahe dies auch einmal offen hier in dieses Forum zu stellen.
    Aktuell in diesen Tagen allerdings ist es so, dass mein glücklich Nüchternes und Gesundes leben doch einiges an Fokus von mir erwartet. In solchen Phasen habe ich oft den deutlichen Impuls mich und meine Kraft sehr intensiv der Gegenwart und der konstruktiven Zukunftsgestaltung zu geben - und mit meiner Aufmerksamkeit nicht in der zurükliegenden Vergangenheit zu verhaften.

    Darum:
    Auch wenn es mal einzwei Wochen dauert, ich bleib schon noch weiter dran am Thread hier und bald werde ich dann von der Zeit unmittelbar vor und in meinem Ausstiegspunkt schreiben.
    Bis dahin verbleibe ich an dieser Stelle wie immer in GuterKraft an Alle!

    AHOI!
    und immer einen frischen, guten Wind in den Segeln :D

    Euer Land-in-Sicht

  • Da fallen mir wieder die Sprüche meiner Omma ein: Nimm Dir Zeit - und nicht das Leben! Gut Ding will Weile haben! Gutes Obst muss reifen! ... etc

    Allet jut! Und: Allet Jute! :D

    Gruß
    Greenfox

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  • Es ist manchmal echt spannend zu sehen, wie doch ein Thread, ab dem Punkt wo man ihn ins Netz stellt, mitunter ein komplettes Eigenleben entwickelt… Ich hatte selbst zunächst erst gar nicht vor so sehr viel über meine Zeit in der Sucht zu schreiben, aber dann kam das einfach irgendwie so raus und ich hab das von da ab sozusagen einfach zugelassen.

    Eigentlich hatte ich ja aber vor in meinem Logbuch von meinem Ausstieg aus der Sucht zu schreiben. In der Zeit meiner Sucht war es ja so, nicht ausschließlich aber doch überwiegend, dass ich vom Leben geschrieben wurde und nicht umgekehrt. Ich hatte in dieser Zeit zwar durchaus feste Werte und Prinzipien, aber ich hatte noch kein Logbuch in dem ich sozusagen mein Leben selbst schrieb. Ich war kaum willentlicher Gestalter meines eigenen Lebens.

    Darum habe ich jetzt diesen Thread hier umbenannt. Er wird dazu da sein hier hin und wieder Erinnerungen und Gedanken aus der Zeit „in den Finstermeeren“ festzuhalten. Natürlich auch gerne für Fragen und Austausch darüber….

    Mein >Logbuch< in dem ich über den Weg von meinem Ausstiegspunkt an in meiner Reise zu mir Selbst schreibe, werde ich dann bald noch mal als eigenen Thread hier eröffnen…

    Gute Grüße und die beste Kraft an Alle!

    Land-in-Sicht

  • 44.
    Ja, so ein Thread ist nunmal kein Tagebuch, wo nur eine Person darin schreibt - es ist wie ein eigenständiges Lebewesen, dass sich entwickelt und verändert ... oder auch mal verschwindet, stirbt.

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