die neuen S3-Leitlinien - epochale Schritte

  • Epochale Schritte in den offiziellen S3-Leitlinien – so ist das bisher gültige strikte Abstinenzdogma in der therapeutisch begleiteten Überwindung von Alkoholproblematiken und/oder Abhängigkeiten zu Anfang diesen Jahres gefallen.

    Neben dem Königsweg Abstinenz, der vor allem für Abhängige nach wie vor primäres Ziel bleibt, findet nun auch die therapeutisch begleitete Konsumreduzierung in der Beratung und Behandlung alkoholbedingter Störungen jeder Art offizielle Anerkennung und Anwendung. Mit diesen Neuerungen schlägt Deutschland in den letzten Jahren einen Weg ein der in anderen Ländern schon weit längere Zeit erfolgreich gegangen wird.

    In einem anderen Thread hatte ich diese Tage dazu geschrieben:

    …dass Abstinenz sowohl ein sehr guter Weg, als auch ein sehr schönes Ziel sein kann. ... Aber halt eben nicht zwingend für Alles und Jeden. Manche können, manche wollen oder andere wiederum müssen ja auch vielleicht gar nicht gänzlich diesen Weg gehen. Und daher gibt es mittlerweile durchaus auch andere gute Wegoptionen die in den letzten Jahren ja sogar auch zunehmend offiziell anerkannt werden.

    Das möchte ich hier noch mal aufgreifen um dazu auf die seit dem 03. Februar 2015 gültigen offiziellen „S3-Leitlinien zur Behandlung alkoholbezogener Störungen“ hinweisen.


    Hier ein Link zur offiziellen Seite der DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR SUCHTFORSCHUNG UND SUCHTTHERAPIE:
    >>neue evidenzbasierte S3-Leitlinien für Alkohol- und Tabakabhängigkeit
    Dort sind Informationen und PDF aller verfassten Leitlinien (Alkohol & Tabak) in ausführlicher Form und in offiziellen Pressetexten zum Lesen und Download aufgelistet.


    In der >>Langversion(Alkohol)<< ist zum Beispiel zu den Therapiezielen LZT festgehalten:

    Zitat

    Bei postakuten Interventionsformen ist Abstinenz bei Alkoholabhängigkeitssyndrom (ICD10: F10.2) primäres Therapieziel. Ist die Erreichung von Abstinenz z.Z. nicht möglich oder liegt schädlicher bzw. riskanter Konsum vor, soll eine Reduktion des Konsums (Menge, Zeit, Frequenz) im Sinne einer Schadensminimierung angestrebt werden.

    Im kurz gefassten und sehr gut geschriebenen offiziellen >>Pressetext(Alkohol)<< finden sich Auszüge aus der wie ich finde sehr lesenswerten Einleitung der Langversion:

    Zitat

    ... viele Betroffene sind unsicher und schrecken gerade zu Beginn einer Abhängigkeit vor dem Aufsuchen einer Beratung und Behandlung zurück. In einer empirischen Untersuchung in den USA war knapp die Hälfte der Personen mit behandlungsbedürftigen Alkoholproblemen trotz eigener Einsicht in die Notwendigkeit (noch) nicht bereit, vollständig auf Alkoholkonsum zu verzichten ... Vor diesem Hintergrund kam die international stark beachtete englische Therapieleitlinie … zu dem Schluss, auch die Reduktion der Trinkmengen als zumindest intermediäres Therapieziel für Alkoholabhängige anzuerkennen, ein Standpunkt, den auch die European Medicines Agency vertritt … Nach intensiver Diskussion schloss sich die Konsensusgruppe der S3-Leitlinie „Alkohol“ einstimmig diesem Vorschlag an. Die damit verbundene Senkung der Eingangsschwellen soll deutlich mehr Menschen in eine Beratung und Behandlung führen als bisher. Könnte die Inanspruchnahme von psycho- und pharmakotherapeutischen Angeboten von bisher 10 % auf 40 % der Betroffenen erhöht werden, ließen sich nach einer aktuellen Modellrechnung pro Jahr rund 2000 Menschenleben in Deutschland retten. ...

    Hier ein guter Artikel zu den neuen Leitlinien im SPIEGEL-ONLINE:
    >>Spiegel.online - neue Leitlinien, bessere Hilfe gegen Akohol- und Nikotinsucht


    [hr]
    Am etwa 4-jährigen Entwicklungsprozess der Leitlinien waren mehr als 50 Fachgesellschaften, Berufsverbände, Gesundheitsorganisationen, Selbsthilfe- und Angehörigenverbände sowie über 60 ausgewiesene Suchtexpertinnen und –experten beteiligt. Hier eine Liste:

    [size=7pt]Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DG-Sucht)
    Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN)

    Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) / Medizinische Fakultät Mannheim / Universität Heidelberg / Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Tübingen / Aktion Psychisch Kranke (AKP) / Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie und Pharmakopsychiatrie (AGNP) / Arbeitskreis der / Chefärztinnen und Chefärzte der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern in Deutschland (ACKPA) / Bayerische Akademie für Suchtfragen e.V. / Berufsverband Deutscher Psychiater (BFDP) / Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) / Berufsverband für Kinder und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland (BKJPP) / Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. (BAG) / Bundesärztekammer (BÄK) / Bundesdirektorenkonferenz, Verband leitender Ärztinnen und Ärzte der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie (BDK) / Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) / Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN) / Bundesverband für Stationäre Suchtkrankenhilfe (BUSS) / Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) / Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) / Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) / Deutsche Gesellschaft für Biologische Psychiatrie (DGBP) / Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und –psychotherapie e.V. (DGGPP) / Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) / Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK) / Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. / Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG) / Deutsche Gesellschaft für Nikotin- und Tabakforschung e.V. (DGNT) / Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) / Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) / Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (dgpm) / Deutsche Gesellschaft für Rehabilitations- wissenschaften (DGRW) / Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit in der Suchthilfe (DGSAS) / Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS) / Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) / Deutsche Gesellschaft für Suchtpsychologie (dgsps) / Deutscher Bundes verband der Chefärztinnen und Chefärzte der Fachkliniken für Suchterkrankungen (DBCS e.V.) / Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) / Deutscher Verband der Ergotherapeuten (DVE) / Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) / Deutsche Suchtmedizinische Fachgesellschaft (DSMG) / Deutsche Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen (DVSG) / Diakonische Suchtselbsthilfe / Blaues Kreuz in Deutschland / Blaues Kreuz in der Evangelischen Kirche / Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe Bundesverband e.V.) / Fachverband Sucht (FVS) / Guttempler in Deutschland (IOGT) / Norddeutscher Suchtforschungsverbund (NSF) / Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (ÖGPP) / Österreichische Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (ÖGS) / Schweizer Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) / Schweizer Gesellschaft für Suchtmedizin (SSAM) / Stiftung für Biomedizinische Alkoholforschung Tübinger Förderverein für abstinente Alkoholkranke e.V. (TÜF) / Bundesverband der Elternkreise suchtgefährdeter und suchtkranker Söhne und Töchter e.V. (BVEK) / Deutscher Fachverband Verhaltenstherapie (DVT) / Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP)

    Prof. Dr. Karl Mann, Leiter der Steuergruppe (Dt. Gesellschaft für Suchtforschung und –therapie, DG-Sucht)
    Prof. Dr. Anil Batra, Co - Leiter (Dt. Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, DGPPN)
    Prof. Dr. Gerhard Bühringer (Dt. Gesellschaft für Psychologie, DGPs)
    Prof. Dr. Michael Klein (Dt. Gesellschaft für Suchtpsychologie, DGSPS)
    Prof. Dr. Jens Reimer (Dt. Gesellschaft für Suchtmedizin, DGS)
    PD Dr. Gerhard Reymann (Dt. Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und ärztliche
    Psychotherapie, DGPM, Bundesdirektorenkonferenz, BDK)
    Prof. Dr. Rainer Thomasius (Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte
    für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V., BAG;
    Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in
    Deutschland e. V., BKJPP; Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
    Psychosomatik und Psychotherapie e.V., DGKJP)
    Dr. Eva Hoch (Methodikerin), Dr. Kay Uwe Petersen (Methodiker)

    Dr. Klaus Amann, Dipl. Psych. Julia Arens, Dr. Martin Beutel (Ltg.), Dr. Oliver Bilke-Hentsch, Dr. Gallus Bischof, Prof. Dr. Udo Bonnet, PD Dr. Ralf Demmel, Dr. Heribert Fleischmann, PD Dr. Jennis Freyer-Adam, Prof. Dr. Wilma Funke, Dr. Dieter Geyer, Prof. Dr. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, Dr. Arthur Günthner (Ltg.), Dr. Ursula Havemann-Reinecke, Prof. Dr. Derik Hermann, Dr. Eva Hoch, Dr. Bettina Jäpel, Dr. Andreas Koch (Ltg.), Dr. Joachim Köhler, Dr. Georg Kremer, Dipl. Psych. Nikolaus Lange, Prof. Dr. Gerhard Längle, Dr. Bodo Lieb, PD Dr. Johannes Lindenmeyer, Prof. Dr. Karl Mann, Dipl. Psych. Peter Missel (Ltg.), PD Dr. Tim Neumann, Prof. Dr. Ulrich W. Preuss (Ltg.), Dr. Olaf Reis, PD Dr. Gerhard Reymann, PD Dr. Monika Ridinger, PD Dr. Hans-Jürgen Rumpf (Ltg.), Dr. Peter-Michael Sack, PD Dr. Ingo Schäfer, Prof. Dr. Martin Schäfer (Ltg.), Prof. Dr. Norbert Scherbaum, Dr. Welf Schröder, Prof. Dr. Manfred V. Singer, Prof. Dr. Michael Soyka, Prof. Dr. Claudia Spies, Dipl. Psych. Julian Stappenbeck, Prof. Dr. Rainer Thomasius (Ltg.), Mag. Natasha Thon, Dr. Clemens Veltrup, Prof. Dr. Irmgard Vogt, PD Dr. Tilmann Weber, Herr Georg Weil, Dr. Volker Weissinger, Dr. Bernd Wessel, Dr. Arnold Wieczorek, Prof. Dr. Klaudia Winkler, Dipl. Soz. Päd. Nadja Wirth, Prof. Dr. Norbert Wodarz(Ltg.), Dr. Dirk Wolter, Prof. Dr. Friedrich M. Wurst (Ltg.)[/size]


    Mein zutiefst verbundener Dank gilt jetzt schon diesen Menschen, da sie mich persönlich so auf den Weg aus der Sucht in ein langfristig zufrieden nüchternes Leben brachten!!

    Land-in-Sicht

    Einmal editiert, zuletzt von Land-in-Sicht (17. Juli 2015 um 23:14)

  • Hallo Land-in-Sicht,
    von mir hierzu einmal die Frage, ob ein schwer alkoholkranker Mensch der dann seinen Konsum reduziert, überhaupt den Effekt der physischen und psychischen Gesundung erzielen kann? Ich denke hierbei vor allem an die negativen Wesensveränderungen...
    Danke für eine Antwort
    Simone

  • Hallo Simone,

    ich persönlich kann dir deine Frage nicht mal eben pauschal beantworten,
    da ich denke dass die Sucht ebenso viele Gesichter hat wie es Süchtige gibt.

    Von daher kann sich diese Frage im Prinzip nur jeder Einzelne aufrichtig vor sich selbst beantworten.

    So wie ich es verstehe ist in den neuen Leitlinien vor allem beabsichtigt die Zugansschwelle zur Suchthilfe erheblich zu senken und die Menschen eben an der Stelle ihrer Sucht aufzufangen an der sie eben gerade stehen, und nicht erst abzuwarten bis der Betroffene sein Leben gänzlich zerstört hat.

    Ich selbst hüte mich immer vor Verallgemeinerungen. Ich schreibe vielmehr von mir Selbst, von meinem persönlichen Empfinden und Erleben. Es wird Menschen geben die sich teilweise darin wiederfinden, es wird andere Menschen geben die gänzlich andere Wege gehen.

    Für mich war es so dass ich schon einige jahre vor meinem Ausstieg mehrmals Nullpunkte hatte an denen ich völlig am Boden und verzweifelt bei Psychologen und in der Suchthilfe nach Hilfe suchte. Dort fragte man allerdings nicht nach meinen Problemen und Sorgen, nicht nach mir als Menschen, meinen Ressourcen und Träumen, nicht nach meinen Vorstellungen von Veränderung, sondern konfrontierte mich von Beginn an massiv mit dem Abstinenzgedanken. "Können Sie sich vorstellen nie wieder in ihrem Leben einen einzigen Tropfen zu trinken? Nein?? Dann können wir ihnen nicht helfen. Da ist die Tür..." Gesprächsende. Das ist leider nicht erfunden, so war es mehrmals für mich und ich wurde, obwohl ich in dieser Zeit schon wirklich sehr am Verzweifeln war noch ein par schlimme Jahre lang weiter ohne Hilfe in die Sucht zurückgeschickt. Und das obwohl ich den Satz mit dem 'nie wieder einen Tropfen' zu der Zeit vor allem aus dem Grunde nicht über meine Lippen bekam, weil ich bei einem mir sehr nahestehenden Menschen erlebt hatte wie er in einer längeren trockenen Zeit immer wieder nahezu täglich die Formel dieses "nie wieder" aussprach, im Endeffekt aber wieder in die Sucht geriet und heute nichtmehr viel von ihm übrig ist.

    Es kam die Zeit unmittelbar vor meinem Ausstieg im Winter 2013/14.

    Ich war wiedermal an unbeschreiblich verzweifelten Lebenspunkten angelangt und überlegte mittlerweile im Rausch immer konkreter dem ganzen ein vorzeitiges Ende zu setzen.
    Da begab ich mich in ein offenes Gespräch mit meiner Hausärztin die in den Grundzügen auch schon länger über meine Problematik bescheid wusste. Im Gespräch sagte ich zu ihr (ich war ja zu dem Zeitpunkt noch süchtig): "Ich kann es mir halt nicht so richtig vorstellen nie wieder im Leben einen einzigen tropfen zu trinken." Sie antwortete mir darauf: "Na, das ist ja auch nicht sicher dass das unbedingt so sein muss, da gibt es in anderen Ländern bereits ganz andere Ansätze...." Es gab mehrere entscheidende Dinge die in dieser Zeit in meinen erfolgreichen Suchtausstieg und damit wieder ins Leben hinein führten. Aber DAS war definitiv einer der wichtigen Knackpunkte. Weil von exakt diesem Moment an in diesem Gespräch fing es an in meinem Kopf zu arbeiten meine Einstellung zum Alkohol begann sich von da an komplett zu verändern. Es ging nicht mehr darum was irgendjemand mir sagte was ich lassen oder was ich tun soll, sondern mir wurde klar dass es allein bei MIR und in MEINER freien Entscheidung liegt.

    Ich beschloss dann zunächst mal eine Weile auf Alkohol zu verzichten, wodurch ich die ersten Schritte in diesen Weg hinein machen konnte. Ich hielt mir aber erst mal das Ziel offen, nach dem Motto ich könne ja immer noch sehen was sich so entwickelt.

    Ich selbst habe durch diese Zieloffenheit den Weg in eine abstinente, nüchtern gesunde Lebensweise gefunden. Und zwar auf die Weise, dass sich schon recht bald der Effekt einstellte dass dieser Weg keinen Verzicht, sondern durch die wiedergewonnene Entscheidungs- und Handlungsfreiheit eine enorm große Bereicherung auf sehr vielen Ebenen des Lebens für mich darstellt. Ich kann das nur jedem von ganzem Herzen und aus einem unglaublichen Gefühl der Dankbarkeit und Freiheit heraus empfehlen! Aber ich kann niemandem sagen was sein Weg sei und ob und wie er diesen Weg gehen soll....

    Simone, allerdings noch ein wenig konkreter auf deine Frage hin, wer wirklich schwer Abhängig ist, der sollte sich zunächst die Frage stellen ob reduzierter Konsum überhaupt sinnvoll und/oder möglich ist. Andererseits kann es in manchen Fällen ja durchaus im Sinne einer `Schadensminimierung´ besser sein wenn ein Betroffener zumindest weniger trinkt und somit vor allem körperliche Folgen und Schäden erst einmal noch herauszuzögern, und in dieser Zeit eventuell zu versuchen dem Betroffenen seine Fähigkeit zur Veränderung aufzuzeigen und ihm schrittweise Zugang in den weiteren Suchtausstieg zu ermöglichen.

    gute Grüße erstmal,
    Land-in-Sicht

    Einmal editiert, zuletzt von Land-in-Sicht (25. Oktober 2015 um 23:26)

  • Hallo Land-in-Sicht,
    vielen Dank für Deine schnelle und ausführliche Antwort.
    Liebe Grüße von
    Simone

  • ... ich meine Seele so stark gemacht habe, dass ich wie Moses das Meer teilen kann, so werde ich auch wieder Alk trinken können ohne rückfällig zu werden.

    Also zuerst (okay ein See reicht auch) das Wasser teilen, danach trinken


  • ... ich meine Seele so stark gemacht habe, dass ich wie Moses das Meer teilen kann, so werde ich auch wieder Alk trinken können ohne rückfällig zu werden.

    Also zuerst (okay ein See reicht auch) das Wasser teilen, danach trinken


    ...kann funktionieren, wenn man vorher noch nicht allzu im Alksumpf drinnengesteckt ist oder noch nicht allzu sehr abhängig war. Sonst wird das (auch mit eiserner Disziplin wird das schwer werden), nicht funktionieren. Stichwort Suchtgedächtnis, Toleranzentwicklung, MEOS System.

    Ich bin ja mal froh, wenn ich längere Zeit das Nichttrinken zusammenbringe. Das kontrollierte Trinken steht gar nicht auf meiner Agenda. Ich verstehs schon, das wollen viele, weil sie sich nicht vorstellen können oder wollen, nie wieder Alk zu trinken. Das ist dann für viele ein "Nice-To-Have" Fernziel. Aber für die meisten ist es dann doch früher oder später wieder der Einstieg in alte Alkoholkonsumgewohnheiten, auch liebevoll im Ärztejargon "C2-Abusus" genannt.

    Einmal editiert, zuletzt von franz68 (27. Oktober 2015 um 19:44)

  • Keine Ahnung, ob ich zu tief im Alk-Sumpf gesteckt habe oder nicht - ich weiss nur, dass KT bei mir nicht funktioniert hat und so was von in die Hose gegangen ist ...
    Und "merkwürdiger Weise" höre ich das von ALLEN aus meiner Gruppe und bei vielen Gesprächen immer wieder ...

    Auf Grund dieser meiner eigenen Erfahrung und dem Ergebnis vieler Gespräche bin ich persönlich der Überzeugung: KT funktioniert nur bei Menschen, die nicht süchtig sind ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Bei mir war es auch viele Jahre lang so, dass es mir absolut nicht gelingen wollte, weniger zu trinken. Stattdessen wurden die von mir konsumierten Mengen immer größer. Wie oft nahm ich mir in diesen Jahren vor, am Abend nur eine Flasche Wein zu trinken …und fuhr dann im alkoholisierten Zustand zur Tankstelle, um mir eine zweite Flasche zu kaufen. Wie oft versuchte ich mich zu überlisten und kaufte an dem einen oder anderen Tag überhaupt keinen Alkohol ein … und fuhr dann -diesmal im nicht alkoholisierten Zustand- zur Tankstelle, um mir zwar widerlich schmeckenden, aber mit den nötigen „Umdrehungen“ ausgestatteten Wein zu kaufen.

    Wäre ich über die klassische Suchthilfe vom Alkohol los gekommen, würde ich heute auch von mir behaupten, dass es mir nicht möglich ist, kontrolliert zu trinken.
    Ich regelte meinem Suchtausstieg jedoch in Eigenregie und stützte mich dabei in erster Linie auf meine Erfahrungen aus dem Rauchstopp. Da ich nach einer vierwöchigen Phase der Abstinenz inzwischen mehr als drei Jahre lang immer mal wieder Alkohol trinke, ohne dabei die Kontrolle zu verlieren, war ich entweder niemals süchtig und bildete mir meine Abhängigkeit nur ein, oder mein „Klickerlebnis“ war ein anderes und tragfähigeres als das der meisten anderen Abhängigen.

    Vielleicht klärt die Wissenschaft das ja irgendwann einmal auf.

    Bassmann

  • Beneidenswert. Ich nehme einmal an, dass du nicht wirklich vom Alkohol richtig abhängig warst. Denn wenn Du drei Jahre auf einem niedrigen Level bleiben kannst (und dabei auch noch gut fühlst), ja, dann hast du a) eine bewundernswerte Disziplin oder eben b) du hattest deinen Alkoholkonsum damals auch noch einigermassen unter Kontrolle.

  • Tja, was hilft eine Änderung der offiziellen S3-Richtlinien, wenn man in den Köpfen vieler, die abstinent leben, ohnehin nicht Ernst genommen wird ? Oder vielleicht noch freundlich als "du warst wohl nie süchtig" hingestellt .


  • Tja, was hilft eine Änderung der offiziellen S3-Richtlinien, wenn man in den Köpfen vieler, die abstinent leben, ohnehin nicht Ernst genommen wird ? Oder vielleicht noch freundlich als "du warst wohl nie süchtig" hingestellt .

    Oh oh, ja vielleicht soll man manchmal nicht gleich allzu schnell schreiben, was man sich denkt. Ich kanns ja nicht beurteilen. Ich fühl mich jedoch im Recht, da immer wieder (auch heute noch) die Abstinenz als Ziel gepredigt wird, Kontrolliertes Trinken für diejenigen, die noch nicht ganz dem Alkohol verfallen waren (nur die können es dann auch länger als ein paar Monate konstant durchhalten. Soweit halt die gängige Meinung, ... wie immer im Leben kann es auch hier gelten: Ausnahmen bestätigen die Regel.

  • Zitat

    wenn man in den Köpfen vieler, die abstinent leben, ohnehin nicht Ernst genommen wird ?


    Auch mancher Geisterfahrer beschwert sich über die vielen, die ihm entgegen kommen.


  • Tja, was hilft eine Änderung der offiziellen S3-Richtlinien, wenn man in den Köpfen vieler, die abstinent leben, ohnehin nicht Ernst genommen wird ?

    An den Personenkreis der abstinent Lebenden richten sich die Änderungen wahrscheinlich nicht, denn für diese Menschen ist es unerheblich, ob man gefahrlos das eine oder andere Glas trinken kann. Vorausgesetzt, sie leben zufrieden abstinent.

    Ich kann das gut nachvollziehen, wenn ich an meine Abstinenz in Bezug auf Tabakprodukte denke. Es wäre mir völlig schnuppe, sollte man plötzlich propagieren, dass man auch als „trockener Nikotiner“ gefahrlos die eine oder andere Zigarette rauchen könne. Denn mich schüttelt es bei dem Gedanken, jemals wieder Rauch zu inhalieren. Tabak passt einfach nicht mehr in mein Leben. Und zwar unabhängig davon, ob ich ihn als Süchtiger oder als nicht Süchtiger konsumiere. (Ich kenne andere ehemalige Kettenraucher, die das anders sehen und die auch anders verfahren.)

    Sollte ich jedoch zu den Menschen gehören, die nach dem Suchtausstieg immer wieder sehnsüchtig an alte Suchtzeiten zurückdenken müssen, die sich also gedanklich nicht komplett befreien können, wäre eine Alternative zur Abstinenz für mich sinnvoll.
    Letztendlich geht es m.E. für jeden Suchtaussteiger darum, einen Weg zu finden, der in einen Zustand mündet, mit dem er langfristig zufrieden sein kann.

    Bassmann

  • Genau solche Antworten meine ich Gerd, ohne dir persönlich zu nahe treten zu wollen.
    Dass die Abstinenz der Königsweg ist, bestreitet ja niemand - aber dass es der einzige Weg ist. Wer sich für Abstinenz entschieden hat und damit zufrieden lebt, der hat es auf jeden Fall richtig gemacht und sollte um Gottes Willen auf diesem Weg bleiben.
    Aber was ist mit den Abhängigen, die keine Abstinenzentscheidung treffen können ? Soll man denen gar nicht helfen, DAS ist doch die Frage.
    Viele Abstinenzler sind echt stur. Und wenn die Medizin und die Psychologie und die Suchtforschung hundertmal neue Wege anbieten, das kann einfach nicht funktionieren. "Hat für mich nicht funktioniert, kann für andere auch nicht" - diese Einstellung verstehe ich nicht.
    Mein Sohn hat in einer Suchtklinik ein Praktikum gemacht und im Zuge dessen eine statistische Erhebung zu Rückfallquoten. Die Rückfälle die für den erhobenen Zeitraum bekannt waren lagen bei 74 % (und da fehlten sicher noch einige). Soll man nicht Wege finden, auch denen zu helfen, bevor die Leberzirrhose oder andere Nettigkeiten sie umgebracht haben ?

  • Beneidenswert.

    Für mich nicht - ich vermisse NICHTS und fühle mich wohl, ohne Alkohol trinken zu können/dürfen/müssen/wollen ...

    Aber was ist mit den Abhängigen, die keine Abstinenzentscheidung treffen können ? Soll man denen gar nicht helfen, DAS ist doch die Frage.

    Zuerst einmal muss man denen helfen, die Hilfe wollen! Wir wollen ja wohl kaum einer Oma über die Straße helfen - obwohl sie gar nicht rüber will ...
    Und nicht jedem gelingt der Ausstieg so leicht und kann dann vor allem bei Lust und Laune auch noch (weiter/ab und an) Alkohol trinken wie Bassmann.

    Und dann frage ich mich, wieso KANN jemand keine Abstinenzentscheidung treffen??? Doch nur, weil sein WILLE nur auf den Konsum von Alkohol gerichtet ist! Ich rede jetzt nicht von denen, die aufhören wollen und dann (hoffentlich nur erstmal) nicht können ...

    Und bestimmt gibt es Menschen, die bei ihrem Ausstieg medikamentöse Unterstützung (z.Bsp. Baclofen) brauchen. Aber ohne den Willen, sich auf den "Schwierigen Weg" zu begeben, etwas ändern zu wollen ... nixweiss0

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Für mich nicht - ich vermisse NICHTS und fühle mich wohl, ohne Alkohol trinken zu können/dürfen/müssen/wollen ...

    Ich glaub, mein ironischer Unterton ist nicht ganz durchgekommen. ;)

  • Da bin ich aber froh, dass du dein „beneidenswert“ ironisch gemeint hast, Franz.
    Ist mir nämlich auch aufgestoßen und wurde von mir als Indiz dafür gewertet, dass du deiner Sucht gedanklich noch sehr verhaftet bist.

    Schön, dass ich da falsch lag.

    Ich finde es beneidenswert, dass viele Ex-Säufer ständig vor versteckten Alkoholika auf der Hut sein dürfen, jedes Lebensmittel auf Spuren von Alkohol untersuchen dürfen, Aromen vermeiden dürfen, die zwar keinen Alkohol enthalten, aber so schmecken usw.
    Da wird es nie langweilig!
    Ich dagegen versage mir diese Freude.
    Muss ich blöde sein.

    Bassmann

  • Fortsetzung:
    Mancher, noch ungeübte Fahrer auf der richtigen Spur, wird evtl. unsicher ob der Geisterfahrer nicht der ist, der richtig fährt. Na, Hauptsache er dreht nicht um und fährt dem Geisterfahrer hinterher. ;D

  • Hallo Bassmann, manchmal schreibe ich vielleicht zu impulsiv, ohne zu viel nachzudenken, was die Reaktionen der angesprochenen sein könnten.

    Ich habe kein Problem mit dem ganzen, insofern, da ich sage:
    * Abstinzenz ist für mich (momentan halt) das richtige
    * Kontrolliertes Trinken ist auch ok (für andere halt momentan; nur ich hätte momentan nichts davon, weil ich mir mehr Stress machen würde als wenn ich einfach sage, jetzt gar nichts.)

    Zu Punkt 2)
    Ich müsste für mich selber dauernd Protokoll führen, immer am Riehmen reissen, und immer dann aufhören, wos dann interessant wird. Ich würde das vielleicht einige Wochen durchhalten (letzts Mal habe ich das fast vier Monate geschafft), aber dann wurde es doch immer mehr und mehr und mit dem Gefühl (drauf gesch.ssen auf meine Vorsätze) und nochmals drei Monate später war ich wieder am alten Stand.

    Das war sicher auch das Problem, weil immer die Gedanken mtigespielt haben, sehnsüchtig an die "guten alten Zeiten", wos doch gemütlich und lustig war, wieder erleben zu wollen. Und an dem, ja, da gibts bei mir immer noch zu arbeiten, in der Hinsicht, dass ich mich auch meines Lebens ohne Alkohol dauerhaft erfreuen darf.

    Nur ich fange mir jetzt keine Paranoia an. Ist eine Banane schon recht reif, egal, oder Mundsülmittel oder Rasierwasser. Nur eins möcht ich nicht, jedenfalls jetzt. Kein alkoholfreies Bier (würde Gusta auf richtiges machen, ausserdem find ich alkoholfreies Bier eh nicht gut, (die alkfreie Weizenbiervariante, die geht), aber zu was eigentlich, mir schmecken Fruchstsäfte, Kakao, ... mit der Zeit jetzt eh schon viel mehr als so ein Kunstbierersatz, was eh kein Bier ist.


  • Ich finde es beneidenswert, dass viele Ex-Säufer ständig vor versteckten Alkoholika auf der Hut sein dürfen, jedes Lebensmittel auf Spuren von Alkohol untersuchen dürfen, Aromen vermeiden dürfen, die zwar keinen Alkohol enthalten, aber so schmecken usw.
    Da wird es nie langweilig!
    Ich dagegen versage mir diese Freude.
    Muss ich blöde sein.

    :wall: :wall: Wehe, DU wirfst noch mal jemandem Verbohrtheit vor! Dieser ... zeigt mir mal wieder, dass Du Dich anscheinend auf einer völlig anderen Bewusstseinsebene mit dem Thema beschäftigst! Bevor ich mich jetzt hier wieder auslasse und wiederhole - hier habe ich mich zu diesem Thema schon mal ausgelassen ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!