Hallo an alle Betroffenen ,
eine kurze Vorstellung meinerseits :
bin männlich, fast 50 Jahre alt und lebe mit meiner lieben Partnerin in einer festen Beziehung.
Vorweg sei angemerkt, dass sie über alles Bescheid weiss, das betrifft sowohl mein bisheriges Leben in seiner Entwicklung, sowie eben auch das gravierende Problem
des Teufels Alk.
Ich war von Anfang an ehrlich zu Ihr, habe diesbezüglich nichts beschönigt, ihr auch klar gemacht, wie es um meine Trinkgewohnheiten steht und stand.
Dankenswerterweise habe ich damit einen Menschen an meiner Seite, der Verständnis hat und mich unterstützt, jemand also mit dem ich immer offen und ehrlich reden kann.
Das ist meine wichtigste Säule, eine zweite möchte ich mir mit Hilfe dieses Forums schaffen ; direkt Selbstbetroffene haben eben doch immer noch einen intensiveren Zugang zu den Gedanken und Gefühlen, die einen teils rast-oder auch ratlos erfassen.
Zur (Trink)Vita :
Wie bei vielen anderen auch ging es etwa mit 16 Jahren los.
Hier ein Bier, da ein Bier, teils auch mit Schulkameraden in den Pausen, hat Spass gemacht und war fernab von irgendwelchen Suchtstrukturen.
Dachte ich...
Im Nachgang würde ich das heute als Einstieg in die Suchtspirale einordnen.
Abitur gemacht, Lehre als Bankkaufmann absolviert und insgesamt 25 Jahre als solcher fungiert, bis ein Burnout + Depressionen (mit suizidalen Gedanken) dieser "Karriere" vor gut 7 Jahren ein Ende bereitet wurde.
Während dieser Zeit gab es keinen Tag ohne Alkohol, immer Bier, nie harte Sachen (dies war auch ein Grund, sich selbst in die Tasche zu lügen>>Sooo schlimm ist es ja nicht, ist ja "nur" Bier...).
Die Mengen steigerten sich von anfangs 2, dann über Jahre hinweg 3 Halbe (am WE immer das Doppelte), über 4, und dann 5 Halbe am Abend nach Feierabend.
Entzugserscheinungen kannte ich auch nach 25 Jahren nicht...noch nicht.....
2008 wurde dann im Rahmen einer geplanten Reha erstmals eine ärztliche Untersuchung veranlasst (Arztbesuche hatte ich bis dato , so gut es ging, aus wohlweislichen Gründen vermieden..).
Leberwerte im astronomischen Bereich ; GGT bei 407, GOT und GPT auch dreifach überhöht.
Das war der Warnschuss.
Ich trank für 4 Wochen nichts mehr, die Leberwerte normalisierten sich einigermassen >>Prima, Freibrief für die nächste Runde.
Dann kam irgendein Tag im November 2008.
Ich hatte, wie immer, schon mein drittes Bier um 14 Uhr offen und merkte plötzlich, dass ich A .dieses Bier irgendwie nicht runter bekam, und B. mich plötzlich eine Art Panikattacke überfiel, die immer schlimmer wurde.
Sprich, die dringend benötigte Wirkung vom Alk setzte nicht ein, umgekehrt bekam ich das Bier nicht runter...Schweissausbrüche und unsägliche Angst überfielen mich.
Ich hatte Tavor daheim, die rettete mich zunächst ; 1 mg und dann fuhr mein aufgepeitschter Körper wieder runter.
Seit diesem Horrorerlebnis trank ich 1,5 Jahre nichts.
Dann aber kam ein verhängnisvoller Tag, Mai 2010.
Mit meiner EX hatte ich Pizza bestellt, dazu alkfreies Bier.
Ich trank also ein paar Schluck , war durch das Fernsehen auch abgelenkt, und wunderte mich, dass mir plötzlich warm wurde.
Es war echtes Weizen, wie ich urplötzlich am Etikett feststellte.
Panik, wusste ich doch, dass ein Schluck schon den Rückfall bedeuten konnte, den Rest der Flasche goss ich ins WC.
Doch der Teufel Alk war raffiniert.
Am nächsten Morgen, kein Saufdruck, mir gings gut..na bitte, geht doch.
Der Plan stand.
Endlich mal wieder am WE Party machen, passiert ja nix, hast ja alles im Griff.
Aus diesem WE wurden fast 2 Jahre tägliche Sauferei, 8 Halbe + 1 Flasche Weisswein, immer.
Diesmal liessen auch die körperlichen Entzugserscheinungen nicht mehr auf sich warten.
Morgendliches Würgen und Erbrechen, Schweissausbrüche, Zittern (die erste Flasche Bier ging nur und auch nur knapp mit 2 Händen rein).
Essen ? Fehlanzeige.
Was mich wunderte war, dass ich nicht auf härtere Sachen umgestiegen bin, irgendeine Sperre war da, die mir vielleicht das Leben rettete.
Zu dem Zeitpunkt war mir nämlich, auch aus familiären Gründen, alles egal.
Dann lernte ich meine jetzige Partnerin in einem Internetchat kennen, ich legte sofort die Karten auf den Tisch.
Plötzlich war da Licht am Horizont.
Mir war klar, dass das so mit dem Alk nicht weitergehen konnte.
Ich startete (wider besseren Wissens ob der Gefahren ) einen Entzug zuhause.
Unterstützt mit Lorazepam war es für mich einigermassen erträglich, und ich war nach 5 Tagen durch.
Bitte nicht nachmachen !!! Im Grunde war es ein Wahnsinn, so etwas kann bitter in die Hose gehen, ja tödlich enden !
Ich gehe davon aus, dass sich die betroffenen User hier schon über einen kalten und nicht ärztlich überwachten Entzug schlau gemacht haben, und sich des enormen Risikos bewusst sind.
Wenn denn nicht, bitte nachholen.
Nun gut, ich war dann wieder 14 Monate abstinent.
Dann kam ein Urlaub, es ging wieder los...allerdings konnte ich nach kurzer Zeit die Reissleine ziehen.
So wechselte sich das bis heute ab, mal saufen (nicht mehr die Mengen wie früher), dann wieder Pause usw.
Körperliche Entzüge musste ich nicht mehr durchmachen, gleichwohl habe ich jetzt doch die Nase voll.
Für mich gibt es kein kontrolliertes Trinken, ein oder zwei Bier reichen nicht ; entweder oder.
Schon gar nicht bin ich in der Lage nach, sagen wir mal einem oder zwei Tagen, wieder aufzuhören, sondern es bedarf immer eine enorme Anstrengung wieder den Absprung zu finden.
Theoretische Kenntnisse über Alk, sei es in biochemischer Hinsicht, oder sei es über die Sucht als solche, hab ich mir mittels reichlich Literatur und Internet angelesen.
Es ist mir klar, dass ich nur über eine lebenslange Komplettabstinenz in der Lage bin, diesen Teufel in Schach zu halten.
Nun bin ich mal wieder einen Monat abstinent , mir fehlt auch nichts, bin soweit zufrieden und versuche entstehende Lücken mit sinnvollen Beschäftigungen abzudecken.
Zusätzlich nehme ich Baclofen (2 mal 12,5 mg pro Tag), welches zumindest mir hilft Suchtdruck erst gar nicht aufkommen zu lassen.
Die Gedanken an Alkohol geraten in den Hintergrund , für mich ist das eine wichtige Stütze.
Noch wichtiger aber ist es, dass man sich mit Gleichgesinnten austauschen kann, deshalb bin ich nun hier.
Vielen Dank fürs Lesen, ist etwas länger geworden, als gedacht.
Viele Grüsse an Alle,
Freeway