Hallo zusammen,
ich schreibe hier kurz meine Alkohol-"karriere" und schildere meine Erfahrungen über den kalten Entzug. Ich bin kein großer Schreiber, aber vielleicht findet es der Ein- oder Andere interessant.
Ich bin Ende 20 und habe mit 16 angefangen zu trinken (immer Maximum). Und vor 20 Wochen war ich mit Ende 20 am Ende! Ich wusste schon seit ungefähr 3 Jahren, dass ich ein Alkoholproblem habe. Bei keiner Feier ging es ohne Alkohol. Nur an den wenigsten Wochenenden war ich nüchtern, selbst bei einer > 40 Stunden-Woche habe ich es geschafft, abends unter der Woche zu trinken. Bis Mitte 20 waren die Abstürze auch kein Problem. nach besonders "harten" Abenden hat man eben ein wenig länger geschlafen. Aber eben seit 3 Jahren habe ich die Kater nicht mehr so gut vertragen. Die Nachwirkungen wurden länger. Die typischen Symptome eines Alkoholikers haben dann gnadenlos zugeschlagen.
Ich wollte schon seit Jahren mit dem Trinken aufhören. Warum es nicht geklappt hat, weiß ich nicht. Ich suche die Schuld auch nicht bei Anderen, sondern nur bei mir. Ich war selbst verantwortlich. Den Schritt aufzuhören habe ich jedoch lange geplant. Arbeit gekündigt und eine neue Wohnung in einer neuen Stadt gesucht. Mit dem Ziel eines kalten Entzugs. Finanziell war es gerade so möglich (Resturlaub + Erspartes). Doch der kalte Entzug sollte mich hart treffen.
Die ersten Tage verliefen unspektaluär. Ich habe gelesen, bin spazieren gegangen, habe gekocht, ferngesehen und geschlafen. Nach vier Tagen verspürte ich die Lust auf ein Bier. Und ab da ging es los. Unruhe, Schwitzen, Zittern und das Schlimmste war, dass ich manchmal hyperventilierte, dachte ich drohe zu kollabieren, hatte Todesängste und Heulkrämpfe. Ein im Leben stehender, erwachsener Mensch sitzt in seiner Wohnung und fängt grundlos an zu weinen. Manche Tage, bei denen ich maximal 500m zum Supermarkt gelaufen bin, waren für mich so anstrengend wie überstandene Marathonläufe. An heißen Tagen habe ich meine Kleidung bis zu 3mal täglich durchgeschwitzt und wechseln müssen. Ich konnte anfangs keine Bewerbung schreiben, Konzentration schien unmöglich. Spazierengehen half. Langsam. Mit einem Mobiltelefon in der Tasche für Notfälle.
Nach 8 Wochen wollte ich ins Krankenhaus, da mein Zustand sich nicht verbesserte. Getraut habe ich mich nicht, ich hätte wahscheinlich auf offener Straße umkippen müssen. Warum weiß ich wieder nicht. Die Scham, die Angst, etc.
Nach 20 Wochen kaltem Entzug geht es mir deutlich besser. Ich habe sogar das Joggen für mich entdeckt. Ein gutes Gefühl. Ich bin aber noch längst nicht über den Berg und zu jeder Sekunde anfällig, rückfällig zu werden. Ich denke, einen Rückfall könnte ich nicht ohne ärztliche Hilfe überstehen. Ich habe zu spät aufgehört, habe zuviel Schönes in meinem Leben versäumt. Mittlerweile habe ich wieder Arbeit, bin jedoch ein ganz anderer Mensch wie früher. Sehr verschlossen und vorsichtig. Angebote zum trinken müssen von Anfang an unterbunden werden.
Ratschläge zu machen ist immer leicht. Einen kalten Entzug rate ich keinem. Ich hätte am Besten nie damit angefangen.
Vielen Dank fürs Lesen. Freue mich über Antworten.