• Das Buch hat mich sehr berührt, aber auch ein bisschen traurig gemacht. Ich weiß nicht warum.

    Pingu
    [/quote]

    Mein Erklärungsversuch hierzu wäre, dass Daniel Schreiber eine Abschiedsgeschichte geschrieben hat - den Abschied von seiner einst ganz großen Liebe ...
    Der Autor hat aus meiner Sicht wirklich exzellent beschrieben, welch anfänglich positive Wirkung die Droge Alkohol auf das Wohlbefinden von Menschen hat - wie die Droge bestehende oder vermeintliche Defizite kompensiert, welche "tollen Sachen" mensch in Zusammenhang mit dem Stoff erleben kann, wie alltäglich der Drogenkonsum im Laufe der Zeit wird, wie und wie gut die Medizin Alkohol in den unterschiedlichsten Lebenssituationen hilft und wie sehr diese chemische Substanz bei Dauer - Gebrauch / Missbrauch durch Manipulationen im Gehirn der / des Betreffenen zum vermeintlich "besten Freund" des Konsumenten wird.
    Daniel Schreiber ist nicht ausgestiegen, weil er wirklich mußte; er war weder psychisch noch physisch, noch etwa finanziell am Ende - er hat sich verstandesgemäß aus seiner Sucht verabschiedet - er hat eine Entscheidung getroffen. Er hat sich von einem Teil seines bisherigen Lebens getrennt - einen - wenn auch schmerzlichen Cut vollzogen. Sein VERSTAND hat nein gesagt, und er beschreibt, dass Abschiedsschmerz, Wehmut, Bedauern und ein wenig "Liebeskummer" immer noch eine kleine - wenn auch weniger werdende Rolle spielen.
    Ich MUSSTE aussteigen - diesen manchmal auch schmerzlichen Trennungsprozess habe ich aber auch genauso durchlebt - wie im normalen Leben auch: Bis die Freude über das Neue und vor allen Dingen das BESSERE Oberhand gewinnt, dauert es halt eine Weile ...

    Beste Grüße
    keppler

  • keppler, das hast Du wieder einmal sehr gut formuliert.

    Hinzu kommt auch, dass ich die etwas beunruhigende Aussicht auf ein "normales" Leben deutlich vor Augen habe. Dass mir nun langsam bewusst ist, dass es eben auch viele langweilige, trostlose, schlechte Tage geben wird und dass ich diese bewältigen werde mit dem Selbstverständnis und der Verantwortung eines Erwachsenen, aber mit dem emotionalen Ausgeliefertsein eines Kindes, welches die Flucht in den Rausch noch nicht kennt. Dass mir klar ist, dass mir die Option eines normal Trinkenden, sich in Extremsituationen zuzuballern, nicht mehr zur Verfügung stehen wird, weil ich krank bin. Dass ich viel auszuhalten habe.

    Auch macht es mich traurig, dass ich das nie richtig gelernt habe, die Dinge auszuhalten. Mich selbst und das Leben so anzunehmen wie ich bin/wie es ist. Dass die Abhängigkeit ein Stück meiner persönlichen, menschlichen Reifung blockiert bzw. gehemmt hat. Es fühlt sich an wie eine Entwicklungsverzögerung.

    Bei mir stellt sich so langsam "Die Ruhe nach dem Sturm" ein. Die Party-Zeit ist nun zu Ende. Es ist, wie Du - keppler - schreibst, ein Stück Wehmut, verbunden mit der Faszination des Ausblickes auf ein Leben, welches echt ist und was ich mich nie zu leben gewagt hatte.

    LG
    Pinguin

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Wenn ich das Buch für mich Revue passieren lassen, fallen mir nur die Worte „wie immer“ ein.
    Daniel Schreiber begreift den Alkoholismus so, wie er von der Lehrmeinung definiert wird. Nämlich als Krankheit, die man nicht heilen, sondern nur stoppen kann, indem man mit dem Trinken aufhört. Danach sitzt man auf einem Pulverfass, für das man Vorsorge treffen muss, damit es nicht explodiert.

    „Man hört auf, indem man aufhört.“ Schreibt er. Und später sinngemäß: Nicht das Aufhören, sondern das Nichtwiederanfangen ist das Problem.
    Und das sehe ich komplett anders, denn bei mir war das Aufhören das große Problem. Mir war völlig klar, dass sich mein Leben zwangsläufig anders gestalten und anfühlen würde, wenn ich meinen Krückstock wegwerfe und nicht mehr trinke. Letztendlich entschied ich mit dem Weglassen des Alkohols darüber, dass ich ein neues und unbekanntes Leben auf mich zukommen lasse und ggfs. akzeptiere, dass mir dieses Leben nicht immer gefällt.
    Ob es mir nun gut oder schlecht geht, hat in meiner Vorstellung nicht (mehr) das Geringste mit dem Alkohol zu tun.

    Weiterhin fiel mir Folgendes auf: Schreiber bezieht gegen das kontrollierte Trinken Stellung, indem er über sich selbst berichtet, dass er es langweilig gefunden hätte, sein Trinken bei ein, zwei oder drei Gläsern zu belassen. Es sei einer Instanz in ihm grundsätzlich sinnlos erschienen, abzubrechen, bevor die gewünschte Wirkung des Alkohols wirklich einsetze.
    Sollte es einem Menschen nicht möglich sein, Abschied von der Vorstellung zu nehmen, dass die einzige Aufgabe eines alkoholischen Getränks darin besteht, zu berauschen oder sich die Welt schön zu trinken, hat Schreiber Recht. Liegt er falsch, werden Menschen dadurch echte Änderungen in ihrer Einstellung zum Alkohol und damit auch in ihrer Abhängigkeit von ihm verbaut.

    Katro

  • Moin katro -

    jetzt `mal Butter bei die Fische:

    welche andere Funktion sollte das Konsumieren von Alkohol denn Deiner Ansicht nach haben?
    Ich rede bewußt von konsumieren -
    alle anderen Funktionen in Bezug auf technische, konservierende, kosmetische und medizinische
    Anwendungen lassen wir einfach `mal außen vor ...

    Beste Grüße
    keppler

  • Vielleicht gehört das nicht in diesen Thread, aber katro, mich würde mal interessieren:

    Rauchst Du ab und zu mal eine Zigarette? Zählst Du dann auch bis eins?

    Wenn nein, warum nicht?

    Grüße von
    Pingu

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Hallo Keppler,

    mal völlig wertfrei hingedacht:
    Ich stelle beispielsweise fest, dass mir einige wenige alkoholische Getränke vom Geschmack her gefallen. Oder bestimmte italienische Desserts.
    Ein Anderer sieht sich durch das Recht, Alkohol konsumieren zu dürfen, deutlich wahrnehmbar in die Welt der Erwachsenen aufgenommen.
    Ein Dritter mag das leichte Brennen in der Kehle, im Bauch oder an weiß der Geier für Stellen seines Körpers.
    Ein Vierter möchte in bestimmten Situationen einfach das trinken, was alle anderen um ihn herum ebenfalls trinken, um dazu zu gehören.
    Ein Fünfter…

    Grüße zurück!
    Katro

  • Hallo Pinguin,

    ich habe das schon einmal beschrieben. Das Rauchen einer Zigarette hat nur dann (bei mir) einen positiven Effekt, wenn ich damit Entzugserscheinungen beseitige. Da ich nicht auf Entzug bin, macht es (für mich) keinerlei Sinn zu rauchen.

    V.G.
    Katro

  • Hallo zusammen,

    könnte man das Thema Buchvorstellungen nicht als separaten Unterpunkt unter Treffpunkt oder Infos machen?

    So als Unterpunkt in der Klatsch und Meckerecke geht es irgendwie unter...

    Übrigens: Mein Buchhändler meines Vertrauens hatte das Buch "Nüchtern" nicht vorrätig, als ich Samstag da war. Aber bis Montag soll es da sein. *Freu*

    Zottelchen

  • Hallo Zottelchen!

    ...das Thema weitere Unterteilungen/Rubriken war ja neulich schonmal aufgekommen.
    Ich ignoriere das Thema ganz gewiss nicht, es ist momentan eher eine Zeitfrage.
    Aber ich werde das in den Kommenden Tagen ganz sicher nochmal gesondert thematisieren und da könnte auch dieser Vorschlag nochmal mit einfließen.

    O.K.?

    Gute Grüße,
    Land-in-Sicht

  • So, jetzt habe ich das Buch "Nüchtern" auch fast durch ...
    Und ich kann Keppler insofern zustimmen:


    Daniel Schreiber hat ein richtig geiles Buch geschrieben.

    Als ich gestern Abend nach der letzten Seite das Buch zugeklappt habe, stellte sich mir als Erstes die Frage: "wieso hat der Typ ein Buch über ich geschrieben - der kennt mich doch gar nicht ...?"
    Nein, Daniel Schreiber hat natürlich ein Buch über sich geschrieben, über seinen Weg in die Sucht, über seine Sucht, über seine Gedanken während seiner Saufzeit, über seine heutigen Gedanken und Gefühle, über seinen Ausstieg und vor allen Dingen über seine GEFÜHLE - und das alles mit einer aus meiner Sicht schonungslosen, selbstkritischen Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit.

    Ich habe das Buch am Wochenende verschlungen - und viele gelbe Klebe-Zettelchen gesetzt - denn ich werde garantiert an zahlreichen Stellen nochmals lesen, Dinge für mich überprüfen, weiter forschen,
    vielleicht auch Widerspruch formulieren ...

    @ Pinguin: Etliche Dinge, die ich mir für letztes Wochenende vorgenommen habe, habe ich nicht erledigen können - aber SCH..SS DRAUF - DANKE FÜR DEINEN TIP!

    Dieses Buch ist wie ein Spiegel für mich - in Papierform ...

    Und dass er hier so auf die AA Bezug nimmt, stört mich hierbei überhaupt nicht: Schließlich ist es diese SHG, die ihm geholfen hat, bei der er sich geborgen fühlt. Und im Übrigen plädiert er ja auch dafür, dass sich jeder verschiedene SHG anschauen soll/te, bis er/sie eine gefunden hat, wo er/sie sich wohl fühlt.

    Zitat

    Ich denke, dass jeder, der ein Alkoholproblem hat und Hilfe sucht, einfach zu Meetings verschiedener Selbsthilfegruppen gehen sollte, um herauszufinden, was das Richtige für ihn oder sie ist. Selbst Meetings derselben Selbsthilfevereinigung können sich stark voneinander unterscheiden. Es hängt ganz davon ab, wie sich die Menschen, die zu den Treffen gehen, zusammensetzen. Die Gruppen variieren von Land zu Land, von Stadt zu Stadt, von Bezirk zu Bezirk, von Uhrzeit zu Uhrzeit, manche haben einen esoterischen Einschlag, andere wirken regelrecht therapeutisch, einige verfolgen einen strikten Verhaltenskodex.

    Ich finde es sehr gut, dass er in seinem Buch überhaupt auf die Rolle von SHG (aus seiner Sicht) eingeht. Ich habe schon andere ansonsten sehr gute Bücher gelesen oder auch Filme gesehen, da war der Protagonist dann am Ende eben trocken. Punkt. Der Weg dorthin wurde nur angedeutet oder SHG maximal in einer Fußnote erwähnt. In einem Film spielten die AA's eine wichtige Rolle, aber auch das fand ich legitim. Denn wer kennt international schon den "Verein für alkoholfreies Leben" oder den "Ingelheimer Freundeskreis" oder andere örtliche SHG's.
    Lustig finde ich in diesem Zusammenhang, dass er dabei in diesem Kapitel auch "meinen" Verein namentlich erwähnt.
    Und dass seine Sicht auf die Rolle von SHGs auch der meinigen entspricht - mich stört's nicht ;)

    ICH kann dieses Buch wirklich nur empfehlen (und werde es auch in meiner Gruppe/Verein tun).

    Danke, Pinguin, für diesen Tipp!! 44.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

    Einmal editiert, zuletzt von Greenfox (9. September 2014 um 16:40)

  • Pinguin errötet leicht, freut sich aber zugleich, dass sie dieses Buch gefunden hat und es anderen auch gefällt. :)

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Hat jemand das Buch "unendlicher Spaß" was Daniel Schreiber in seinem Buch Nüchtern erwähnt gelesen?

    Hört sich irgendwie interessant an...

    "Nüchtern" lese ich übrigens gerade zum zweiten mal. Und es lohnt sich, es nochmal in die Hand zu nehmen.

  • "Unendlicher Spaß", da musste ich doch gleich mal gucken: Was man darüber so liest, klingt sehr verworren .. mich schreckt im Vorfeld allerdings schon ab, dass hier wohl viel mit Anmerkungen/Fußnoten gearbeitet wurde, das mag ich so gar nicht. Würde mich aber dennoch auch interessieren, ob es hier schon wer gelesen hat und natürlich seine Meinung dazu. Bin ja ständig auf der Suche nach neuem Lesestoff :)

  • Hallo!

    Ich lese total gerne und freue mich über ein Thema, wo man sich über Bücher austauschen kann. Ich lese gerne über alle mögliche Themen. Ein Buch, dass mich in den letzen Jahren echt berüht hat, war "Die Hütte" von William Paul Young. Sein zweites Buch "Der Weg" war auch ganz nett, aber konnte meiner Meinung nach den ersten Teil nicht toppen.

    Liebe Grüße
    Sara

  • Danke, LiS, für diesen Link!
    Sehr interessantes Interview... Schade, dass einem die Post-its auf dem Bildschirm nix nutzen ;D

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

    Einmal editiert, zuletzt von Greenfox (21. Dezember 2014 um 18:40)

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!