Hi, Leute
Ich möchte Euch hier mal ein Buch ans Herz legen und empfehlen.
Es heißt „Trockenzeit – Die stillen Siege eines Trinkers“. Geschrieben wurde es von Peter Böttcher. Bei ihm handelt es sich um einen Insider: er ist selbst Betroffener und seit etlichen Jahren trocken. Ich hoffe, dass sich daran seit seinem „letzten“ Nachwort aus dem Jahre 2009 daran Nichts geändert hat.
In dem Buch beschreibt er den „Werdegang“ vom „uneinsichtigen nassen Alkoholiker“ über die Erkenntnis, erste Trockenlegung, Rückfall, Langzeittherapie zum stabilen, zufriedenen „trockenen Alkoholiker“ einer zwar fiktiven Person – des Journalisten Frank Binder – aber beim Lesen merkt man, dass es Peter Böttchers eigene Erfahrungen sind bzw. sein „müssen“. Denn für reine Fiktion ist er zu nahe am Geschehen.
Auf Grund des Erzählstils im Buch wendet es sich nicht nur an Betroffene, sondern auch an Angehörige, Therapeuten und auch einfach nur Interessierte. Ich muss ehrlich sagen, dass es sich angenehm, leicht liest, ohne ständig den erhobenen Zeigefinger erkennen zu lassen – ich habe das Buch an 2 Tagen ausgelesen. Nicht nur, als ich es zum 1. Mal gelesen haben, nein, auch die beiden weiteren Male. Und wenn ich schreibe, dass es sich „angenehm“ liest, meine ich damit nicht, dass es leicht oder oberflächlich geschrieben ist. Im Gegenteil – ich habe beim Lesen mehrfach schonungslos den Spiegel vorgehalten bekommen, obwohl Peter Böttcher und ich uns gar nicht persönlich kennen.
OK – ich bin nicht mit einem gezerrten und einbandagierten Bein bei Glatteis mit dem Fahrrad losgefahren und habe mir meinen „Stoff“ besorgt wie Frank Binder. Aber ich glaube, wenn … dann wäre ich. Auch die etwas ignoranten Ärzte und Therapeuten und abgestumpften Schwestern ebenso wie die engagierten und einfühlsamen habe ich erlebt. Logischer Weise verlief auch mein Rückfall anders – aber genau so rasant. Immer wieder musste ich mir beim Lesen eingestehen: So oder sehr ähnlich habe ich es auch erlebt. Ja, auch ich habe diese Erfahrung/en machen müssen.
Das Buch handelt von Frank Binder, einem Journalisten bei einer Zeitung. Jahrelang hat er sich vehement gegen die Einsicht gewehrt, abhängig geworden zu sein.
„Munter wurde er morgens zumeist durch einen kräftigen Schluck. Den Mut, in der Frühbesprechung einen originellen Vorschlag zu machen, holte er sich aus der Flasche, die Leichtigkeit, den Artikel aufzuschreiben, ebenfalls. Obschon ihn das Gefühl beschlich, dass sich einige in der Redaktion ihm gegenüber eine seltsame Zurückhaltung auferlegt hatten. Binder begründete dies mit der natürlichen Konkurrenz im Hause. Ihm waren einige gute Beiträge gelungen und Missgunst machte um eine Redaktion keinen Bogen. Ein bisschen Vorsicht aber war wohl angebracht, nicht unbedingt durch eine Alkoholfahne aufzufallen, wie zwei Kollegen, die zweifelsfrei als Trinker galten.“
Es werden all die (mir) nur zu gut bekannten Mechanismen beschrieben, die er entwickelte, um nicht aufzufallen oder um gut über den Tag zu kommen. Ich sage nur: Pfefferminzbonbons, Mundspray, Anlegen von Depots/Verstecken. Aber auch die Selbstzweifel, das Wissen, das mit ihm etwas nicht stimmt.
Dann – der Absturz. Ab in die „Klapperbox“ (so wird im Buch die Entgiftungsstation genannt). Warum sie „Klapperbox“ genannt wird, erfährt er hautnah. Er lernt neben den anderen Patienten auch ignorante, hochnäsige Therapeuten und Ärzte, abgestumpfte Schwestern kennen, aber auch das Gegenteil. Die Selbstzweifel („Warum ich?“), die Erkenntnis, der Wille, etwas zu ändern – all das wird sehr lebendig geschildert.
Binder schafft es. Er schafft es, zwei Jahre trocken zu leben. Und dann schlägt Teufel Alkohol doch wieder zu. Im Endeffekt entscheidet er sich dann für eine Langzeittherapie an einem Ort, den Einige von Euch sicher kennen – in der Salus-Klinik Lindow. Welche Erfahrungen mit Mitpatienten und Therapeuten er dort macht, welche Erkenntnisse er gewinnt – lest es selbst!
Das Vorwort zu dem Buch, dessen 1. Auflage 2006 erschien, schrieb übrigens Dr. Johannes Lindenmeyer – damaliger und aktueller Direktor der Salus-Klinik Lindow! Er schreibt unter anderem über das Buch und dessen Verfasser:
„Es macht nachdenklich, verbreitet aber auch Vergnügen und Spannung. Ich habe viele Berichte von Trinkern gelesen. Nur ganz, ganz wenige überdauern ihre Zeit, wie Jack London, Hans Fallada, Joseph Roth oder Malcolm Lowry. Das Buch von Peter Böttcher hätte dies sicherlich verdient.“
Dem kann ich mich nur anschließen!
Vielleicht habe ich ja dem Einen oder der Anderen Lust auf mehr gemacht:
Autor: Peter Böttcher
Titel: Trockenzeit – Die stillen Siege eines Trinkers
Books on Demand; Auflage: 2 (11. März 2009)
ISBN-10: 3837021149 ISBN-13: 978-3837021141