Nun hierzu auch noch meine Gedanken...
Bei Neulingen sollte man glaube nicht so lange warten. Ich weiss noch, in der Suchtberatung hatte sie wohl aus Erfahrung die Sorge, das so ein Entschluss nicht lange hält, wenn man nicht sofort reagiert. "Halten Sie denn bis morgen durch?" - dann kanns oft schon vorbei sein.
Ob dieses Forum hier überhaupt diesen Zweck erfüllen kann und sollte, stelle ich als Frage einfach mal so in den Raum, da ist das Andere vielleicht geeigneter, und ich sollte natürlich drüber schlafen können, klar. Das Problem ist, wenn man die Verantwortung völlig beim Andernen lässt, dann kann der ja auch in den Wald gehen, dazu sucht man sich im Normalfall ja keine Hilfe. Also das reine "Dein Problem" ist es nie. Man sagt ja den Leuten, dass sie Hilfe suchen sollen, und wenn sie schon wo fragen, so auf dem Zahnfleisch, dann wollen - und können - sie ja nicht erst ne Odysee machen.
Ein Freund von mir sagt zu gewissen Dingen oder Angelegenheiten immer mal wieder, „Nice to have“, er meint damit, schön und gut, wenn es vorhanden ist, aber nicht unbedingt notwendig.
Natürlich ist es gut und wünschenswert, dass ein Neuling hier zügig eine Antwort erhält, doch stellen sich dabei auch die Fragen, was machbar ist und welche Optionen ihm sonst noch offen stehen.
Dieses Forum hier ist ein kleines, aber feines Forum. Es hat zwar viele Mitglieder, aber letztlich nur wenige sogenannte Aktivisten. Wenn du für dich das Gefühl hast, in eine Verantwortungsposition zu geraten, die du nicht füllen willst oder füllen kannst, dann läuft da etwas verkehrt.
Dieses Forum ist eine Online-Selbsthilfegruppe und in dieser sollte es auch und gerade um dich gehen. Du solltest meines Erachtens hier finden, was DU für DICH brauchst, Selbsthilfe, und es sollte nicht dahin kommen, dass DU erfüllst und bedienst, was andere brauchen.
Gewiss mag das Zeitfenster für einen Neuling ein kleines sein, aber grundsätzlich stehen ihm noch andere Möglichkeiten offen, wenn es ihm ernst ist. Das hier ist ein ziemlich niederschwelliges Angebot, weil es online und anonym ist, doch es gibt auch noch andere Online-Angebote und somit steht DU letztlich nicht wirklich in der Verantwortung in den anderen.
In jenem anderen Forum zum Beispiel wird von den Alkoholikern für den offenen Bereich nur jemand freigeschaltet, der einen (möglichst ärztlich begleiteten) Entzug hinter sich hat, nüchtern ist und den Vorsatz hat, den Rest seines Lebens abstinent zu bleiben. Über kalten Entzug und kontrolliertes Trinken wird dort nicht diskutiert. Das hat dort gute Gründe und ich kann das Prinzip, das dahinter steht, gut nachvollziehen und auch mittragen. Es geht dort um Fordern und Fördern.
Vom Prinzip kann jeder „in den Wald gehen“, das ist richtig, bis er das aber tatsächlich tut, geschieht eine ganze Menge und am Ende ist es eine Entscheidung, die er allein für sich trifft und die er sich dann auch nicht nehmen lassen will. - Ich habe mich mit diesem Thema, weil es mich selbst eine Weile beschäftigt hat - sehr viel auseinandergesetzt.
Was Selbsthilfe bei Alkoholikern betrifft, hast du gewiss und definitiv mehr Erfahrung als ich, aber ich sehe das Ganze aus einer etwas anderen Perspektive und da spielen meine berufliche Ausbildung und Erfahrung, meine eigenen Erfahrungen und Beobachtungen im Umgang mit meinen eigenen Krankheiten und denen in meiner Familie und schließlich meine Erfahrungen und Beobachtungen in diesem und dem anderen Forum eine Rolle.
Wem‘s wirklich ernst ist, der ist grundsätzlich in der Lage, sich hier UND anderswo Hilfe zu holen und es geschieht ja auch. Natürlich tut das gut, wenn man hier zügig eine Antwort erhält, aber das hier ist keine solche Suchtberatung, wie sie ja durchaus vor Ort aufgesucht werden kann und wo tatsächlich jemand mit entsprechender Ausbildung stundenweise vor Ort ist. Ich sehe die Verantwortung daher nicht bei mir und erfülle sie deshalb auch nicht, sondern ich antworte, wenn ich dazu gerade Zeit habe, mich angesprochen fühle, mir etwas dazu einfällt und ich mich grundsätzlich dazu in der Lage fühle.
Zitat
Kennst Du eigentlich das Sponsorentum bei AA? Das ist so eine Art Beelterung, wenn ich mir überlege, wie sich das Bild bei mir anfühlt. Ab nem gewissen Alter ist die Verantwortung ja auch als Entwicklungsstufe völlig normal. Vielleicht auch ab ner gewissen Trockenzeit oder Reifegrad, das war ja auch noch mal eine Art Emanzipation, ein Ablösungsprozess, eine Art zweites Erwachsenwerden.
Ich habe davon gehört, ja, aber keine eigenen Erfahrungen damit gemacht. Das Prinzip scheint grundsätzlich interessant und hilfreich zu sein, ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass das mitunter auch überfordert. Nächtliche Anrufe meines Schützlings und so weiter wären für mich jedenfalls definitiv nichts.
Was dir die Begleitung anderer auf ihrem Weg bedeutet und die positiven Spuren, die du hinterlassen hast, kann ich ganz gut nachvollziehen.
Soweit erstmal meine Gedanken.
Liebe Grüße
AmSee