Hat diese Beziehung eine Chance?//

  • Hallo zusammen, mein Partner trinkt regelmäßig in unterschiedlichen Mengen Alkohol (zwei bis dreimal die Woche, im Urlaub auch mal mehr). Er ist nicht körperlich abhängig, aber ich glaube, dass er psychisch abhängig ist. Meistens trinkt er Bier selten Hochprozentiges, es verschafft ihm Freude und Entspannung, auch regt es seinen Appetit an, das sind seine Hauptgründe. Auch hatte er früher jeden Tag gekifft, was er größtenteils eingestellt hat. Er ist nie aggressiv und hat keinen Kontrollverlust.
    Er ist ansonsten ein wunderbarer Mensch und ich habe starke Gefühle für ihn zumal wir auch gut zusammenpassen, da wir viele Gemeinsamkeiten haben. Wir sind noch kein ganzes Jahr zusammen.
    Mein Hauptproblem ist das meine letzte Beziehung aufgrund von Alkohol zugrunde gegangen ist. Das hat sicherlich auch eine Narbe hinterlassen. Dadurch macht mich sein Trinkverhalten traurig. Eine kleine Sorgenwolke schwebt daher ab und zu über meinem Kopf. Ich erwarte ja nicht komplette Abstinenz, aber wirklich wenig Alkohol ist das nicht. Nur am Wochenende trinken ist keine Option, er möchte selbst entscheiden, wie viel und wann, sonst fühlt er sich zu sehr bevormundet. Auch geht es daher an den Wochenenden manchmal auch arbeitet. Wegen gegebener Umstände sind wir überhastet zusammengezogen aufgrund von einem besseren Job in weiterer Entfernung (die aktuelle Wohnung ist auch etwas zu klein) überlegen wir wieder in getrennten Wohnungen zu leben.

    Hat diese Beziehung überhaupt eine Chance? Ich möchte diese Beziehung nicht einfach so aufgeben.

  • Hallo liebe Pfefferoni,

    ich fühle mich als trockener Alkoholiker der selbst "nur" psychisch abhängig war eher dazu aufgefordert Deine Frage zu beantworten, sofern man diese Frage überhaupt so beantworten kann...

    Denn ich werde den Teufel tun und Dir meine persönliche Einschätzung dazu geben ob eine mir fremde und vollkommene unbekannte und nach Deiner Aussage gewaltlosen Beziehung, eine Zukunftschance hat oder nicht! Diese Frage liebe Pfefferoni kannst Du Dir zum aktuellen Zeitpunkt nur selbst beantworten!

    Ich kann Dir nur eine Orientierungshilfe geben:

    Du schreibst, dass Deine Vorgängerbeziehung am Alkohol gescheitert ist. Dann bist Du ja schon ein gebranntmarktes Kind und hast natürlich Angst vor dem das sich das schon einmal erlebte wieder wiederholen könnte.

    Aber vergleiche doch mal, was hat dein Ex gemacht, was dein jetziger Mann nicht gemacht hat?

    Anders herum könntest Du Dich ebenfalls fragen:

    Welche Grenze muss Dein jetziger Mann erreichen bzw überschreiten, damit Du nicht noch einmal das gleiche erleben musst was Du mit Deinem Ex erlebt hast?

    Hast Du schon eine persönliche Grenze Pfefferoni?


    Desweiteren, hast Du mit Deinem jetzigen Mann über Deine letzte Beziehung gesprochen? Hast Du ihm erzählt was Du dort erlebt hast? Hast Du über Deine Gefühle, insbesondere über Deine Ängste gesprochen?
    Nämlich Deine Angst, dass sich wieder alles wiederholen könnte und Du das nicht möchtest. Und natürlich auch, über Deine Grenze sprechen...

    Beobachte sein Trink- und soziales Verhalten über einen längeren Zeitraum. Verschlechtert es sich oder bleibt es stabil?

    Verschlechtert es sich, dann ist handeln angesagt - aber soweit sind wir noch nicht.

    Wichtig für Dich ist es jetzt erstmal mit ihm über das o.g. zu reden, in aller Ruhe, immer wieder...

    Deine Sorgen liebe Pfefferoni sehe ich als ehemaliger "psychisch" Abhängiger berechtigt. Denn ich weiß ja selbst, wenn ich damals nicht aufgehört hätte mit dem trinken, ich wäre immer weiter und tiefer abgerutscht und aus der psychischen Abhängigkeit, hätte sich ZUSÄTZLICH eine körperliche Abhängigkeit entwickelt.
    Und aus einer körperlichen und psychischen Abhängigkeit heraus zu kommen, ist weit aus schwieriger, als "nur" aus einer psychischen.
    Ich hatte ja letzteres, und das war beileibe kein Kinderspiel!
    Kein psychisch abhängiger Alkoholiker (Alphaalkoholiker) wird automatisch ein körperlich und psychsisch abhängiger Alkoholiker (Deltaalkoholiker).
    Aber:
    Jeder Deltaalkoholiker war i.d.R. ein Alphalkoholiker...

    Ich hoffe ich konnte Dir ein wenig helfen liebe Pfefferoni.

    Falls Du weitere Fragen hast oder Dir etwas unklar ist, sehr gerne helfen wir dir weiter bei uns im Forum.

    LG

    Proky

  • Hallo Proxy, vielen Dank für deine Antwort. Ja er wusste davon und hat mir nun gesagt, dass er sich mir zu Liebe auf zweimal die Woche beschränken wird, ich aber nicht sauer sein soll, wenn es doch mal in Ausnahmefällen mehr wird. Definitiv werde ich das beobachten, zumindest nimmt er Alkohol nicht als Sorgentröster, sondern kommt zu mir mit seinen Problemen. Darf ich fragen, wie du gemerkt hast, dass es immer schlimmer wurde, hat sich die Menge erhöht und dadurch auch die Toleranz? Waren es Freunde, die dich darauf aufmerksam gemacht haben? Was hat dich dazu gebracht aufzuhören, was hat dir geholfen? Liebe Grüße

  • Hallo Pfefferoni,

    herzlich Willkommen hier im Forum.

    Ich bin Anfang 50, Alkoholiker und trinke jetzt schon länger keinen Alkohol mehr. Davor trank ich weit über 10 Jahre abhängig, die meiste Zeit davon heimlich. Ich hatte Familie (Frau und Kinder) und funktionierte bis zu meinem Ausstieg. Am Ende dann aber nur noch gerade so, wobei meine Beziehung und mein Sozialleben bereits Jahre vorher in Trümmern lag.

    Es ist mir nicht möglich, Dir hier jetzt Deine Frage zu beantworten. Also Deine Frage danach, ob diese Beziehung zukunftsfähig ist. Am Ende kannst nur Du allein entscheiden, ob Du an dieser Beziehung festhalten willst, sie vielleicht sogar vertiefen möchtest oder ob Du Dich abgrenzt oder trennst.

    Ich möchte Dir deshalb einfach nur ein paar Gedanken von mir da lassen, vielleicht helfen sie Dir dabei die Dinge für Dich besser oder klarer einschätzen zu können. Und ich möchte betonen, dass es nur Gedanken sind, also keine Ratschläge oder sonstige Aufforderungen an Dich irgendwas zu tun. Das steht mir nämlich gar nicht zu.

    Erst mal möchte ich auf diese Forumulierung von Dir eingehen:

    Zitat

    Er ist nicht körperlich abhängig, aber ich glaube, dass er psychisch abhängig ist.


    Ich nehme oft wahr, dass viele Menschen denken, erst wenn jemand körperlich abhängig ist, dann ist er "richtig" süchtig. Sprich, erst wenn jemand zu zittern anfängt (oder sonstige bekannte Symptome aufweist) wenn er keinen Alkohol mehr zur Verfügung hat, dann ist er süchtig.

    Das ist aber komplett falsch. I. d. R. tritt die psychische Abhängigkeit lange vor der körperlichen ein. Diese Tatsache führte z.B. bei mir auch dazu, dass ich mir immer wieder selbst etwas vorlog. Denn natürlich wusste ich irgendwann, dass 3 oder 4 Bier (alternativ ein paar Jahre später dann 8 - 10 Bier) viel zu viel sind und ich da ein Problem habe. Da ich es aber viele Jahre geschafft habe, immer wieder mal Trinkpausen (anfangs durchaus auch mehrere Wochen lang) einzulegen, ohne dass ich körperlich irgendwelche Symptome gespürt hätte, dachte ich mir "dann kann es ja nicht so schlimm sein".

    Und genau das ist fatal. Und genau so funktioniert die Sucht und die Sucht ist im Grunde nichts anderes als eine psychische Erkrankung. Die psychische Abhängigkeit ist also die EIGENTLICHE. Und wenn jemand aussteigt, dann entgiftet er erst mal. D. h. , er beseitigt die körperliche Abhängigkeit (wenn er eine hatte). Und das ist i. d. R. nach etwa einer Woche erledigt (+ - ein paar Tage). D. h. also, nach einer Woche ist man dann körperlich nicht mehr abhängig.

    Aaaaaaber, dann geht es ja erst richtig los. Dann beginnt ja erst die eigentliche Aufarbeitung bzw. Therapie. Dann geht es ja darum nicht mehr rückfällig zu werden, was aber ja leider nur ein relativ kleiner Anteil über einen längeren Zeitraum oder dauerhaft schafft. Die meisten schaffen den Ausstieg aus der Sucht nicht, probieren es entweder erst gar nicht oder werden innerhalb der ersten 2 Jahre rückfällig und fallen zurück in die Sucht.

    Und das tun diese Menschen nicht, weil sie körperlich abhängig waren sondern weil ihre Psyche (sprich die Sucht) sie dazu "zwingt". Es ist wirklich eine verdammt mächtige Krankheit und wer einmal eine Sucht entwickelt hat, den begeleitet sie sein ganzes Leben lang.

    Ich hatte zum Ende hin pro Tag 8 Bier (an guten Tagen), 10 Bier (war so der Schnitt) und Plus x (12 Bier oder auch einfach mal noch ne Flasche Wein obendrauf). Wie gesagt ich trank diese Mengen über einen Zeitraum von etwa 2 Jahren, meine letzten beiden Jahre, täglich. Mal bisl weniger, mal bisl mehr. Trinkpausen waren mir da schon lange nicht mehr möglich.

    Als ich dann aufhörte, von heute auf morgen, hatte ich körperlich fast keine Symptome. Ich habe die ersten Nächte ab und an mal etwas geschwitzt und ich hatte Probleme mit dem Einschlafen. Auch natürlich weil sich mein Gedankenkarussell drehte. Sonst hatte ich nichts. Damit will ich Dir nur zeigen, wie spät bei manchen Menschen die körperliche Abhängigkeit einsetzen kann.

    Zitat

    Meistens trinkt er Bier selten Hochprozentiges


    Das ist auch so eine Sache. "Er trinkt ja nur Bier".... wie oft habe ich das schon gehört oder gelesen. Als ob man erst Alkoholiker ist, wenn man zu harten Sachen greift. Das ist natürlich totaler Quatsch. Wenn Du die von mir oben beschriebenen Mengen her nimmst und in Schnaps "umrechnest" kommst Du auch locker auf eine Flasche und darüber hinaus. Es ist also völlig egal, welche Art von Alkohol man trinkt. Oft ist es so, dass Alkoholiker irgendwann mal "umsteigen", weil man dann einfach für die gleiche Wirkung nicht mehr so viel Flüssigkeit in sich reinschütten muss und weil die Be- und Entsorgungslogistik einfacher ist. Es ist leichter (besonders wenn man viel heimlich trinkt) eine Flasche Schnaps zu entsorgen als 8 Flaschen Bier.

    Zitat

    es verschafft ihm Freude und Entspannung, auch regt es seinen Appetit an, das sind seine Hauptgründe.


    Ok, also Ihr habt dann sicher schon intensiv darüber gesprochen. Denn er hat Dir ja offenbar seine "Gründe" genannt. Die Frage ist hier einfach nur, weshalb er ohne Alkohol keine Freude hat, weshalb er ohne Alkohol nicht entspannen kann und warum er ohne Alkohol keinen Appetit hat. Ich meine, beim allergrösten Teil der Menschheit braucht es keinen Alkohol um das alles "zu haben". Er braucht es und er will es. Damit macht er sich und sein Wohlbefinden von diesem Stoff abhängig....... Beurteile selbst was das bedeutet.

    Zitat

    Auch hatte er früher jeden Tag gekifft, was er größtenteils eingestellt hat.


    Was bedeutet "größtenteils"? Egal was es bedeutet, es zeigt dass ein Suchtpotenzial in ihm steckt.

    Zitat

    Er ist nie aggressiv und hat keinen Kontrollverlust.


    Ich war auch nicht aggressiv. Nie. Und ich hatte bis zum Schluss keinen Kontrollverlust. Es gab so gut wie keinen Tag, wo ich aufgrund meines Trinkens am nächsten Tag ausgefallen wäre. Es gab keinen Tag, wo ich aufgrund meines Trinkverhaltens besoffen und ausgeknockt in der Ecke gelegen wäre. Ich hatte "es" und mich immer im Griff. Nur die Menge wurde halt über die Jahre immer mehr und ich begann halt irgendwann dann schon morgens mit dem Trinken. Aber ich bin jeden Abend immer noch selbst ins Bett und am nächsten Morgen aufgestanden und in die Arbeit gegangen. Kein Kontrollverlust. Das hat meiner Frau und meinen Kindern am Ende dann aber auch nichts geholfen.... Im Gegenteil, meine Frau hat mir, nachdem ich ausgestiegen bin, mal gesagt: Ich wünschte Du hättest mich geschlagen, dann hätte ich wenigstens gewusst was ich tun muss.

    Eine Aussage, über die Du gerne mal nachdenken darfst, wenn Du das möchtest.

    Zitat

    Er ist ansonsten ein wunderbarer Mensch und ich habe starke Gefühle für ihn zumal wir auch gut zusammenpassen, da wir viele Gemeinsamkeiten haben.


    Das glaube ich Dir sehr gerne. Denn warum soll ein Alkoholiker kein toller Mensch sein können? Alkoholiker sind auch Menschen mit einem bestimmten Charakter, mit bestimmten Eigenschaften und mit all ihren Gefühlen. Du wirst nicht umsonst mit ihm zusammen sein, da bin ich mir sicher.

    Ich muss oder will aber auch ein "leider" oder "aber" hinzufügen. Wieder nur aus meiner eigenen Erfahrung heraus. Denn je länger eine Sucht andauert und je tiefer man in sie hinein rutscht, desto stärker nimmt sie von einem Besitzt und desto mehr verändert sie einen auch. Ich habe das an mir selbst erfahren. In bestimmten "Phasen" kommen bestimmte Charaktereigenschaften besonders hervor, so war das bei mir. Mit dem entsprechenden Pegel war ich superromatisch, philosophisch oder auch super selbstbewusst. Nur mal so als einfaches Beispiel. Alles Dinge, die ich sicher schon in mir hatte, die jedoch durch den Alkohol sozusagen "gepuscht" wurden. Nur, dabei blieb es dann auf die Länge gesehen leider nicht. Denn der Alkohol veränderte auf Dauer meinen Charakter, meine Wahrnehmung, mein ganzes Wesen. Am Ende blitzte der eigentliche Charakter von mir nur noch sehr selten auf und war ersetzt durch einen neuen. Einen suchtgesteuerten. Und da hatte ich irgendwann eine ganz andere Wahrnehmung, ich lebte sozusagen in einer Parallelwelt und dachte aber, dass diese die echte wäre. Das versetzte mich auch in die Lage ein ganz hervorragender Lügner zu sein, ein so guter Lügner, dass ich oft (und das stimmt wirklich) meine eigenen Lügen geglaubt habe und sie nicht mehr von der Wahrheit unterscheiden konnte. Das hat alles die Sucht aus mir gemacht, weil ich sie lange genug habe gewähren lassen.

    Zitat

    Mein Hauptproblem ist das meine letzte Beziehung aufgrund von Alkohol zugrunde gegangen ist. Das hat sicherlich auch eine Narbe hinterlassen. Dadurch macht mich sein Trinkverhalten traurig.


    Hast Du mal darüber nachgedacht, weshalb Du von der einen suchtbelasteten Beziehung in die nächste gewechselt hast? War es "Zufall"? Oder könnte da mehr dahinter stecken? Hast Du Dich schon mal mit Co-Abhängigkeit beschäftigt? Wenn nein und Du interesse hast darüber etwas zu erfahren, dann google einfach mal danach. Ich möchte betonen, dass ich Dir damit nichts "unterstellen" will, das sind hier nur Gedanken die ich dazu habe. Ich weiß viel zu wenig von Dir um Dir hier irgendwas anzudichten. Aber vielleicht ist es wichtig für Dich, Dich damit zu beschäftigen.

    Zitat

    Ich erwarte ja nicht komplette Abstinenz, aber wirklich wenig Alkohol ist das nicht.


    Naja, ich nehme an, Du erwartest einfach einen "ganz normalen" Umgang mit Alkohol. Also so ganz langweilig normal halt. Ab und an mal was trinken, bei irgendwelchen Anlässen kanns auch mal mehr sein aber eben nicht regelmäßig und vor allem nicht regelmäßig zu viel.

    Nun, dazu will ich sagen, dass ein moderates oder "normales" Trinken für einen Alkoholiker schlicht nicht (mehr) möglich ist. Er MUSS trinken und zwar die Mengen, die er braucht und die seinem aktuellen "Suchtniveau" gerade entsprechen. Und er wird 1000 Gründe dafür finden das zu rechtfertigen. Und nochmal 1000 warum er das nicht ändern möchte.

    Das waren meine Gedanken.

    Vielleicht kannst Du da was für Dich mitnehmen. Mit meiner heutigen Erfahrung will ich einfach noch sagen, dass jeder Mensch für sein Leben selbst verantwortlich ist. Dein Freund für seines und wenn er trinken möchte, dann kann er das tun. Und wenn er aufhören möchte, dann liegt das ebenfalls komplett in seiner Hand. Und Du bist für Deines verantwortlich. Und auch nur für Deines und nicht für das Deines Freundes. Du allein entscheidest über Dein Leben. Welche Entscheidung die für Dich richtige ist, kann ich Dir nicht sagen.

    Alles alles Gute für Dich und wenn Du noch Fragen haben solltest, einfach fragen.

    LG
    gerchla

  • Hallo Pfefferoni,

    ich bin auch schon viele Jahre trockene Alkoholikerin.

    Mit dem Begriff "abhängig" bin ich vorsichtig. Da werden Leute, die eigentlich kein Alkoholproblem haben, leicht in eine Schublade gesteckt, in die sie nicht passen. Von aussen ist das sowieso immer schlecht zu sagen, das merkt eigentlich nur der Betroffene selbst, ob ers braucht, oder ob es ihm nur Spaß macht, zu trinken. Und verbieten muss man sichs nicht lassen, es ist Abmachungssache, wie man damit als Paar umgeht.

    Wir leben in einer alkoholpermissiven (das Trinken erlaubenden) Gesellschaft, in der Trinken eigentlich als normal gilt. So habe ich das früher auch gesehen: die Normalen trinken, die Gestörten trinken nichts.
    Leute, die nichts oder wenig trinken, fand ich früher komisch, um es mal vorsichtig auszudrücken. Verklemmt, brav, überangepasst, genussfeindlich, stinklangweilig.
    So lange trinken noch zum sozial angepassten Verhalten gehört und es auch sonst keine großen Ausfälle gibt, sehe ich das ziemlich entspannt. Und ansonsten sind Leute nun mal sehr verschieden, was dem einen gefällt, mag der Andere nicht. Deswegen ist das nicht gleich alles krank.

    Jedenfalls, man braucht weder Gründe noch Probleme, um zu trinken, man kann das ohne Weiteres für selbstverständlich halten, sich täglich zwei, drei Bier oder eine Flasche Wein zu gönnen. Da kenne ich ziemlich viele, die das so machen, und bei denen ich nicht glaube, dass sie deswegen besondere Probleme haben..irgendwas hat natürlich jeder, auch Nicht-Trinker, aber das ist ja auch eher normal. Damit kann man bei guter Laune 80, 90 Jahre alt werden, und das sind die Kriterien um die es für mich geht. Jemand anders kann das natürlich anders sehen.
    Das steigert sich jedenfalls nicht bei allen.

    Als gebranntes Kind (Du mit Deiner Erfahrung) oder wenn man so viel getrunken hat, dass es zum Problem wurde, sieht man das anders, aber unter Durchschnittsbürgern muss man damit rechnen, dass verbreitet regelmässig getrunken wird. In den Firmen, in denen ich gearbeitet habe, war es Standard, dass man sich montags die Wochenendbesäufnisse gegenseitig erzählt hat, je mehr desto besser. Protz, protz, was waren wir wieder besoffen... Ist mir erst so richtig aufgefallen, nach dem ich mal damit aufgehört hatte.

    Dass man als Ausnahme angesehen wird, wenn man nicht trinkt, das erlebe ich bis heute regelmässig. Nicht mehr so selbstverständlich wie vor 30 Jahren, aber es fällt schon noch auf.
    Erst letzte Woche - mit einem guten Freund, wohlgemerkt - eine mehrstündige Diskussion gehabt, ob ich das denn überhaupt nicht vermisse. Und auch sonst überall höre ich das ziemlich oft, wie gerne man doch was zusammen trinken würde.

    Zu Deinem Partner hätte ich nur noch die Frage, ob er dann, wenn er trinkt, zwei bis 4 Bier trinkt oder, sagen wir mal, 15?
    Ich habe auf Drängen meines Partners, und auch weil ich selbst nicht ganz abstürzen wollte, nach vielen Jahren täglichen Konsums angefangen, Trinkpausen einzulegen, mehrere Tage die Woche nichts getrunken. Aber mit der Zeit, wieder über mehrere Jahre, entwickelte sich das so, dass ich dann an den anderen Tagen oft zwei bis drei Flaschen Schnaps in kurzer Zeit getrunken (reingekippt) habe.
    Das war ein Problem, aber das muss bei Deinem Partner ja nicht so sein. So wie ich das lese, hat der noch nie ansatzweise so viel getrunken wie ich.

    Bei drei bis 4 Bier dreimal die Woche hätte ich mir sicher nie was dabei gedacht, aber so war das dann halt für mich selbst irgendwann auch unerträglich, damit hast Du den Grund warum ich dann aufgehört habe. Und am allermeisten half mir, das ich die Schnauze davon voll hatte. Zusätzlich stellte mir noch ein Psychologe ein paar richtige Fragen, aber entscheidend war wirklich, dass es mir selbst gereicht hat. Mein Partner ging dann in eine Angehörigengruppe, aber hauptsächlich, um zu lernen, das Problem "bei mir" zu lassen und sich selbst möglichst rauszuhalten. Andererseits hat mir das schon auch geholfen, denn damit konnten wir uns von "Gleich zu Gleich", zwei Leute, die sich damit auseinandergesetzt haben, über das Problem unterhalten.

    Wenn sein Trinkverhalten für Dich ein Problem ist, dann ist das Thema dann natürlich schon im Raum, schon dadurch wird es auch für ihn zum Problem, das eine Spirale in Gang bringen könnte. Auf jeden Fall denke ich, da sollte der Druck raus.
    Letzendlich wird die Beziehung so viele Chancen haben, wie Du ihr gibst. Wenns Dir dabei gut geht, ist gut, wenn nicht, dann eben nicht. Die Entscheidung kann ich Dir jedenfalls nicht abnehmen.

    Gruß Susanne


  • Hallo Proxy, vielen Dank für deine Antwort. Ja er wusste davon und hat mir nun gesagt, dass er sich mir zu Liebe auf zweimal die Woche beschränken wird, ich aber nicht sauer sein soll, wenn es doch mal in Ausnahmefällen mehr wird. Definitiv werde ich das beobachten, zumindest nimmt er Alkohol nicht als Sorgentröster, sondern kommt zu mir mit seinen Problemen. Darf ich fragen, wie du gemerkt hast, dass es immer schlimmer wurde, hat sich die Menge erhöht und dadurch auch die Toleranz? Waren es Freunde, die dich darauf aufmerksam gemacht haben? Was hat dich dazu gebracht aufzuhören, was hat dir geholfen? Liebe Grüße

    Wie gesagt liebe Pfefferoni, in der aktuellen Situation ist es nahezu unmöglich eine Einschätzung oder eine Prognose darüber abzugeben, wo Dein Mann sich suchttechnisch befindet und wie er sich diesbezüglich entwickelt.

    Zitat

    ...dass er sich mir zu Liebe auf zweimal die Woche beschränken wird, ich aber nicht sauer sein soll, wenn es doch mal in Ausnahmefällen mehr wird...

    Alleine schon diese Aussage ist schwer zu interpretieren und wirft, zumindest bei mir, Gegenfragen auf:

    - Nur Dir zu Liebe? Warum nicht auch seiner Gesundheit zu Liebe? Warum nicht auf für die Beziehung zur Liebe?
    - Was sind denn Ausnahmefälle? 1x pro Woche? Mehrmals pro Woche? Wie oft häufen sich solche "Ausnahmefälle"?

    Fragen über Fragen, auf die Du fürs erste jedenfalls keine Antwort bekommen wirst. Antworten wirst Du erst im Laufe der Zeit bekommen. Und dann auch nicht vom ihm direkt, sondern aufgrund der Realität der Du ins Auge blicken wirst...

    Du kannst nur, wie ich schon angeführt habe, aufmerksam seinen Werdegang beobachten und eine Grenze setzen, die für Dich auf keinen Fall von ihm überschritten werden darf.


    Nun zu Deinen Fragen an mich:

    Bei mir war es ein gewisser Prozess den ich durchlief.
    Ich war 27 Jahre alt und stellte mir (besoffen) folgende Frage:

    Du bist jetzt 27 Jahre alt, sitzt nur in der Kneipe und trinkst, hast einen Job und eine Beziehung mit der Du nicht glücklich bist. War es das jetzt? Soll es jetzt so weiter gehen bis zum Ende Deines Lebens?

    Mit diesen Fragen an mich selbst begann bei mir dieser Prozess, nachdem ich die Jahre davor eigentlich nur bei (fast) jeder Gelegenheit trank. Und besonders gern gab ich als "Grund" vor: Frust! Frust über mein Leben und Frust über die böse Welt, die ich nüchtern gar nicht ertragen wollte...

    Aber auch ich begann mich in jener Zeit zu verändern. Wenn ich betrunken war, konnte man entweder mit mir nichts mehr anfangen, da voll bis Oberkante Unterkiefer oder, ich aggressiv wurde.

    Freunde und Familienangehörige begannen mich zu warnen. Konkret: Meine Mutter und meine Schwägerin sagten zu mir, dass ich eine Therapie machen soll (nachdem sie mir jahrelang "nur und immer wieder" gesagt haben: Trink nicht soviel.
    Dieser neue Satz jedoch saß bei mir.

    Zwei damalige Freunde legten setzten mir dann auch noch die Pistole auf die Brust: "Wir ertragen Dich nicht mehr besoffen. Triff Deine Wahl: Der Alkohol oder unsere Freundschaft."
    Es war hier wiederum etwas was ich nicht mehr ignorieren konnte.

    Erschwerend kam noch hinzu, dass meine Gedächtnislücken zunahmen und ich mich in meinen Aggressionsanfällen kaum noch unter Kontrolle hatte.

    Ich wusste: wenn ich jetzt nicht reagiere, dann wird es in jeglicher Hinsicht gefährlich für mich.
    Meine Aggrssionen machten mir vor allem Angst, da ich befürchtete über kurz oder lang im Rausch die Selbstbeherrschung zu verlieren.

    Daher gab es nur noch den einen Weg für mich: Den Weg zur SHG, Alkoholtherapie...

    Und nach der Alkoholtherapie, dann gings richtig los: Psychotherapie - die Ursachen der bzw meiner Alkoholkrankheit aufzuarbeiten, mich selbst psychisch weiter zu entwickeln.

    Ein harter Weg, den es sich gelohnt hat für mich zu gehen. Aber: Ich bin immer noch auf dem Weg, ich arbeite immer noch an meiner Psyche, er ist für mich noch nicht zu Ende...

    Das gehört zum meinem Leben.

    Aber mit dem Alkohol bin ich zu Ende...

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