Ich bin neu


  • Hallo zusammen.
    P.S. Ja, es interessiert mich, was jemand getan hat, die Kurve zu kriegen, der nach ca 4 Monaten oder nach Jahren wieder einen Rückfall hatte. Das stelle ich mir besonders schlimm vor.


    Moin Orangina,
    ich weiß jetzt nicht, ob du meine Geschichte schon gelesen hast. Ich fasse sie mal kurz zusammen: 2014 stationäre Entgiftung, anschließend die qualifizierte (Käseglocke) und in der Nachsorge meine 1. Ambulante Therapie. Jahrelang ging alles (vermeintlich) gut. Mitte 2018 kehrte ich in alte Verhaltensmuster zurück (trockener Rückfall) und das führte dann zum Ende des Jahres zu einem Trinkvorfall. Beim Einkaufen griff ich beim Warten an der Kasse wie ferngesteuert (für den ersten Gedanken kann ich nichts) nach einem Flachmann und soff ihn sofort in einer hintersten Hausecke aus. Ich schreibe bewusst von Trinkvorfall, denn ich reflektierte sofort, was ich da getan hatte. Für den zweiten Gedanken bin ich aber selbst verantwortlich: Zuhause erzählte ich es sofort meinem Mann, rief die Notfalltelefonnummer der „Käseglocke“ an und ließ mich stationär aufnehmen. Im Anschluss dann meine 2. Ambulante Therapie. Bis heute bin ich in engem Kontakt zu meiner Therapeutin und der Gruppe. Für mich ist Alkoholismus eine Krankheit der Gefühle. (Verdrängte) Gefühle und Gedanken haben mich krank gemacht.
    Ich bin Alkoholikerin, bis der Sargdeckel zuklappt. Aber und da schließe ich meinen Vorschreibern an: Solange ich noch atme, steht meine Abstinenz über alles und Jedem.
    Jetzt weiß ich gar nicht mehr, was ich dir schreiben wollte ..
    Ach ja, eins noch:

    Zitat

    Ich will es einfach ohne Klinik schaffen...…Ich habe es nach wie vor nach außen im Griff und noch keinem anvetraut, Ich kann davon nicht berichten,zu groß ist die Angst ,dass es raus kommt.Reicht es nicht ,wenn ich das für mich alleine weiß?
    Diesbezüglich hab ich manchmal noch nicht den richtigen Einblick und bin auch noch nicht ganz klar ,warum Alkoholismus eine psychische Erkrankung ist...

    Wer spürt, dass er nicht mehr in der Lage ist, eine Sache zu bewältigen, sollte das im "wirklichen" Leben kommunizieren. Die eigenen Gedanken können sonst ungeteilt weiter krank machen, weil sich keine Lösung ergibt. Andere Menschen können dabei helfen, Situationen zu erleichtern. Sich Hilfe und Unterstützung zu holen ist kein Zeichen von Schwäche. Kennst du das Gedicht?

    Wenn du einem Trinker begegnest,
    dann begegnest du einem Helden.
    Es lauert in ihm der Todfeind.
    Es bleibt behaftet mit seiner Schwäche
    und setzt seinen Weg fort,
    durch eine Welt der Trinkunsitten.
    In einer Umgebung,
    die ihn versteht,
    in einer Gesellschaft
    die sich berechtigt hält,
    in jämmerlichen Unwissenheit
    auf ihn herabsehen,
    als auf einen Menschen zweiter Klasse.
    Weil er wagt gegen den Alkoholstrom
    zu schwimmen.
    Du solltest wissen:
    Er ist ein Mensch erster Klasse!

    Friedrich von Bodelschwingh

    Heute 93 Tage? Klasse, bleib weiter dran. Es lohnt sich.
    Lieben Gruß Britt

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Diesen Spruch habe ich gehasst wie die Pest. Denn er erlöste mich nicht davon, ein Mensch zu sein. Wo ich Katzen doch viel lieber mochte.

    Ich glaube, jetzt geh ich mal ;)

  • Hallo Susanne
    Wie so oft muss ich erst mal nachdenken über deine Beiträge, die haben immer was ganz direktes und hartes, (wobei direkt und hart nicht negativ für mich sind. )-
    du schreibst immer wieder sehr viele Dinge, die ich erst mal überdenken muss. Zum Beispiel finde ich dieses mal interessant, was du alles aufgegeben hättest damals, um die Abstinenz zu erreichen oder zu erhalten. Warum du damit deine Karriere aufs Spiel setzte, versteh ich nicht ganz.
    Du hättest eventuell deinen Mann verlassen ? Er war mal coabhängihg, vermute ich mal, wenn er dich trinkend so lang an deiner Seite hatte.Oder er hat selbst getrunken ?
    Als du aber aufhörtest, hätte er sich doch sicher auch nicht sein coabhängies Verhalten beibehaltn können.(Wenn Fall 1 in Betracht jommt). Hätte er selbst getrunken und dann weitergetrunken, als du absinent wurdest, dann wäre es natürlich ein Fiasko geworden...
    Ihr seid heute noch zusammen. ...da gab es sicher auch für euch beide massive Veränderungen in die positive Richtung.
    Vielleicht klingt das alles sehr wirr.

    Die Psyche spielt eine große Rolle, ja das sehe ich auch so.
    Ich habe schon den Eindruck, dass ich genießen und zufrieden sein kann, wenn ich nüchtern bin .Ich weiß auch ,was mir gut tut.
    Trotzdem werde ich mit einigen Verhaltensweisen immer zu kämpfen haben, so zum Beispiel mit meinem mangelnden Selbstvertrauen und auch mit meiner manchmal übergroßen Angst vor Ablehnung, das treibt mich manchmal noch im Job immer wieder zu Höchtleistung an.
    Aus deinen Zeilen klingt das so, dass wenn man psychisch nihct stabil ist, ist man gefährdeter wieder zum Alkohol zu greifen. Das leuchtet mir natürlich ein. Aber trotzdem denke ich, ich werde doch kein grundlegend anderer Mensch, wenn ich nüchtern bin. Viele psychische Probleme werden dadurch nicht verschwinden. Der Umgang damit wird womöglich besser. Aber das ist das, was mir noch nicht so ganz klar ist.
    Danke für deine Anregungen, ich geh da noch mal in mich...

    Liebe britt,
    danke auch für deine Zeilen.
    Es freut mich, dass du mir geschrieben hast und du mir deine Gedanken hier lässt. Ich habe immer wieder von dir gelesen und deine Geschichte ist mir auch bekannt, zumindest in groben Zügen.
    Du hattest soviel ich weiß auch mal von nassen und trockenen Gedanken geschrieben und jetzt erwähntest du einen trockenen Rückfall.
    Die alten Verhaltensmuster versus neue Verhaltensmuster----ein wenig lehnt das ja an das an, was Susanne schrieb...
    Mir ist klar, dass sich vieles verändert. Aber trotzdem kann ich mir noch nicht vorstellen, dass ich irgendwann mit Problemen so viel anders und so viel besser umgehen kann als zu betrunkenen Zeiten.
    Mir ist das wahrscheilich noch alles zu theoretisch, weil ich noch nicht ausreichend Erfahrung habe.
    Ich selbst hab jahrelang Verhaltenstherapie gemacht und war auch sonst immer wieder mit der Psyche beschäftigt (Kurse, Therapien)..aber ich war zu diesen Zeiten nie "trocken" . Vermutlich hat dann all das nicht wirklich funktionieren können.

    Das Gedicht kenne ich nicht.
    Ich persönlich kann wenig mit Gedichten solcher Art anfangen, war aber trotzdem gerührt, dass du es hier reingestellt hast. Danke!
    LG Orangina

  • Mein Partner hat immer viel weniger getrunken als ich und dann ganz auffgehört, als es ihn bei mir genug angekotzt hat.

    Nee, er war zu sehr Kümmerer und zu sehr frustriert, er hatte, als ich aufgehört hatte, mich schon beim Alkohol mein Ding machen lassen, aber insgesamt war ich zu umsorgt, ich konnte das auch noch nie ab, wenn sich jemand Sorgen um mich gemacht hat, und intellektuell war das schon beiderseits klar, aber Aktion und Reaktion sind eben noch mal was Anderes. Das Problem war, er hat absolut darunter gelitten, wenn es mir schlecht ging, und mich damit unter Druck gesetzt, ich war dann auch wieder sauer usw usf.

  • NOch ein kleines PS @britt...ich habe es nach außen schon kommuniziert, dass ich nicht mehr trinke. Allerdings hat das eine ganze Weile gedauert, bis ich es konnte.
    Ich habe es nur wenigen anvertraut.
    Aber ich gebe zu, ich habe in mir immer noch ein großes Thema in mir, das da lautet: Ich zeige mich nicht gern, wie ich bin .Aus Angst vor Ablehnung, vor Kritik. Ich führe in manche Bereichen ein "verstecktes" Leben und spiele bei manchen immer noch nicht mit offenen Karten, obwohl ich es sollte.
    Ich lass nicht gern in meine Karten schauen, nur sehr vertrauten Menschen. Ich wünschte, mir wäre es egal, was andere von mir denken. Aus Angst davor , ziehe mich mich lieber zurück oder verheimliche Dinge.
    Das hat mich schon mal einen Aufenthalt in der Klinik gekostet... ich war vor 5 Jahren voller Angst, als ich einen Jobwechsel antrat. Ich hatte Angst vor dem Neuen. Heute weiß ich, dass es die Angst war, verurteilt zu werden und mich so zu zeigen, wer ich bin. Dieses Thema ist ein großes in mir und das werde ich sicher besser angehen können ohne Alkohol als mit Alkohol. Trotzdem glaube ich, dass ich da nie ganz rauskomm aus diesen Mustern.
    LG
    Orangina


  • NOch ein kleines PS Brit ...
    Trotzdem glaube ich, dass ich da nie ganz rauskomm aus diesen Mustern.
    LG
    Orangina


    Orangina,
    warum glaubst du so negativ? Es ist nicht eine Frage des Glaubens oder des Aufwandes, den eine Verhaltensänderung zwangsläufig nach sich zieht, es ist eine Frage des Preises, den Du eventuell zu zahlen hast, wenn du nichts änderst.
    Ich war ja fast mein ganzes Leben lang eine JA-Sagerin. Und soll ich dir was sagen?
    Ich kann heute NEIN sagen. Diese kleine Veränderung hat mich enorm weitergebracht.

    LG Britt

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Brit
    Auch da hab ich das Wissen in der Theorie,dass es seinen Preis hat ,wenn ich manche Verhaltensweisen nicht ändere.
    In der Praxis haperts noch.
    Vielleicht klingt es negativ,ja mag sein.
    Trotzdem arbeite ich an mir.
    Und das schon sehr lange.

    Ich bleibe dran.
    LG Orangina.

  • Hallo Orangina,
    das war auch für mich ein hochinteressanter Austausch, der sich bei dir gestern Abend entwickelt hat.
    Bei dem, was ich bei dir gelesen habe, dachte ich oft, „Das kenne ich auch.“ Danke, dass du so viel von dir preisgegeben hast. Ich denke, deine Analyse und Beschreibung hilft nicht nur dir, zu durchschauen, was für ein Weg hinter dir liegt, denn einigen von uns, mir zumindest, ist es ähnlich ergangen. Und zugleich wird durch deine Ausführungen auch deutlich, warum man diesen Kampf nicht mehr will. Ich kann mir jedenfalls gut vorstellen, Orangina, dass diese deine klare Reflexion dir hilft, nicht rückfällig zu werden. Wenn diese Gedanken von früher aufkommen, besser wär‘s natürlich, du lässt sie gar nicht erst groß aufkommen, müsstest du dir eigentlich nur nochmals das durchlesen, was du gestern Abend geschrieben hast. In dem, was du dort geschrieben hast, steckt so viel drin!
    Was Rekonvaleszent geantwortet hat, finde ich sehr hilfreich und das ist inzwischen auch das, was ich denke. Ich habe mich so intensiv damit auseinandergesetzt, warum ich Alkohol getrunken habe und warum ich nie wieder Alkohol trinken sollte und wie ich zufrieden abstinent sein könnte, dass ich voll und ganz zu meiner Abstinenz stehe.
    Was du über deine Gründe oder Anlässe zu trinken erzählt hast, so kommt mir auch das sehr, sehr bekannt vor. Ich war zwar vorsichtiger mit meinem Alkoholkonsum, aber es gab bei mir tatsächlich den einen oder anderen ähnlichen Moment. Öfter aber habe ich in diesen Momenten geraucht und geglaubt, dass mir das hilft. Was das Rauchen betrifft, so ist das bei mir deswegen so zum Thema geworden, weil ich vor etwas über fünf Jahren, als ich wegen Depressionen in der Klinik war, nach über zwanzig Jahren Abstinenz wieder mit dem Rauchen begonnen habe. Es begann nach einer Gruppensitzung, die ich (wieder einmal) vorzeitig verlassen musste, weil ich emotional so stark mitschwang, dass ich innerlich enorm unter Druck geriet. Nichts half, um runterzukommen, kein eiskaltes Wasser über die Handgelenke laufen lassen, kein Laufen auf dem klapprigen Crosstrainer, der dort im Flur stand. Was aber sofort und seeeeeeehr deutlich spürbar half, war eine Zigarette, die ich von einem Mitpatienten schnorrte. Und so begann meine erneute Raucherkarriere. Ich brauchte mehrere Anläufe und sehr viel Selbstbeobachtung und Selbstreflektion, um aus dieser Sucht auszusteigen. Die Beobachtungen und Erfahrungen, die ich dabei gemacht habe, helfen mir jetzt nicht wenig.
    Ich kann gut nachvollziehen, dass du schwer einen Vergleich ziehen kannst, wenn du vor 15 Jahren mit dem Rauchen aufgehört hast. Das würde mir gewiss auch so gehen. Natürlich hinkt der Vergleich auch etwas, denn Nikotin verändert dein Wesen nicht, anders als Alkohol. Alkohol ist für mich nochmal ne ganz andere Hausnummer. Nikotingeschichten sind auch schlimm, aber wenn man sich hier so durchs Forum liest, dann wird einem schon ganz anders....

    Du schreibst, „Von früher kenne ich den entschlossenen Drang aus dem Nichts („so, jetzt aber knall ich mir nen Wein rein!“)
    Und dann war das egal, ob ich von der Arbeit heimfuhr oder ob ich sonst wo war.“. Wenn ich ehrlich mit mir bin, dann kam das bei mir nicht wirklich aus dem Nichts, sondern hatte schon so seine Vorgeschichte bzw. seinen Vorlauf. Wie ist das bei dir? Kamen diese Gedanken wirklich aus dem Nichts oder hatten die bei dir auch so eine Art Vorlauf?
    Ich kenne das auch, dass die Gedanken dann immer fordernder wurden. Es wundert mich heute auch nicht mehr, denn ich hatte damals nichts wirklich Adäquates für mein Belohnungszentrum (Tröstezentrum etc.) anzubieten und war mehr oder unvorbereitet.

    Du hast einen langen Weg hinter dir und du bist - darf ich dir das so sagen? - soweit ich das bei dir beobachten konnte, zumindest in den letzten Monaten, die wir gemeinsam gehen, auf einem guten Weg. Du denkst viel nach, fragst nach, reflektierst dich selbst und du öffnest dich.
    Es mag sein, dass es bei dir in der Praxis noch hapert, wie du Britt geschrieben hast, aber ich würde das gar nicht so negativ sehen. Interessant ist doch, was sich bei dir inzwischen schon getan hat. Und... noch glaubst du verständlicherweise, dass du aus gewissen Mustern nicht herauskommst, vielleicht wird sich daran nichts ändern, vielleicht aber macht es doch irgendwann „Klick“ und du kannst aus diesen gewissen Mustern heraustreten.
    Ich arbeite auch schon sehr lange an mir, war zwischenzeitlich ziemlich verzweifelt, steckte irgendwie fest und dann gab’s solche „Klicks“ und danach war’s unerwartet positiv anders. Es ist inzwischen zwar nicht alles supi, aber es ist deutlich besser als früher.

    Viele Grüße
    AmSee

    P.S.: Rina danke ich ebenfalls für ihre Offenheit. Das hilft auch mir weiter.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Ich erzähl auch mal noch kurz was.

    Als ich aufgehört habe, hatte ich klar das Gefühl, bei mir gehts jetzt um Leben, geistigen Bankrott oder Tod. Ich hab extreme Mengen getrunken und das über Jahrzehnte immer wieder, und mir war klar, dass das irgendwann Folgen hat. Und es fühlte sich so an, wie wenns kurz davor wäre. Es gibt da so Anzeichen, wo man merkt, jetzt wirds komisch, das ist nicht mehr nur Besoffensein, sondern geisteskrank. Ich hatte schon Panik, was passiert, wenn ichs jetzt nicht schaffe.

    Karriere hab ich eigentlich eher immer unfreiwillig gemacht, mir lag nichts dran, nur wenn ich mal was angefangen habe, war ich meistens gut.
    Bei diesem Karriereschritt hatte ich dann zwar ein Super-Gehaltsangebot, mehr als ich je gebraucht hätte, aber die Bedingung war, ich gehöre dann der Firma. Wenn ich im Urlaub sitze (Handypflicht sowieso, wie bei allen Unersetzlichen) und dann kommt ein Anruf, dann setze ich mich ins Flugzeug und lasse den Urlaub sausen. Vertraglich festgelegt. Umsonst gibts nix.
    Und ich konnte mir ausrechnen, wie lange ich das ohne Alk und Zigaretten ertrage.

    Und ansonsten, klar, ich hab auf die harte Tour aufgehört, mir persönlich war klar, was ich zu verlieren hatte, und ich hab mich zuerst mal gegen alle, die da noch mit irgendwelchen Ausreden rumlaviert haben, klar abgegrenzt, denn das konnte ich nicht brauchen. Erst als mich das überhaupt nicht mehr gejuckt hat, bin ich etwas milder geworden.

  • Hallo AmSee

    auch für mich ist es ein interessanter Austausch, auch weil ich immer wieder von den verschiedenen Ansichten und Erfahrungen profitiere, aber auch wie ich schon sagte, es ist hilfreich für mich, mich selbst zu reflektieren und das gelingt mir eher, indem ich es niederschreibe, oder erzähle.

    Mit dem Erzählen ist es schwierig, da ich wie gesagt, inzwischen nur wenige eingeweiht habe und es sind auch nicht die Personen , die ich damit behelligen will.
    Der Austausch hier ist mir wichtig, da Ihr eben alle Betroffene und Profis seid..und das ist schon ein großer Unterschied.

    Ich merke auch, wie du festgestellt hast, dass ich auf einem guten Weg bin und dass ich mich mehr öffnen kann. Das ist mir zwar gestern schon etwas schwer gefallen, mich mehr zu outen mit meinen psychischen Schwierigkeiten, die ich immer wieder habe. (und die auch im Zusammenhang mit meinem Alkoholkonsum stehen)
    Trotzdem führt für mich kein Weg daran vorbei , mich dem noch intensiver zu stellen und es war auch ganz hilfreich für mich, es hier nieder zu schreiben.

    Ich danke auch dir für deine Einblicke, die du hier gewährst.
    Deine Geschichte aus der Klinik fand ich auch eindrücklich, da du wieder mit dem Rauchen begonnen hast zu der damaligen Zeit.

    Ich weiß, dass ich sofort wieder abhängig wäre, würde ich einen einzigen Zug an einer Zigarette nehmen.
    Das weiß ich absolut sicher.
    Ich bin aber über diesen Punkt hinaus, ich denke seit Jahren an keine einzige Situation, in der ich mal rauchen wollte… das ist in meinem Hirn komplett gelöscht.
    Auch wenn ich andere sehe, wenn sie rauchen, macht das mit mir nichts. Ich stelle keine Verbindung her zu meiner damaligen Raucherzeit. Das ist schon bemerkenswert. Mich stört es sehr, wenn es nach Rauch riecht oder wenn jemand nach Rauch riecht.
    Ganz problematisch ist das mit meiner aktuellen Beziehung...wir wohnen nicht zusammen. Aber wir sehen uns an den Wochenenden-meistens zumindest. Er raucht und es ist mir ziemlich unangenehm.
    Mit ihm hab ich übrigens auch gerne getrunken. Er findet meine Entscheidung gut, dass ich nicht mehr trinke. Er sieht meine Probleme damit aber nicht wirklich als Problem, weil er immer sagt , dass ich ja nicht körperlich abhängig war vom Alkohol, und deswegen meint er ich hätte keine richtige Abhängigkeit.
    Da widerspreche ich aber...da ich sehr wohl eine Abhängigkeit habe, auch wenn es nach außen nicht so wirkt.
    Er nimmt mich ernst, aber ich merke auch, dass er mein Trinkverhalten nicht so drastisch eingeschätzt hat, wie ich es selbst tu.
    Wenn wir uns sehen, trinkt er auch nicht mehr.
    Das finde ich toll, aber ich erwarte es nicht.
    Trotzdem ist er jemand, der gerne auch mal zum Alkohol greift und dann auch mal locker am Abend eine Flasche Wein trinkt...Sein Alkohlkonsum ist auch bedenklich, finde ich-aus meiner Sicht und das sehe ich schon länger. Auch er sagt, dass das stimmt. Trotzdem unternimmt er nichts dagegen. Er will das Rauchen sein lassen , was ihm sehr schwer fällt.
    Er hat es einige male versucht und es nicht geschafft.

    Unsere Beziehung gerät nun etwas in eine Dysbalance...da ich komplett aufgehört habe mit dem Alkohol und das Thema Rauchen auch schon längst durch ist für mich.


    Nun zu deiner Frage:
    Kamen die Gedanken aus dem Nichts ?(Wenn ich diese Gedanken an den Wein hatte).
    Ja, diese Gedanken kamen in jeder Situation, immer wieder mehr oder weniger stark.
    Meist war das einfach ein innerer Druck, den ich wahrnahm. Der konnte auftreten, wenn ich etwas zu feiern hatte, wenn ich stolz auf mich war, oder wenn etwas besonders schwierig war, etwas, was sich in mir regte und ich eine Möglichkeit finden musste, diese Gefühle zu kanalisieren.
    Es war ja mein bekanntes Muster, diese mit Alkohol zu regulieren.
    Meistens waren diese Gedanken so, dass ich mich auf den Abend freute, um zu trinken, ….und das Ritual einzuleiten.

    Tagsüber trank ich nie, nur ganz selten und zwar in Momenten, wenn ich tagelang jeden Abend trank...da entstand bei mir der Drang, weiterzumachen, denn jetzt hab ich ja eh schon zu viel getrunken, dann macht das ja nix aus, wenn ich es mir schon an einem vergammelten und verregneten Sonntagmittag schon mal ein Glas einschenkte. Das hat mich dann schon immer erschreckt, aber mich trotzdem nicht gehindert…

    Dieses Muster kannte ich auch vom Rauchen...wenn ich schon fast eine Schachtel rauchte, dann kann ich gerade weiterrauchen, denn jetzt hab ich es mir eh schon versaut…
    Wenn ich es mal schaffte nur ganz wenige zu rauchen, dann hab ich mir am Tag drauf wieder mehr gegönnt… du siehst, ein ewiges hin und her drehen, ein abwägen, ...lauter Lügen und lauter Selbstverarschungen…

    Hallo Susanne...wieder mal danke für den Einblick..

    Das mit dem Verzicht auf die Karriere kann ich gut verstehen… Mir kam da aber auch noch ein anderer Gedanke abgesehen von der Gefahr wieder zu trinken bei all dem Stress. Mit dem Job hättest du dich wieder in eine starke Abhängigkeit gebracht. Der Job an sich hätte es ja nicht zugelassen, dass du dir Freiräume schaffst.
    Und mit deiner damaligen Lage wäre das in der Tat sehr riskant gewesen..

    LG Orangina


  • Der Job an sich hätte es ja nicht zugelassen, dass du dir Freiräume schaffst.
    Und mit deiner damaligen Lage wäre das in der Tat sehr riskant gewesen..

    ganz genau. Und an jedem Scheisstag, an dem ich mit mir selbst beschäftigt war, vor die Leute hinstehen und die Firma vertreten. Ich hatte schon mal tagelang Alpträume, als ich schon eine Stufe tiefer vor internationales Publikum treten und vor 300 Leuten die Firmenstrategie erklären musste. Ich mit meinen damals dünnen Nerven, ne Firmenstrategie an der ich intern auch einiges auszusetzen hatte, und dann die Kunden, die auch was zu meckern hatten. Bitte vortreten, um sich die Kritik abzuholen. Und dann die Fassade aufrechterhalten. Ich bin eben nicht Onkel Donald und das ist auch gut so.

  • Hallo Orangina,
    auf das, was du geschrieben hast, fällt mir wieder etwas ein:


    Er sieht meine Probleme damit aber nicht wirklich als Problem, weil er immer sagt , dass ich ja nicht körperlich abhängig war vom Alkohol, und deswegen meint er ich hätte keine richtige Abhängigkeit.
    Da widerspreche ich aber...da ich sehr wohl eine Abhängigkeit habe, auch wenn es nach außen nicht so wirkt.

    Ich kann dir nur zustimmen und ich halte es für dich für sehr wichtig, dir von ihm da nicht dreinreden zu lassen. Ich weiß jetzt nicht, wie tief du schon in die Materie eingestiegen bist, aber diese Verharmlosung, die dein Freund da betreibt, hört man öfter mal und ich teile seine Einschätzung ganz und gar nicht. Eine psychische Erkrankung ist ebenso ernstzunehmen wie eine körperliche Erkrankung, auch wenn man sie nach außen nicht so sieht. Spielt das denn wirklich eine Rolle, dass du noch nicht körperlich abhängig warst?
    Selbstbestimmt und frei in deinen Entscheidungen und deinem Erleben warst du schon länger nicht mehr und die einzige Chance (aber immerhin eine Chance!) diese Erkrankung zu heilen, besteht eben darin, dauerhaft abstinent zu bleiben. Dass du nicht durch eine Entzugsstation, ein Delir und all diesen traurigen, körperlichen Mist hindurch musstest, macht die ganze Geschichte nicht wirklich harmloser.
    Punkt, Aus, Ende.
    Ich glaube dir, dass er dich grundsätzlich ernstnimmt, aber, was er da betreibt, tut dir nicht wirklich gut. Er verhandelt sozusagen noch, ob du nicht doch noch ab und zu.... Vom Prinzip ist er ja wohl selber schon an dem Punkt, an dem er über seinen eigenen Alkoholkonsum nachdenken müsste, aber, wie so viele von uns früher, lässt er das nicht an sich heran und dazu passt auch ganz gut, dass er dein Problem verharmlost.
    Das ist gewiss nicht leicht für dich mit ihm zur Zeit. Das kann ich mir gut vorstellen.

    Was du zur Beantwortung meiner Fragen geschrieben hast, ich meine, den inneren Druck, den du bei dir wahrgenommen hast: Hast du dich schon mal näher mit dem Belohnungszentrum, mit den verschiedenen Botenstoffen des Glücks beschäftigt und wie du das Ganze beeinflussen kannst? Ich selbst fand das, was ich dazu herausgefunden habe, ganz hilfreich für mich.
    Du schreibst, dass du viel VT gemacht hast, ich selbst kenne die Richtung zwar auch gut, aber ich bin vor vielen Jahren an einer Vertreter der Psychoanalyse geraten. Für mich ein Glücksfall und das erklärt auch, warum ich mich so viel mit meiner Vergangenheit beschäftige.
    Ich kenne diesen inneren Druck, von dem du geschrieben hast, auch. Heute ist mir auch klar, woher diese gewissen Muster rühren und ich bin davon überzeugt, dass ich das eine oder andere Muster entlarven und abstellen konnte, weil ich an den Ursprung herangekommen bin, an dem es entstanden ist, und mit wichtigen, weiterführenden Informationen konfrontiert, verstehen konnte, wie es entstanden ist.
    Seit ich klein war, stand ich unter Druck, musste ständig aufpassen, musste meine Bedürfnisse hintanstellen und und und. Typisch dysfunktionale Familie eben. Wie geht man mit Gefühlen um, wenn man sie eigentlich nicht haben durfte oder, wenn sie schon da sind (und sie kommen oft ausbruchsartig wie bei einem Vulkan), nicht gelernt hat, angemessen mit ihnen umzugehen? Wenn man die schöne, angenehme, schnelle Wirkung des Alkohols kennengelernt hat, verfällt man aus Unerfahrenheit und Ahnungslosigkeit dieser „Medizin“ nur allzu leicht.

    Übrigens, ob VT oder Psychoanalyse oder Gesprächstherapie oder Systemische Therapie, es spielt m.E. letztlich keine so große Rolle, welche Richtung man wählt. Wenn es ein guter Therapeut ist, die Chemie zwischen ihm und dir stimmt und die Therapie zu dir passt, kannst du überall weitergekommen und erfolgreich sein.

    Zitat


    du siehst, ein ewiges hin und her drehen, ein abwägen, ...lauter Lügen und lauter Selbstverarschungen…


    Das liest sich für mich, als wenn du sehr streng mit dir bist und dich verurteilst.
    Gehst du tatsächlich so hart mit dir ins Gericht?

    Ich hab das früher mit mir gemacht. Ich war mein strengster Richter. Heute gibt es in mir zwar immer noch den strengen Richter, aber er ist etwas in den Hintergrund gerückt und stattdessen ist mein freundlicher Anwalt präsenter und er wird mir auch am ehesten gerecht. Ich hab mich immer soooo sehr bemüht, aber nie war ich gut genug, immer hatte mein strenger Richter etwas an mir auszusetzen.
    Kannst du damit etwas anfangen?

    Viele Grüße
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Wenn ich in mich reingranteln und vor mich hinmosern kann, gehts eigentlich, da ist das dann irgendwann einfach durch und plötzlich scheint die Sonne wieder. Das läuft aber nur im Rahmen von Selbstgesprächen, denn da kann ich auch innerlich die Sau rauslassen, und auch diesen inneren Kritiker, der alles niedermacht, zu Wort kommen lassen.

    Ich bin dann da aber "noli me tangere", rühr mich nicht an, explosiv und innerlich kurz vor dem Ausflippen. Jetzt nicht mehr so, aber früher musste ich dann oft auch erst mal stundenlang alleine durch den Wald laufen. Oder etwas in der Art. Wenn dann da irgendwie wer mit mir reden oder mich trösten wollte, früher schon meine Mutter, später mein Partner, ganz gefährliches Gelände. Und natürlich auch nach aussen, ich hatte Angst, die Fassung zu verlieren.

    Wie gehts Euch da eigentlich?

  • Hallo AmSee

    bezüglich meines Freundes: Er ist sich schon bewusst, dass er seinen Alkoholkonsum angehen müsste… Er akzeptiert meine Entscheidung und findet es auch toll, wie ich es angehe. Trotzdem hat er ein anderes Bild von mir, als ich von mir. Ich denke, er verharmlost es, weil er eben wie viele andere auch das Bild eines körperlich angegriffenen Alkoholikers vor Augen hat.
    Er redet nicht viel mit mir darüber, was ich auch ok finde. Das lasse ich ihm. Ich habe ihm aber schon oft signalisiert, dass ich mit ihm nihct mehr rede, wenn er was getrunken hat und wenn das vorkommt, dann geht er mir mächtig auf die Nerven. Wie gesagt, das passiert hier bei mir nihct, wenn er mich besucht. Es findet dann allenfalls am Telefon statt, dass er mit Grundsatzdiskussionen anfängt und mich nervt. Ich sage es ihm dann auch, dass ich mit ihm nicht weiter reden will und erst vor Kurzem war es wieder so. Ich sagte ihm: Wir reden nüchtern weiter,jetzt nicht!

    Das hat er natürlich in diesem Moment nicht akzeptiert, aber ich legte einfach auf.
    Am Tag danach war er einsichtig und fand sein eigenes Verhalten wieder mal „grenzenlos“.
    Ich lasse es dann so stehen.
    Es ist seine Entscheidung, was er tut oder nicht tut.
    Ich sagte ihm aber auch, dass es für mich gerade doppelt schwer ist, mich mit ihm zu konfrontieren, da ich mich vom Alkohol wegentwickelt habe.
    Früher kochten wir immer gemeinsam und haben dann stundenlang diskutiert und Wein getrunken.
    Unter der Woche sahen wir uns nicht. Da funktionierte jeder in seinem Job.
    Ja, es ist schon wirklich nicht einfach zur Zeit mit uns ,aber das war es vorher schon nicht, auch wenn ich mich sehr zu ihm hingezogen fühle. Dennoch merke ich, es hat sich etwas verändert …

    Mit dem Belohnungszentrum hab ich mich auch schon beschäftigt.
    Ich versuche mir am Tag Freiräume zu schaffen und ich gehe viel spazieren, in den Wald zum laufen. Das tut mir gut. Aber das tat mir auch schon zu Trinkerzeiten gut.

    Als ich geschrieben habe“du siehst, ein ewiges hin und her drehen , ...lauter Lügen und lauter Selbstverarschungen...“ war das gar nicht streng gemeint -ich gehe vielleicht sehr oft hart mit mir ins Gericht aber oben gemeinter Satz war einfach nur die Realitätsbeschreibung. Das war wertfrei.

    Mit dem inneren Richter kann ich gut was anfangen -das ist auch Inhalt der Verhaltenstherapie. Die Dinge anders bewerten, ansehen und sich auch gute Sätze sagen, anstatt der Verurteilungen sich selbst gegenüber. Mir hilft dann oft auch die Frage, wie ich jemand anderen behandeln würde. Da wäre ich stets viel milder und gnädiger. Und das dann auf sich selbst anwenden kann sehr befreiend sein!
    Hast du da besondere Kniffe und Übungen für dich ?

    Hallo Susanne
    Das innerliche Ausflippen kenn ich zu gut. Das ist nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich. Meine Mutter zum Beispiel, mein Bruder kennen das sehr gut von mir, aber auch meine Partner, die ich hatte und auch jetzt mein aktueller Partner… Meist hat es mit Verletzungen zu tun oder das Gefühl, nicht verstanden zu werden, oder wenn man mir was überstülpen will, mir etwas einreden will...oder auch Tatsachen verdreht. Natürlich gibt es oft Missverständnisse, die man gut klären kann. Ich hab zum Beispiel null Probleme wenn man mir direkt sagt, was man von mir denkt, aber wenn mir etwas unterstellt wird, was ich so gar nicht meinte, dann wird es schwierig oder auch bei Erwartungshaltungen, die ich angeblich nicht erfüllen kann, auch weil ich sie nicht erfüllen will...und da kommt es ja ganz schnell zu (verbalen )Grenzüberschreitungen, gegen die ich mich vehement wehre..
    Ich verliere schon schnell die Fassung, aber die lass ich dann auch raus. Für mich ist dann in diesem Moment auch erst mal wichtig, dass ich runterkomm...und das passiert meist, indem ich aus der Situation raus gehe.
    Trotzdem suche ich dann schnell ein klärendes Gespräch. Sonst gelingt es mir fast nie, runterzukommen. Ich habe schon ein großen Klärungsbedarf und dann ist für mich auch schnell alles wieder im Lot, ohne dass ich nachtragend bin.

    Trost finde ich auch schwierig auszuhalten.
    Oder wenn ich das Gefühl bekomme, man traut mir was nicht zu.
    Da kann ich dann auch ziemlich abweisend werden.

    Wenn es mir selbst nicht gut geht, ziehe ich mich zurück und will nicht sprechen.
    Da ists dann ganz schwer an mich ranzukommen.
    Ich habe sehr große Widerstände in mir, die ich dann auch nach außen signalisiere. Das ist nicht gut , aber ich kann es dann nicht anders.

    Hast du mit meiner Antwort etwas anfangen können ?
    Ich merke gerade beim Schreiben, dass ich womöglich gar nicht das beantwortet habe, worum es dir eigentlich ging ;)

    LG Orangina

  • Doch, Du hast das schon beantwortet. Hab da einiges an Wiedererkennungseffekten. Vor allem so zu "früher" hin. Das ist auch tatsächlich ein Punkt, der sich erst langsam geändert hat, bzw. wo es dann auch so einen Kippunkt gab.

    Und ich glaube, das hat tatsächlich auch nur teilweise mit "mich selbst verstehen " zu tun, sondern auch damit, das ich ein paar Dinge einfach getan habe, bis ich Übung darin hatte. Heute kann ich nicht nur viel früher und friedlicher schon sagen, wanns mir reicht, ich merke auch selbst viel schneller, wenn was belastend werden würde, und ich hab auch kaum noch Angst vor Leuten.

  • Hallo Orangina,
    ich kann das gut nachvollziehen, dass du nicht mehr mit deinem Freund reden kannst, wenn er etwas getrunken hat. Ich dachte früher, ich könne viel klarer denken und besser philosophieren, wenn ich etwas getrunken hab, aber manchmal wurde mir sogar selbst klar, was ich so für ein Zeug daher rede, wenn ich „angeschickert“ bin. Besonders fiel es mir auf, wenn ich mit meinem Mann, der deutlich weniger trank als ich, solche hochtrabenden Gespräche führte. Und doch gestand ich‘s mir nicht so richtig ein und glaubte, ich müsste nur etwas kontrollierter trinken, um die richtige Mischung zu finden, die mich zur Philosophin machte.
    Heute denke ich völlig anders darüber und ich hab ja auch selbst im nüchternen Zustand den einen oder anderen Alkoholisierten beim Diskutieren beobachten können.
    Ich bin immer wieder darüber erstaunt, wie man sich selbst (auch ich!!!) etwas vormachen kann und wie blind man sein kann bei der Rechtfertigung, dass Alkohol konsumieren harmlos und gesund sei.
    Einen besonderen Vorzug meiner Abstinenz sehe ich u.a. darin, dass ich mich nicht mehr schämen muss, am vorherigen Abend irgendwelchen „Schwachsinn“ von mir gegeben zu haben, zu dem ich nüchtern nicht mehr so ganz stehen kann.

    Was den inneren Richter betrifft und ob ich da besondere Tricks und Kniffe kenne, muss ich etwas überlegen, denn ich wende da eigentlich gar nicht mehr bewusst so etwas an. Ich kenne und empfehle häufiger den Trick, den du schon kennst, nämlich: Sich vorzustellen, man würde mit seiner besten Freundin oder seinem besten Freund sprechen und somit letztlich auch in Verhandlungen mit dem strengen Richter treten. Das ist es vielleicht auch, was ich verinnerlicht habe.
    Mir hilft sonst auch sehr gut die Vorstellung vom „Inneren Team“. Hast du davon schon mal gehört?
    Und dann gibt’s da noch folgende Vorschläge, die ich in einem Buch, das ich mir vor einer Weile gekauft habe, gefunden habe:
    1. Sammeln Sie Kritikersätze, um ihn überhaupt erstmal kennenzulernen und seine Macht zu identifizieren.
    2. Geben Sie Ihrem Kritiker Widerworte, schneiden Sie ihm kurz und frech das Wort ab oder verbieten Sie ihm einfach den Mund.
    3. Identifizieren Sie alte Elternsätze und Elterngebote.
    4. Lernen Sie, schädliche und hilfreiche Kommentare des Kritikers zu unterscheiden.
    Ansonsten gibt’s noch Tricks den wohlwollenden inneren Begleiter aufzubauen und zu stärken.


    Innerliches und äußerliches Ausflippen kenne ich übrigens auch ziemlich gut. Wenn man immer die Klappe hält, sich zurückhält, immer lieb und freundlich ist, weil man‘s einfach sein muss, alle negativen Gefühle, allen Frust bei sich behält, dann platzt man irgendwann unkontrolliert. Geschah mir immer dann, wenn ich mich unberechtigt kritisiert fühlte oder mir etwas unberechtigt unterstellt wurde und der Speicher gerade voll war......
    In der Regel habe ich immer das Weite gesucht, bevor ich explodieren musste. Nur wenn man mich zwang zu bleiben, bekam man den Magmastrom ab...
    Anfassen? - FASS MICH NICHT AN! 8)

    Viele Grüße
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Also die diskutierfreudigen und alkoholisierten Gespräche ,die dann schnell ins Drama kippten ,hatte ich oft genug mit sämtlichen Leuten und in der Situation selbst war ich immer überzeugt von meiner Klarheit...Am Folgetag natürlich musste ich erst mal konzentriert nachdenken ,was ich am Vorabend vom Stapel ließ...
    Scham Gefühle hatte ich zuletzt immer häufiger.
    Schlimm war auch,dass ich teilweise keine Erinnerungen mehr hatte, dass ich angeblich Dinge gesagt haben soll,die ich im nüchternen Zustand nicht mal in Betracht ziehen würde...
    Jeden Morgen wache ich auf und sage mir: wie gut ,ich bin wach und klar!!!

    Das innere Team,AmSee kenne ich ansatzweise...ich werde gleich mal recherchieren...Danke für den Tipp. Klingt sehr interessant für mich.

  • Susanne
    Das hört sich so an ,als könntest du rechtzeitig Grenzen aufzeigen und NEIN sagen...
    Vielleicht ist das auch ein Ergebnis von jahrelanger Erfahrung, vom älter werden ,und nicht nur ein Ergebnis von der Abstinenz?
    Jedenfalls ists gesund,dass du das mittlerweile gut kannst.

  • Und noch ein P.S.


    Ich bin auch überzeugt, dass es wichtig ist ,Dinge zu tun,zu üben ...in die Handlung zu kommen...und dass es auch ein Motor sein kann, sich durch das Erleben besser kennenzulernen ..

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