Angehörige eines Biertrinkers

  • Hallo, ich bin seit über 10 Jahren mit meinem Mann (Schichtarbeiter) verheiratet. Das wir uns kennenlernten ist für mich ein Glücksfall.
    Unser Hobby ist das Fahrrad fahren. Je nach Wetterlage. Jedoch immer mit Besuchen auf Terassen an Gaststätten.
    Sein Lieblingsgetränk ist nun mal Bier und das eiskalt. (mind. unter 10°C) Die Menge seines Konsums erhöht sich immer mehr. Anfangs von ca. 2-3 Flaschen pro Tag, jetzt sind es mind. 6 und mehr.
    Ich selbst trinke max. am Wochenende mal ein oder zwei Gläschen Rotwein.
    Ich mag es überhaupt nicht, wenn ständig eine "Bierfahne" um mich rum wirbelt. Dann ziehe ich mich zurück und mein Mann hat "freie" Bahn, was er auch ausnutzt.
    Nun geht er bald in Pension und ich habe Angst, dass die Menge des Bierkonsums noch mehr wird.
    Meine Gesprächsversuche erwidert er mit Aussagen wie: Bier ist gesund, Bier besteht zu 95% aus Wasser, man soll viel trinken, ich bin doch kaum krank usw.
    Seine Ernährung findet meist nach dem Biertrinken (Nachts) statt, wenn er schon beschwippst ist und nicht mehr ganz Herr seiner Sinne ist.
    Wir hatten uns vor 10 Jahren versprochen offen und ehrlich miteinander umzugehen, uns alles zu sagen und mal eine Silberhochzeit zu feiern.
    Jetzt merke ich seid längerem an mir selbst, dass ich nicht mehr ich bin. Fühle mich zurück gesetzt und unverstanden.
    Was kann ich noch tun, ohne Druck zumachen, das er seinen Konsum wieder reduziert und Interesse an unserer Ehe hat.
    Hat jemand Rat oder Tipps für mich?
    Würde mich freuen. Liebe Grüße und bleibt gesund.

  • Hallo Conny68

    Willkommen im Forum !

    Gut dass du den Weg hierher gefunden hast und dich über dein und sein Problem informieren willst!

    Ich gehöre zu der „anderen Seite“ bin selbst Alkoholikerin,ich denke es werden dir hier einige Angehörige schreiben,die sich besser mit deiner Seite auskennen als ich.

    Ich kann dir nur sagen, dass die täglich (?) getrunkene Menge deines Mannes ganz schön viel ist,du machst dir zurecht Gedanken. Sein Essverhalten war auch mein Essverhalten vor meinem Entschluss zur Abstinenz, Alkohol hatte immer Vorrang vor Nahrung.Auch das Herunterspielen, Witze drüber machen etc sind leider Anzeichen dafür, dass er wahrscheinlich noch sehr sehr weit weg von einer Einsicht oder gar Änderung seines problematischen Trinkverhaltens ist. Und wenn das bei einem Alkoholkranken so ist hilft alles reden meistens nichts...Das hast du vielleicht auch schon bei den Angehörigen-Posts hier im Forum lesen können. Falls nicht würde ich dir das sehr empfehlen...Alkoholismus ist eine komplizierte Angelegenheit, sie lässt sich nicht einfach durch etwas Willen in den Griff kriegen. Es braucht so einiges um aus der Sucht zu kommen,unter denjenigen die es wirklich wollen und alles dafür tun schaffen es aber längst nicht alle,d.h. die wenigsten. Ich sage dies keinesfalls um dich zu entmutigen, sondern um dir die Schwere dieser Krankheit vor Augen zu führen.

    Ich würde dir trotzdem empfehlen, das Gespräch mit deinem Mann zu suchen...am besten ohne Vorwürfe oder (Schuld-) Zuweisungen,möglichst neutral und aus deiner Perspektive gerichtet. Es geht ja - wie du zu recht sagst! - v.a. Um dich ,wie du dich in der Beziehung fühlst. Das darf er ruhig wissen. Erwarte nur nicht dass er dir zu Liebe irgendetwas langfristig an seinem Trinkverhalten ändert. Wenn er süchtig ist (körperlich oder nicht ist dabei egal), dann kann er das nicht einfach so...vorausgesetzt der Wille zur Änderung wäre überhaupt vorhanden.

    Ein Gespräch ist immer der Anfang, du wirst schnell sehen wo er,du und ihr steht,

    Alles Gute und viel Kraft

    Rina

  • Hallo und guten Morgen Conny

    Patentrezepte gegen Dein Problem gibt es leider nicht.

    Ich weiss nicht, wie Eure Gespräche im Allgemeinen ablaufen, ob ihr gut ooder schlecht miteinander reden könnt.
    Und kann auch nicht wirklich beurteilen, ob Dein Mann überhaupt so einfach auf Dauer weniger oder gar nichts mehr trinken könnte, denn wie Rina schon geschreiben hat, müsste er es dafür erst mal ernsthaft versuchen. Erst dann wüsste ja er selbst überhaupt, wie es ihm ohne sein Bier gehen würde oder ob er dauerhaft mit weniger auskäme. Und daran scheitert es ja bereits, wie Du schreibst, da er abwiegelt und das gar nicht als Problem sieht.

    Ich denke, Du solltest Dir selbst überlegen, was Du wilst, und ihn damit konfrontieren, Forderungen stellen. Aber so wie Du von ihm ja im Grunde verlangst, dass er irgendwelche Konsequenzen zieht, sein Verhalten ändert, solltest Du Dir im Vorfeld schon überlegen, welche Konsequenzen Du in dem Fall ziehen würdest, wenn er nichts ändert, denn leere Drohungen bringen überhaupt nichts und das würde er schnell durchschauen.
    Du könntest z.B verlangen, dass er aus Rücksicht auf Dich weniger oder gar nichts mehr trinkt. Ob er das täte, weiss ich natürlich nicht, und ob ers überhaupt könnte, siehe oben. Du kannst natürlich auch versuchen, ihn davon zu überzeugen, das es besser für ihn wäre, aus gesundheitlichen Gründen oder weil du ihn sonst verlässt, käme dann natürlich drauf an, was ihm seine Ehe wert ist und ob Du das überhaupt könntest.
    Wenn er behaupten sollte, dass ers nicht braucht und jederzeit aufhören könnte, kannst Du ihm ja sagen, dass es ihn dann ja wohl auch nicht viel kosten würde, wegen Dir damit aufzuhören..aber da gehts dann meistens schnell in die Richtung, dass man doch nicht so leicht darauf verzichten kann und will, und dann geht das Lavieren, Lügen, die Ausreden und das heimliche Trinken los, es werden tausend gute Gründe zum Trinken gefunden (kennst Du auch schon, Gesundheit und genug trinken, aber da gibts noch ganz andere Möglichkeiten) oder er sagt Dr ganz offen, dass Du es ihm nicht verbieten kannst und damit hätte er sogar recht, denn es ist ja nicht verboten.
    Und mit der Selbstmitleidstour ist auch noch zu rechnen, der arme Kerl würde ja so gerne aufhören, und Du sollst ihn bloß nicht verlassen, sonst geht er ganz unter, und er wird alles versuchen. Öhm, Hilfe für Trinker gibt es sehr viel, und da er ja bei anderer Gelegenheit (die Stimmung könnte schwanken) ja alles im Griff hat, kann er sich diese Hilfe auch sehr gut selbst besorgen. Muss nicht so kommen, kann aber passieren. Du bist jedenfalls nicht dafür verantwortlich. Und bevor ichs vergesse, Verständnis für seine schwierige Situation wird an seinem Verhalten sehr wahrscheinlich nichts ändern, sondern ermöglicht ihm im Gegenteil, nichts zu ändern, dann jammert er halt ab und an aber Du trägst das ja dann mit. Hält Dich aber gut bei der Stange und verlängert im schlechteren Fall Dein eigenes Leiden an der Situation.
    Und verlassen kannst Du Dich nur auf das, was er tut, versprechen kann man viel, wenn der Tag lang ist, das ist beim nächsten Durst wieder vergessen.

    An sich ist es schwierig und meistens unmöglich, einen Trinker zu überzeugen, denn meistens hängt da ziemlich viel dran, die Vorstellung von Entspannung und Lebensqualität oder überhaupt gegen Stress etc. Ich kann Dir aber versichern, dass seine Argumente, viel Trinken und gesund etc. ziemlich hohl sind, denn trinken kann man auch was Anderes, machst Du ja auch, und gesundheitlich vertretbar wären höchstens zwei Bier am Tag, bei mindestens zwei alkoholfreien Tagen in der Woche, und selbst das ist nicht gesund, sondern nur risikoarm. Aber ich fürchte, da es das Normale ist, dass Du ihn davon nicht überzeugen können wirst, solange es ihm selbst durch die Trinkerei nicht wirklich schlecht geht. Denn normalerweise denkt man sich als Trinker (ich hab damit selbst Erfahrung), was soll der Aufwand mit dem Aufhören, ich sterbe eh eines Tages und bis dahin will ich meinen Spaß haben oder so ähnlich. Das Umdenken erfolgt meistens erst an einem kritischen Punkt, und man muss leider sagen, dass die Mehrheit ja gar nie aufhört. Und dafür, dass es es in nächster Zeit wirklich schlimm für ihn wird, trinkt er trotzdem noch zu wenig, diese Menge kann man sehr lange durchhalten. Unterm Strich gibts für viele gar kein "tief genug", ausser 1,80m unterm Boden, da kann man überhaupt keine Vorhersagen machen, wann es jemandem reicht.

    Also eigentlich kannst Du meiner Meinung nach nur eine klare Ansage machen, was Du willst, und hoffen dass er darauf eingeht (und eingehen kann) und im Zweifelsfall selbst Konsequenzen ziehen und dafür sorgen, das es Dir anderweitig gut geht. In Deinem/Eurem Stil natürlich, denn ich bin ja nicht Du und weiss überhaupt nicht, wie Ihr so ein Gespräch angeht. Das ist ja in jeder zwischenmenschlichen Beziehung anders. Und natürlich musst Du gar nichts, nur weil ich dieser Meinung bin.

    Und leider ist es so, dass es sehr viele Angehörige gibt, die diese Situation, in der Du steckst, schon sehr lange mitgemacht haben und alles mögliche vergeblich versucht haben, also das ist kein Problem, das man im Vorbeigehen kurz löst. Das muss man schon ernst nehmen, auch im Hinblick auf Deine eigene Zukunft. Ich hätte das alles jetzt vielleicht auch ein bisschen optimistischer schreiben können, vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm, aber nach dem was Du schreibst was er dazu sagt, wie er sich verhält und wie Du bereits mit Rückzug darauf reagierst, ist das über "halb so wild" ja schon ein gutes Stück raus. Denn ihr seid ja schon mitten drin, dass ihr beide um seinen Alkoholkonsum kämpft.

    Soweit meine Ansicht
    Gruß Susanne

  • Hallo Conny,

    herzlich Willkommen hier bei uns im Forum.

    Ich bin 50 Jahre alt, Alkoholiker und lebe jetzt schon lange ohne Alkohol.

    Die Argumente, die Dein Mann bringt hätten glatt 1:1 von meinem Vater stammen können. Er ist jetzt Mitte 70 und hat sein Leben lang getrunken. Wobei er für mich auch ein Phänomen darstellt. Denn, solange ich ihn kenne trinkt er. "Nur" Bier und in den unterschiedlichen Phasen seines Lebens in unterschiedlichen Mengen. Dabei gab es Phasen, wo auch täglich 8 oder 10 Bier flossen, dann wieder Phasen wo es auch mal "nur" 3 oder 4 waren und auch mal kurze Abschnitte, wo er nichts oder fast gar nichts trank. Auch kann er problemlos verzichten, wenn er muss, also wenn er z. B. noch Auto fährt.

    So richtig abgestürzt, wie das bei "normalem" Verlauf in eine Sucht ja früher oder später passiert, ist er nie. Deshalb vermute ich heute, wo ich durch meine eigene Sucht und den Erfahrungen die ich dann vor allem nach Überwindung der selbigen sammeln durfte, dass er scheinbar irgendwie immer am Grad zwischen Sucht und Missbrauch entlang gewandelt ist und nie komplett in die Sucht abgerutscht ist.

    Niemals jedoch, dass darf ich Dir versichern, würde er auf "seine" Bierchen verzichten. Niemals, dass kann ich zum heutigen Zeitpunkt jedenfalls mit gutem Gewissen so sagen. So bleibt also sowohl meiner Mutter als auch mir nichts anderes übrig, als mit dieser Tatsache umzugehen. Seine Argumente sind annähernd die gleichen wie die, die Du von Deinem Mann schilderst. Vor allen das "Bier ja so gesund wäre" und "das er ja nie krank ist" werden als Hauptargumente aufgeführt. Wenn man ihm dann erklärt, dass Krank sein nicht nur eine Erkältung beinhaltet (er ist so gut wie nie erkältet weil er aber so gut wie nie Kontakt zu fremden Menschen hat), dann macht er einfach dicht. Ich meine, er leidet an Bluthochdruck, an Gicht, er kann kaum noch laufen und ist stark übergewichtig und hat nebenher auch noch Probleme mit Magen und Darm. Aber hey, das hat ja mit krank nichts zu tun. Ohne seinen Tabletten-Cocktail würde er sicher längst nicht mehr leben.

    Du siehst also, Du bist da sicher nicht allein was das Zusammenleben mit einem ignoraten Alkoholiker (oder vielleicht ist Dein Mann auch "nur" Missbräuchler") betrifft.

    Ich habe mich mit meinem Vater arrangiert. Ich liebe ihn, er ist mein Vater. Ich besuche ihn, ich besuche ihn auch gerne. Aber wenn er trinkt, dann gehe ich einfach wieder. Freundlich, nett und ohne ihm zu sagen, dass es daran liegt, dass ich seine Art im angetrunkenen Zustand nicht ertragen kann. Ich habe das vergeblich versucht zu erklären, es kommt nicht an. Also habe ich für mich einen Weg gefunden damit umzugehen. Mein Weg hätte auch so aussehen können, dass ich den Kontakt komplett abbreche. Es war und ist meine Entscheidung wie ich damit umgehe. Und für mich ist mein eigenes Wohlbefinden das wichtigste. Und so, wie ich das für mich aktuell geregelt habe, so geht es mir am besten.

    Was will ich Dir jetzt damit sagen? Erst mal, Du wirst es heraus gelesen haben, dass Du bei ihm gar nichts erreichen kannst, wenn er das nicht will. Du fragst ja, was Du tun kannst OHNE weitere Druck aufzubauen. Ich sage Dir (aus meiner eigenen Erfahrung als Alkoholiker und auch den Erfahrungen mit meinem Vater): NICHTS - außer vielleicht DRUCK aufzubauen. Wobei auch das keinesfalls einen Erfolg garantiert.

    Letztlich kann es nur um Dich gehen. Du musst für Dich entscheiden in wieweit Du mit seinem Verhalten klar kommst und wie weit Du dieses Leben mit ihm führen willst. Das, was man in einer guten Beziehung macht, das hast Du getan. Du hast ihn angesprochen, mit ihm geredet, Deine Wünsche geäußert, Deine Bedenken mitgeteilt, etc. Er hat es abgetan, er geht nicht darauf ein. Bliebe also letztlich nur noch der Druck, der allerdings voraussetzen würde, dass Du das eingesetzte Druckmittel auch zur Verfügung hast. Sprich: Wenn Du ihm sagst: "Wenn Du nicht mit dem Trinken aufhörst, dann werde ich Dich verlassen", dann solltest Du auch bereit sein ihn im Falle des Falles zu verlassen. Ansonsten kannst Du Dir das nämlich sparen.

    Ich weiß nicht, ob Du verstehst was ich Dir damit sagen möchte. Bestimmt hört sich das für Dich, also jemanden der selbst überhaupt keine Suchtproblematik hat, ziemlich unglaubwürdig an. Aber entscheidend ist wirklich was Du möchtest und was Du auch bereit bist dafür zu tun. Sollte er Alkoholiker sein, wird er ohnehin nicht mehr einfach zu einen "normalen" Trinkverhalten zurück finden können. Dann steht er einfach vor "weiter so" oder "gar nichts mehr trinken". Um letzteres erreichen zu können muss er es wollen. Und selbst wenn er es will, hat er einen langen und harten Weg vor sich.

    Meine Mutter z. B. kann mit dem Trinkverhalten meines Vater sehr gut leben. Wenn ich mich mit ihr darüber unterhalte (was allerdings sehr selten und äußerst schwierig ist) dann sagt sie: Er ist wie er ist und ich lass ihn dann halt einfach und mach' meine Sachen. Naja und er hat ja auch nicht ständig einen kritischen Level wo er nur schwachsinn von sich gibt. Sie kommt gut damit klar und ich habe eben auch meinen Weg im Umgang mit ihm gefunden.

    Du musst Dir überlegen, wie das bei Dir ist. Vielleicht auch, wann für Dich ein Punkt erreicht ist, wo Du dann tatsächlich Konsequenzen ziehst. Wie gesagt, geredet hast Du bereits, das ist gut und nur fair auch ihm gegenüber. Manchmal hilft Druck, sprich z. B. die Androhung die Beziehung zu beenden wenn sich nichts ändert. Oft hilft aber auch das überhaupt nichts und es wird einfach weiter getrunken. Du bist dann diejenige, die für sich entscheiden muss, ob sie da dann noch dabei ist und das alles mitmacht.

    Im Grunde hat es Susanne mit ihrem Satz "Patantrezepte gegen Dein Problem gibt es leider nicht" sehr gut ausgedrückt. Es kann sein, dass es bei ihm irgendwo einen "Schalter" gibt, der durch irgend etwas umgelegt werden kann, es kann aber genauso gut sein, dass es keinen gibt. In der Hand hast Du nur Dich und Deine eigenen Entscheidungen.

    Ich wünsche Dir alles alles Gute und hoffe, dass Du einen Weg für Dich finden kannst.

    LG
    gerchla

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