Wut, was tun?

  • Hallo zusammen, ich hoffe hier Rat zu finden wie ich besser mit meiner Situation zurecht komme. Um es kurz zusammen zu fassen. Ich bin seit drei Jahren mit meinem Freund zusammen und wir leben seit zwei Jahren zusammen. Alkohol war von Anfang an ein Thema und ich bin ehrlich das ich auch mal gerne ein Glas Wein trinke...oder zwei. Allerdings nicht täglich und immer kontrolliert. Mein Freund trinkt jeden Abend zwischen 6 bis 8 Flaschen Bier. Ich habe ihm schon oft gesagt das mir das große Sorgen macht und das ich mir Sorgen um seine Gesundheit mache. Er hat immer wieder mal versprochen zu versuchen seinen Konsum einzuschränken. Ich habe aber das Gefühl er will entweder gar nicht wirklich oder er kann nicht.
    Ich weiß schon das es eine Krankheit ist, dennoch empfinde ich auch oft Wut auf ihn. Wut das er meine Sorgen nicht Ernst nimmt und endlich mal was tut. Ich kann nur daneben stehen und zugucken. Er ist übergewichtig, bekommt schlecht Luft und vernachlässigt seine Körperhygiene. Öfters riecht er unangenehm und ich muß ihn daran erinnern zu duschen. Das ist mir unangenehm ihm zu sagen aber wenn wir irgendwo hingehen möchte ich nicht das es auffällt. Er bleibt meist länger auf und schläft dann entsprechend lang am nächsten Tag. Wenn er dann aufsteht macht er nicht viel und legt sich oft noch mehrmals am Tag wieder hin.
    Gestern habe ich nochmal drauf angesprochen und deutlich gemacht wie unglücklich mich das alles macht. Seitdem redet er nicht mehr mit mir.
    Ich weiß nicht recht ob es besser ist ihm zu sagen was mir Sorgen macht oder daneben zu stehen und still zuzuschauen. Es macht mich wirklich oft wütend das er sich kaputt macht und von mir erwartet das ich still daneben stehen soll. Kennt jemand das Gefühl? Wie geht ihr damit um?
    Viele Grüße und danke fürs Lesen.

  • Grüß Dich liebe Kassiopeia,

    willkommen bei uns im Forum :welcome:

    Ich bin Proky, 41, trocken seit knapp 14 Jahren, somit kein Angehöriger sondern Betroffener. Genau aus diesem Grund kann ich Dir leider Deine Frage nicht aus der Sicht eines Angehörigen beantworten, was Du Dir ja verständlicherweise wünschst...

    ...aber ich kann Dir mit Rat zur Seite stehen!


    Frage:

    Zwar schreibst Du, dass der Alkohol von Anfang an ein Thema in Eurer Beziehung war, mich hingegen interessiert, ob sein Trinkverhalten und sein soziales Verhalten innerhalb dieser drei Jahre zugenommen hat( trinken) bzw abgenommen hat (soziales Verhalten, wie Desinteresse Hygiene...)?

    Mit anderen Worten:

    War er früher anders? Was wünscht Du Dir von ihm?

  • Hallo Kassiopeia,

    ich kann nicht viel tippen, habe Dir aber für den Einstieg ins Thema "Sucht" und
    Co-Abhängigkeit einen Text aus dem Genesungsprogramm von Al-Anon verlinkt.
    Al-Anon richtet sich an Angehörige und Freunde von Alkoholikern, die ähnlich wie
    Du mit der Schwierigkeit umgehen müssen, dass sie dem Alkoholiker nicht die
    Einsicht in seine Sucht abnehmen oder verschaffen können.

    https://blog.al-anon.de/toleranz-und-f…koholismus.html

    Kurz gefasst lautet die Richtung: Dein Wohlergehen nicht von seiner Einsicht abhängig
    machen. Stattdessen selbst klar formulieren, wo die eigene Grenze (incl. Trennung,
    falls Du seelisch sonst Schaden nimmst) liegt und Dich um Deine Dinge kümmern,
    nicht mehr um seine Sucht. Die kannst Du nicht bekämpfen, das muss er veranlassen.

    Es gibt auch andere Selbsthilfegruppen und Suchtberatungsstellen als Anlaufstelle
    für Dich selbst als Angehörige. Wichtig ist, dass Du erstmal in Dir selbst wieder Ruhe
    und Frieden findest, und dazu sind klare Grenzen (Eigenverantwortung beider Partner)
    sehr hilfreich. :)

    Liebe Grüße und ich hoffe, dass der Text Dich ermutigt, Dir selbst Unterstützung für
    Dein eigenes Seelenheil zu suchen.

    :sun:

    Wolfsfrau

  • Hallo Kassiopeia,

    herzlich Willkommen hier im Forum.

    Ich bin 50 Jahre alt, Alkoholiker und lebe jetzt schon länger ohne Alkohol.

    Ich möchte Dir einfach ein paar Gedanken zu Deinen Zeilen von mir da lassen:

    Du schreibst ja von einer Wut, die Du spürst, weil Dein Freund Dich bzw. Deine Ängste und Sorgen so einfach ignoriert. Erst mal möchte ich Dir sagen, dass Dein Freund wahrscheinlich ein schwer kranker Mensch ist. So wie Du das beschreibst könnte er unter Alkoholsucht leiden. Ich kann das natürlich nicht abschließend und mit absoluter Richtigkeit bestimmen, jedoch deutet wohl Vieles darauf hin.

    Damit leidet er unter einer unheilbaren Krankheit. Was ihm aber selbstverständlich bleibt ist die Möglichkeit, diese Krankheit zum Stillstand zu bringen. Jetzt wäre aber eine Sucht keine Sucht, wenn das dann so einfach möglich wäre. Du merkst schon, es ist alles etwas komplizierter. Im Gegensatz zu den unheilbaren Krankheiten die zwangsläufig zum Tode führen hat er (wie alle Alkoholiker) es selbst in der Hand, dieses zu verhindern. Er kann dafür sorgen, dass seine Krankheit nicht zum bitteren Ende führt, wenn er das möchte. Tut er nichts, wird er über kurz oder lang daran zugrunde gehen. Aber das ist auch das. wovor Du so Angst hast, und was durchaus berechtigt ist.

    Aus meinen Zeilen kannst Du heraus lesen, dass ich immer von ihm, also Deinem Freund schreibe. Du kommst darin bisher gar nicht vor. Aus gutem Grunde, denn Du hast mit seiner Sucht nichts zu tun. Weder bist Du schuld das er trinkt noch kannst Du irgendwas dazu beitragen, dass er nicht mehr trinkt. Wenn Du Dich mit dieser Krankheit noch nicht so intensiv beschäftigt haben solltest, dann wird Dir das jetzt vielleicht ein wenig "komisch" vorkommen, was ich Dir da so schreibe. Aber genau so ist es. Du bist hier erst mal raus.

    Wie Du im übrigen überhaupt raus bist. Denn Du wirst ja schon bemerkt haben, dass es in seinem Leben etwas deutlch wichtigeres gibt als Dich. Nämlich den (seinen) Alkohol. Aus den wenigen Zeilen die Du geschrieben hast lese ich heraus, dass der Alkohol bei ihm längst die wichtigste Postion eingenommen hat. Er trinkt weil er trinken möchte. Niemand kann ihm das verbieten. Er ist ein erwachsener Mensch, Alkohol ist völlig legal und alles andere ist dann erst mal egal. So funktioniert die Sucht.

    Wie kann dann also Deine Zukunft, Eure Zukunft überhaupt aussehen? Also, Du hast das Thema Alkohol ja schon thematisiert, Du kannst es nochmal tun und dann deutliche Konsequenzen ankündigen, für den Fall, dass er auf Deine Wünsche keine Rücksicht nimmt. Und Du solltest Dich darauf einstellen, dass Du diese Konsequenzen dann auch wirklich ziehst, wenn er sich nicht an Deine Regeln hält.

    Sollte er tatsächlich ins Nachdenken kommen, tatsächlich etwas gegen seine Sucht unternehmen wollen, dann kannst Du das von außen erst mal beobachten. Das würde bedeuten, dass er zum Arzt geht, dass er entgiftet, dass er anschließend Maßnahmen ergreift um dauerhaft trocken bleiben zu können (also z. B. eine Therapie macht, SHG besucht, etc.). Würde er das tun (nur darüber reden oder es ankündigen hilft übrigens nicht weiter), dann könntest Du Dir überlegen, ob Du ihn dabei unterstützen möchtest.

    Wenn er jedoch auf Deine Wünsche pfeift, Deine Ängste ignoriert und Deine Regeln bricht, dann solltest Du Deine Koffer packen (oder er seine). Grundsätzlich bleibt dem Angehörigen eines Trinkers oder einer Trinkerin nichts anderes übrig, als auf sich selbst zu achten. Auf die Sucht des Partners (der Eltern, etc.) hat man keinen Einfluss (siehe meine Zeilen oben). Auf sein eigenes Leben jedoch schon. Und auf das was man akzeptiert und was nicht auch.

    Dazu möchte ich Dich zitieren:

    Zitat

    Es macht mich wirklich oft wütend das er sich kaputt macht und von mir erwartet das ich still daneben stehen soll.

    Du entscheidest ob Du (still oder überhaupt) daneben stehst und zu schaust, wie er sein Leben weg wirft. Ob er das erwartet oder nicht ist völlig irrelevant. DU bist diejenige, die das mit sich machen lässt. Du musst für Dich entscheiden, was Du Dir wert bist. Ob Du Dein Leben an der Seite eines uneinsichtigen Trinkers verbringen möchtest, der Dich und Deine Wünsche ignoriert und nichts dafür tut, seine Sucht zu bekämpfen oder ob Du Dein Leben selbst in die Hand nimmst um wieder glücklich sein zu können. Es liegt nur an Dir.... So wie es nur an ihm liegt, was er aus seinem Leben macht.... Und das erste das Du verstehen musst ist, dass Du keinen Einfluss auf seine Krankheit hast. Das ist ganz wichtig. Erst wenn Du das verstehst kannst Du Dich lösen. Und Du darfst auch nicht glauben, dass man mit genug Liebe, Geduld und Leidensfähigkeit irgendwas bewirken könnte. Nein, kann man nicht. Er allein hat es in der Hand.

    Und solltest Du Dich in letzter Konsequenz tatsächlich von ihm trennen wollen, spätestens dann wirst Du merken, ob seine Liebe zu Dir wenigstens so groß ist, dass er zumindest Dir zu liebe versucht mit dem Trinken aufzuhören. Ist nicht ideal, weil es dann ja "erzwungen" wäre, aber kann manchmal als Start gar nicht so schlecht sein. In den meisten Fällen, zumindest diejenigen die ich kenne, hat sich der Trinker jedoch für den Alkohol entschieden. Was nochmal bestätigt, wie wichtig es für Angehörige ist, sich um sein eigenes Leben zu kümmern und nicht um das des Trinkers.

    Alles alles Gute wünsche ich Dir. Und einen guten Austausch hier im Forum.

    LG
    gerchla

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