Ich möchte euch gerne meine Situation schildern und vielleicht kommt jemandem die Situation ja bekannt vor oder hat Ähnliches erlebt.
Ich bin 35 Jahre alt. Als ich 15 war, habe ich zum ersten mal gemerkt, dass mein Vater zu viel trinkt. Ich muss dazu sagen, dass ich aus einem nach außen hin gut situiertem Elternhaus stamme und gerade meine Mutter immer extrem viel Wert darauf gelegt hat, dass nach außen hin alles perfekt aussieht. Sie hat nach außen hin auch immer viel Show veranstaltet und das Ansehen der Familie gegenüber anderen war absolut wichtig.
Mein Vater war nie gewalttätig und funktionierte nach Außen hin eigentlich immer unauffällig. Abends trank er dann Wein, Bier oder Weinbrand. Meistens war er abends zu nichts mehr zu gebrauchen, bekam nicht mehr viel mit und verkroch sich in den Keller. An Haus und Garten hat er vieles vernachlässigt. Auch habe ich immer wieder Verstecke gefunden. Meine Mutter wollte von all dem nichts wissen (nach dem Motto "es kann nicht sein, was nicht sein darf"). Ich denke, sie hat es dadurch nur noch schlimmer gemacht, da sie ihn dadurch ja indirekt unterstützt hat. Sie hat mir und meiner Schwester dann immer erklärt, dass dies an den Blutdruck-Tabletten gelegen hat. Auch hat mein Vater sich mehr und mehr gehen lassen. Auf Sauberkeit im Haus legte er keinen Wert, zum Arzt ging er gar nicht mehr (Zahnarzt etc.). Meine Mutter hat hier den Schein gewahrt.
Ich bin dadurch mehr und mehr in die Rolle des "Mannes im Haus" geraten ohne es wirklich zu merken. Ich habe mich viel um haus und Garten gekümmert und bei größeren Entscheidungen (Finanzielle Entscheidungen, Steuern, Anschaffungen, Verträgen) wurde ich von meiner Mutter als Entscheider ausgewählt, obwohl ich gerade 20 Jahre alt war. Meinem Vater schien es Recht zu sein, dass sich jemand für wichtige Dinge verantwortlich fühlt und vielleicht habe ich diese Verantwortung auch genossen. Jedenfalls habe ich meine Pflichten hier immer voll und ganz erfüllt.
Auch habe ich meinen Vater mehrfach konfrontiert, aber es hat außer leeren Versprechungen nie etwas gebracht. Selbst als mein Vater einen Schlaganfall hatte (zum Glück ohne bleibende Schäden) hat dies weder dazu geführt, dass er sich ändert, noch dazu, dass meine Mutter seinen ungesunden Lebenswandel zum Thema gemacht hätte. Sie wich weiterhin auf Ausreden aus (Blutdrucktabletten oder "er muss nur ein halbes Glas Bier trinken und ist schon völlig betrunken").
Richtig problematisch wurde das Ganze, als ich zu Hause ausgezogen bin. Ich habe noch weiterhin versucht, bei meinen Eltern alles zu regeln, aber durch meinen Beruf und meinen eigenen Haushalt und auch den Wunsch nach Freizeit, gelang mir dies immer schlechter. Eskaliert ist das Ganze dann, als es mit meiner Freundin (inzwischen Frau) immer enger wurde. Da brach bei meiner Mutter ein erbitterter Konkurrenzkampf gegen meine Partnerin aus, die letztlich zum Bruch geführt hat.
Mich macht das unglaublich traurig, da ich immer wieder mit Vorwürfen von ihr konfrontiert werden "Du hast dich gegen uns entschieden etc.". Mir fehlt meine Familie und auch mein Vater, der aber leider absolut passiv ist.
Von Verwandten höre ich oft, wie sehr er unter der Situation leidet, aber er ist in den letzten drei Jahren nicht einmal auf die Idee gekommen, aktiv den Kontakt zu mir zu suchen. Gespräche mit meiner Mutter enden immer sehr schnell in Beschimpfungen und Vorwürfen Ihrerseits.
Ich denke manchmal, dass der Alkohol hier die Wurzel des ganzen Dilemmas ist, denn hier liegt nunmal der Anfang des Problems. Ich weiß nicht, ob ich mich mit der Situation abfinden muss oder ob es noch Chancen gibt, irgendwas zu retten. Mein Vater ist über 70 und wenn ich ihn so ansehe, wirkt er noch deutlich älter. Ewig lange wird er sicher nicht mehr haben....