Ich bin neu hier - mein Mann ist Alkoholiker

  • Hallo,
    seit Tagen ist in meinem Kopf nur noch das Thema Alkohol und Alkoholiker vorhanden.
    Am Donnerstag habe ich meinen Mann mit großer Überredungskunst in eine Klinik zur Entgiftung gebracht.
    Vorausgegangen war eine jahrelanger Odysee mit Lügen, ständigem Alkoholkonsum, Führerscheinentzug.
    Nachdem er seit 3 Wochen einfach umfällt, ging er in die Klinik. Dort erhielt er die Diagnose: Alkoholentzug und schwerer Alkoholiker.
    Natürlich hat er das bisher immer bestritten.
    Er hatte Anfang des Jahres eine Hüft-OP und in der Klinik einen Bandscheibenvorfall. Dies hat das Trinken wohl noch weiter verschlimmert und im Gegenzug hat der Alkohol wohl seine Schmerzen unerträglich gemacht. Ein absoluter Teufelskreis.

    Mich quält nun die Angst vor der Zukunft: wird er aus eigener Überzeugung den dringend notwendigen Entzug vornehmen? Falls ja, klappt das alles so zeitnah, dass er erst gar nicht wieder in Versuchung kommt, weiterzutrinken??

    Wer kümmert sich um die Organisation eines Entzuges, wie reagiert sein Arbeitgeber?
    Wie kann ich dieses ständige Grübeln abstellen und selbst endlich wieder ein "normales" Leben führen.
    Ich werde ihm zur Seite stehen, wenn er den Entzug konsequent anpackt.
    Was passiert aber, wenn es nicht klappt und ich ihn dann im Stich lasse?
    Drohungen mit Suizid habe ich schon sehr oft gehört.

    Mein Leben ist im Moment ein kleines Drama.

    Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht und wie seid ihr mit dieser Situation klar gekommen?

    LG

  • Hallo, Gudi, und HERZLICH WILLKOMMEN hier im Forum :welcome:

    Zunächst einmal kurz zu mir: Ich bin 56, m, Alkoholiker - und nun schon ein paar Jahre trocken und auch in der Suchtselbsthilfe ein wenig aktiv.

    Wenn Du hier im Forum ein wenig liest, wirst Du viele Geschichten lesen, die der Deinen ähneln. Und auch vielfach unsere Ratschläge an Angehörige wie Dich:

    Du kannst Ihm nicht helfen - er ist selbst für sich und sein tun verantwortlich. Das EINZIGE, was Du tun kannst, ist: Kümmere Dich um DICH und DEIN Wohlergehen!
    Und wenn Du dann noch die Kraft hast, ihm zur Seite zu stehen, wenn er sich ERNSTHAFT um seine Genesung kümmert - dann kannst Du es gerne tun.

    Nur Eines solltest Du Dir "aus dem Kopf schlagen" (entschuldige die Formulierung):

    Ich werde ihm zur Seite stehen, wenn er den Entzug konsequent anpackt.
    Was passiert aber, wenn es nicht klappt und ich ihn dann im Stich lasse?
    Drohungen mit Suizid habe ich schon sehr oft gehört.

    Du lässt in nicht "im Stich" - er muss sich selbst um seine Suchterkrankung kümmern. Das kann ihm niemand abnehmen. Und es kann ihn auch niemand dazu zwingen.
    Aus eigener Erfahrung als selbst Betroffener kann ich Dir sagen: Auf eine/n Süchtige/n kannst Du mit Engelszungen einreden, so oft und solange Du willst - er/sie wird Dir das Blaue vom Himmel lügen und Dir erzählen, was Du hören willst, damit er weiter trinken kann.
    Erst wenn er/sie selbst es will, werd er/sie tatsächlich ernsthafte Bemühungen unternehmen, etwas genen seine/ihre Sucht zu tun.

    Vorerst wünsche ich Dir jedenfalls ganz viel Kraft und hier einen guten und ergiebigen Austausch!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo,

    ich bin als Kind eines Alkoholikers aufgewachsen, der an den Folgen seines Alkoholkonsums gestorben ist, und ich habe selbst lange gesoffen, aber schon vor langer Zeit aufgehört.


    Drohungen mit Suizid habe ich schon sehr oft gehört.

    Das ist emotionale Erpressung in Reinform. Wenn Du nicht machst, was ich will, dann mache ich etwas, mit dem Du nie mehr fertig wirst.

    Meine Mutter brachte diesen Spruch mir gegenüber immer wieder, als klar wurde, dass ich erwachsen werde und mein Elternhaus - und sie mit den Problemen, die sie mit meinem trinkenden Vater hatte - hinter mir lasse. Das ging so lange, bis ich eines Tages sagte "Mach doch, dann ist Ruhe". 35 Jahre später erfreut sich meine Mutter bester Gesundheit, sie ließen sich allerdings bald danach scheiden. Mein Vater lebte danach aber auch noch über 30 Jahre.

    In der Entgiftung wissen sie normalerweise, wie weitere Schritte eingeleitet werden können.
    Nur kurz. Ich war von außen kaum zu beeinflussen, so lange ich trinken wollte. Aber als ich dann soweit war, das durchzuziehen, weil ich die Schnauze voll und es eingesehen hatte, war es zwar nett, dass ich noch einen Partner hatte, aber ich hätte es auch alleine durchgezogen. Da solltest Du Deine Wichtigkeit nicht überschätzen, genauso wie Du dir von Deinem Partner nicht erzählen lassen musst, das er ohne Dich nicht leben kann.

    Gruß Susanne

  • Hallo,

    ich danke euch ganz herzlich für eure Antworten.
    Die einhellige Aussage, dass nicht ich diejenige bin, die für die Genesung meines Mannes verantwortlich ist, beruhigt mein Gewissen zumindest ein kleines bisschen. Ich bin es - auch beruflich - gewohnt, immer für alle die Verantwortung zu übernehmen.
    Im Bezug auf meinen Mann führt es dazu, dass ich selbst ernsthaft krank werde. Magenprobleme und Schlafprobleme begleiten mich seit Monaten.
    Mir wird immer mehr bewusst, dass ich selbst nach all den Jahren, in denen sich immer alles um das Thema Alkohol gedreht hat endlich Hilfe brauche. Nicht nur mein Mann benötigt eine Therapie - auch ich muss mir helfen lassen.
    Dazu werde ich mich jetzt schlau machen und das Thema anpacken.

    Nächste Woche habe ich -gemeinsam mit meinem Mann - einen Termin mit dem Arzt in der Entgiftungsklinik.
    Natürlich hoffe ich, dass mein Mann sich bis dahin bewusst für den Entzug und den Versuch, sein Leben ohne Alkohol in den Griff zu bekommen entscheidet.
    Sollte er jedoch trotz der schlimmen gesundheitlichen und zwischenmenschlichen Probleme sein bisheriges Leben fortführen wollen, so muss ich mein eigenes Leben neu organisieren und mich selbst endlich wieder wichtig nehmen.

    Dazu brauche ich jetzt alle Kraft, die ich noch aufbringen kann.


    Noch eine Frage an euch:
    wie geht man in der Zeit der Entgiftung mit dem Alkoholiker um? Soll man ihm gut zureden, ihn in Ruhe lassen oder versuchen, ihm seine schlimme Krankheit bewusst zu machen??
    Macht es Sinn, ihn auf Tatsachen und schlimme Vorfälle anzusprechen, die mir in den letzten Tagen von seinen Eltern und Geschwistern im Hinblick auf das Alkoholproblem geschildert werden, oder nimmt er solche Gespräche eh nicht auf? Kann man ihn damit "schocken", oder ist das alles umsonst?


  • Noch eine Frage an euch:
    wie geht man in der Zeit der Entgiftung mit dem Alkoholiker um? Soll man ihm gut zureden, ihn in Ruhe lassen oder versuchen, ihm seine schlimme Krankheit bewusst zu machen??
    Macht es Sinn, ihn auf Tatsachen und schlimme Vorfälle anzusprechen, die mir in den letzten Tagen von seinen Eltern und Geschwistern im Hinblick auf das Alkoholproblem geschildert werden, oder nimmt er solche Gespräche eh nicht auf? Kann man ihn damit "schocken", oder ist das alles umsonst?

    die meisten Alkoholiker sind ziemlich gut darin, sich selbst runterzumachen (auch wenn sie nach aussen noch so großkotzig wirken können), das führt bei einigen dazu dass sie das Trockenwerden als noch sinnloser empfinden. Zwischen Allmachtsgefühlen und kompletter Sinnlosigkeit liegen ja oft nur Minuten.

    Man muss nichts beschönigen, aber grade kurz nach der Entgiftung ist ein Alkoholiker wie ein rohes Ei, der mit seinen eigenen Emotionen überhaupt nicht umgehen kann. Bis dahin hat er ja alles runtergesoffen und nüchtern ist das sowieso schlecht auszuhalten. Und so frisch liegt ja da nichts näher, als zum bewährten Mittel - dem Alkohol - zu greifen. Dir würde er die Schuld dafür zuweisen. Vorwürfe bringen eh nicht so viel, weil sich nachträglich ja nichts mehr ändern lässt. Und die Angehörigen tragen meist Mitverantwortung, denn sie haben es auch mit sich machen lassen - ist ja niemand gezwungen, mit nem Süchtigen verheiratet zu bleiben oder das sonstwie mit anzugucken..ausser Kindern, die wirklich nicht weg können, weil sie nicht über ihr Leben entscheiden können.

    Oft stellt man im Nachhinein auch fest, dass die Sucht zwar ein schwerwiegendes Problem ist, es in der Partnerschaft aber auch noch an ganz anderen Punkten hakt, Grenzen nicht eingehalten werden usw. Meistens müssen beide dran arbeiten, wenn das was werden soll. Und dazu gehört, dem Anderen "Seins" zu lassen.

    Eigentlich kannst Du ihm nur klar machen, dass Du es als eine Krankheit siehst, bei der Du ihm im Moment nicht helfen kannst. Weder Vorwürfe noch gut zureden, sondern die eigene Hilflosigkeit zur Sprache bringen und ansonsten in Ruhe lassen - meine Ansicht. Wenn er je eine Therapie machen sollte, gibt es da meist Paargespräche, da unterhält man sich dann in entsprechender Atmosphäre und unter sachkundiger Begleitung. Da ist der Betroffene aber auch schon meist einige Wochen nüchtern und hält auch schon ein bisschen was aus. Bisschen Abstand schadet nicht.

  • Ich stimme Susanne zu. Man muss nichts beschönigen/verharmlosen - aber nur Vorwürfe bringen gar nichts.
    Natürlich ist jeder Mensch verschieden, aber wenn ich mich an meine Zeiten nach den ersten Entgiftungen zurückdenke - mein Selbstbewusstsein ist ungefähr 15 Meter unter der Erdoberfläche entlanggekrochen und ich fühlte mich so schuldig. An allem. Hätte man es zur Sprache gebracht, ich hätte mich auch am Aussterben der Dinosaurier schuldig gefühlt.
    Allerdings muss ich auch dazu sagen, dass ich mir bei meiner ersten Entgiftung der Tasache bewusst war, Alkoholiker zu sein und etwas in meinem Leben ändern zu müssen - und dass ich dabei Hilfe brauche! Ich war da nicht, "nur" weil mein Körper schlapp gemacht hat und mal eine kurze Regenerationspause brauchte!

    Damit will ich jetzt nichts beschönigen - Gott (oder sonst wer) bewahre!! Aber ich will damit nur sagen, dass es für mich schon ein ganz schöner Hammer war, mir eingestehen zu müssen, dass ich meine Sucht (von der ich dachte, dass ICH die NIE kriegen würde) nicht im Griff habe, sondern die mich. Und feststellen zu müssen, was ich meiner Familie alles angetan habe. Und dass das Ganze anfing, weil ich "der Welt" gefallen wollte, es ALLEN recht machen wollte - und mich dabei hoffnungslos übernommen hatte. Und das dann mit Alkohol versuchte zu kompensieren ...

    Es ist nicht so einfach.

    Aber Du hast vollkommen recht, was Du schreibst:

    Nicht nur mein Mann benötigt eine Therapie - auch ich muss mir helfen lassen.
    Dazu werde ich mich jetzt schlau machen und das Thema anpacken.

    Wenn es DIR (wieder) gut geht, dann - und erst dann - bist Du in der Lage, auch Deinem Mann effektiv helfen zu können. Und das, ohne Dich selbst zu gefährden!
    Hier gibt es für Angehörige auch gute Möglichkeiten: Suchtberatung (ist auch für Angehörige da), Selbsthilfegruppen für Angehörige, Literatur ...

    Schau doch mal in unsere ]Linksammlung und/oder unsere Literatur-Ecke - da findest Du bestimmt etwas Passendes.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

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    können wir nur selber tun!

  • Zitat

    ...Und dass das Ganze anfing, weil ich "der Welt" gefallen wollte, es ALLEN recht machen wollte - und mich dabei hoffnungslos übernommen hatte. Und das dann mit Alkohol versuchte zu kompensieren ...


    Das erinnert mich sehr. Und wenn ich darüber nachdenke, dass ich jetzt einige Jahre ohne Alkohol super lebe, dann bin ich dankbar, froh, glücklich und noch eine ganze Menge mehr. Der Weg hat sich gelohnt. Manchmal steinig, manchmal arg bergauf, aber am Ende kommt man bei sich selbst an und dann hat man ein tolles Gefühl.

    Ich wünsche euch, dass es voran geht und ihr es schafft. Viel Erfolg.

    LG Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

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