Aus gegebenen Anlass, und weil ich von einem Forumsfreund darum gebeten wurde, möchte ich hier mal die Möglichkeit aufzeigen, die man als Angehöriger von süchtigen Familienmitglieder hat, wenn sie sich selbst aufgrund ihrer Trunksucht nicht mehr um ihre Angelegenheiten kümmern können.
Vorweg an alle, die vielleicht, trotz zahlreicher Empfehlungen und Erfahrungen hier im Forum durch andere Betroffene, immer noch denken, sie könnten an der Sucht selbst etwas ändern: Solange die trinkenden Alkoholiker zu keiner eigenen Einsicht gelangen, ihre Sucht zum Stillstand bringen zu wollen, ist jede Mühe von außen, sie vom Trinken abzuhalten wollen, eine nervenaufreibende Einbringung, die letztlich den helfen Wollenden schadet.
Nach wie vor besteht die Möglichkeit sich in solchen Fällen, möglichst über die betreuende Ärzte/Kliniken/Psychiatrien an das Betreuungsgericht zu wenden, und zumindest vorübergehend einen Antrag auf Betreuung der Betroffenen einzuleiten.
Da das Betreuungsrecht meiner Erfahrung nach in den diversen Bundesländern doch recht unterschiedlich ausgelegt wird, ist eine gründliche Informationsbeschaffung vor Ort dringend angeraten. In meinem Bundesland helfen Angehörigen von Alkoholikern dabei die Caritas Suchberatung und die Diakonie. Auch die Sozialbetreuung in den Psychiatrien hilft oft weiter, wenn die betroffenen Alkoholiker z.B. zwecks Entzug dort unterbracht werden müssen.
In der Regel erfolgt dann zunächst eine Begutachtung der Süchtigen, bei der festgestellt werden kann, wozu sie selbst überhaupt noch in der Lage sind. Ebenso werden die Betroffenen von Amts wegen angehört.
Eine Betreuung kann dann, je nach den noch vorhandenen Fähigkeiten der Betroffenen, ganzheitlich mit allen Aufgabenkreisen, oder nur mit einzelnen Aufgabenkreisen beauftragt werden.
[li]Vermögenssorge[/li]
[li]Gesundheitsfürsorge[/li]
[li]Aufenthaltsbestimmung[/li]
[li]Wohnungsangelegenheiten[/li]
[li]Alle Angelegenheiten[/li]
[li]Fernmeldeverkehr und Post[/li]
Nach Möglichkeit kommen auch die eigenen Angehörigen, oder Personen aus dem Umkreis der betroffenen Süchtigen als Betreuer in Frage, sofern sie die notwendigen Voraussetzung erfüllen.
Außerdem können die Aufgabenkreise auf verschiedene Betreuer*innen verteilt werden. So ist es zum Beispiel möglich, dass ein externer Betreuer sich um die Vermögenssorge kümmert, während ein Angehöriger sich um die Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und Wohnungsangelegenheit kümmert.
Eine Betreuung kann auf Antrag auch zu jedem Zeitpunkt wieder aufgehoben werden, also zum Beispiel, wenn der Betreute seine Sucht zum Stillstand bringt, und dadurch wieder in der Lage ist für sich selbst zu sorgen. Die Aufgabenkreise können dann ganz oder teilweise aufgehoben werden. (So gibt es z.B. Betreute, die sich selbst dafür entscheiden weiter in der Vermögenssorge zu bleiben, weil sie sich selbst nicht in der Lage sehen, mit ihren finanziellen Mitteln vernünftig umzugehen.
Immer wieder höre ich von den Angehörigen, dass sie sich sehr schlecht fühlen, ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie einen Betreuungsvorgang einleiten müssen/sollen. Dabei ist das heutige, moderne Betreuungsrecht ganz im Sinn von allen, und besonders soll es auch den Angehörigen ihre Fürsorge leichter machen.
Noch immer geistert das schreckliche Wort „Entmündigung“ in den Köpfen herum.
Dabei ist das „Entmündigungsgesetz“ in Deutschland schon 1992 abgeschafft worden.
Der Gesetzgeber hat enge Vorgaben dafür geschaffen, dass jemand „unter Betreuung“ gestellt werden kann:
Eine rechtliche Betreuung muss gut begründet sein. Sie ist nicht schon dann gerechtfertigt, wenn jemand zum Bespiel seinen Haushalt nicht mehr alleine führen kann oder sich weigert, sich von einem Arzt behandeln zu lassen. Sich zu weigern hat erst einmal keinen Krankheitswert. Anders sieht es aber aus, wenn renitentes Verhalten etwa Folge einer Demenz ist. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) nennt in Paragraph 1896 die Kriterien, die rechtliche Betreuungen legitimieren: geistige oder psychische Behinderungen oder psychische Krankheiten, zu denen neben Demenz zum Beispiel auch Neurosen oder Schizophrenie gehören.
Auch Suchterkrankungen können bei entsprechendem Schweregrad psychische Krankheiten sein; die Sucht muss aber im ursächlichen Zusammenhang mit einer Behinderung oder geistigen Erkrankung stehen oder es muss ein auf die Sucht zurückzuführender psychischer Zustand eingetreten sei (BayObLG FamRZ 1994, 1618). Alkoholikern und Drogensüchtigen kann daher kein Betreuer bestellt werden, solange nur eine Suchterkrankung vorliegt (BayObLG FamRZ 2001, 1403; AG Neuruppin FamRZ 2005, 2097).
In der Praxis sieht es dann so aus: Angenommen der alte, verwitwete Vater kann sich selbst nicht mehr versorgen und lässt seine Wohnung vermüllen und verkoten. Dazu wird dann in aller Regel keine Betreuung angeordnet, weil man diese Probleme zum Beispiel auch mit einer Haushälterin, einem Sozialdienst u.a. regeln könnte. Alternativ könnte der Vater dann auch in Seniorenheim, wo er rundum gepflegt und "betreut" (nicht in rechtlichem Sinn) wird.
Ähnlich sieht es bei den finanziellen und gesundheitlichen Angelegenheiten aus: Jeder Mensch hat das Recht sich (hier in Deutschland) selbst finanziell zu ruinieren oder sogar zu Tode zu saufen.
Die besten Erfahrungen habe ich bislang in sehr schwierigen Fällen miterlebt, wenn die betroffenen Alkoholiker*innen aufgrund ihrer Exzesse/Totalräusche/Krampfanfälle/Unfälle usw. entweder in entsprechende Fachkliniken für Alkoholiker*innen kamen, oder auf die Entzugsstationen der Psychiatrischen Krankenhäusern. Aufgrund des dann fachlich diagnostizierten Status und wahrnehmbaren Zustandes der Betroffenen, konnten die Angehörigen zusammen mit den Sozialarbeiter*innen dieser Häuser ein Lösung in Gang setzen, die beiden Seiten gerecht wurden.