Baclofen in Frankreich zugelassen

  • Wieder einmal ein typischer Kommentar aus der deutschen Suchtforschung. Eine Pille gegen Sucht - wo kommen wir denn da hin?
    Und die Angaben sind falsch!
    Baclofen ist seit über 40 Jahren in der Neurologie weltweit auch in höchsten Dosierungen im Einsatz, teilweise selbst intrathekal, also mit Injektion in die Rückenmarksflüssigkeit. Im Gegensatz zu Nalmefene (Selincro) und Naltrexon (Adepend) ist es nicht lebertoxisch und kann selbst bei fortgeschrittener Leberzirrhose ohne Bedenken auch langfristig eingesetzt werden.
    Die Wirkung von Baclofen auf das Trinkverlangen wurde schon in den 1970ern beschrieben, O. Ameisen hat nur die Berichte für seinen Zweck der Alkoholismusbehandlung wieder entdeckt. Die Nebenwirkungen, Kontraindikationen und Risiken von Baclofen sind durch den millionenfachen Einsatz in der Neurologie bestens bekannt, der Anwender ist vor Überraschungen völlig sicher. Der weitaus überwiegende Teil der Anwender beschreibt die Verträglichkeit von Baclofen als gut bis sehr gut, Abbrüche wegen unerwünschter Wirkungen sind meist Folge ungenügender Aufklärung und falscher Dosierung. Der biochemische Wirkungsweg ist vollständig aufgeklärt und der Effekt im "funktionellen MRT" am lebenden Gehirn eindrucksvoll sichtbar gemacht. Baclofen ist in der Anwendung sicher, hat kein Abhängigkeitspotenzial und keine Toleranzentwicklung, es kann ohne Probleme mit den gebräuchlichen Psychopharmaka (Neuroleptica, Antidepressiva) und sonst notendigen Medikamenten gegen Hypertonie, Diabetes etc. kombiniert werden. Die LD 50, eine Messgröße aus Tierversuchen (bei dieser Dosis stirbt die Hälfte der behandelten Versuchstiere) beträgt bei Mäusen 45mg/kg, bei Ratten 78mg/kg, die therapeutisch eingesetzte Höchstdosis liegt bei ca. 4mg/kg, also maximal ein Zehntel dieser Dosis. Selbst die suizidale Einnahme von 100 Tbl zu 25mg führt nicht zum Erfolg.
    Nach Einschätzung von Dr. Bernard Granger von der Organisation "AUBES" werden gegenwärtig in Frankreich mindestens 100.000 Patienten mit Baclofen behandelt, die Erfolgsquoten liegen bei 75% (Abstinenz 60%, reduzierter Konsum 15%).
    Die aus Deutschland berichteten Zahlen außerhalb der Charité-Studie auf Fachkongressen (Haasen, Hamburg, Hammerla, Oberhausen, Weigel, Gießen) liegen in der gleichen Größenordnung.
    Die Studie in Berlin soll von ihrem Aufbau her - also Dosissteigerung beim Beginn, Höhe und Dauer der Maximaldosis, Geschwindigkeit der Dosisreduktion zum Ende der Beobachtungszeit) möglichst viele unerwünschte Ereignisse provozieren, um die Methode in Misskredit zu bringen und nachhaltige Erfolge zu verhindern - das scheint aber nicht zu gelingen, sonst wäre schon längst ein Studienabbruch erfolgt.
    Angesichts von 1.6-2.5 Mio Erkrankten und jährlich 72.000 Toten durch Alkohol (fast 200 jeden Tag!) ist diese ewige Warnerei vor dem bisher wirksamsten und sichersten Heilmittel zynisch und menschenverachtend!

    LG

    Praxx

  • Lieber Prax,

    bitte schicke Deinen sehr guten gefassten argumentativen Beitrag doch an die Redaktion von n-tv. Echt jetzt! So wie wenn man einen Leserbrief schreibt. Ich finde, Journalisten tut ein Feedback manchmal ganz gut. So wie Du schreibst, wurde da nämlich nicht bzw. kaum recherchiert - und das soll nicht sein.

    Lieber Gruß
    Pinguin

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Hallo Praxx,

    sehe, dass Du wieder im Forum unterwegs bist.

    Habe Dich mit Interesse gelesen, als ich noch nicht hier angemeldet war und würde mich sehr freuen wenn Du, als Experte, Dich wieder an den Diskussionen beteiligen würdest!

    Mit freundlichem Gruß

    Carmen

  • Hallo Praxx,

    ich bin auch sehr froh, dass Du wieder da bist. Du hast gefehlt.

    LG
    Pinguin

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Hab grad gedacht, wenn man den Saufdruck, also die psychische Sucht, medikamentös behandeln kann, dann muss sie ja auch neurologische Ursachen haben. Es ist ja definitiv abgegrenzt zu körperlichen Entzugserscheinungen, muss also ein anderer Mechanismus sein. Aber die Aussage "psychische Abhängigkeit" ist so vage, vermutlich für viele zu vage, um damit was anfangen zu können (oder sich gar einzugestehen, dass sie daran leiden). Aber wenn man den Wirkmechanismus von Baclofen kennt, müsste man daraus ja auf die neurologischen Ursachen des psychischen Suchtdrucks kommen können, und hätte dann etwas "naturwissenschaftlich, faktisch handfestes", mit dem man die psychische Sucht erklären könnte.

  • Hallo RWS,

    mich würde es interessieren, was eigentlich deine Ziele sind!

    Wie schätzt du dein Trinken ein?

    Und vor allem: was bezweckst du mit deinen Kommentaren hier?

    Weißt du, was du nun eigentlich willst? Kontrolliert trinken, gar nicht mehr trinken, manchmal den Rausch?


    Gruß

    Carmen

  • Hallo RWS,

    willst du das Rad neu erfinden?

    Aber wenn man den Wirkmechanismus von Baclofen kennt, müsste man daraus ja auf die neurologischen Ursachen des psychischen Suchtdrucks kommen können, und hätte dann etwas "naturwissenschaftlich, faktisch handfestes", mit dem man die psychische Sucht erklären könnte.

    Die Wirkweise von Alkohol ist doch bekannt und kein Geheimnis mehr.
    Vielleicht legst du dir etwas Literatur zu z.b. Simon Borowiak "Alk, ein fast medizinisches Fachbuch" , aber interessant und lustig geschrieben. Danach weist du dann definitiv was da im Gehirn passiert.

    Dann würdest du deine Einstellung (ab und zu was trinken, ist doch okay) wahrscheinlich auch ändern.

    Zottelchen

  • CarmenX: Das ist hier aber schwer off-topic, steht auch eigentlich alles in meinem Vorstellungsthread. Nein, ich weiss nicht so recht was ich will. Viel trinken allerdings nicht. Für mich steht eher meine Panikattacken-Problematik im Vordergrund und die Rolle, die der Alkohol da gespielt (hat). Wenn ich durch Alkohol wieder an einen Punkt komme wo ich merke "der Mist geht wieder los" ist da für mich die kritische Grenze. Dazu hab ich allerdings noch gar nicht so richtig was geschrieben hier. Ansonsten hab ich weder komplette Abstinenz vor noch allzu hohen Konsum.

    Zottelchen: Die neurologischen Dinge sind mir bekannt und das besagte Buch habe ich sogar schon gelesen, danke trotzdem. Allerdings kann man doch nur die körperliche Abhängigkeit neurologisch erklären, aber die psychische Komponente kaum. Man weiss nur dass es diffus etwas mit Lernprozessen und dem Dopamin-System zu tun hat, aber so richtig "handfest" ergründet ist das doch meines Wissens nach noch gar nicht. Ich hab auch mal von einer Person, die sich beruflich gut damit auskennt, gehört, dass es da in der Tat noch diverse unerforschte Aspekte gibt (was allerdings ja auch auf das Gehirn generell sehr stark zutrifft). Baclofen wirkt ja nun aber nicht gegen die körperliche Abhängigkeit, sondern gegen den psychischen Suchtdruck, von daher quasi da, wo diese teilweise unerforschten Aspekte liegen.

    Ansonsten denke ich einfach manchmal laut und schreibe das dann, weil ich den Gedanken einfach interessant finde.. führt dann halt zu solchen Beiträgen. Der einzige Zweck ist "ich finde diesen Gedanken interessant, was meint ihr dazu?". Ist das nicht ok?

    Einmal editiert, zuletzt von RiderWithoutShoes (1. Oktober 2014 um 02:55)

  • Ich weiss nicht, ob jemand die Sendung am 31.10. auf Arte gesehen hat:
    http://www.arte.tv/guide/de/04792…ofen?autoplay=1
    oder, falls der Link abgelaufen sein sollte:
    https://www.youtube.com/watch?v=g96hGRF4s_M

    Ich fand es sehr interessant. Auch wenn ich ein Verfechter der Abstinenz bin, scheint es doch ein HILFSMITTEL auf dem Weg dorthin sein zu können. Oder auch nicht ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Was ich spannend fand, war das Ergebnis der Placebo-Gruppe. Auch hier trat eine Verbesserung dahingehend ein, dass die Leute weniger tranken, was angesichts der allgemein als Wahrheit dargestellten Behauptung, dass Alkoholismus stets mit Kontrollverlust einhergeht, merkwürdig anmutet.
    Vielleicht kommen ganz allmählich tatsächlich Dogmen ins Wanken, so dass irgendwann nicht nur denen geholfen werden kann, die zur unbedingten Abstinenz willig und fähig sind. (Oder denjenigen, die sich selbst helfen, indem sie eigene Wege gehen.)

    Katro

  • Yepp - spannend fand ich das auch. Der Patient war sich aber auch so was von sicher, dass er Baclofen bekommt ... Aber man unterschätzt auch die psychische Wirkung eines Placebos!
    Trotzdem ist auch das Ergebnis der Studie: "Erfolg Baclofen = Erfolg Placebo" schon äußerst erstaunlich. Man kann also sagen: Baclofen wirkt ... genau wie das Placebo ???

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Interessante Reportage. Ich finde aber, dass sich aus der Studie nicht all zu viel ableiten lässt.
    Für viele bringt es ja schon Besserung, wenn sie regelmäßige Termine beim Arzt, oder Suchtberatung haben. Das hatten ja beide Gruppen, also wird es bei einigen schon aufgrund dieser Tatsache eine Besserung geben.

    Es sein denn, dass wurde bereits beim Auswahlverfahren der Patienten berücksichtigt. Das alle ähnliche Therapieversuche bereits hinter sich hatten.

    Und in einem bin ich sowieso überzeugt, mit Placebos könnte das Gesundheitssystem eine Menge Geld sparen. Also was ich meine ist, dass vieles auch von dem Glauben / Willen oder sonst was des Patienten abhängt.

  • Moin, moin.
    Grundsätzlich vertrete ich die Position, dass der, der heilt auch recht hat, Das trifft für mich auf den Bereich der Medizin zu und genauso auf den Bereich der Suchttherapie.
    Wenn wie auch immer erreicht wird, dass Menschen weniger trinken, fast gar nicht mehr trinken oder bestenfalls sogar ganz aufhören zu saufen - super!
    Strategien zum "kontrollierten Trinken", Medikamente die bei Alkoholkonsum die Klienten zum Kotzen bringen, Akkupunktur, und und und - solange dadurch weniger Menschen an ihrer Sucht verrecken - perfekt!
    Als Vertreter des klassischen Weges, der in sechs Tagen seinen siebten "zweiten Geburtstag" feiern darf, habe ich mich nie als Dogmatiker der reinen Lehre profiliert - jeder so, wie es für ihn am besten ist.
    Bei den Vertretern des alternativen Weges habe ich aber immer wieder das Gefühl, dass sie uns "Traditionalisten" einerseits Dogmatismus unterstellen - ihren jeweiligen alternativen Behandlungsweg andererseits durchaus dogmatisch als den deutlich besseren propagieren.
    Als Gegenpunkt zur konsequenten Abstinenz werden seit Jahrzehnten immer einmal wieder andere
    Säue durchs Dorf getrieben. Seltsamerweise ist von all den Wundermitteln der Vergangen nicht eines als der Heilsbringer schlechthin übrig geblieben.
    Bei weltweit Millionen alkoholabhängiger Menschen, kann mich auch die Argumentation nicht überzeugen, die klassische "Therapiemafia" (praxx) verhindere die Markteinführung eines entsprechend vielversprechenden Medikamentes - im Zweifel traue ich der Lobbyarbeit der Pharmaindustrie deutlich mehr zu als der Lobbyarbeit der traditionellen Suchttherapeuten.

    Mir hat die gnadenlose Auseinandersetzung mit mir selber geholfen, dier Frage auf den Grund zu gehen, WARUM ich eigentlich gesoffen habe. Am Ende stand die Erkenntnis, dass es für mich lediglich zwei Wege gibt: Entweder das Leben mit all seinen Aspekten, Nuancen, Widrigkeiten, Problemen und Herrlichkeiten nüchtern zu erleben oder mich aus dieser Welt weg zu schießen. Für mich ging es um eine Entscheidung - Medikamente, die mir womöglich den Weg zwischen schwarz und weiß geebnet hätten, hätten mich auch nicht wirklich interessiert. Warum soll ich mich kotzelend fühlen, wenn ich zwei Bier oder ein Glas Wein trinke und dann nicht einmal etwas davon haben - dann doch lieber das Medikament weglassen und wenigstens den Rausch erleben ...?
    Ich befürchte, dass Menschen die sich gesundheitlich und psychosozial erst einmal aus der Schusslinie bringen wollen, den vermeintlich leichteren Weg der medikamentösen Behandlung einschlagen werden und dann nach einiger Zeit doch wieder dem Verlangen nach dem lebenserleichternden Rausch nachgeben werden. Medikamente weglassen -Rausch genießen und im Zweifel das ganze von vorne.

    Ich werde die Baclofen-Debatte jedenfalls weiterhin interessiert verfolgen und bin sehr gespannt auf die ersten Ergebnisse von Langzeitstudien - vielleicht irre ich mich ja auch total, und Baclofen erweist sich doch als der Heilsbringer - bis dahin erlaube ich mir, undogmatisch zu zweifeln ...

    Beste Grüße
    keppler

  • Als Vertreter des klassischen Weges, der in sechs Tagen seinen siebten "zweiten Geburtstag" feiern darf, ...

    Erst einmal Herzlichen Glückwunsch :heartBalloon:

    Ich muss Dir zustimmen: So lange es etwas gibt, um Süchtigen beim Ausstieg aus der Sucht zu HELFEN, bin ich immer dafür. Mir fiel der Ausstieg beim letzten Mal nicht soooo schwer (fand und finde ich an sich für mich schon erstaunlich, bin aber auch nicht böse drüber :D). Aber ich kenne Leute, die haben auch ein Jahr nach ihrem Ausstiegsversuch immer noch derart mit dem Suchtdruck zu kämpfen, dass ich vor dieser Leistung den Hut ziehe - auch, wenn letztendlich dann doch rückfällig wurden und es noch nicht wieder aus dem Sumpf geschafft haben. Hier fände ich es gut, wenn es so eine Pille gäbe, die den Leuten dabei HILFT, wieder trocken zu werden - und das, ohne ständigen Suchtdruck.
    Aber als Alibi so ein Medikament zu schlucken und dann drauf zu warten, dass jetzt "alles wieder gut wird", halte ich für völlig falsch ...

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!


  • Warum soll ich mich kotzelend fühlen, wenn ich zwei Bier oder ein Glas Wein trinke und dann nicht einmal etwas davon haben - dann doch lieber das Medikament weglassen und wenigstens den Rausch erleben ...?

    Vielleicht um in einem sehr frühen Stadium des Rausches und damit bei klarem Kopf zu erleben, was Sucht tatsächlich -also losgelöst von der durch sie herbeigeführten Illusion- bedeutet?
    Sie ist nämlich letztendlich immer „zum Kotzen“.

    Je früher und plastischer das ein Süchtiger erkennt, desto nachhaltiger wird m.E. sein Ausstieg aus dem Kreislauf der Sucht sein.

    Und noch etwas: Lebenserleichternd ist ein Rauch zumindest dann nicht mehr (falls er das überhaupt jemals sein konnte), wenn er aus einer Sucht heraus herbeigeführt wird.

    Schönen Sonntag!

    Katro

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!