Mit meinem Latein am Ende

  • Hallo Zusammen,

    mein Name ist Nicole. Ich bin mit meinem Mann seit 20 Jahren zusammen, seit 2 Jahren sind wir verheiratet und haben eine 1 1/2 jährige wunderbare Tochter.

    Mein Mann hat schon immer, so im Nachhinein betrachtet, einen Hang zu Alkohol.
    Seit nunmehr fast 5 Wochen führen wir tägliche Diskussionen über seinen Alkoholkonsum. Er trinkt JEDEN TAG mind. 6 Bier, eher mehr, ist also jeden Abend betrunken. Ich bin nun an einem Punkt angelangt, an dem ich das nicht mehr akzeptieren will und kann. Zumal unsere Tochter jetzt langsam anfängt alles zu verstehen und ich möchte nicht, dass sie das mitbekommt.

    Wenn ich ihn drauf anspreche, dann leugnet er, dass er ein Problem hat. Für sein Trinken sind auch immer andere verantwortlich (heute war der und der da... ein Kumpel wollte reden... du gibst mir keine Liebe... du warst doch eh müde...usw.). Es sind immer die anderen Schuld, auch gibt er mir ständig die Schuld, dass ich ja der Grund bin warum er trinkt. Wir hätten zu wenig Sex etc. Dabei ist es gerade umgekehrt. Wir haben keinen Sex, weil er ständig betrunken ist. Er stinkt nach Alkohol. Ich finde es nur noch widerlich. Auch hat er diesen Blick wenn er betrunken ist, das stößt mich einfach nur noch ab.

    Ich habe ihm angeboten, wir machen eine Therapie zusammen, dass wir wieder zueinander finden und uns aufgezeigt wird, wie wir das wieder hinbekommen. Dies lehnt er kategorisch ab. Er meint dann nur, dass mir dann aber auch gezeigt würde, was ich falsch mache. Aber gerade deshalb will ich es doch machen. Seine Anschuldigen, dass ich verantwortlich bin für sein trinken, kann ich einfach nicht ernst nehmen und möchte es von einer unabhängigen Person hören.

    Auch ist es jetzt soweit, dass er den Alkohol vor mir versteckt. Er trinkt heimlich. Mit solchen Sätzen wir "geh doch heute mal früher ins Bett du bist doch immer so müde" etc. und sobald ich im Bett bin geht es weiter, dass er ungestört trinken kann ohne das jemand ne blöde Klappe hat.

    Ich drohe ihm seit ein paar Wochen damit, dass ich gehe, aber das scheint ihn nicht zu stören, wenn es Zeit zum trinken ist.
    Am nächsten Tag tut es ihm immer leid.

    Er hat mir auch versprochen, dass er sich Hilfe sucht, das er bei einer Beratungsstelle anruft oder einen Bekannten fragt, der auch ein Problem hat und jetzt grad bei den AA ist. Aber nichts passiert. Nur heißte Luft. Gerade eben hat er es mir wieder versprochen, dass er unter der Woche nichts mehr trinkt. Seine Woche hält aber höchstens 2 Tage, dann geht es wieder los.

    Ein Satz von ihm war auch, dass er nicht ganz auf Alkohol verzichten will. Aber meiner Empfindung nach gibt es kein ein bisschen. Er schafft es nicht, nach dem 2 oder 3 Bier aufzuhören.

    Ich bin einfach nur noch ratlos und weiß nicht, was ich noch tun soll.

    Nicole

  • Hallo Nicole,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum.

    Ich stelle mich mal ganz kurz vor: Ich bin Ende 40, Alkoholiker und lebe jetzt schon länger ohne Alkohol. Ähnlich wie Dein Mann war ich während meiner Trinkerzeit auch verheiratet, Papa von 2 Kindern, das diese wunderbar für mich waren bzw. noch sind bräuchte ich wahrscheinlich nicht erwähnen. Ich liebte sie über alles, das reichte aber nicht aus um mit dem Trinken aufzuhören.

    Was Du von Deinem Mann schreibst bzw. wie Du ihn beschreibst, das alles kenne ich nur zu gut. Du beschreibst hier sehr schön einen ganz klassischen funktionierenden Alkoholiker, mit Familie, wahrscheinlich einem ganz brauchbaren Job, der noch alles irgendwie hinbekommt (nach außen). Dir und seiner Familie gegenüber liegt allerdings schon einiges im Argen, Du kannst ihn nicht mehr erreichen. Gegenüber meiner Ex-Frau hast Du den Vorteil, dass Du weißt woran das liegt. Meine Frau wusste nämlich nicht das ich trank. Und verzweifelte an unserer Beziehung.

    Du weißt was los ist und Du machst mir auch einen sehr klaren Eindruck, was ich als sehr gut empfinde. Du hast auch schon erkannt, dass all sein Gesülze bezüglich dessen, was er ab jetzt nicht mehr tut oder wie er es künftig machen wird usw. nichts Wert ist. Ganz klassisch übrigens auch, dass Du an seiner Trinkerei Schuld hast. Wenn die üblichen Ausreden nicht mehr fruchten, dann wird zu dieser Keule gegriffen. Und natürlich bist Du überhaupt nicht daran Schuld. Es spricht für Dich, dass Du sogar noch versuchen würdest über eine Partnertherapie die Geschichte ins Lot zu bringen.

    Davon kannst Du Dich aber verabschieden, denn ein nasser Alkoholiker ist nicht zu therapieren. Bzw. die einzige Therapie die er brauchen könnte, wäre eine gegen seine Sucht.

    Nun leider, Du wirst es schon gelesen haben, sind Dir da die Hände ziemlich gebunden. Er allein entscheidet ob er trinkt oder nicht. Er allein entscheidet ober er etwas gegen seine Sucht unternehmen möchte oder nicht. Du bist eine Statistin. Er hat sein Leben längst an den Alkoholabgegeben. Seine Geliebte ist der Alkohol, so ist das leider.

    Das bedeutet aber nicht, dass Du gar nichts tun kannst. Denn Du kannst auf Dich und Dein Kind schauen. Du kannst dafür sorgen, dass seine Sucht nicht auch noch Dein und das Leben Deines Kindes zersört. Du hast es nämlich richtig erkannt: Dein Kind bekommt schon jetzt mehr mit als Dir lieb sein kann und es wird mit jeder Woche mehr werden.

    Was Dir jetzt noch fehlt, mal ganz salopp formuliert, ist, dass Du Deinen Ankündigungen auch Taten folgen lässt. Rede nicht davon ihn zu verlassen sondern tue es! Ja alles nicht so einfach, ich weiß. Aber damit setzt Du mal einen Wirkungstreffer. Dann wirst Du sehen, ob er wach wird oder weiter säuft. Wird er wach und tut was, kannst Du Dir überlegen ob Du es nochmal probieren möchtest. Sei Dir aber im Klaren, dass das ein ganz schwerer Weg werden wird. Wobei tuen in diesem Fall nicht bedeutet, dass er Dir irgendwas verspricht oder mal ein paar Tage nichts trinkt. Es würde bedeuten, dass er zum Arzt geht, eine Suchtberatung aufsucht, sich informiert wie eine Therapie aussehen könnte und auch einen Termin zur Entgiftung in einer Klinik macht (ggf. beim Termin mit dem Arzt). Auf das übliche Blabla brauchst Du nichts zu geben.

    Säuft er weiter, hast Du so oder so die richtige Entscheidung getroffen. Nichts schlimmeres als mit einem Trinker zusammen leben zu müssen. Dieser nimmt Dir Deine ganze Lebensqualiät.

    Das jetzt nur mal in aller Kürze weil ich weg muss.

    Ich wünsche Dir ganz viel Kraft. Lies Dich hier in Ruhe ein. Du bist nicht die einzige, die so etwas erleben musste. Leider leiden die Partner und Angehörigen von Alkoholiker immer am meisten an der Sucht. Ich wünsche Dir einen guten Austausch und ich werde Dich weiter lesen. Alles Gute erst mal.

    LG
    gerchla

  • Lieber Gerchla,

    vielen Dank für deine schnelle "Antwort". Ich hatte gar nicht damit gerechnet, dass hier so schnell sich jemand zu Wort meldet.

    Leider ist das wieder die Antwort, die ich mir im Klaren bin, die die richtige ist, aber die ich NOCH nicht akzeptieren kann.
    Ich habe meinen Mann geheiratet, weil ich mein Leben mit ihm verbringen möchte. Und nun wo er "krank" ist, soll ich ihn verlassen.
    In meinem Kopf weiß ich sehr wohl, dass das wohl die einzige und richtige Entscheidung ist. Und mein Kopf sagt mir auch, ich muss mein Kind schützen.
    Aber der Rest will sich damit noch nicht abfinden. Das ist einfach so schlimm. Ich fühle mich so hilflos. Das kenne ich eigentlich überhaupt nicht von mir. Ich bin schon der Entscheidertyp und nicht der Rumeierer.

    Aber dieses Thema bringt mich einfach an meine Grenzen.

  • Hallo Nicole,

    man muss sich nicht immer gleich vom suchtkranken Partner trennen.
    Inzwischen gibt es gute Programme, die Angehörigen dabei behilflich sind, wie sie diese Situation meistern, und gleichzeitig zielführend und sinnvoll den suchtkranken Partner zur Einsicht bewegen können.
    Lies Dir mal das Programm Craft durch, vielleicht wäre es für Dich ein gangbarer Weg?

  • Hallo Dietmar,

    danke für deine Zeit.

    Ich werde mir das mal in Ruhe durchlesen.

    Hab vielen Dank.

  • Liebe Nicole,

    das Programm das Dietmar Dir vorgeschlagen hat könnte ein Weg für Dich bzw Euch sein! Vor allem auch deshalb, weil Du offenbar auch bereit bist diesen Weg mit ihm gehen zu wollen. Oft ist leider auch schon zu viel passiert um weiter einen gemeinsamen Weg gehen zu können. Schön, wenn das bei Dir nicht der Fall ist.

    Und ja, Du hast natürlich Recht wenn Du um Deine Beziehung kämpfst. Du musst nur aufpassen, dass Du Dich dabei nicht selbst aufreibst.

    @Dietmar: Danke, dass Du diese Alternative aufgezeigt hast. Ich hatte sie nicht auf dem Schirm. Gut das Du da bist!

    LG
    Gerchla

  • Hallo, Nicole, und HERZLICH WILLKOMMEN hier im Forum :welcome:

    Kurz zu mir: Ich bin m, 55, Alkoholiker und nun schon einige Jahre trocken.

    Im Grunde bin ich ganz bei Gerchla - schon auf Grund meiner eigenen Erfahrungen. Diese Erfahrungen sind zum Teil selbst erlebt, zum Teil aus meiner SHG (Selbsthilfegruppe) und vielen Gesprächen mit anderen Betroffenen, aber auch Angehörigen, und auch zum Teil leider auch beruflicher Natur C:-)
    Natürlich ist das von Dietmar vorgeschlagene Programm eine Alternative. Aber trotzdem solltest Du zum Wohle Deines Kindes und Deinem Wohl ihm Hinterkopf haben: Wenn es nicht funktioniert, dann kann ich nicht nur reden - dann muss ich handeln!
    Siehe die von Dir angedrohte Trennung ... Wie oft wird diese angedroht, aber nicht durchgezogen - so dass solche "Konsequenzen" lächerlich sind und vom Betroffenen nicht ernst genommen werden (brauchen)?

    Leider ist das wieder die Antwort, die ich mir im Klaren bin, die die richtige ist, aber die ich NOCH nicht akzeptieren kann.

    Ein Süchtiger weiß, welche Knöpfe er drücken muss, um seiner Sucht möglichst lange ungestört "nachgehen" zu können und nach außen vorzugaukeln, man würde ja ALLES tun, um diese zu bekämpfen ...
    Irgendwo sind wir begnadete Schauspieler :-\

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Zusammen,

    ich bin mir bewusst, dass ich ggf. mit meiner Sichtweise, auch mit meinen Erfahrungen und Erlebnissen in dem Zusammenhang, hier Widerspruch hervorrufen kann.
    Immer wieder steht, besonders für diejenige unter uns, die sich in der Suchtselbsthilfe engagieren, diese Frage im Raum: Ehe, viele Jahre (>10), Kinder, gemeinsames Haus oder gemeinsame Wohnung, insgesamt oft von außen gesehen „gutbürgerliche“ Verhältnisse, sowohl finanziell, als auch sozial eingebunden.
    Und dann entweder schleichend, oder auch ziemlich zügig entwickelt, ein Partner mit einer Suchterkrankung.

    Ich möchte hier mal eine Lanze für all die Paare brechen, die „es“, also die Suchterkrankung, gemeinsam zum Stillstand gebracht haben. Weil das erwiesenermaßen die Mehrzahl unter den Paaren ist, die mit einer solchen schwer belastenden Situation konfrontiert werden.

    Der Hilferuf von Nicole liest sich für mich so, dass hier die Sucht jetzt erst im Verlauf der letzten 5 – 10 Wochen von Nicole in ihrer Tragweite und ihren Auswirkungen auf „das System Familie“ erkannt wurde.
    Der übermäßige Alkoholkonsum ihres Mannes wurde von ihr – wahrscheinlich – viel zu lange toleriert.

    Jetzt stehen Beide in ihrer Partnerschaft, aus der eine 1 ½ jährige „wunderbare“ Tochter hervorgegangen ist, vor der Entscheidung, wie, und vielleicht auch „ob“ es mit ihrer Partnerschaft, die ja sicher auch viele schöne gemeinsame Zeiten in mehr als 20 Jahren inne hatte und durch gegenseitige Liebe, Respekt und Achtung getragen wurde, weitergehen soll.
    Und darum geht es m. E.: Was können Partner*innen von suchtkranken Partnern an diesem Punkt tun, bevor salopp gesagt „alles den Bach runtergeht“?

    Klar ist, dass sich zusätzlich zur Sucht des Partners keine Co-Abhängigkeitentwickeln darf und soll. (Wenn sie sich nicht schon längst in völliger Unwissenheit über die Wirkmechanismen der Sucht eingefunden hat. Aber auch dann gibt es jetzt Wege, wie Nicole ihre eventuelle Co-Abhängigkeit erkennen und ablegen kann.)
    Überhaupt nicht akzeptabel ist es, dass die Kinder unter der Sucht leiden sollen.
    (Falls die Sucht nicht schon viele Jahre eskaliert und die ganze Familie nicht schon durch die Sucht des einen Partners erkrankt ist. Auch dann gibt es Möglichkeiten die ganze Familie wieder gesunden zu lassen.)

    Bis auf wenige Ausnahmen wissen alle Alkoholiker, die ihre Sucht zum Stillstand bringen konnten, dass meistens viele Anstöße „von außen“ (also durch die Partnerin, durch den AG, durch das Umfeld), leider auch teils schlimme Konsequenzen erfolgen mussten, bis es Betroffenen möglich war, gegen ihre Sucht „aus eigenem Antrieb heraus“ etwas zu unternehmen, und sie zum Stillstand bringen zu können.
    Und, siehe oben, natürlich ist dabei das konsequente Handeln und eine strikte verbindliche Vorgehensweise sowohl von der Partnerin, als auch vom Betroffenen notwendig.

    Völlig fehlgeleitet – im Sinn hin zu einer notwenigen Einsicht in die Sucht – sind „5 wöchige tägliche Diskussionen über den Alkoholkonsum des Partners. Genauso braucht kein verständiger Mensch darüber diskutieren, ob 6 Fl. Bier mindestens täglich (3 Liter – 118gr reinen Alkohol – max. empfohlen Menge lt. WHO 24gr bei gleichzeitig mind. 2 Tage Totalabstinenz.) noch akzeptabel sind. Die konsumierte Menge führt über kurz oder lang zu erheblichen gesundheitlichen organischen und psychischen Schäden.

    Alle von Nicole beschriebenen „Abwehrmechanismen“, wie leugnen des Suchtproblems, „die Anderen sind schuld an meinem Trinken“, Du bist schuld, dass ich trinken muss, mir fehlt Verständnis und Liebe, usw. … sind wohlbekannt. Ebenso die abstoßenden, deutlichen Anzeichen und Auswirkungen, wenn der Promillepegel steigt.

    An dem Punkt, an dem Nicole von ihrem Vorschlag einer gemeinsamen Therapie schreibt, muss man, so meine ich jedenfalls, schon strikt trennen: Gibt es – auch ganz ohne das Alkoholproblem – Partnerschaftsprobleme, die mittels einer Paartherapie wieder „eingerenkt“ werden müssen, oder geht es dabei vorrangig „nur um das Alkoholproblem des trinkenden Partners“.
    Bei Ersterem bin ich mir sehr sicher, dass kein verantwortungsvoller Paartherapeut überhaupt mal zu therapieren beginnt, wenn das Alkoholproblem weiterhin besteht.
    Daraus erschließt sich dann schon, dass ein „Zusammenfinden“ in der Partnerschaft erst dann wieder möglich ist, wenn die Sucht zum Stillstand gebracht wird.

    Eine Suchttherapie aber setzt die Bereitschaft und Einsicht des trinkenden Partners voraus. Schon viele Seiten wurden darüber geschrieben, dass kein Betroffener „trocken wird“, weil es die Partnerin will.
    So eine Therapie zielt immer zuerst einmal ausschließlich auf den suchtkranken Menschen.
    Wenn die Partnerin (oder die ganze Familie) dazu noch für sich eine Therapie, z. B. aufgrund ihrer Co-Abhängigkeit, machen, dann ist das eine gute und richtige Begleitung.

    Ich möchte hier einfach mal das darlegen, was zuerst einmal für eine konsequente motivierende Unterstützung seitens der Partnerin – zum Wohl der ganzen Familie – spricht, und gegen die immer wieder vorgebrachte Aufforderung: „Trenn Dich zu Deinem und Deines Kindes Wohl“.
    Tatsache ist, dass bei solchen Haurucktrennungen sehr häufig die Sucht beim Betroffenen zunächst einmal komplett eskaliert, beide Seiten enorm viel verlieren, und später dann eine Zusammenfindung kaum mehr möglich ist.

    Ich weiß an dieser Stelle nicht, welche räumlichen Möglichkeiten bei Nicole und ihrem Mann bestehen, zum Beispiel konsequent bei weiterem Alkoholkonsum eine räumliche Trennung herbeizuführen. Eben dann, wenn ihr Mann weitertrinkt.
    Nicole hat nichts über die Auswirkungen der Sucht auf seine Arbeitsleistung und/oder drohenden Konsequenzen seitens des Arbeitgebers geschrieben.
    Da sind für mich viele ungeklärten Voraussetzungen, die mir einen Rat a la „trenn Dich“ als zunächst sehr oberflächlich erscheinen lassen.

    Nicoles Mann hat jetzt, aufgrund eines „Bekannten“? Freundes? ein motivierendes Beispiel real vor sich, sodass er sich der Erkenntnis nähern kann, „ich bin ja gar nicht allein mit dem Problem, das haben noch viele andere auch“, und seine Scham vor dem vermeintlichen Versagen in Bezug auf gesellschaftlich toleriertem Alkoholkonsum bewältigen kann.

    Die Erkenntnis, die von den meisten betroffenen Alkoholikern als höchste Hürde empfunden wird, „ich darf nie wieder Alkohol konsumieren“, ist an dem Punkt jetzt fast unvorstellbar, und deshalb auch überhaupt nicht zielführend in einer motivierenden Gesprächsführung (Motivational Interviewing, MI).

    Ich weiß, dass es enorm viel von Angehörigen, hier von Nicole verlangt ist, wenn ich hier dazu motivieren möchte, dass ihre – offensichtlich aufgrund ihrer Reflektion und ihres sauberen Beitrags zur Diskussion gestellten Beitrags – Ressourcen zu aktiviert, mit denen sie hin zu einer gemeinsam möglichen Lösung des Problems auf den suchtkranken Partner einwirken kann.

    Nur Nicole kann entscheiden, ob ihr das diese langjährige Partnerschaft, das gemeinsam Kind und alles Drum und Dran wert ist.

    Ansonsten – sich trennen, den Partner seinen, eventuell dann vollends dem Alkohol zugewandten Lebensweg gehen zu lassen, „sich selbst vor den wahrscheinlichen Folgen der Sucht retten“, wenn er weitertrinkt, mit dem Verlust selbst fertig zu werden, die durch eine Trennung entstehenden Schäden bei dem Kleinkind abzufangen, die finanzielle Seite entsprechend zu regeln u.v.a.m. – das alles, so meine ich in meinem Engagement in der Suchtselbsthilfe, muss man eben den nachfragenden Partnern auch verdeutlichen.

    Konkret an Dich, liebe Nicole: Ich empfehle Dir eine Psychosoziale Beratungsstelle für Suchtkranke und Angehörige aufzusuchen, wie sie von der Caritas oder Diakonie angeboten wird. Dort erhältst Du von erfahrenen Suchtberater*innen wertvolle Hilfe, wie Du mit „Eurem Problem“ weiter umgehen kannst, und kannst explizit für Dich etwas tun.

    Abschließend möchte ich Dich, Nicole. motivierend aufmuntern, weil – wie ich schon ganz oben schrieb – es die meisten Paare, die in ihrer Partnerschaft mit einem Suchtproblem konfrontiert werden, auch gemeinsam wieder auf die Reihe bekommen. Man muss nur wissen wie!

  • Hallo Nicole,
    Ich wollte soeben auch (m)einen Post schreiben.
    Aber als ich den deinen gelesen habe, dachte ich "oh, Nicole schreibt über meinen Mann."
    Alles ganz genau so.
    Verheiratet seit 15 Jahren, 2 Kinder
    Mein Mann verdient gut, hatte auch schon immer einen Hang zu Alkohol...
    Wie wir beide sehen, wir sind nicht allein mit alledem.
    Ich würde auch (noch) jeden Weg mit ihm gehen.
    Leider ist er zu nichts bereit, da er laut seiner Aussage kein Problem mit dem Alkohol hat.

    Ja, das Schlimmste ist, dass man mitansehen muss, wie er sich und die Familie kaputt macht.

    Auch ich weiß keinen anderen Rat, als dass, was die anderen hier schon geschrieben haben.
    Aber es ist verdammt hart!
    Ob eine Liebe soviele Qualen aushalten kann?

    Ich wünsche dir und mir viel Kraft, für alles, was noch auf uns zukommt.

    LG Tina

  • Hallo Ihr Lieben,

    ich habe heute leider wenig Zeit, am Wochenende wieder mehr. Nur so viel....gebt Euch und Euer Umfeld bitte nicht vorzeitig auf. Es kann eine wichtige Stütze sein, ich mach das selbst grad durch...
    Kopf hoch, Krone richten und dann weiter.... 8)

  • Hallo Nicole,
    ich schreibe Dir als Tochter einer nassen Alkoholikerin, die heute 75 Jahre ist und immer noch mit meinem Vater verheiratet ist. Unsere Familie hat sehr viele Stunden der tiefen Dunkelheit durch die Alkoholsucht meiner Mutter erlebt. Und die Dunkelheit und Verzweiflung wird mit zunehmendem Alter nicht besser, sondern noch düsterer.

    Aus der eigenen Erfahrung, allerdings aus der Perspektive einer Tochter, kannst Du bei Deinem Mann bleiben wenn Du folgende Fragen mit einem 'Ja' beantworten kannst:

    - Mein Mann gibt zu, dass er Alkoholiker ist und ein Problem mit dem Alkohol hat
    - Dein Mann kann sagen "Ich bin Alkoholiker"
    - Mein Mann sucht sich selbst aus eigenem Entschluss Hilfe (z.B. Entzug, AAs)
    - Du kümmerst Dich um Dich und nicht, darum wie Dein Mann zu trinken aufhört
    - Du hörst auf nach Lösungen zu suchen, die Deinen Mann vom Trinken abhalten könnten

    Sonst suche das Weite und kümmere um Dich!
    Pöpinna

  • Liebe Tina,

    vielen Dank für deinen Post. Es ist doch irgendwie "erleichternd" wenn man sich nicht mehr so alleine fühlt, weil man meint, dass man doch alles einfach nur zu eng sieht.
    Es ist schon hart, wie man immer wieder die "Schuld" bei sich sucht und man etwas ändern möchte, einem aber keine Lösung einfällt.
    Das ist für mich einfach das Schlimmste. Diese Machtlosigkeit.

    Ich hoffe immer und immer wieder, dass er es kapiert und immer und immer wieder werde ich enttäuscht.

    Letzte Woche sagte er zu mir, er hört jetzt auf jeden Fall auf unter der Woche zu trinken. Nun ja was soll ich sagen, seine Woche endete am Mittwoch... Danach Donnerstag bis gestern Abend immer schön rein in den Schlund.

    Es ist zum heulen

  • Liebe Pöpinna,

    vielen Dank für deine Worte.

    Kannst du mir ein bisschen beschreiben, was das für Gefühle etc. bei dir als Tochter ausgelöst hat.
    Ich möchte auf keinen Fall, dass meine Tochter unter diesem Mist leiden muss.

    Wenn sie es jetzt langsam mitbekommt, auch dass ihr Vater ständig nach Alkohl riecht.
    Am morgen ist mir jetzt schon aufgefallen, wenn sie bei uns im Bett liegt und zu ihrem Papa geht, dreht er seinen Kopf weg, wenn er mit ihr redet. Wahrscheinlich weil er weiß, dass er nach Alkohol stinkt.

  • Ich bin noch beim Arbeiten.

    Mein Mann kam grad vom Arbeiten hier vorbei und brachte mit einfach so, seit mind. 1 Jahr, Blumen ins Geschäft.

    Ich denke, er meinte es wirklich lieb, er sagte, er wollte mir einfach mal wieder Blumen bringen.

    Aber ich konnte mich gar nicht freuen. Jetzt fühle ich mich schlecht.

  • Liebe Nicole,
    ich habe als Tochter am Anfang vor allem mitbekommen, dass sich meine Eltern viel streiten. Im Laufe der Jahre spielt dann der 'Alkohol' immer mehr die Hauptrolle in der Familie. Meine trinkende Mutter war nur unzuverlässlich emotional erreichbar und bei mir löste das auch viel Angst aus meine Mutter so betrunken zu erleben. Immer die Angst, dass etwas schlimmes passiert.
    Mein Vater war allerdings auch emotional nicht erreichbar, da er sich ja mit meiner Mutter hauptsächlich auseinandersetzte und ansonsten flüchtete. Durch Fremdgehen, Geschäftsreisen, etc.
    Rückblickend war es eine einsame Zeit. Nach aussen hatte das allerdings niemand mitbekommen, wie kaputt unsere Familie war. Meine Mutter wurde von mir und meinem Vater gedeckt, war dann eben "krank", wenn sie ausfiel und mein Vater machte Karriere und suchte Ablenkung ausserhalb der Familie. Kinder bekommen das auf jeden Fall mit, dessen sollte man sich im Klaren sein.
    Liebe Grüsse
    Poepinna

  • Aus der eigenen Erfahrung, allerdings aus der Perspektive einer Tochter, kannst Du bei Deinem Mann bleiben wenn Du folgende Fragen mit einem 'Ja' beantworten kannst:

    - Mein Mann gibt zu, dass er Alkoholiker ist und ein Problem mit dem Alkohol hat
    - Dein Mann kann sagen "Ich bin Alkoholiker"
    - Mein Mann sucht sich selbst aus eigenem Entschluss Hilfe (z.B. Entzug, AAs)
    - Du kümmerst Dich um Dich und nicht, darum wie Dein Mann zu trinken aufhört
    - Du hörst auf nach Lösungen zu suchen, die Deinen Mann vom Trinken abhalten könnten

    Hallo Poepinna,

    mit den genannten Punkten hast Du leider so verdammt recht. Ich habe einige Monate gebraucht, um an diesen Punkt zu kommen. Zum Glück ist meine Frau noch bei mir. Eigentlich hätte ich alles besser wissen müssen, ich war zu meiner Famlilie nicht immer fair. Ich habe das Ganze auch zu Hause erlebt, meine Eltern sind beide am Suff zugrunde gegangen und schon seit vielen Jahre tot. Warum ich den Schuss nicht gehört habe, keine Ahnung. Aber ich habe meiner Tochter heute gesagt, dass ich alles daran setze, dass sie auch noch in ein paar Jahren einen Vater haben wird. Das ist einer meiner Motivatoren, wieder gesund zu werden.

    LG
    Matthias

  • Meine Eltern sind auch Alkoholiker. Mutter ist gestorben als ich 13 Jahre war und mein Vater wurde zwangsweise trockengelegt. Hat aber nun über 20 Jahre das Korsakow-Syndrom. Für mich als Kind war es die Hölle auf Erden. Ein Vorteil als Partner hat man: Man kann gehen.
    Als Kind muss man bleiben und muss alles aushalten. Und wenn das Jugendamt eingreift, dann steckt man das Kind in ein Heim und der Alkoholiker kann schön weiter saufen und sich bemitleiden. Was für eine Ironie.
    Mein Vater lebt im Heim und ich muss mich jeden Monat an den Heimkosten beteiligen. Für die Kinder hört es nie auf.

  • Guten Morgen Nicole,

    Du fühlst Dich schlecht weil er Dir Blumen gebracht hat und Du Dich nicht darüber gefreut hast? Oje, Ihr beide habt doch ganz andere Probleme als das Du über diese Blumen nachdenken müsstest. D. h. vielleicht sind sie auch symptomatisch für das was bei Dir gerade passiert.

    Er tut etwas, Du reagierst wie Du eben reagierst um dann anschließend zu hinterfragen und zu zweifeln ob das was Du gerade getan hast bzw. wie Du reagiert hast richtig "für ihn" war.

    Du hättest ihm auch die Blumen hinterher werfen können und ihm erklären wo er sie sich hin.... Na lassen wir das, das ist vom Niveau dann doch zu viel zu tief. Jedoch hätte ich so eine Reaktion durchaus auch nachvollziehen und verstehen können. Gebracht hätte sie aber sicher nichts, allerdings hätte es auch nichts gebracht, wenn Du ihm vor Freude über den Strauß um den Hals gefallen wärst. Verstehst Du was ich sagen möchte? Egal wie DU reagierst, an seinem Trinkverhalten änderst Du damit nichts. Ich glaube aber, dass darin Euer zentrales Problem liegt.

    Insofern war Deine eher neutrale Reaktion vielleicht sogar die beste, in jedem Fall aber eine ehrliche. Wenn Du anfängst so zu reagieren und Dich so verhalten zu wollen, wie Du glaubst das er es möchte oder es für ihn das beste wäre, dann bist Du mit großen Schritten auf dem Weg in die Co-Abhängigkeit.

    Hast Du Dich mit dem Craft-Programm, das Dietmar erwähnt hat, schon mal beschäftigen können? Siehst Du darin einen Weg für Euch bzw. willst Du das überhaupt?

    Egal wie Du Dich entscheidest. Pass auf Dich und Deine Bedürfnisse auf. Und vor allem achte auch auf Euer Kind. Das ist der größte Verlierer bei der ganzen Sache. Es ist gut, wenn Du um Deine Beziehung kämpfst, wenn Du sie nicht einfach weg wirfst. Jedoch darf es kein Kampf gegen Windmühlen werden. Du musst Dir klare Regeln geben, klare Grenzen setzen wie weit es gehen darf. Und Du musst dann auch Konsequenzen treffen, wenn die Regeln nicht eingehalten werden oder die Grenzen überschritten sind.

    Anderfalls läufst Du ganz große Gefahr von der Alkoholsucht Deines Mannes mit in den Abgrund gerissen zu werden. Und Dein Kind dadurch natürlich auch. Du kannst das hier im Forum ja zahlreich nachlesen. Es ist leider so wie es ist.

    Ich wünsche Dir wirklich, dass er wie auch immer zur Besinnung kommt und etwas unternimmt. Auch wenn sich das aktuell für mich bei dem was Du schreibst nicht abzeichnet. Und glaube mir, so ein Blumenstrauß ist jetzt kein Zeichen dafür, dass er bereit ist etwas zu ändern. Da hätte er Dir dann schon eher die Überweisung vom Arzt in eine Entzugsklinik vorlegen müssen.... Ich weiß, das ist jetzt bisl sarkastisch aber manchmal kann ich nicht anders.

    Alles Gute wünsche ich Dir und viel Kraft für Dich und Dein Kind.

    LG
    gerchla

  • Ach liebe Nicole,
    Das nennt man schlechtes Gewissen seinerseits.
    Mein Mann macht mir zu Weihnachten auch nimmer große Geschenke, über die ich mich, genau wie du leider nicht wirklich freuen kann.
    Letztes Jahr habe ich das auch gesagt.
    Statt der teuren Spiegelreflexkamera hätte ich mir gewünscht, dass du weniger trinkst bzw endlich was dagegen tust.
    Siehe da, ein Jahr später: keine Veränderung!!!!
    Er hat nichts getan. Hat laut seiner Aussage ja kein Problem mit Alkohol.
    Diese Geschenke sind nur ein schlechtes Gewissen in einem lichten Moment.

    Auch dir auch Hilfe. Geh zu einer Beratung für Angehörige.
    Z.B die Caritas bietet sowas kostenlos und unverbindlich an.
    Ich gehe jetzt auch dahin.
    Da kannst du mal mit Jemandem darüber reden, und erfährst hoffentlich was Nützliches zum Thema.

    Es ist doch alles bescheiden so.
    Selber ist man nicht krank, und muss dennoch die Krankheit des Partners so intensiv miterleben.
    LG

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