Beiträge von poepinna

    Liebe Nina,
    mein herzliches Beileid zum Tode Deiner Oma. Ich hoffe, dass Du für Dich Unterstützung vorort hast und es keine Dramen gibt. Es hat mir in den letzten Jahren immer sehr geholfen nicht mehr bei meinen Eltern zu wohnen, wenn wir sie besucht haben. Wir haben dann im Hotel gewohnt. Da konnten wir uns immer morgens noch bei einem netten Frühstück oder abends regenerieren und abgrenzen. Ich fühlte mich dann immer weniger dem ganzen ausgesetzt.

    Bezüglich den Betreuungs-und Bankvollmachten, die verpflichten Dich erst einmal zu nichts. Aber wenn das komplette Chaos ausbricht kannst Du eingreifen, wenn Du möchtest. Bei mir war es so, dass ich mich am Ende doch verantwortlich gefühlt habe, dass erst mal für mein Vater, der schwerkrank war und dann am Ende nun auch für meine Mutter gesorgt wird. Soweit konnte ich dann nicht mehr loslassen, was mir die Jahre vorher noch viel besser gelang.
    Es ist ein ständiges Abwägen, was kann ich selbst noch ertragen, wo kann ich sinnvoll eingreifen und Fakten schaffen, damit es mir selbst hinterher besser geht.

    Das Thema Geld ist am Ende auch doch recht wichtig. Mein Vater hatte zum Beispiel eine sehr gute Rente, von denen wir nur träumen können, wenn wir berentet sein werden. Aber es gab nur Schulden, die ich nach seinem Tod fand, und es konnte noch nicht einmal die Beerdigung bezahlt werden. Ein süchtiger Haushalt kann oft auch nicht mit Geld umgehen. Auch hier eine gute Idee, mal in den Ordnern zuhause bei Deinen Eltern nachzusehen, was da Sache ist. Und sei es dann, wenn beide am Schlafen sind……..

    Am Ende hast Du immer noch die Möglichkeit, alles an gesetzliche Betreuer abzugeben, dann bist Du befreit von allem. Ich war oft kurz davor das zu machen. Es ist die letzte Form des Loslassens.

    Viel Kraft für die Tage, Sorge für Dich gut ganz egoistisch! Denn deine Eltern werden sich nicht wegen Dir verändern, dazu ist der Sog der Sucht zu stark. Da müsste wahrscheinlich noch recht viel passieren bis es soweit kommt.

    Liebe Nina,
    ich habe ein bisschen gebraucht um Dir zu antworten, da sehr vieles mich an meine Situation erinnert hat, in der ich mich für viele Jahre befand. Meine Mutter (78J) trinkt seitdem ich Kind bin, mein Vater war ein typischer coabhängiger Angehöriger (vertuschen, so tun als gäbe es das Problem nicht, verheimlichen, kontrollieren), so lange es ihm möglich war. Allerdings verschlimmerte sich das Trinken und die damit zusammenhängenden Ausfälle in den letzten Jahren immer mehr, je mehr mein Vater körperlich krank wurde und nicht mehr die "Kontrolle" über meine Mutter hatte, da er oft im Krankenhaus war.

    Ich habe hier im Forum vor einer Weile über meinen Vater geschrieben, als er eine Nierentransplantation hatte, das gibt Dir ein ganz gutes Bild: https://alkoholforum.de//index.php?topic=2340.0


    So kam es, dass sie betrunken Auto fuhr, Unfälle verursachte, einmal drei Tage komplett verschwunden war und von der Polizei gesucht wurde, immer wieder Trinken bis zum Koma, dann wurde sie von Nachbarn gefunden. Immer wieder Rettungswagen, Polizeieinsätze etc. ich hatte mich über Grossteile meines Lebens von meinen Eltern sehr abgegrenzt, oft mit Kontaktabbrüchen, oder nur wenige Begegnungen, aber je älter meine Eltern wurden, desto kränker mein Vater wurde, umso mehr Kontakt hatte ich vor allem zu meinem Vater, der nicht mehr konnte. Plötzlich war ich in den letzten vier Jahren Koordinatorin, Rettungsstelle etc. um meinem Vater das Leben erträglicher zu machen. Täglich machte ich mir Sorgen, telefonierte mit meinem Vater, unterstützte ihn soweit möglich. ich fühlte mich 100% verantwortlich für deren Leben und schuldig, dass ich meinem Vater kein schöneres Ende ermöglichen konnte. Im September letzten Jahres verstarb mein Vater dann und es trat das ein, wovor ich mich immer gefürchtet hatte, dass meine Mutter übrig blieb und ich für sie verantwortlich bin.

    In den Tagen nach dem Tod meines Vaters gab es ein kleines Fenster der Nüchternheit und auch des Schockes meiner Mutter, und in dieser Zeit organisierte ich alles, was möglich war: Betreuungsvollmacht, Arztbesuch und täglicher Besuch von Sozialdienst ("für die Tabletten"), Bankvollmacht, Kontakt zur Krankenkasse, Auto verkauft etc. Sie unterschrieb alles und stimmte allem zu, das war ein grosser Segen im Nachhinein. Ich würde Dir auch auf jedenfalls sehr empfehlen irgendwie diese Dokumente von Deinen Eltern zu bekommen. Manchmal tun sich kleine Fenster der Vernunft auf, dann muss man sofort handeln.

    Der Nüchternheitszustand hielt nicht lange an. Noch auf der Trauerfeier meines Vaters bestellte sie von einem Freund eine Kiste Wein, der einen Weinhandel hatte. Der lieferte den Wein 5 Tage später und sechs Tage später stürzte meine Mutter volltrunken, zog sich einen schweren Oberschenkelhalsbruch zu und wurde abends vom Sozialdienst gefunden. Ja, dann lag sie in der gleichen Uniklinik, in der mein Vater kurz vorher gestorben war.
    Kann man sagen Glück im Unglück? Durch den Sturz ging dann alles sehr schnell, sie kam nicht mehr nach Hause, nach der Klinik direkt in die Reha, dann Kurzzeitpflege und ist nun ganz in einer Pflegeeinrichtung. Durch Corona und die Gehbehinderung konnte sie kaum raus und ist seitdem "trocken", wenngleich ich täglich damit rechne, dass sie den Weg zum nächsten Laden auch bald schafft. Dennoch ist seitdem erstmals seit Jahrzehnten eine normale Beziehung mit normalen Gesprächen möglich. Ich kann das "Kontrollieren" an das Pflegeheim abgeben, die sind nun verantwortlich, dass nichts passiert und ich bin sehr viel ruhiger. So gesehen kann ich "loslassen", was mir vorher nicht möglich war. Jetzt denke ich, dass sie verantwortlich dafür ist, wie sie ihr neues Leben gestaltet, wie der Kontakt zu mir ist oder auch nicht. Zumindest muss ich keine Ängste mehr haben, dass bei jedem Telefonklingeln die Katastrophe über mich einbricht.

    Also, was würde ich Dir raten? Sorge für alle wichtigen Dokumente und Vollmachten, denn nur damit kannst Du im worst case etwas beantragen.
    Ich hoffe, dass es Dir vielleicht weiterhilft,
    P.

    Liebes Forum,

    ich schreibe nur unregelmässig, dennoch wollte ich heute etwas mit Euch teilen. Meine Mutter ist seit meiner Kindheit Alkoholikerin. Meine Eltern lebten bis zum Tod meines Vaters dieses Jahr im September zusammen. Wir haben als Familie immer sehr unter der Sucht meiner Mutter gelitten. So viele Zusammenbrüche, Abstürze, egal was gerade im Leben der anderen passierte. Ich habe jetzt in den Unterlagen meines Vaters einen kurzen Tagebuchauszug gefunden, den er im Krankenhaus vor neun Jahren geschrieben hat, als er nach langer Wartezeit endlich eine Spenderniere erhalten hatte. Eine grosse Sache war das damals, plötzlich war es soweit, es wurde ihm noch einmal ein Leben geschenkt. Es hat mich dieser Text sehr betroffen gemacht, obwohl ich immer Teil des seelischen Leidens und dieser Szenen war.

    Ich stelle ihn nun in anonymisierter Form hier rein (Namen sind alle geändert), da ich hier immer wieder von Partnern lesen, die sich fragen, wie und ob sie mit einem Menschen noch zusammen leben wollen, der an Alkoholismus leidet. Mein Vater ist geblieben, aber diese Geschichten wiederholten sich bis zu seinem Sterbebett. Auf der Trauerfeier meines Vaters orderte meine Mutter eine Kiste Wein bei einem Gast, der Weinhändler war. 6 Tage später wurde der Wein geliefert, sie trank ihn, stürzte und brach sich den Oberschenkel. Mit 1,8% wurde sie in der Klinik aufgenommen.

    Hier sind die Aufzeichnungen meines Vaters, den er damals im Krankenhaus geschrieben hat:

    Transplantation-C
    5.3.11
    Anruf der Klinik um ca. 6.30 Uhr mit der Aufforderung in der zu erscheinen, da evtl. unter allen Vorbehalten eine Niere zur Verfügung steht.
    Eintreffen in der Klinik gegen 7.15 Uhr und Beginn der Untersuchungen mit dem Ergebnis, dass ich für einen Dialysepatienten in einer guten Verfassung bin und transplantationsfähig bin. Zunächst waren die Nieren nach XX in die Klinik gebracht worden, sie
    waren zuvor durch ein Chirurgenteam der Uni XX in XX bei einem Spender entfernt worden.

    Endlich gegen 18.00 Uhr kam die erlösende Nachricht, dass die Organe
    transplantbierbar sind und dann ging alles ganz schnell. Gegen 20.00 Uhr
    war ich im OP und wurde operiert.

    Sonntag, den 6.3.2011

    Im Aufwachraum habe ich im Unterbewusstsein die große Uhr an der Wand
    wahrgenommen, sie zeigt ca. 3.30 Uhr. Nachdem ich dann auf der Intensivstation
    endgültig aufgewacht bin wurde mir mitgeteilt, dass ich zwei Spendernieren
    erhalten habe.

    9.3.11
    Kein Besuch von Barbara. Am Telefon Eindruck von Trunkenheit

    10.3.11
    Besuch von Barbara, jedoch sehr fahrig und alles vergessen, was mitzubringen
    war.

    11.3.11
    Am Telefon nicht erreichbar, weder am Haus- noch am Mobiltelefon
    Um 16.00 Uhr dann am Telefon. Total betrunken.

    12.3.11
    Kurzer Besuch und Versprechen nicht mehr zu trinken.

    13.3.11
    Kein Besuch von Barbara, da mit dem Auto liegengeblieben.

    14.3.11
    Besuch Barbara, angeblich Schmerzen weil auf Treppe gestürzt

    15.3.11
    Besuch Barbara

    16.3.11
    Kein Besuch, da betrunken.

    17.3.11
    Kein Besuch, da betrunken.

    18.3.11
    Kein Besuch, da betrunken.

    19.3.11
    Barbara geht wie in den letzten Tagen nicht an das Telefon.
    Anruf von der Nachbarin bei mir in der Klinik mit der Frage was mit Barbara
    los ist. Sie sei seit Tagen nicht mehr gesehen worden und sie würden sich Sorge
    machen. Ich bat die Nachbarin deshalb doch mit Julia zu sprechen, da sie über
    einen Haustürschlüssel verfügt.
    Julia ist dann zusammen mit Jutta in die Wohnung gegangen und fanden Barbara
    bis zur Bewußtlosigkeit betrunken vor. Nach vielen Telefonaten habe ich dann
    darum gebeten, Barbara ins Krankenhaus zu bringen.

    Julia hat dann die Sache als Ärztin in die Wege geleitet und sie zusammen mit
    Peter aus der Wohnung gebracht und im Krankenwagen in die Uni Klinik
    in die Psychiatrie gebracht.

    Da ist Barbara bis 28.3.11 geblieben und wurde mit der Auflage entlassen sich weiterhin einer Therapie zu unterziehen.

    Liebe Mille77,
    Dein Text hat mich angesprochen. Meine Situation war bzw. ist im Ansatz ähnlich. Mein Vater (78 J.) war sehr schwer körperlich erkrankt in den letzten Jahren (Dialyse etc.), allerdings mental sehr fit und meine Mutter ist Alkoholikerin (77 J.) und "kümmerte" sich zuhause um ihn. Letztendlich war das Trinken und die damit zusammenhängenden Krisen für die Familie, insbesondere für meinen Vater eine ständig sich wiederholende traumatische Erfahrung. Die Vernachlässigung, die Situationen, in denen meine Mutter noch zusätzliche Krisen auslöste durch Notfall- und Polizeieinsätze, waren schrecklich. Jedesmal wenn mein Vater in die Klinik musste, konnte man quasi die Stunden zählen, dass sie sich so betrank, dass dann ein Rettungswagen kommen musste, da meine Mutter auf dem Boden gefunden wurde, etc. Letztendlich starb mein Vater jetzt im September. Auf seinem Sterbebett sagte er immer wieder "ich will nicht mehr zurück zu meiner Frau die trinkt", oder erzählte von einem Traum, dass es nachts an der Türe klingelte und Polizisten vor der Türe standen, und ihm mitteilten, dass mit dem Auto meiner Eltern ein Kind totgefahren wurde. Und das ist nur ein paar Beispiele, die ihn am Ende quälten.
    In den letzten Wochen vor seinem Tod habe ich meine Strategie dahingehend geändert (meine Mutter war gerade wieder sich selbstentlassend zurück aus der Psychiatrie nach einem Absturz und mein Vater lag auf der Intensivstation), dass ich mir von beiden eine Vorsorge- und Betreuungsvollmacht und Patientenverfügung unterschreiben habe lassen. Die kann man sich auf der Malteser Webseite herunterladen. ich hatte das damit begründet, dass das wichtig sei, wenn was passiert etc. Also diplomatisch freundlich.
    Schon nach sechs Tagen nach der Trauerfeier wurde meine Mutter wieder mit 1,6 % gefunden, aber dieses mal mit Oberschenkelhalsbruch. Es ist nun ein Segen diese Vollmachten zu haben, die offensichtlich völlig ausreichen für den ärztlichen und den Pflegedienstbereich. Es scheinen alle Ärztinnen und Einrichtungen sehr froh darüber zu sein, dass solche Vollmachten vorliegen. Mein Vater war vor zwei Jahren schon mal gesetzlicher Betreuer für ein Jahr und das hat wenig gebracht und war sehr aufwendig.
    Was ich daraus gelernt habe ist, dass man die die kranken nicht trinkenden Angehörigen sehr schützen muss, da das Sterben hinterher sehr quälend sein kann. Es ist schon schrecklich mit einem trinkenden Partner/-in leben zu müssen, wenn man selbst körperlich gesund ist. Wenn man dahingehend abhängig von der trinkenden Person ist, ist es ein Alptraum. Ich würde auch heute den pragmatischsten Ansatz wählen, der möglich ist und die Belastungsgrenze der Angehörigen zu niedrig wie möglich zu halten.


    Poepinna
    Wir sind ein freies Land und es nutzt ja auch nichts wenn der alkoholabhaengige nicht möchte!
    Für Angehörige und mitbetroffene gibt es Selbsthilfegruppen ,such doch da Mal für dich Hilfe und Unterstützung!

    Liebe Wiesenblume,
    es gibt Lebenssituationen in denen einem auch eine Selbsthilfegruppe nicht weiterhilft. Sie hilft mir ein stückweit, dennoch ist es schwer das Ganze mitzuerleben. Die Realität ist einfach grausam. Was mache ich mit meinem schwerkranken Vater, der sich nicht in das eingepisste Bett legen will, nach dem Delir tremens meiner Mutter? Er kam selbst gerade wieder aus dem Krankenhaus. Wie soll er in seinem Zustand eine neue Matraze kaufen? Ein Beispiel von endlosen Beispielen, indem man nicht einfach “loslassen” kann und für sich selbst sorgen.

    Hallo,
    leider kann man in der Tat sehr wenig machen. Bei meiner Mutter ist es das gleiche Thema. Vor einer Woche haben Nachbarn den Notarzt gerufen, da sie nicht ansprechbar mit Delir tremens zuhause aufgefunden wurde. dann vier Tage Überwachungsstation, und Psychiatrie und heute wurde sie einfach wieder entlassen. Das war das zweite Mal innerhalb von drei Monaten. Beim vorletzten Mal behielten sie sie zwei Wochen, da ich meinte, dass sie suizidale Absichten hatte. Damals war sie mehrere Tage verschwunden, wurde deutschlandweit gesucht und letztendlich mit 1,7 Promille im Graben im benachbarten Ausland gefunden. Sie fährt auch noch Auto........
    Alles wird immer schlimmer und niemand fühlt sich verantwortlich. Selbst wenn die Betroffenen ins Krankenhaus kommen heisst das letztendlich nicht viel und die Abwärtsspirale wird nicht augehalten solange die Betroffenen nicht mitmachen. Der Lernwert ist leider bei meiner Mutter minimal. In Kürze wird es wieder eskalieren.
    Man kann nur zusehen und versuchen das allerschlimmste zu verhindern. Ich sehe das inzwischen als Suizid auf Raten. Ein Nein zum Leben. Wenn jemand einen Suizidversuch unternimmt sind alle Ärzte verpflichtet den zu verhindern sonst machen sie sich strafbar. Bei Alkoholismus zählt das nicht. Für die Angehörigen ist es die Hölle immer wieder in diese emotionale Ausnahmesituation gebracht zu werden, der trinkende Mensch könnte sterben.
    Ich wünsche Euch trotz allem viel Kraft,
    pöpinna

    Liebe SunshineLisa,
    ich wohnte eigentlich seitdem ich 18 Jahre alt war nicht mehr bei meinen Eltern, und bin auch erst einmal ins Ausland gezogen. Danach lebte ich zwar wieder in Deutschland aber mit einem grossen räumlichen Abstand. Im Nachhinein war das das beste was ich tun konnte. Ich hatte die Chance mich selbst zu entwickeln mit vielen "Ups and Downs", und wusste meistens nicht was zuhause los war und fragte auch nicht nach. Wir hatten dann nur noch lose telefonischen Kontakt und sahen uns 1-2 Mal im Jahr (z.B. zu Weihnachten). Aber selbst das war oft zuviel und führte zu Katastrophen. meine Mutter schaffte es gerade mal den Heiligabend zu überstehen und lag dann ab dem 1. Weihnachtsfeiertag stock betrunken im Bett. An einem gewissen Zeitpunkt schwor ich mir nie wieder ohne Auto meine Eltern zu besuchen, da ich jederzeit in der läge sein wollte wegzufahren. Diese Erlebnisse hatten dann immer wieder Kontaktabbrüche für mehrere Jahre zur Folge.
    Eigentlich kann man sagen, dass mir diese viele Jahre mit minimalem Kontakt und grosser räumlicher Distanz ermöglicht haben ein "gesundes" Leben aufzubauen und mich insgesamt mental zu stärken. ich habe heute eine sehr warme und schöne Beziehung, habe einen beruf, der mich erfüllt und ich das Gefühl habe, dass ich angekommen bin.
    Erst in den letzten paar Jahren kommt das Thema Alkohol und alles was damit in Zusammenhang steht mit voller Wucht wieder in mein Leben. Mein Vater fällt immer mehr aus im "Aufpassen" durch eigene Erkrankungen und meine Mutter verliert komplett die Kontrolle mit dem Trinken. Mehrfach war ich dort für mehrere Wochen, weil meine Mutter vermisst, verletzt, Autounfall, Chaos war. Zweimal mussten wir eine Urlaubsreise absagen und so weiter..... ich merke zwar, dass ich viel mehr Distanz als früher habe, aber dennoch doch noch viele alte Co-Abhängigen Muster in mir habe, die einfach letzten Jahre verdrängt waren. Zum Beispiel Flaschen suchen, kontrollieren was passiert, versuchen die Katastrophe verhindern, sich schuldig fühlen, und immer wieder verantwortlich sein für beide. Das ist jetzt heute meine Aufgabe damit mich auseinanderzusetzen. Auch wirklich Abschied zu nehmen von einer Hoffnung, die dann nie erfüllt wurde "wenn meine Mutter nur aufhören würde zu trinken....... dann wäre doch alles gut......"
    Meine Mutter steckt heute sehr tief in ihrer Sucht, man erreicht sie emotional und auf der Gesprächsebene kaum mehr. Sie ruft nie von sich aus an, informiert mich auch nicht, wenn mein Vater ins Krankenhaus musste. Wenn ich sie anrufe, beschuldigt sie mich, oder ist einsilbig. Alle normalen Gesprächsangebote laufen ins Nichts.
    Aber letztendlich ist es heute genauso wichtig sich den Al-Non-Spruch zu sagen "I didn't cause it, can't cure it, can't control it." Beide Eltern sind erwachsen, und können autonom entscheiden wie sie das ihnen geschenkte Leben gestalten möchten. Man kann sich auch mit 75 Jahren Hilfe suchen, sich für das leben und Beziehungen entscheiden.
    Es ist auf jeden Fall gut und wichtig sich Hilfe zu suchen, in Al-non-Gruppen o.ä., Psychotherapie, Online-Gruppen, Bücher lesen (gerade geschrieben von Alkoholikern!!)........ nur so kann man sein eigenes "irres/co-abhängiges" Handeln reflektieren und einordnen lernen.

    Pöpinna

    Liebe Nicole,
    ich habe als Tochter am Anfang vor allem mitbekommen, dass sich meine Eltern viel streiten. Im Laufe der Jahre spielt dann der 'Alkohol' immer mehr die Hauptrolle in der Familie. Meine trinkende Mutter war nur unzuverlässlich emotional erreichbar und bei mir löste das auch viel Angst aus meine Mutter so betrunken zu erleben. Immer die Angst, dass etwas schlimmes passiert.
    Mein Vater war allerdings auch emotional nicht erreichbar, da er sich ja mit meiner Mutter hauptsächlich auseinandersetzte und ansonsten flüchtete. Durch Fremdgehen, Geschäftsreisen, etc.
    Rückblickend war es eine einsame Zeit. Nach aussen hatte das allerdings niemand mitbekommen, wie kaputt unsere Familie war. Meine Mutter wurde von mir und meinem Vater gedeckt, war dann eben "krank", wenn sie ausfiel und mein Vater machte Karriere und suchte Ablenkung ausserhalb der Familie. Kinder bekommen das auf jeden Fall mit, dessen sollte man sich im Klaren sein.
    Liebe Grüsse
    Poepinna

    Liebe SunshineLisa,

    ich bin Poepinna und Tochter einer Alkoholikerin.Deine Geschichte liest sich ähnlich wie meine. Meine Mutter, heute Mitte 70 ist auch Quartalstrinkerin, wobei sich das Quartalstrinken in den letzten Jahren in ein Spiegeltrinken geändert hat. Mein Vater ist nach wie vor bei ihr und es passieren die gleichen Geschichten wie bei Dir: Er lag mehrfach schwer krank im Krankenhaus und meine Mutter säuft sich derweil alleine zuhause um den Verstand und schafft nur neue Katastrophen (Stürze, Autounfälle, Vermisstensuche, Polizei, Koma) um nur ein paar davon zu nennen. So waren in den letzten Jahren wiederholt zeitgleich beide Eltern im Krankenhaus. Eigentlich ist es unglaublich, dass sie bisher so einen Schutzengel hatte und nichts weiteres schlimmes passiert ist. Mein Vater will an der Situation nichts ändern und hält sich auch an keine mühsam gehaltenen Absprachen, wie zum Beispiel nicht mehr Autofahren lassen, häusliche Hilfe annehmen...... alles ertrinkt und erstickt im Chaos.
    Eigentlich hatte ich mich 20 Jahre auch rein räumlich sehr von meinen Eltern distanziert. Nur jetzt stehe ich als einziges Kind wieder vor diesen Gefühlen, die einen wahnsinnig machen.
    Was ich Dir sagen kann, es wird nicht besser durch die Jahre. Aber es ist toll, dass Du schon zu Al-non gehst, das hilft Dir eine neuen Sichtweise Dir zu erarbeiten, nämlich wie schon einige hier geschrieben haben: Nur Deine Vater ist für seine Gesundheit verantwortlich und Deine Mutter ist für ihr Leben verantwortlich. So hart es auch ist, Deine Mutter ist über 18 Jahre, bei Verstand und geschäftsfähig, somit ist sie es auch diejenige, die am Ende die schwierigen Entscheidungen für ihr Leben treffen muss. Wir als Kinder müssen das so hinnehmen, auch wenn das erst einmal wehtut und auch keinen Sinn macht, wenn man jemanden liebt und nicht in den Abgrund stürzen sehen will.
    Wir haben dagegen die Aufgabe für uns gut zu sorgen, auch wenn das ist, was uns am schwersten fällt. In der Alkoholikerfamilie geht es ja immer erst mal um den Trinker und vielleicht noch die Co-Abhängigen.
    Für sich sorgen heisst aber auch wirklich für sich sorgen. Damals als ich von zuhause weg gegangen war, bedeutete das für "sich sorgen" für mich erst einmal viel zu essen. Viel essen bedeutete für mich, dass ich mich emotional versorge. Später "versorgte" ich mich mit dramatischen Beziehungen, dann mit viel Arbeit. Erst jetzt seit ein paar Jahren bin ich innerlich ruhiger und verstehe besser, wie ich auf meine Grenzen achten kann. Nein-sagen, nichts tun, für seinen Körper wirklich sorgen (z.B. Yoga, Sport, gesundes essen). Mit 44 Jahren war ich zum ersten mal beim Zahnarzt. Als Kind und Jugendliche ging mit mir niemand zum Zahnarzt. Irgendwie hatte das niemand auf dem Schirm, weil sich ja so viel um den Alkohol drehte.

    Deswegen bei allem was Du tust versuche Dich selbst in der liebevollsten Art und Weise zu behandeln.
    Poepinna

    Hallo Nicole,
    ich schreibe Dir als Tochter einer nassen Alkoholikerin, die heute 75 Jahre ist und immer noch mit meinem Vater verheiratet ist. Unsere Familie hat sehr viele Stunden der tiefen Dunkelheit durch die Alkoholsucht meiner Mutter erlebt. Und die Dunkelheit und Verzweiflung wird mit zunehmendem Alter nicht besser, sondern noch düsterer.

    Aus der eigenen Erfahrung, allerdings aus der Perspektive einer Tochter, kannst Du bei Deinem Mann bleiben wenn Du folgende Fragen mit einem 'Ja' beantworten kannst:

    - Mein Mann gibt zu, dass er Alkoholiker ist und ein Problem mit dem Alkohol hat
    - Dein Mann kann sagen "Ich bin Alkoholiker"
    - Mein Mann sucht sich selbst aus eigenem Entschluss Hilfe (z.B. Entzug, AAs)
    - Du kümmerst Dich um Dich und nicht, darum wie Dein Mann zu trinken aufhört
    - Du hörst auf nach Lösungen zu suchen, die Deinen Mann vom Trinken abhalten könnten

    Sonst suche das Weite und kümmere um Dich!
    Pöpinna

    Hallo,
    ich bin Tochter einer alkoholkranken Mutter und eines Co-abhängigen Vaters. In den letzten Monaten beschäftigt mich aus gegebenen Anlass immer öfters, wie Angehörige eigentlich mit dieser ständigen Bedrohung umgehen können, dass der trinkende Angehörige sterben könnte. Ich bin heute 50 jähre und ich erinnere mich, dass mich selbst als Kind schon diese Angst in den Klammern hatte, dass meine Mutter entweder durch das Komatrinken stirbt, einen Autounfall verursacht oder sich in suizidaler Absicht selbst das Leben mit Alkohol etc. nimmt. Immer wieder war meine Mutter auch ganz verschwunden, und niemand wusste wo sie war. Schon als Kind rief ich mehrfach den Rettungswagen, da sie so schwer betrunken war, dass ich Angst hatte, dass sie nicht mehr aufwacht.

    Ich habe mich seit meinem Erwachsenenleben sehr von meinen Eltern distanziert, und wohne immer noch 1000km von ihnen entfernt. In den letzten Jahren häufen sich allerdings wieder die Krisensituationen in denen ich mich involviert und verantwortlich fühle. Mein Vater ist jetzt selbst immer wieder schwer krank und kann nicht mehr auf sie "aufpassen". Das heisst, es kam nun schon mehrfach vor, dass er im Krankenhaus lag und meine Mutter (heute 75 Jahre) sich den Alkoholexzessen hingab, allerdings mit Folgen. Einmal fiel sie die Treppe herunter und brach sich die Schulter, ein anderes mal riefen die Nachbarn den Rettungswagen, da sie sie bewusstlos aufgefunden hatten. Das letzte Drama war vielleicht das extremste, da sie mit dem Auto fortfuhr und für mehrere Tage verschwunden war. Sie wurde polizeilich als vermisst gesucht und wurde im Ausland in einem KH gefunden, da sie dort einen Autounfall betrunken verursachte.
    Wenn ich dann bei meinen Eltern wegen diesen Krisen bin merke ich, dass ich in die alte Muster verfalle, ich suche nach Flaschen, ich versuche die Situation zu kontrollieren, ich bin angespannt und habe Alpträume. Eigentlich als sei ich nie weggewesen. Meine Mutter lehnt mich ab und beschimpft mich, weil ich ja die Böse bin, die sie am Trinken hindern will und alle anderen Schuld sind. Mein Vater tut sich selbst leid und hasst sei Leben mit seiner Frau.
    Wieder zuhause habe ich Schuldgefühle, als sei ich verantwortlich, dass nichts Schlimmes passiert und versuche durch Kontakt mit meinem Vater herauszufinden wie die Lage ist.

    Ich kenne die Sätze von Al-Non, wie "ich kann es nicht kontrollieren, die trinkende Person ist alleine selbstverantwortlich....... man muss ich um sich selbst sorgen...", dennoch meine Frage ist, wie geht Ihr mit dem drohenden Tod eines trinkenden Angehörigen um?
    Ich merke, dass das "loslassen" sehr schwierig ist, wenn man das Gefühl hat, dass das ganze vielleicht nicht gut ausgeht. Dass man keinen Frieden schliessen konnte, dass die Hoffnung auf etwas was man nie hatte nicht erfüllt wurde.

    Vielen dank fürs lesen,
    Poepinna