Warum eigentlich mit dem Trinken aufhören?

  • Ich weiß nicht, wieviel in aller Regel traurige Geschichten ich gehört habe die vom Alkohol handelten. Von Menschen, die daran zerbrachen und ihr Leben versauten.
    Selten eigentlich lese oder höre ich, wie positiv sich ein Leben verändert hat, seit dem jemand keinen Alkohol mehr trinkt. Oder ist das Positive so selbstverständlich, dass man es gar nicht mehr erwähnen muß?

    Ich bin erst nach meiner Einsicht ein Alkoholiker zu sein, richtig erwachsen geworden. Ich habe mein Leben, das private wie das Berufliche, positiv und nachhaltig verbessert. Ich bin gesund und freu mich jeden Tag darüber nicht zu trinken!
    Ich kann meinen Kindern ins Gesicht sehen ohne mich zu schämen und/oder Lügen zu erfinden, warum es mir „so schlecht“ geht“.

    Ich finde, das ist alles toll!

  • Hallo Laurids!

    Ohne den Alkohol hätte ich mich umgebracht. Mir ging es so schlecht, das mir das "ich kann alles ausblenden" das Leben gerettet hat. Das ist ins Gegenteil gekippt. Ich muss lernen auch ohne Stoff auszuhalten - nicht immer einfach...

    LG
    Caroline

  • Guten Morgen Laudris,

    Zitat

    Selten eigentlich lese oder höre ich, wie positiv sich ein Leben verändert hat, seit dem jemand keinen Alkohol mehr trinkt.

    Ich empfinde das nicht so. Wenn ich mich mit trockenen Alkoholikern austausche, dann ist es i. d. R. eigentlich immer so, dass sie von ihrem neuen Leben schwärmen, es als Geschenk betrachten und nie mehr dort hin wollen wie sie einmal waren. Sehr selten habe ich von (langzeit) trockenen Alkoholikern gehört oder gelesen, dass es ihnen nicht gut geht und sie ihr abstinentes Leben in Frage stellen.

    Vielleicht hast Du diese Wahrnehmung, weil es doch eigentlich recht wenige von uns schaffen dauerhaft trocken zu bleiben. Und wenn man in Foren unterwegs ist, dann kommen dort natürlich (ist ja auch der Sinn) immer wieder neue Menschen an, die gerade ein akutes Problem haben. Diese berichten natürlich auch nichts Positives. Und viele dieser Menschen verschwinden dann auch einfach wieder, meist auch, weil sie es leider nicht schaffen trocken zu leben. So hat man danne eine "handvoll" trockener Alkoholiker, die versuchen mit ihren Erfahrungen den anderen, die etwas an ihrem Trinkverhalten ändern möchten, zu unterstützen. Und da geht es ja auch oft um sehr praktische oder auch pragmatische Dinge.

    Große Reden, wie toll es ist, dass z. B. ich jetzt schon viele Jahre ohne Alkohol lebe und wie positiv das für mich ist, sind nicht immer angebracht. Wenn jemand ganz unten ist, kann es nicht nur motivierend wirken, wenn man davon erzählt wie toll ein abstinentes Leben ist. Vor allem wenn derjenige aus seiner Sicht schon alles versucht hat und es nicht schafft.

    Ich erzähle trotzdem immer wieder wie sich mein Leben verändert hat, seit ich nicht mehr trinke. Und dass ich heute ein richtig glücklicher Mensch bin, was früher niemals der Fall war, zu keiner Zeit. Für manche, so denke ich, zeigt es dass das, was einem als fast unmöglich erscheint, eben doch möglich ist. Das andere es geschafft haben und das man es selbst deshalb auch schaffen kann.

    Ich finde es interessant, dass Du diese Wahrnehmnung so hast. Dabrüber habe ich mir bisher noch gar keine Gedanken gemacht.

    LG
    gerchla

  • Die positiven Seiten waren sehr wohl auch schon hier im Forum Thema: guckst Du "Die exzellenten Vorzüge der Abstinenz".

    Vielleicht sollte man diese/n Thread, die eben die positiven Seiten beleuchten/benennen, nach vorne holen und fixieren - eben damit Menschen, die entweder gerade überlegen, ob sich ein Ausstieg lohnt oder die gerade die Schwierigkeiten der ersten Zeit nach dem Ausstieg durchleben sich Motivation holen können ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • [quote='Caroline','https://alkoholforum.de/forum/index.ph…26671#post26671']
    Hallo Laurids!

    Ohne den Alkohol hätte ich mich umgebracht.

    Danke für Beitrag. Bei mir war und ist es genauso und ich bin sehr dankbar dafür, dass ich nicht mehr trinken muß. Für dich scheinen dann aber doch auch die positiven Aspekte der Trockenheit zu überwiegen?

  • Hallo, Gerchla,

    Zitat

    Ich empfinde das nicht so. Wenn ich mich mit trockenen Alkoholikern austausche, dann ist es i. d. R. eigentlich immer so, dass sie von ihrem neuen Leben schwärmen, es als Geschenk betrachten und nie mehr dort hin wollen wie sie einmal waren. Sehr selten habe ich von (langzeit) trockenen Alkoholikern gehört oder gelesen, dass es ihnen nicht gut geht und sie ihr abstinentes Leben in Frage stellen.

    Ich halte nichts davon sozusagen pädagogisch mich so zu verhalten, dass ich darauf achte, wie das was ich sage bei einem noch Trinkenden ankommt.
    Ansonsten denke ich, dass du mit deinen Vermutungen Recht hast was den Eindruck hervorruft, hier wie auch anderswo würde überwiegend geklagt und die positiven Aspekte des Nichttrinkens bleiben unbeachtet.
    Ich denke übrigens, dass es keien Rolle spielt wie lange man trocken ist. Ich habe vielmehr festgestellt, dass je länger die Trockenheit anhält, die Gefahr von Leichtsinn im Umgang mit dem Alkohol wächst und bei einigen auch die Selbstgerechtigkeit was die eigen Länge der Trockenheit im Verhältnis zu „Novizen“ betrifft.

  • Hallo Greefox

    Zitat

    Vielleicht sollte man diese/n Thread, die eben die positiven Seiten beleuchten/benennen, nach vorne holen und fixieren - eben damit Menschen, die entweder gerade überlegen, ob sich ein Ausstieg lohnt oder die gerade die Schwierigkeiten der ersten Zeit nach dem Ausstieg durchleben sich Motivation holen können ...

    [/quote]

    Warum nicht? Wenns hilft!

    L.

  • Liebe Caroline,


    Hallo Laurids!

    Ohne den Alkohol hätte ich mich umgebracht. Mir ging es so schlecht, das mir das "ich kann alles ausblenden" das Leben gerettet hat. Das ist ins Gegenteil gekippt. Ich muss lernen auch ohne Stoff auszuhalten - nicht immer einfach...

    LG
    Caroline

    Absolut! Auch in meinem Leben hatte Alkohol ein lange Zeit auch eine "Funktion". U. a. mich am Leben zu halten und Dinge aushalten zu können, die ich sonst nicht aushalten können hätte. (War lange Zeit ein Thema bei meiner Therapeutin.)
    Es wird wenige geben, die "freiwillig" oder "bewusst" süchtig werden wollen.
    Wenn sich dann die als helfend wahrgenommene Funktion des Alkohols irgendwann ins Gegenteil verkehrt und gegen die Trinkenden wendet, ist es leider für eine "Heilung" (im klassischen Sinn) zu spät. Ich konnte dann nur noch überleben, weil ich meine Sucht zum Stillstand bringen konnte.

    Ja, und das Leben, oft ohnehin schon mit Problemen behaftet und nicht einfach, ist ungefiltert ohne die Wirkung des Suchtmittels nicht einfacher, nur weil man es wegläßt.
    Anfangs, ich erinnere mich noch gut daran, dachte ich oft: Wie kann ich das nüchtern nur aushalten? Da werde ich irgendwann verrückt.

    Aber es geht nicht nur ohne. Es geht sogar um Welten besser ohne.
    Nur: Der Weg dahin war lang, ich brauchte viel Geduld mit mir selbst, musste so einige Alternativen ausprobieren, von denen halt individuell nicht alle auf mich zugeschnitten waren, und sehr viel üben, üben, üben.
    Aber es lohnt sich. Dieser Weg ist nachhaltiger.

  • Zitat

    Aber es geht nicht nur ohne. Es geht sogar um Welten besser ohne.
    Nur: Der Weg dahin war lang, ich brauchte viel Geduld mit mir selbst, musste so einige Alternativen ausprobieren, von denen halt individuell nicht alle auf mich zugeschnitten waren, und sehr viel üben, üben, üben.
    Aber es lohnt sich. Dieser Weg ist nachhaltiger.

    Ja, das sehe ich genauso. Schön, wenn man sich daran erinnert, dem Tod nochmal von der Schippe gesprungen zu sein!

    L.

  • Hi Leute ... es ist zwar schon ne Weile her das dieser Beitrag eingestellt wurde , aber für mich ist er sehr hilfreich und interessant .Da noch nicht so lange in diesem Forum ist es eine große Hilfe stöbern zu können und die vielen Meinungen und Erkenntnisse aufzunehmen . Dabei erscheint mir dieses Thema als besonders hilfreich , weiterhin ein abstinentes Leben anzustreben .... ja genau - wozu sollte es für mich gut sein keinen Alk mehr zu konsumieren - ... in erster Linie um weiterleben zu können ... aber ohne das Zeug scheint das oftmals unmöglich . Vor allem dann , wenn die Erfahrung ( noch ) fehlt wie schön das Leben " ohne " sein kann . Da mein letzter Rückfall noch nicht so lange her ist ( 6 Wochen ) muß ich mir derzeit immer wieder ins Gedächtnis rufen wie cool das doch war . Da möchte ich wieder hin ... aber ganz ehrlich ... leicht ist es im Moment nicht ... da bin ich doch ganz froh hier solche Themen zu finden - auch wenn die schon etwas älter sind . In diesem Sinne Keltic

  • Hallo, Kelticwiking,

    nun, das Leben kurz nach einem Rückfall stelle ich mir sehr schwer vor. Aber schwerer noch ein Weiterleben unter Alkohol. Pragmatisch gesehen gibt’s wie auch anderswo hier auch mindestens zwei Möglichkeiten denke ich:
    Weitertrinken aus immer welchen Gründen mit der Perspektive zu leiden andere Menschen, womöglich die, die man liebt, zu verprellen, zu schädigen und verzweifeln zu lassen oder den Weg der Trockenheit wählen, der anfangs sehr beschwerlich sein kann.
    Für die Folgen der ersten Alternative kann man in den Foren immer wieder neue Beweise finden. Die zweite war und ist für mich erstrebenswert und hat sich vielfach ausgezahlt und ich denke, darüber sollte viel mehr gesprochen werden- nicht nur hier-

    Gruß

    Laurids

  • Hallo Keltic,

    ich lebe ja jetzt schon mehrere Jahre ohne Alkohol. Einen "richtigen" Rückfall, so wie Du ihn von Dir beschreibst, hatte ich noch nicht. Bevor ich trocken wurde, habe ich immer "nur" Trinkpausen beendet. Da war auch eine dabei, die mehrere Monate angedauert hatte und die eigentlich ein "open End" hätte haben sollen. Vielleicht war das Beenden dieser einen, wirklich sehr langen Trinkpause sowas Ähnliches wie ein Rückfall. Nur leider habe ich es damals versäumt, mir tiefere Gedanken darüber zu machen. Ich erinnere mich noch sehr genau.

    Wir waren in eine neue Wohnung mit Garten gezogen. Ich trank schon monatelang gar nichts mehr, weil ich Nachwuchs bekommen hatte und schon ein Bewusstsein entwickelt hatte, dass mein Konsum zu hoch ist (auch wenn er im Vergleich zu später fast minimalistisch war). Dann war da dieser Nachbar im Garten, lauer Sommerabend, der mich ansprach und auf ein Biermischgetränk einlud. Wo mein Hirn war weiß ich nicht, aber ich trank dieses eine Getränk. Das war's....

    Was dann aber bei mir nicht passierte, war das Hinterfragen was da jetzt eigentlich abgegangen ist. Wie das passieren konnte und warum. Dieses Hinterfragen konnte bei mir nicht stattfinden, weil ich ja nicht wirklich zum Trinken aufgehört hatte bzw. aufhören wollte. Ich wollte ja ursprünglich bewusst "nur" eine Pause machen, eine lange Pause, das war klar, aber halt nur eine Pause. Und tatsächlich auch mit open End. Hätte auch gerne ein paar Jahre andauern können. Ich hatte aber nicht den Anspruch oder besser die Erkenntnis, dass ich "richtiger" Alkoholiker bin und nie mehr trinken möchte.

    Und das ist jetzt hoffentlich der Unterschied zu Dir! Du weißt genau wo Du stehst, Du weißt das Du Alkoholiker bist und dass Du nie mehr trinken willst. Ok, das fällt Dir nicht leicht, es ist sogar sehr schwer im Moment. Du hattest einen Rückfall, das ist übel aber genau der sollte Dir jetzt helfen Dich weiter zu entwicklen. Wieso, weshalb, warum hast Du wieder getrunken - das sind doch die Fragen die Du Dir ehrlich beantworten musst. Und dann die Frage: was kann ich tun, damit mir das nicht nochmal passiert.

    Ziehe Deine Motivation auch daraus, dass Dir hier gerade jemand schreibt, der selbst ewgig lange auf sehr hohem Niveau konsumiert hat und es trotzdem geschafft hat, sein Leben ohne Alkohol so zu "entwickeln", dass der Alkohol oder das Verlangen danach überhaupt keine Rolle mehr spielt. Das was Dich jetzt noch so quält ist für mich nicht mehr vorhanden. Warum sollst Du Dich nicht auch so entwickeln? Du findest hier ja auch noch andere aktive Nutzer, die das ebenfalls geschafft haben, die Teilweise genau wie Du, erstmal einen Rückfall oder gar mehrere Rückfälle erleben mussten bevor sie dort angekommen sind.

    Dann kannst Du es genauso schaffen. Ich drück' Dir ganz fest die Daumen!

    LG
    gerchla

  • Hi Gerchla .... dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen ... vielen Dank für deine ausführlichen Gedanken dazu . Das macht Mut und gibt mir Kraft . Überhaupt fühle ich mich in diesem Forum sehr wohl und gut aufgehoben . Danke an alle . Keltic

  • Hallo Laurids, meine Kindheit war beschissen, ohne dem Alkohol wäre ich nicht mehr am Leben.
    Mit 13 habe ich angefangen regelmäßig zu trinken, dass hat mir mein Leben erträglicher gemacht.
    Aber es kamen aber gute Zeiten auf mich zu, da wäre der Punkt gewesen aufzuhören.
    Mit der Zeit hat mich der Alkohol verändert, mochte mich selbst nicht. Immer hatte ich Arbeit,
    als Maurer gab es für mich am Wochenende immer wieder Schwarzarbeit, habe gutes Geld verdient.
    Mein Leben hat funktioniert, warum aussteigen?
    Vor elf Jahren dann endlich der Ausstieg, es war aller höchste Zeit.
    Ich bin 11 Jahre trocken und es ist immer noch eine gute Zeit. Auto fahren ohne vor der Polizei
    Angst zu haben. Bei einem Gespräch dem Gegenüber in die Augen schauen, habe keine Fahne mehr.
    Ich nehme meine Umwelt wieder war, sehe wie schön die Natur ist. Durch meine Arbeit beim Blauen Kreuz und der Caritas,
    habe ich gute Menschen kennen gelernt, mit denen man gute Gespräche führen kann.
    Mein Freundeskreis hat sich mehr als halbiert, jetzt weiß ich wer ein guter Freund ist, außerdem habe ich neue Freunde gefunden.
    Könnte noch mehr auflisten, um wie viel mein trockenes Leben besser geworden ist.

    Grüße woko

    Das Leben leben ohne Alkohol und Medikamente!

  • Hallo, woko,
    danke für den Beitrag. Was du geschrieben hast ist wohl ganz beispielhaft für viele Alkoholiker die nun trocken sind und auf ihre Karriere als Trinker zurückblicken können. Ich wundere mich immer nur, dass es so vielen zu gelingen scheint, genau das was du beschrieben hast an Positiven, zu vergessen.
    Bei mir war das alles ganz ähnlich und seither wird es eigentlich immer besser, weil ich so oft bemerke, wie gut es mir ohne den Alkohol geht.

    Alles Gute für dich!

    Laurids

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