Guten Abend zusammen,
ich suche Rat zum Thema Alkoholsucht und glaube, dass ich in diesem Internetforum an der richtigen Adresse bin.
Folgende Ausgangslage: Ich bin 34 Jahre alt, ebenso meine Frau. Wir haben zwei Kinder im Alter von drei und fünf Jahren und bewohnen ein Eigenheim. Ich bin in Vollzeit berufstätig, meine Frau geht nicht arbeiten. Sie kümmert sich überwiegend um den Haushalt und die Kinder und absolviert dabei ein durchaus großes Arbeitspensum. Von Seiten unserer Eltern werden wir - was die Kinder anbelangt - leider nur sporadisch unterstützt.
Den Entschluss, mich in einem Suchtforum anzumelden, habe ich eben ganz spontan gefasst. Kurz davor hatte ich zwei Internetseiten aufgesucht, die sich mit der Alkoholproblematik beschäftigen und vor allem die verschiedenen Trinkstufen und dazugehörige Symptome beschreiben. Beim Lesen habe ich nach und nach ein mulmiges Gefühl in der Magengegend bekommen. Dabei geht es nicht um meine Trinkgewohnheiten, sondern um die meiner Frau.
Bevor wir uns kennengelernt haben, steckte meine Frau über mehrere Jahre in einer schwierigen Beziehung. Ihr damaliger Partner hat sie unter anderem geschlagen. Sie ist trotzdem bei ihm geblieben, bis er sich irgendwann unversehens von ihr getrennt hat. Diese Trennung hat bei ihr zu einem - eher halbherzigen und untauglichen - Suizidversuch mit Alkohol und Schlaftabletten geführt. Sie hat mir von diesem Ereignis relativ früh in unserer Beziehung erzählt, was ich als großen Vertrauensbeweis gewertet habe. Damals erzählte sie mir auch, dass sie in der Trennungszeit häufig getrunken habe, teilweise sogar morgens vor der Arbeit, so dass sie sich anschließend alkoholisiert ans Steuer setzte. Den Suizidversuch hat sie mit einem Therapeuten aufgearbeitet.
In der ersten Zeit unserer Beziehung haben wir gelegentlich abends zusammen vor dem Fernseher getrunken, dann meistens eine oder zwei Flaschen Sekt gemeinsam. Ich habe dem damals überhaupt keine Bedeutung beigemessen. Es war halt "geselliges Trinken" in ungezwungener Atmosphäre und auch nie exzessiv. Während ihrer ersten Schwangerschaft hat sie dann keinen Tropfen angerührt und sich sogar das Rauchen komplett abgewöhnt. Diese Nikotinabstinenz hält sie bis heute durch. Zwischen den beiden Schwangerschaften handhabten wir es wie vorher: Wir tranken öfters abends vor dem Fernseher, nie in rauen Mengen, aber wohl doch insgesamt mehr, als es in einen gesunden Ernährungsplan passt. Und ich weiß nicht, ob es in diesem Zusammenhang wichtig ist: Bei mir haben diese verhältnismäßig geringen Mengen nie ein nennenswertes Rauschgefühl erzeugt, da ich von Natur aus recht viel Alkohol vertrage; sie aber war immer zumindest angeschickert, also wenigstens so betrunken, dass sie leicht verwaschen gesprochen hat.
Es folgte die zweite Schwangerschaft, in der sie ebenfalls keinerlei Alkohol getrunken hat. Dann haben wir das Haus gekauft, in dem wir nun wohnen. Seither hat sie ein Konsummuster entwickelt, das mir immer mehr gegen den Strich geht, auch wenn ich gar nicht behaupten könnte, dass sie exzessiv Alkohol trinkt:
Meine Frau tätigt für gewöhnlich die Einkäufe bei uns. Fast immer hat sie auch zwei Flaschen Wein im Einkaufskorb (in der ersten Zeit war es manchmal nur eine Flasche, mittlerweile sind es stets zwei). Diese Einkäufe finden etwa zweimal pro Woche statt. Die beiden Flaschen Wein trinkt sie meistens am selben Abend leer, wenngleich sie hin und wieder einen Rest wegschüttet. Dazu kommen noch im Schnitt zwei bis drei kleinere Einkäufe pro Woche - meistens Besorgungen, die außer der Reihe anfallen -, im Rahmen derer sie allermeistens auch Wein mitbringt (zwei Flaschen). Unterm Strich bleiben also je Woche drei bis fünf Abende mit Alkoholkonsum. Ich trinke inzwischen fast gar keinen Alkohol mehr, teils weil ich keine Lust habe, teils aber auch als eine Art "Protesthaltung" gegen den Konsum meiner Frau. Fakt ist aber, dass sich die Altglaskiste bei uns relativ schnell füllt, und zwar zu 90 Prozent mit Weinflaschen. Mittlerweile achte ich schon darauf, dass ich keinem Nachbarn begegne, wenn ich die Kiste ins Auto bringe, um die Flaschen anschließend ordnungsgemäß zu entsorgen. Mir ist es einfach unangenehm.
Ich habe meine Frau schon unzählige Male mit der Nase auf das Thema gestoßen. Und ich habe ihr vor allem verdeutlicht, dass mich der Umfang ihres Alkoholkonsums erheblich stört. Außerdem habe ich ihr gesagt, dass ich glaube, sie hat ein Alkoholproblem, wenn es auch im Vergleich zu dem eines "klassischen" Schweralkoholikers gering sein mag. Den letzten Punkt ("Alkoholproblem") weist sie weit von sich ("Ich bin doch wohl kein Alkoholiker!"; "Findest du nicht, du übertreibst ein bisschen?"). Sie führt dann meistens die beiden Schwangerschaften an, in denen sie längere Zeit problemlos abstinent gewesen sei. Außerdem bekomme ich zu hören, dass sie ja - beispielsweise - gestern und vorgestern überhaupt nichts getrunken habe ("Macht das etwa einer, der süchtig ist?"). Überdies erwähnt sie, dass sie das schwere Tagespensum mit Kindern und Haushalt inklusive des frühen Aufstehens immer meistert ("Das würde ich doch gar nicht hinkriegen, wenn ich wirklich Alkoholikerin wäre!").
Meine Frau leistet wirklich eine Menge im Alltag - jeder, der kleine Kinder hat, wird das nachvollziehen können. Und genau darauf schiebt sie ihren Alkoholkonsum. Sie sagt, sie sei eben abends so ausgebrannt, dass sie sich mit ihrem Wein Entspannung verschaffe. Manchmal trinke sie auch, um überhaupt ihr Arbeitspensum bewältigen zu können. Dabei ist ihr schon bewusst, dass diese Form der Entspannung problematisch ist. Sie hat sich auch das eine oder andere Mal erschrocken über den Inhalt der Altglaskiste gezeigt und von sich aus gesagt, sie werde jetzt erst mal nichts mehr trinken. Das hat sie dann auch einige Tage unaufgefordert durchgehalten, bevor der Einkaufsritus mit den zwei Flaschen wieder von allein einsetzte. Eine gewisse Einsicht ist also durchaus vorhanden, aber meine Frau betrachtet das Ganze - erstens - nicht als richtiges Suchtproblem und zieht - zweitens - keine praktischen Konsequenzen. Mittlerweile habe ich das Gefühl, dass ich dagegen argumentativ nicht mehr ankomme. Es stört mich inzwischen so sehr, dass ich sie jedes Mal damit konfrontiere, wenn sie Alkohol trinkt. Meistens entstehen dann innerhalb von Minuten heftige Wortgefechte, die in gegenseitigem Anschreien gipfeln. An Tagen, wo sie nichts trinkt, verbringen wir dagegen abends oft richtig harmonische Stunden zusammen.
Letzte Woche habe ich mich nachmittags für eine Stunde hingelegt, weil es mir nicht gut ging. Sekunden, nachdem ich die Schlafzimmertür geschlossen hatte, hörte ich, wie in der angrenzenden Küche ein Flaschendrehverschluss geöffnet wurde. Dann ertönte das charakteristische und wirklich unverwechselbare Plätschern von Wein in ein Glas (jeder kennt dieses Geräusch!). Als ich sie am Abend darauf ansprach, bestritt sie vehement, überhaupt Wein getrunken zu haben. Sie sagte, sie habe sich nur Mineralwasser eingeschüttet (was sich eindeutig ganz anders anhört). Obwohl ich ihr klargemacht habe, dass ich mir hundertprozentig sicher bin und eine so dreiste und offensichtliche Lüge als Beleidigung empfinde, blieb sie unbeirrt bei ihrer Version. Ich habe letztlich nachgegeben, weil der Streit völlig zu eskalieren drohte.
Es gab noch mehr fragwürdige Begebenheiten (beispielsweise finde ich immer öfter eine Flasche Wein in einer Einkaufstüte neben dem Kühlschrank, obwohl der Rest der Einkäufe in den Kühlschrank geräumt worden ist, wo normalerweise auch der Wein aufbewahrt wird; das letzte Blutbild bei meiner Frau hat leicht erhöhte Leberwerte ausgewiesen, und obwohl sie sonst auf jedes kleinste Krankheitsanzeichen panisch reagiert [sie ist wahrscheinlich Hypochonder], hat sie das nicht zum Ändern ihrer Trinkgewohnheiten bewogen; und Weiteres). Ich will den Text aber nicht noch länger machen, als er ohnehin schon geworden ist.
Mir stellt sich die Frage: Habe ich da einen ungesunden Kontrollzwang entwickelt? Hänge ich das Thema zu hoch? Dass meine Frau mehr trinkt als normal, steht außer Zweifel. Aber ist das schon eine problematische Form der Alkoholsucht? Schließlich hat sie tatsächlich immer wieder zwei, drei Tage dazwischen, an denen sie nichts trinkt. Und die Tagesabläufe bekommt sie auch gut geregelt. Übertreibe ich? Oder ist mein Gefühl, dass irgend etwas im Argen liegt, doch berechtigt? Mich würde alles interessieren, was euch dazu einfällt: Gedanken, Anregungen, Erfahrungen, Ähnlichkeiten zu selbst erlebten Fällen usw. Dafür - und für das geduldige Lesen - schon einmal vielen Dank!
Speedy