Mein Chef ist alkoholkrank und die Personalabteilung will auf ihn zugehen

  • Hallo liebes Forum,

    ich bin neu hier und ein Problem bei dem mir erfahrene Leute vielleicht helfen können.
    Mein Chef ist wohl schon seit Jahren alkoholkrank. Immer wieder gibt es Anhaltspunkte dafür. Vor kurzem habe ich mich hilfesuchend an die Personalabteilung gewandt. Die Personalerin will ihrer Fürsorgepflicht nachkommen und es soll ein Gespräch mit ihm geben. In dem Gespräch sollen meine Aussagen und Belege zum Anlass genommen werden und ich soll auch namentlich genannt werden. Das Gespräch soll die Personalchefin mit ihm führen. Warum? Weil die Personalerin noch weiterhin beruflichen Kontakt zu ihm pflegen muss.

    Da wären wir bei der Krux: Ich muss ja auch weiterhin mit ihm arbeiten. Aber mein Name soll genannt werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mir danach noch vertrauen wird.

    Was meint ihr? Was sind die Alternativen damit er Hilfe bekommt, aber ich nicht instrumentalisiert werde?

  • Hallo und HERZLICH WILLKOMMEN hier im Forum!

    Ich selbst bin Betroffener und seit einigen Jahren trocken.

    Schwieriges Thema, von dem ich - ehrlich gesagt - keine Ahnung habe. Kannst Du nicht mal mit der Personalerin und/oder jemandem vom Personalrat/der Gewerkschaft über dieses Thema sprechen - bevor der Chef "eingenordet" wird? Vielleicht kannst Du Dir ja dort mal Rat und Rückendeckung holen?

    An sich ist es ja schon mal positiv, dass die Personalabteilung dieses Gespräch mit ihm führen will. Habe leider schon des Öfteren gehört, dass soetwas bei Vorgesetzten unter den Tisch gekehrt wird. Aber nicht bei "einfachen" Angestellten.

    nixweiss0

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Pauli,

    das ist ne heikle Angelegenheit. Wir hatten das bei uns auch mal. Damals war ich einer derjenigen der mit dem Suchtberater in unserer Firma über einen Kollegen sprechen musste. Es ging also nicht um mich obwohl ich selbst Alkoholiker bin/war :o sondern um einen Kollegen der durch einige Eskapaden aufgefallen war. Bei einigen davon war ich dabei und wurde deshalb befragt...

    Unser Chef sprach dann, gebrieft von der Suchtberatung, mit diesem Kollegen (ohne mein Beisein). Er machte ihm strikte Auflagen usw.

    Mein Name wurde damals nicht genannt. Da gibt es ja schon auch noch sowas wie Datenschutz. Ich denke nicht, dass man Deinen Namen gegen Deinen Willen nennen darf. Aber auf der anderen Seite kann sich Dein Chef wahrscheinlich auch ohne Nennung Deines Namens denken woher die Informationen kommen.... Vermute ich jetzt mal. Also bei mir war das jedenfalls so.

    Ich sag mal so: Wenn er aufgrund dieser Geschichte tatsächlich einsichtig wird und etwas gegen seine Sucht unternimmt wird er Dir sicher dankbar sein, später, wenn er trocken ist. Aber Deine Bedenken, dass es eben ganz anders läuft sind natürlich schon berechtigt.

    Ich kann Dir leider nicht mehr dazu sagen, außer das Du darauf bestehen solltest das Dein Name nicht genannt wird, wenn Du das nicht möchtest.

    Alles Gute und

    LG
    gerchla

  • Kannst Du nicht mal mit der Personalerin und/oder jemandem vom Personalrat/der Gewerkschaft über dieses Thema sprechen - bevor der Chef "eingenordet" wird? Vielleicht kannst Du Dir ja dort mal Rat und Rückendeckung holen?


    Danke für die Antwort. Ich habe ja das Gespräch mit der Personalerin erstmal im Vertrauen geführt. Wir sind jetzt so verblieben, dass sie nichts ohne mein Einverständnis unternehmen. Sie hat mir aber klar gemacht, dass sie keine Handhabe haben mit ihm zu sprechen wenn sie nicht konkret von mir berichten können.

    Ich denke, dass es auch ohne die Nennung meines Namens funktionieren muss.

  • Mein Name wurde damals nicht genannt. Da gibt es ja schon auch noch sowas wie Datenschutz. Ich denke nicht, dass man Deinen Namen gegen Deinen Willen nennen darf. Aber auf der anderen Seite kann sich Dein Chef wahrscheinlich auch ohne Nennung Deines Namens denken woher die Informationen kommen.... Vermute ich jetzt mal. Also bei mir war das jedenfalls so.

    So habe ich mir das gewünscht oder gedacht. Sie meinten nur, dass sie meinen Namen schon nennen müssen, weil es sonst reines Hören/Sagen sei. Aber ich werde denen nochmal sagen, dass sie es einfach versuchen sollen ohne meinen Namen. Vielleicht ist er ja auch ohne harte Beweise einsichtig.

    Schließlich haben seine Eskapaden ja auch schon viele Leute mitbekommen. Es bringen nur viele nicht in Verbindung mit Alkohol. Ich weiß leider, dass es anders ist.

  • Hallo Pauli,

    da ich im Betriebsrat tätig war, zuerst mal ein paar Fragen:

    Wie groß ist denn die Firma, bzw. wieviel Mitarbeiter hat sie?
    Ist es eine Firma in der Privatwirtschaft, oder ist es z. B. eine Behörde oder der Öffentliche Dienst?
    Habt Ihr in der Firma - weil Ihr ja offenbar einen Personalrat habt - eine innerbetriebliche Vereinbarung zur Sucht am Arbeitsplatz?
    Ist es nur "Dein" Chef in Form von Abteilungsleiter, oder ist es "der Chef" der Firma überhaupt?
    Inwiefern trifft es Dich, wenn Dein Chef betrunken ist?
    Du schreibst, dass viele sein Verhalten nicht mit Alkohol in Verbindung bringen. Wie äußert es sich denn?

    Ich stelle diese Fragen deswegen, weil es ganz unterschiedliche Vorgehensweisen in solchen Fällen geben kann, die sich je nach der tatsächlichen Situation richten.

    Generell gilt: Wenn ein Betriebsangehöriger vertraulich mit dem Betriebsrat redet, hat dieser das Gesagte auch unter Verschluss zu halten, also darf keinen Namen nennen.
    Schon im Sinne des sozialen Friedens im Betrieb, muss der Betriebsrat verhindern, dass er quasi mit Namensnennungen Feuer ins Öl gießt.

    Ganz persönlich schreibe ich Dir dazu, dass die Situation in Deinem Fall sehr schwierig ist.
    Alkoholiker, ganz egal in welcher Position sie sich befinden, leugnen zunächst einmal generell. (Es gibt seltene Ausnahmen.)
    Bei Vorgesetzten wird es noch viel schwieriger, sie zum Handeln zu bewegen, weil ja auch in der Regel mehr an ihrem Ansehen in der Firma hängt.
    Wenn 1! Vorgesetzter, also der direkte Chef des ganzen Ladens, da ist, der ein Alkoholproblem hat, sind die Möglichkeiten extrem eingeschränkt.
    Mir ist ein Fall bekannt, wo man sich dann an die Ehefrau gewandt hat, und diese mit deutlich mehr Druck interveniert hat.

  • Hallo Dietmar,
    vielen Dank für Deine Antwort und die vielen Fragen:

    Ich arbeite in einem Konzern in der Privatwirtschaft. Mein Chef hat noch einen weiteren Chef und darüber kommt dann der Vorstand.
    Von einer innerbetrieblichen Vereinbarung zur Sucht am Arbeitsplatz weiß ich nichts. Das mag es in Teilen des Konzerns, v.a. in den produzierenden Bereichen geben, bei uns in der Verwaltung gibt es das vielleicht gar nicht.
    Wie es mich trifft? - Er hat enorme Stimmungsschwankungen, aggressives Verhalten (verbal), er erscheint nicht zur Arbeit und lässt einen in wichtigen Meetings hängen, er ruft manchmal spät abends an und klagt mir sein Leid, einmal weinte er sogar am Telefon. Er ist unkonzentriert und will oft keine Entscheidungen treffen.

    Wie gesagt: Die Personalabteilung gibt meinen Namen nicht ohne meine Einverständnis heraus. Aber sie meinen, dass sie dann nichts tun können. Mich würde interessieren wie man der Sache nachgehen kann ohne dass mein Name da reingezogen wird. Ich möchte ja gerne helfen und ich stehe auch dazu, aber ich denke, dass er mir das sehr übel nehmen würde und eine weitere Zusammenarbeit danach nicht mehr auf Vertrauen basieren würde.

  • Hallo Pauli,

    ich kenne keinen einzigen Konzern in Deutschland, der keine Betriebsvereinbarung zur Sucht hat.

      [li]Ansprechpartner wäre da, vor allem aufgrund des sehr seltsamen Verhaltens (eventuell Unwissenheit?) der Betriebsrätin, die Gewerkschaft, die auch Fachleute hat, die zur Sucht am Arbeitsplatz ausgebildet sind.
      [/li]
      [li]Eine Betriebsvereinbarung gilt immer für alle, also auch in der Verwaltung.[/li]


    Hier im Forum, bezugnehmend auf Deine Fragenstellung, geht es vorrangig um Dich.
    Ich muss sagen, ich bin schon sehr erstaunt, wie die Betriebsrätin auf Dein Anliegen reagiert hat. Ihr oberstes Augenmerk sollte auch darauf liegen, dass Du nicht als Denunziant dastehst und geschützt bist.
    Ich kann mir gut vorstellen, dass der ansonsten übliche Weg, nämlich der über den nächsten Vorgesetzten Deines Chefs, nicht unbedingt ein zielführender ist. Wer weiß schon, wie der Verhaltenskodex in diesen Positionen bei Euch sind.
    Es ist schon sehr bedenklich, wenn die Abwesenheiten und Unzulänglichkeiten, auch die verbale Unkorrektheiten von seinen Vorgesetzten nicht wahrgenommen werden.

    Ich sehe aber auf freundschaftlicher Basis für Dich eine Lösung.
    Da Dir Dein Chef privat auch noch spät abends anruft, hast Du eventuell auf diesem Weg einen emotionalen Zugang zu ihm?
    So wie Du es beschreibst, ist er ja irgendwie schon am Ende, wenn er sogar am Telefon weint und jammert.
    In den Fällen, in denen ich betrieblich beteiligt war, wurde vom Betriebsrat das Gespräch mit dem Vorgesetzten des (Deines) Abteilungsleiters gesucht. Daraufhin wiederum sprach die höhere Führungsebene mit ihm (Deinem Chef). Oft kam dann schon alles zutage und man konnte weitere Maßnahmen ergreifen.
    In keinem der mir bekannten Fälle wurden Namen von Mitarbeitern genannt, die von den Vorfällen Kenntnis hatten.

    Also noch mal mein Rat: Wende Dich mal an die Gewerkschaft!

    PS: Du kannst mal im Netz nach „Betriebsvereinbarung Sucht“ suchen. Da findest Du jede Menge Tipps und Hinweise.

  • Hallo Dietmar,
    vielen Dank. Das hat mir sehr geholfen. Ich informiere mich über das Wochenende nochmal und werde mal jemanden im Konzern suchen, der explizit Erfahrungen mit Suchtfällen hat. Die Personalerin hat mir schon gesagt, dass diese Fälle in ihrem Zuständigkeitsbereich sehr selten sind.

  • Freut mich, wenn wir Dir helfen konnten!
    Alles Gute, und wenn Du weitere Fragen hast: immer gerne!

  • Guten Morgen Pauli,

    ich kenne mich mit Betriebsvereinbarungen, Betriebsräten usw. nicht sonderlich gut aus, das muss ich mal offen zugegeben. Ich glaube Du hast jetzt von Dietmar schon ziemlich viele gute Informationen bekommen.

    Dazu

    Zitat

    Sie meinten nur, dass sie meinen Namen schon nennen müssen, weil es sonst reines Hören/Sagen sei.


    möchte ich aber noch mal was ganz pragmatisches anfügen:

    Mit Datenschutz kenne ich mich jetzt dann doch etwas besser aus. Wenn Du nicht möchtest das Dein Name genannt wird, dann darf er nicht genannt werden. Die Konsequenz daraus könnte allerdings sein, dass dadurch das grundsätzliche Problem, also die vermeintliche Sucht Deines Chefs, überhaupt nicht thematisiert wird.

    Insofern hoffe ich mal, das der Weg die Dietmar Dir aufgezeigt hat, zu einer vernünftigen Lösung führen. Denn für Deinen Chef könnte so ein "Schuss vor dem Bug" seitens des Arbeitgebers tatsächlich eine Wende einleiten und er könnte dadurch wach gerüttelt werden um etwas gegen Seine Sucht zu unternehmen. Es wäre ihm zu wünschen.

    LG
    gerchla

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