Gibt es einen "Reset-Knopf"?

  • Habe gerade in einem alten Thread "Konstruktiver Streit bzgl. Suchtgedächtnis und Abstinenzentscheidung" geschmökert (Vollmitglieder können hier noch mal reinschauen, da er im internen Bereich stattfand).
    Und in „Gesprächen“ mit Freeway tauchte auch das Thema „Rest-Knopf“ auf.

    Leider ist der User „katro“ nicht mehr hier im Forum. Und auch wenn ich beim Lesen seiner Beiträge des Öfteren mit Pinguin übereinstimmte

    >:D katro............. Du machst mich (manchmal) waaaaaaaaaaaaaaahnsinnig!!!
    Grrrr......

    so haben diese mich doch immer zum Nachdenken über meine eigene Position, meine Meinung zu diesem Thema "angestiftet".

    katro vertrat folgende Meinung:

    Um jetzt auf diesen "Reset-Knopf", den es ja nach katro's Meinung geben könnte/soll, zurückzukommen:

    Ich - und auch viele in meiner SHG - sind der Meinung, dass es diesen nicht gibt.
    Entweder ist man nicht abhängig/süchtig - dann kann man vielleicht auch wieder zu einem "normalen" (was auch immer das heisst) Umgang mit dem Alkohol zurückfinden.
    Oder man ist abhängig/süchtig - dann hilft meiner/unserer Erfahrung/Meinung im Endeffekt nur die Abstinenz. Denn "Sucht" bedeutet doch "Kontrollverlust" - ich kann meinen Umgang mit dem Alkohol (oder irgendeinem anderen Suchtmittel) nicht auf Dauer kontrollieren.

    Ich habe diesen "Reset-Knopf" auch bei mir gesucht. Mein "normaler" Umgang mit dem Alk ging ungefähr 2 Monate gut. Aber dann ... ;(
    Und DIESE Erfahrung haben auch alle die in meiner SHG gemacht, die der Meinung waren, es gäbe diesen Knopf, die dachten "Ach, jetzt bin ich schon so und so lange trocken, jetzt kann ja nix mehr passieren."

    Okay, ich bin nunmal zugegebener Maßen ein Verfechter der Abstinenz ::)

    Also ich kann das nicht. Sobald ich ein Glas Bier trinke, dann steigt eine riesengroße Gier in mir auf. Die größte und schlimmste Begierde, dich ich überhaupt in meinem Leben kenne. Um jeden Preis muss ich dann ganz, ganz, ganz viel trinken... Darum habe ich auch nie Sehnsucht nach EINEM EINZIGEN Glas. Unter drei Bier fange ich gar nicht erst an. Also lieber gar nichts trinken oder ganz, ganz viel. Und das wird auch immer so bleiben. Habe schließlich viele, viele Jahre erfolglos den Mittelweg probiert.

    Aber wie denkt IHR darüber?

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Danke Greenfox, dass Du das Thema ansprichst.

    Wie schon Borowiak diesen Punkt in seinem Buch anschaulich erklärt hat, so habe ich eben genau diese Erfahrungen machen müssen.
    Es ist, ohne auf Katros damaligen Beitrag näher eingehen zu wollen, eine Sache, die Alkoholsucht ausschliesslich von der psychischen Seite aus zu betrachten.
    Die andere Seite ,nämlich die physische/biochemische, spielt hier aber die entscheidende Rolle.
    Der Mensch kann seine Biochemie nicht willentlich beeinflussen.

    Das heisst hier ganz konkret (und eben auch wissenschaftlich belegt):

    Hat sich der Mensch durch das Saufen eine Toleranz angesoffen,
    so verschwindet diese niemals mehr, ein Leben lang nicht.
    (Es gibt den sogenannten Toleranzbruch, der Alkoholiker verträgt plötzlich fast gar nichts mehr.Ist dann der Fall,wenn die Leber im Arxxx ist, also kaputt gesoffen.Spielt in diesem Kontext aber keine Rolle.)

    So, und weil diese Toleranz eben nicht mehr reversibel ist (Stichwort MEOS-Enzyme, bitte bei Bedarf googeln)
    , also lebenslang besteht, kann der Alki, egal wie lange er nicht getrunken hat, schlagartig die gleiche
    Menge vertragen, wie er sie zu Trinkzeiten hatte.
    Völlig egal, ob nun 2 Wochen/Monate/Jahre oder Jahrzehnte dazwischen lagen.

    Es ist also ein Irrtum zu glauben, man könne, nach welcher Zeit auch immer, sich mit den Mengen berauschen, die man konsumiert hatte, bevor sich eben diese Toleranz entwickelte.

    Auch hier im Forum schrieb jemand einmal, dass er jetzt nach ca. 1 Jahr Trockenheit wohl schon betrunken wäre, würde er nur 2 oder 3 Bier trinken.
    Das ist leider ein Irrtum.
    Und eben, gerade diese Toleranz ist es, die bei einem Rausch/Wirkungstrinker ihren Tribut fordern wird.
    Um überhaupt wieder in die Wohlfühlphase zu kommen, MÜSSEN eben, wie vom Körper gefordert, die Mengen rein wie vor der Abstinenz.
    Wem also nach einem Glas Wein/Bier/Sekt dann die Zufuhr abgeschnitten wird, und sei es aus eigenem Antrieb, dem vergeht recht schnell die Laune.
    Weil eben die Befriedigung ausbleibt.

    Ich konnte nach 1,5 Jahren Trinkpause ohne Anlaufschwierigkeiten 10 Halbe innerhalb von 6 oder 7 Stunden trinken, und zwar ohne grosse Ausfallerscheinungen.
    Im Gegenteil, wäre nicht schon "Bettzeit" gewesen, dann hätten es auch noch mehr sein können.
    Nach 3 Halben (von denen ich auch gehofft hatte, es müsste reichen, um nach so einer langen Zeit ausreichend bedröhnt zu sein )war ich gerade mal so weit wie meine Bekannte nach einem halben Glas Sekt.

    Deshalb meine Meinung:
    Zu glauben, ich könnte (unter diesen Umständen) irgendwann mal wieder etwa in dem Rahmen trinken, wie es die WHO empfiehlt oder "gesellschaftskonform" wäre, ist nix anderes als Selbstbetrug, oder wahlweise das berühmte Hintertürchen, oder eben Selbstmord auf Raten.

    Ich habe mir lange genug selbst was vorgemacht und eingeredet.

    Bei einem Alkoholiker gibt es keinen "Reset"-Knopf.

    Um das mal für Nichtbetroffene zu veranschaulichen (wenn eigentlich auch erst FSK 16):

    Das ist exakt das Gleiche, als wenn einem jemand sagen würde :
    Sex darfst du haben, aber nur ohne Höhepunkt.
    Ich glaube, das war deutlich genug. :-X

    Einmal editiert, zuletzt von Freeway (17. Juni 2015 um 15:19)

  • Sex darfst du haben, aber nur ohne Höhepunkt.

    laugh2 :lach: Kurz und knackig. Aber so ist es. Zumindest wäre es so bei MIR.

    Und da ich es ausprobiert habe (ich meine das "kontrollierte" Trinken ;) ) und es nicht funktioniert hat - im Gegenteil, es war einfach nur anstrengend und dann habe ich der Einfachheit halber die "Kontrolle" nach und nach weggelassen - weiss ich, dass es nix für mich ist.
    Und ich kann es mir einfach nicht vorstellen, dass irgend jemand (der abhängig ist!) nach Jahren der Trockenheit wieder auf Dauer "normal" trinken könnte.
    Das funktioniert vielleicht kurzfristig - dann wird es strong.
    Ich und viele andere (eigentlich alle, die es ausprobiert haben), die ich gesprochen habe, waren nach kurzer Zeit wieder auf dem alten Level und schnell darüber hinaus.
    Meine Schlußfolgerung für mich: Warum sollte ich es also nochmal versuchen?!?
    Auch wenn mir jemand beweisen würde, dass es bei 90% geht - es wären mir 10% zuviel an Unsicherheit ...

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  • ...wobei immer noch geklärt werden müßte, ab wann jemand wirklich abhängig ist. Sicherlich ist es relativ einfach, wenn jemand eine "Geschichte" mit Entgiftung, Therapie usw. hat. Aber wie sieht es mit so "freischaffenen Künstlern" wie mir aus? Habe ich nicht auch jahrelang Missbrauch betrieben? Wir sehr hat es mich am Anfang gezwiebelt, als ich eine Zeitlang gänzlich auf Alkohol verzichtet habe. War es bei mir auch Sucht, aber habe ich mir selber helfen können und den "Rest-Knopf" gefunden? Oder war ich doch niemals wirklich abhängig und bin jetzt einfach nur vernünftiger als früher.

    Ich vertrete mittlerweile eine andere Theorie. Genauso, wie bei manchen Menschen das Gehirn etwas anders tickt und sie zu einer Suchtentwicklung neigen, gibt es wohl auch Menschen, bei denen aufgrund einer angeborenen Logik oder wie man es auch immer nennen will, Sucht einfach nicht funktioniert. Anscheinend gehöre ich zur letzteren Gruppe denn obwohl ich z.B. früher auch geraucht habe, war ich nie wirklich abhängig von Zigaretten. Ich hatte immer mal Rauchpausen, manchmal zwei oder drei Wochen. Das Aufhören geschah dann aus reinen Vernunftsgründen ohne Hilfsmittel von einem Tag auf den anderen und auch heute kann ich mal Eine von einem Arbeitskollegen schnorren, was vielleicht alle 2 Monate mal vorkommt, ohne das ich dann gleich eine Schachtel kaufen muss und weiterquarze. So ähnlich halte ich das ja auch inzwischen für mich mit dem Alkohol. Ob das nun ein Lösungsansatz ist oder nicht, weiß ich nicht aber anders jedenfalls kann ich es mir selber nicht erklären.

    ...ja ich bin auch wieder da, obwohl ich ja eigentlich niemals weg war. Mal sehen, wie mein Kommunikationsbedarf zukünftig ausschauen wird nixweiss0

    Grüße, Lusches.

    Lieber nüchtern und lustig, als besoffen und dooooof...

  • Schön, mal wieder von Dir zu lesen, Lusches :D

    Das es Menschen gibt, die es auch ohne Entgiftung, Therapie und dem ganzen Programm vom Alk wegzukommen (also solche "Freischaffenen Künstler" wie Dich) - das steht für mich nicht zur Debatte. Davor ziehe ich den Hut, denn bei mir und vielen anderen hat es so nicht funktioniert.

    Aber wie ist das bei Dir? Trinkst Du wieder "normal"? Oder hast Du es mal probiert, wieder "normal" zu trinken - und wenn ja, hat es funktioniert oder nicht?

    DAS meinte ich mit "Reset-Knopf". Nicht, ob jemand aus der Sucht/Abhängigkeit ausbrechen konnte.

    Gruß
    Greenfox

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  • Hi Greenfox,

    Du kennst ja meine Geschichte im Großen und Ganzen. Was ist "normal" trinken? (So ganz am Rande: Ich kenne jemanden, für den ist es völlig normal, jeden Abend nach der Arbeit 5 Bier zu trinken und dann noch mit dem Auto von der Kneipe heimzufahren...) Ne, Spaß, oder in diesem Fall besser gesagt "Ernst" beiseite. Irgendwo hatte ich ja schon immer die Disziplin, nicht derartig über die Stränge zu schlagen, dass ich am nächsten Tag ausgeknockt war, konnte ich mir im Außendienst auch nicht erlauben. Das meine ich mit "Innerer Logik". Die Logik hat mir befohlen, jetzt ist Schluss, Du gehst ins Bett, weil nächsten Tag wieder früh wichtiger Termin und wenn Termin platzt, dann gibt's Mecker vom Chef und Du läufts Gefahr, dass der Job weg ist. Trotzdem war es immer zuviel, was ich abends an Bier reingeschüttet habe, also ganz klar Missbrauch. Irgendwann gingen mir dann, nicht zuletzt eben auch wegen meiner Frau, die Augen auf, also hat abermals die Logik gesiegt.

    Aber wie ist das bei Dir? Trinkst Du wieder "normal"? Oder hast Du es mal probiert, wieder "normal" zu trinken - und wenn ja, hat es funktioniert oder nicht?

    Meine Wochentage sind generell alkoholfrei. Am Wochenende trinke ich für gewöhnlich abends 2 Bier oder 1 Bier und danach ein Glas Wein. Wie schon mal irgendwann hier im Forum geschrieben, mein letzter Vollrausch war am Rosenmontag 2010 und ich weiß 100%ig, es wird in meinem Leben keinen Vollrausch mehr geben!

    Das ist, glaube ich, mein Problem, dass ich alles mit dem "Kopf" entscheide. Alles in meinem Leben hat gefälligst einer Logik zu folgen. Den in meinen Augen "unlogisch handelnde" Alkoholiker zu verstehen, das fällt mir unglaublich schwer.

    Ganz klar, für mich gab es diesen "Reset-Knopf" und egal ob ich nun abhängig bin/war oder nicht, ich bin heute unglaublich froh, diesen "Reset-Knopf" gefunden zu haben.

    Grüße, Lusches.

    Lieber nüchtern und lustig, als besoffen und dooooof...

  • Hi, Lusches,

    schön, dass Du Deinen Reset-Knopf gefunden hast.

    Du kennst ja meine Geschichte im Großen und Ganzen.

    Ich habe diese Frage, diesen Thread bewusst hier im öffentlichen Bereich gestellt/eröffnet. Denn es gibt bestimmt viele "da Draussen" 8), die die Hoffnung haben, dass es solch einen "Knopf" gibt.
    Und ich möchte solche Fragen/Diskussionen wieder etwas mehr in den öffentlichen Bereich schieben ...

    Früher hatte ich auch diese Hoffnung. Mittlerweile habe ich diese Hoffnung nicht mehr und - ich schriebste es ja auch schon - ich persönlich glaube nicht, dass es für Abhängige/Süchtige einen solchen "Knopf" gibt.

    Warum ich diese Hoffnung nicht mehr habe? Warum soll ich auf etwas hoffen, was ich nicht mehr will und auch nicht mehr brauche?? nixweiss0
    Und der Glauben (und das als Atheist ;) ) resultiert aus meinen Erfahrungen. Ich würde ja lieber "wissen" schreiben - aber so anmaßend bin ich nun doch nicht ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

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  • Da ich im nachfolgenden Zitat direkt angesprochen werde, begebe ich mich von der mitlesenden mal wieder in die schreibende Fraktion. Denn ich finde es nach wie vor wichtig, dem ewig gleichbleibenden Einlassungen des „Mainstreams“ Erfahrungen entgegen zu setzen, die diesem nicht entsprechen. Ich habe nur meistens keine Lust mehr dazu.


    Um jetzt auf diesen "Reset-Knopf", den es ja nach katro's Meinung geben könnte/soll, zurückzukommen:

    Ich - und auch viele in meiner SHG - sind der Meinung, dass es diesen nicht gibt.

    Die Frage nach dem Vorhandensein eines Resetknopfs lässt sich auch m.E. mit einem klaren Nein beantworten. Ich habe auch nie von einem solchen Knopf geschrieben, würde doch ein Reset bedeuten, alle Erlebnisse und Erfahrungen aus der Zeit des abhängigen Konsums vergessen zu wollen und zu können. Ein solches Vergessenwollen oder -können habe ich bei mir aber weder in Bezug auf das Rauchen noch in Bezug auf das Saufen festgestellt. Und ich weiß auch nicht, ob es gut wäre, die eigene Suchtvergangenheit schlicht und einfach auszublenden.

    Wenn ich heute an meine Zeit als Raucher zurückdenke, freue ich mich wie ein Schneekönig, dass ich nicht mehr rauchen muss. Und wenn ich heute an die Jahre zurückdenke, in denen ich Abend für Abend unkontrolliert Alkohol in mich hineinschüttete, könnte ich Luftsprünge machen, weil ich nicht mehr saufen muss. Denn dieses Lebensgefühl, das mit der Freiheit von Sucht einhergeht, ist einfach klasse. Und das kann ich eigentlich nur dann wirklich würdigen, wenn ich weiß, wie sich Sucht anfühlt.

    Um zu guter Letzt auf den Vergleich mit dem Sex einzugehen: Süchtig zu rauchen oder zu saufen ist nicht der Höhepunkt, sondern die allmähliche Nivellierung jeglicher Lustgefühle.
    Jedem Sex zu entsagen, weil man meint -aus welchen Gründen auch immer- sich den Höhepunkt versagen zu müssen, kann m.E. aber auch nicht die Lösung sein.
    Wer in der Askese seine Befriedigung findet, der soll asketisch leben. Denn dann tut ihm die Askese gut. Andere müssen Lösungen finden, die für sie adäquater sind.
    Sie können sich natürlich auch zur Askese zwingen.
    Vielleicht halten sie diese ja bis zum Tod durch, was ihnen vermutlich aber sehr schwer fällt, wenn immer wieder durch ihre Köpfe geistert, dass sie auf so viele vermeintliche sexuelle Höhepunkte verzichten müssen.

    Bassmann alias Katro

  • ...ich hab das mit dem "Reset-Knopf" auch nicht so verstanden, alles Erlebte und Dagewesene zu vergessen, sonder ganz einfach das Zurückfinden zu einem verantwortungsbewusstem Umgang... und ich ich möchte hier auch keinesfalls die Hoffnung wecken, dass dieser Weg uneingeschränkt jedem Betroffenen möglich sein kann. Die Frau, mit der ich nun schon mein halbes Leben verbringe und die ich trotz allem immer noch sehr lieb hab, kann dies definitiv nicht so handeln...

    Grüße, Lusches.

    Lieber nüchtern und lustig, als besoffen und dooooof...

  • ...ich hab das mit dem "Reset-Knopf" auch nicht so verstanden, alles Erlebte und Dagewesene zu vergessen, sonder ganz einfach das Zurückfinden zu einem verantwortungsbewusstem Umgang...

    Genau so habe ich es auch gemeint.


    Um zu guter Letzt auf den Vergleich mit dem Sex einzugehen: Süchtig zu rauchen oder zu saufen ist nicht der Höhepunkt, sondern die allmähliche Nivellierung jeglicher Lustgefühle.
    Jedem Sex zu entsagen, weil man meint -aus welchen Gründen auch immer- sich den Höhepunkt versagen zu müssen, kann m.E. aber auch nicht die Lösung sein.
    Wer in der Askese seine Befriedigung findet, der soll asketisch leben. Denn dann tut ihm die Askese gut. Andere müssen Lösungen finden, die für sie adäquater sind.

    Tja - so ist das nunmal mit Beispielen: für gewöhnlich hinken sie.
    Aber man kann Beispiele falsch verstehen WOLLEN. Sorry, katro/Bassmann - aber bei Dir habe ich dieses Gefühl, dass Du dieses Beispiel/Synonym (oder wie auch immer man das bezeichnen will) bewusst falsch verstehen willst. Aber wenn Du willst, kann ich Dir noch mal versuchen zu erläutern, was damit gemeint ist ...
    Von seinem Suchtmittel nur nippen/naschen dürfen und dann aufhören müssen ist eben ähnlich wie ein koitus interuptus ...
    Und da auch das "hinkt" ... lasse ich es lieber sein.

    Um noch mal auf das "Zurückfinden zu einem verantwortungsbewussten Umgang" zurückzukehren:
    Wollte ich dies versuchen, wäre es eine tickende Zeitbombe: Immer nur nippen, nur ein Glas - das würde nur eine gewisse Zeit gut gehen. Irgend wann würde der Frust, sich ständig bremsen zu müssen, die Gier nach mehr überhand nehmen. Und dann: Bummm ...

    Okay, nun kann ja jemand einwenden: "Und was ist, wenn sich gar keine Gier, kein Frust entwickeln? Dann kann man doch ..."
    Meine persönliche Erfahrung hat gezeigt, dass sich bei früheren Versuchen dieser Art sehr wohl die Gier entwickelt hat. Und es nun noch einmal zu versuchen in der Hoffnung, dass ES diesmal nicht passiert ...

    Wahnsinn ist, immer das Gleiche tun und andere Ergebnisse erwarten. (Albert Einstein)

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

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  • Wahnsinn ist, immer das Gleiche tun und andere Ergebnisse erwarten. (Albert Einstein)

    Oh ja, da gebe ich Dir vollkommen recht und genau deswegen darf man auch Niemandem zum "Probieren" raten !!!


    Okay, nun kann ja jemand einwenden: "Und was ist, wenn sich gar keine Gier, kein Frust entwickeln? Dann kann man doch ..."

    Nun, diese Erfahrung konnte ich aber für mich machen. Frust ist für mich inzwischen sowieso kein Grund mehr. Früher war das so aber heute - ganz im Gegenteil. Wenn ich frustriert bin, dann sage ich mir "jetzt nicht" und komischerweise habe ich bei Frust auch meistens gar keine Lust, Alkohol zu trinken. Frust kompensiere ich eher mit Nahrungsaufnahme, dem sogenannten "Frustessen" und glücklicherweise habe ich auch nie so eine ungezügelte Gier entwickelt, dass ich mich ständig selber bremsen müsste. Hinzu kommt noch, dass nach einem Liter Flüssigkeitsaufnahme ganz gleich welcher Art bei mir sozusagen das Maß voll ist. Ich kann dann einfach für eine Weile erstmal nichts mehr trinken.

    Wie heißt es so schön: Viele Wege führen nach Rom... und jeder muss seinen Weg für sich finden.

    Grüße, Lusches.

    Lieber nüchtern und lustig, als besoffen und dooooof...

  • Oh ja, da gebe ich Dir vollkommen recht und genau deswegen darf man auch Niemandem zum "Probieren" raten !!!

    Ich glaube, hier hat auch niemand direkt zum Probieren geraten.

    Und mit Frust meinte ich eigentlich nicht, "aus Frust trinken". Sondern ich meinte den Frust, der sich entwickelt, wenn man "kontrolliert" trinkt, sich selbst Grenzen setzt - und doch eigentlich mehr trinken "will".
    Ist doch ätzend, wenn einem der Verstand sagt "Es ist genug!", der Bauch aber schreit "Ich will mehr!":

    "Zwei Seelen wohnen, ach!, in meiner Brust: die eine will sich von der andern trennen ..." (Goethe, Faust I)

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  • Ich glaube, hier hat auch niemand direkt zum Probieren geraten.

    Nö..., hat keiner getan. Ich wollte mit der Aussage auch nur unterstreichen, dass es eben auch nicht als Aufforderung zum Selbigen verstanden werden soll.

    Ach so war das mit dem Frust gemeint, stimmt, beim nochmaligen lesen wird es jetzt auch klar. Aber im Endeffekt trifft es das Gleiche.


    Grüße, Lusches.

    Lieber nüchtern und lustig, als besoffen und dooooof...

  • Aber im Endeffekt trifft es das Gleiche.

    ?? nixweiss0
    Das Gleiche? Finde ich nicht: Mittlerweile komme ich bei Frust (und den habe ich momentan leider öfter) nicht auf die Idee, zur Flasche zu greifen.
    Würde ich mich aber zu "kontrolliertem" Trinken entscheiden (zwingen), würde ich erst richtig Frust entwickeln, wenn ich nach einem Glas aufhören "muss" ...

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  • Würde ich mich aber zu "kontrolliertem" Trinken entscheiden (zwingen), würde ich erst richtig Frust entwickeln, wenn ich nach einem Glas aufhören "muss" ...

    Du sollst Dich doch auch gar nicht zu etwas zwingen müssen... und ich muss mich zu nix zwingen...

    ... so und jetzt ist Wochenende, ich wünsch Dir alles Gute und dass Deine trüben Gedanken, sicherlich bedingt durch den Beziehungsstreß mal ein wenig verfliegen. Ich geh jetzt jedenfalls demnächst zum Sonnenwendfeuer.

    Grüße, Lusches.

    Lieber nüchtern und lustig, als besoffen und dooooof...


  • Aber man kann Beispiele falsch verstehen WOLLEN. Sorry, katro/Bassmann - aber bei Dir habe ich dieses Gefühl, dass Du dieses Beispiel/Synonym (oder wie auch immer man das bezeichnen will) bewusst falsch verstehen willst.

    Greenfox, woher willst du erstens wissen, dass ich Freeways Beispiel falsch verstanden habe? Schließlich warst nicht du, sondern Freeway der Verfasser, so dass auch du nur mutmaßen kannst, was dieser mit seinen gleichnisartigen Worten zum Ausdruck bringen wollte.
    Und woraus ziehst du zweitens den Schluss, dass ich das Beispiel bewusst falsch verstehen wollte? Vielleicht bin ja einfach nur zu blöde.

    Ich bin jedoch nicht zu blöde, aus Suchtkreisläufen auszusteigen. Und es scheint mir gelungen zu sein, meine psychischen Süchte gedanklich so zu bearbeiten, dass für mich seit langer Zeit weder das Rauchen, noch das Saufen den geringsten Hauch von Attraktivität aufweist. Weil ich mir absolut sicher bin, dass mir weder das Rauchen noch der Alkoholrausch irgendetwas Positives geben kann, habe ich keine Angst davor, rückfällig zu werden.
    Bei dir sieht das eben anders aus. Und weil das so ist, gehst du davon aus, dass Sucht nicht heilbar ist. Und so hast du -mit Hilfe von Suchtexperten, die allesamt eine bestimmte Sicht auf die Dinge haben- eine Möglichkeit gefunden, mit deiner Sucht zu leben, statt sie zu beenden. Und so wird sie wohl auch nicht vor, sondern mit dir sterben.

    Bei mir ist es anders. Und seit ich in einem anderen Forum aktiv geworden bin, weiß ich, dass es weitere Menschen gibt, die ihren Suchtausstieg wie ich erleben. Viele trauen sich jedoch nicht, ihre andere Herangehensweise laut zu äußern, weil sie die Erfahrung machten, dass sie „lautstark zusammengeschrieben werden“.

    Bassmann alias Katro

  • "Als Mikrosomales Ethanol-oxidierendes System (MEOS) bezeichnet man einen von der Alkohol-Dehydrogenase unabhängigen Weg des Ethanolstoffwechsels in den Leberzellen.

    Es wurde 1968 zum ersten Mal von Lieber und DeCarli beschrieben.[1] Bei chronischem Alkoholkonsum wird das MEOS induziert und baut neben der ursprünglichen Alkohol-Dehydrogenase Alkohol ab. Damit ist es ein Grundmechanismus der Toleranzentwicklung gegenüber der Substanz. Die Aktivität des MEOS ist mit einer Aktivierung des Cytochrom P450 2E1 verbunden. Durch das MEOS und die von ihm induzierten Cytochrome kann auch die Verstoffwechslung anderer Substanzen vermindert oder zu toxischen Metaboliten verschoben werden. Dies erklärt zum Beispiel nachteilige Arzneimittelreaktionen von chronisch Alkoholabhängigen. Außerdem interferiert das MEOS mit dem Fettstoffwechsel der Leberzellen und wird auch als eine Ursache der Entstehung der Fettleber gesehen.[1][2]

    MEOS hat eine Erinnerungsfunktion, d.h. wenn wieder Alkohol von Alkoholikern (nach Entzug und Pause) getrunken wird, wird MEOS automatisch generiert und der Abbau ist dank MEOS sehr schnell. Der Druck, weiter zu trinken, wird dadurch verstärkt und der Rückfall mit noch größeren Mengen ist programmiert."

    Quelle Wikipedia.


    Ich weiss nicht, was daran schwer zu verstehen ist.
    Mein Beitrag bezieht sich ausschliesslich auf diese wissenschaftlichen Tatsachen.
    >>körperliche Abhängigkeit>>Toleranzbildung>> mögliche "Reset"-Taste.(Ja oder Nein).
    Und eben NEIN!

    Die psychische Komponente ist eine ganz andere und geht am Thema "Reset"-Taste (Borowiak) völlig vorbei.

    Deshalb sind "Mutmaßungen" über mein "Gleichnis" eigentlich gar nicht erforderlich, da es sich um eine klare Aussage handelt, wenn man sie denn verstehen möchte.

  • Danke Freeway.
    So schön wissenschaftlich hat mir noch keiner erklärt, dass ich kein Alkoholiker sein kann. (Oder dass ich vielleicht saufe, ohne es zu merken.)

  • Irgendwie kann ich nicht aufgeben, denn irgendwie schlummert nach wie vor die Hoffnung in mir, dass eine weitaus größere Zahl von Menschen aus ihrer Alkoholsucht auszusteigen vermag, wenn sie ihre Blickrichtung verändert. Dazu braucht es keines Resetknops.

    Wer beispielsweise von sich selber behauptet, dass er nicht mit Alkohol umgehen kann, der hat sicherlich Recht. Aber er kann das nur in Bezug auf die Vergangenheit für sich feststellen. Was sein zukünftiges Leben betriff, kann er möglicherweise lernen, mit Alkohol so umzugehen, dass ihm diese Flüssigkeit genauso lieb oder gleichgültig wird wie Wasser oder Limonade.
    Oder wer beispielsweise seinen Blick auf die rein körperlichen Faktoren richtet, der wird vielleicht zur Kenntnis nehmen (müssen), dass er aufgrund der eingetretenen Toleranz auch nach Jahren der Abstinenz keinen Rausch beim Konsum geringer Mengen bekommen kann.

    Doch was interessieren solche körperlichen Dinge einen Aussteiger, der das innere Wissen erworben hat, dass künstlich herbeigeführte Rauschzustände schlecht sind, weil sie letztendlich fast immer dazu führen, dass die Vielseitigkeit der Gefühle, die der Körper ohne Rauschmittel selbst erzeugt, verloren geht?
    Auf welche Freiheit und Lebensqualität verzichtet dagegen ein anderer, der sich dazu zwingt, auf den Rausch zu verzichten, wenn er dafür sein Lebtag lang z.B. in Selbsthilfegruppen Vorsorge treffen muss, dass er nicht dem nach wie vor in ihm schlummernden Wunsch nach Rausch nachgibt? (Denn er sieht ihn ja als Höhepunkt.)

    Ich bin nur dann wirklich frei von (Alkohol-)Sucht, wenn ich es schaffe, meinen Körper als das zu begreifen, was er ist: Nämlich ein Instrument, das am besten funktioniert, wenn es nicht manipuliert wird.
    Wenn ich das begriffen habe, muss ich keine Angst davor haben, dass ich irgendwann nach Jahrzehnten auf die Idee komme, mich mal wieder mit Alkohol zu berauschen, weil ich hoffe, mich mal wieder so richtig toll zu fühlen. Denn ich habe ja in den Jahrzehnten davor auf nichts verzichtet, sondern so gelebt, dass sich die Fähigkeiten meines Körpers optimal entfalten konnten.

    Bassmann alias Katro

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