Lieber Greenfox, Dietmar, Gerchla,
liebe Caroline,
Danke für Eure Antworten und Kommentare, die alle sehr wertvoll und hilfreich waren.
Zuerst nochmal zu der Stelle, die ihr fast alle zitiert habt: Als ich ihn zur Rede stellte und fragte, ob er das den Kindern antun will, war das auch noch meinem Schockzustand geschuldet. Ich weiß, dass Alkoholismus eine Krankheit ist.
Aber ich hatte eben jahrelanges Problemewälzen aller möglichen Probleme hinter mir: Depressionen, passive Aggressivität, bis hin zu offener Aggressivität, Lügen und Vertrauensbrüche (hatte aber nichts mit Alkohol zu tun). Ich war nur am Ende, war nur am Kämpfen. Dann beschließen wir endlich die Trennung, und dann scheint er noch was oben drauf zu setzen. Die Erkenntnis, dass das schon länger so laufen musste, kam ja erst im Anschluss.
Tja, warum mache ich mir Gedanken? Ich habe schon mit der Beziehung abgeschlossen, meine Liebe schon lange unterwegs verloren. Trotzdem ist er der Vater meiner Kinder und irgendwo habe ich wahrscheinlich auch noch Mitleid mit ihm, obwohl ihm das nun auch nicht mehr hilft. Aber ich wusste, dass ich ihm nicht mehr helfen kann, weder mit seinen psychischen Problemen, die er nicht anerkennen wollte, noch mit dem Alkohol.
Aber dennoch versuche ich nach wie vor einen Abschluss für mich zu finden. Und das "warum" treibt mich nach wie vor um. Ich habe mir soviele Vorwürfe anhören müssen, von ihm, aber auch von seinen Eltern, dass ich zu dominant gewesen sei usw. Obwohl ich inzwischen weiß, dass er mich quasi in diese Rolle gedrängt hat, weil er sich vor jeder Entscheidung und Verantwortung gedrückt hat, belasten mich diese Vorwürfe, und in mir nagt nach wie vor der Selbstzweifel. Ich bin bereits in einer Therapie, und man sagt mir, dass ich schon weit bin und eigentlich die Situation sehr klar einschätzen kann. Trotzdem habe ich noch das Bedürfnis, alles besser zu verstehen.
Die Frage, ob ich es nicht sehen wollte, treibt mich um. Ich glaube ehrlicherweise, das ich von den anderen Problemen viel zu abgelenkt war. Und dass ich ihm trotz allem doch noch einen Vertrauensbonus gewährt habe. Warum ich bis zum Schluss nie was gerochen habe? Vielleicht habe ich nicht so eine feine Nase. Aber wir hatten vor allem jahrelang Diskussionen wegen seines Rauchens. Dem hatte er auch abgeschworden, aber immer heimlich geraucht. Das habe ich natürlich gerochen. Vielleicht war es ja auch nur ein Ablenkungsmanöver.
Und was Greenfox schreibt mit diesem komischen Sprechverhalten: Das macht er auch schon einige Zeit und ich habe mich immer drüber gewundert, aber es nicht kapiert. Ständig hat er mir den Rücken zugedreht, ist vor mir durch die Wohnung gelaufen, hat Abstand gehalten. Ich dachte da immer, dass es entweder ein Machtspielchen war, mich hinter ihm herlaufen zu lassen, oder dass ich ihn schon so annerve, dass er immer auf Distanz geht. Den wahren Grund habe ich erst vor ein paar Monaten erkannt. Auch das ewige Kaugummi-Gekaue macht nun einen Sinn.
Das er ständig verschwand (aber das habe ich auch auf das Rauchen geschoben). Das er immer aggressiv abgelehnt hat, wenn die Kleine samstags mit zum Einkaufen wollte. Er war immer total genervt und sagte dann, dass er dann zu nichts käme und das mit ihr ewig dauern würde. Ich dachte nur, dass er einfach nur ein ungeduldiger Aggro war, der mit seinen Kindern nichts mehr anfangen kann (war ja nicht das Einzige, woran er auf einmal etwas an ihnen auszusetzen hatte).
Wie dem auch sei, es beschäftigt mich, um mich selbst besser zu verstehen. Ich war auch schon bei einer Selbtshilfegruppe, die mir aber nicht so zugesagt hat (Monologform), aber ich versuche es morgen noch woanders)
Aber das Wichtigste sind jetzt meine Kinder. Ich will wirklich nicht die große Keule rausholen und mit dem Jugendamt drohen. Dass wäre auch für die Kinder schlimm. Aber ich kann auch nicht einfach seine Aussagen für bare Münze nehmen. Ich habe ja vor kurzem mit ihm zusammen gesessen und ihn ruhig darauf angesprochen, was er jetzt getan hat, wo er sich Hilfe gesucht hat. Er hat mir ganz ruhig erklärt, dass er entschieden hat, das mit sich selber auszumachen, dass er halt unter der Woche nicht mehr trinkt, blablabla. Er war sehr ruhig und wirklich überzeugend dabei. Jeder andere hätte ihm das abgenommen. Ich habe natürlich gesagt, dass er in der Vergangenheit schon mal vieles behauptet hat, aber laut ihm sei jetzt alles anders, damals sei der Trennungsstress und unser Beziehungsstress gewesen, jetzt fühle er sich gut, blablabla. Er war wirklich gut. Und ich glaube ihm trotzdem nicht. Ich wünsche mir natürlich, dass ich ihm dieses Mal Unrecht tue. Aber ich kann es mir nicht vorstellen.
Aber ich kann gerade nur beobachten. Ich habe in letzter Zeit auch nichts mehr gerochen, aber ich habe wie gesagt ja auch nicht die feinste Nase und er bleibt mir ja auch fern. Naja, an einem Sonntag habe ich es schon deutlich gerochen, aber da hat er ja eine gute Ausrede, denn es war ja Wochenende! Und er hat es ja angeblich im Griff! Ich nehme an, ihr gebt mir recht, wenn ich hier misstrauisch bleibe.
Ich weiss nur nicht, wie ich ihm den Trip zu seinen Eltern mit den Kindern ausreden kann. Es dauert 6 Stunden da hin. Ansonsten konnte ich in letzter Zeit immer vermeiden, dass er mit den Kindern fährt. Ich würde sogar anbieten, dass ich ihn mit den Kindern hinfahre und wieder abhole. Aber das wird er nicht akzeptieren. Und es ist sein Auto. Ich "darf" es mitnutzen, wenn ich mich hälftig an den Kosten beteilige.
Ich finde es erstaunlich, Gerchla, dass Du akzeptiert hast, als Deine Frau Dir verboten hat mit den Kindern zu fahren. Aber zu dem Zeitpunkt warst Du ja auch schon einsichtig, nicht war? An dem Punkt sind wir noch nicht. Wenn ich das von ihm fordere, wird er mir wohl ins Gesicht springen.
Die Kinder sind übrigens bereits in psychologischer Behandlung. Offiziell wegen der Trennung. Wir hatten allerdings bereits ein Elterngespräch mit den Psychologen, wo ich die Alkoholprobleme angesprochen habe. Und die Sorgen der Kinder. Aber ich weiß noch nicht, inwieweit den Kindern schon die Tragweite bewusst ist. Wir haben uns ja nie wegen Alkohol gestritten. Und er war ja nie zu Hause wirklich besoffen, d.h. mit Lallen und Rumtorkeln, oder Kotzen. Aber die Kleine hat ja die Flaschen gefunden. Und seit einiger Zeit sagt meine Kleine immer zu mir, wenn ich mal am Wochenende ein alkoholfreies Radler getrunken habe: Mama, trink nicht so viel! Egal, wie oft ich ihr erklärt habe, dass da kein Alkohol drin ist. Inzwischen habe ich das auch komplett aufgegeben, damit ich sie nicht weiter beunruhige.
Ich glaube, dass sie einiges spüren, dass ihnen klar ist, dass etwas mit seinem Konsum nicht stimmt. Aber sie fragen nicht ihn, sondern mich, und hoffen auf Absolution. "Darf man noch fahren, wenn man etwas trinkt?" Wenn ich dann wahrheitsgemäß antworte, dass man in Deutschland zwar etwas trinken darf, aber es natürlich besser ist, wenn man nicht trinkt, scheinen sie aufzuatmen und zu sagen: okay, Papa hat beim Italiener ja nur ein Glas Wein getrunken zum Essen. Und als Digestiv einen kleinen Likör. Soll ich sie dann in Alarmstimmung versetzen? An sich ist es ja kein Verbrechen. Ich will sie ja nicht zu Spionen gegen ihren eigenen Papa machen. Oder ist es besser, wenn ich meine Sorgen deutlich formuliere? Bislang versuche ich ihre Sorgen nicht zu marginaliseren, aber auch nicht zu vergrößern. Das strengt mich schon unheimlich an.
Danke fürs Zuhören
Ailin