Sie liebt mich ... Sie liebt mich nicht ...

  • Ach, dieses Spielchen aus Kindheitstagen mit dem sich angeblich die Liebe vorhersagen lässt…
    Man pflückt sich ein Gänseblümchen, und zupft nun vorsichtig ein Blütenblatt ums andere heraus. Dabei spricht man abwechseln: „Sie liebt mich.“ und beim nächsten Blatt: „Sie liebt mich nicht.“ dann wieder „Sie liebt mich.“ und so weiter… Entscheidend für dieses Liebesorakel ist das letzte Blatt.

    Was bei diesem Blatt rauskommt „Ja, sie liebt mich.“ oder „Nein, sie liebt mich nicht.“, was beim letzten Blütenblatt gesagt ist, das gilt also fest! …..wirklich??

    Najaaaa … mal ganz ehrlich, wer kennts nicht, wenn beim letzten Blatt nicht das eigentlich wirklich gewünschte Ergebnis rauskommt, dann nimmt man sich doch ein weiteres Gänseblümchen daher, und wenns sein muss noch mal eins, und noch eins – bis man endlich beim gewünschten Ergebnis ankommt ;)

    Im Suchtausstieg gibt es ja mitunter auch diese Situationen in denen ein ähnlicher innerer Dialog entsteht. "Soll ich…? – Nein, doch lieber nicht. – Vielleicht ja aber doch, ein klein wenig. – Nein quatsch, Schluss damit. - ..." Mir ist hier und da schon die Meinung begegnet, dass an dem Punkt wo dieser innere Dialog anläuft man eigentlich schon 'verloren' habe. Das stimmt so aber nicht! Wirklich entscheidend ist, wie ich darauf reagiere. (Außerdem ist dieses 'jetzt ist es zu spät' nur der nächste Trugschluss, die nächste Stufe die wieder ein Thema für sich darstellt.)

    Ich will beim Bild dieses Dialoges bleiben.
    Denn ich kann mir in solcher Situation durchaus sehr bewusst machen, dass es sich dabei schlicht und einfach um ein 'Gedankenspielchen' handelt. Hierbei kann das Bild von dem Gänseblümchenspiel helfen. Es geht eigentlich nicht um den Dialog, sondern um das letzte Blütenblatt des Gänseblümchens. Und das Spiel hat kein wirklich offenes Ende, sondern es wird oft so lange fortgesetzt und gespielt, bis man beim gewünschten Ergebnis ankommt.

    Ich rufe mir in Erinnerung und ins Bewusstsein, dass dieses Spielchen, diese Zweifel, inneres Hadern und Wanken nichts, aber auch absolut gar nichts mit meinem Entschluss, mit meiner Entscheidung und mit meinem Weg zu tun hat. Dann kann ich das Gänseblümchen einfach beruhigt lächelnd bei Seite legen – und mir stattdessen, im bildlichen oder im auch im wörtlichen Sinne, einen feinen gesunden Apfel daher nehmen.


    beste Grüße und Gute Kraft immer an Alle,

    Land-in-Sicht

  • Ich bin zwar ebenso wie du, LiS, davon überzeugt, dass nichts von vornherein verloren ist, wenn der innere Dialog „soll ich - soll ich nicht“ im Gehirn seine Runden zu drehen beginnt. Ich vermute aber, dass solche Dialoge den Ausstieg erschweren (können).

    Ich habe diesen Dialog beim Saufstopp nie führen müssen, da ich bereits beim Rauchstopp das Wissen erwarb, dass die Macht der Drogen auf „Gehirnwäsche“ beruht. Insofern reduzierte sich bei mir alles auf die Frage, wie lange ich mit den Entzugserscheinungen leben kann.
    Und da es mit denen schnell vorbei war, trat ebenso schnell Ruhe ein.

    Beim ersten Rauchstoppversuch dagegen begann ich irgendwann damit, den von dir angesprochenen Dialog zu führen. Rückblickend stelle ich fest, dass er viel Kraft gekostet hat, weil er letztendlich dazu führte, dass ich Tag für Tag oder sogar in kürzeren Abständen immer wieder über dieselbe Sache entscheiden musste, nämlich ob ich rauche oder nicht, also -um es in der Sprache der AA auszudrücken- ob ich das erste „Glas“ stehen lasse oder nicht.

    Beim zweiten Rauchstopp hatte ich bereits das Wissen, dass ein Leben „ohne“ besser ist. Und so stellte sich nur noch die Frage, wie lange ich die Entzugserscheinungen aushalten kann.
    Ich fand es entlastend, keine Entscheidungen mehr treffen zu müssen, sondern einfach abwarten zu dürfen, was der nächste Tag so bringt.

    Dass ich beim Ausstieg aus der Alkoholabhängigkeit ein so leichtes Spiel hatte, führe ich deshalb darauf zurück, dass ich innere Dialoge weder führen musste, noch führen wollte, sondern einfach darauf vertraute, dass sich alles zum Besseren verändern wird.
    Und dieses Vertrauen wurde nicht enttäuscht.

    Bassmann

    Einmal editiert, zuletzt von Bassmann (11. Februar 2016 um 21:21)

  • Zitat

    Beim ersten Rauchstoppversuch dagegen begann ich irgendwann damit, den von dir angesprochenen Dialog zu führen. Rückblickend stelle ich fest, dass er viel Kraft gekostet hat, weil er letztendlich dazu führte, dass ich Tag für Tag oder sogar in kürzeren Abständen immer wieder über dieselbe Sache entscheiden musste,...

    Genau das mein ich.
    Dass ich in solchen Situationen erkenne:

    "Ach, sieh an, das ist ja das altbekannte Gänseblümchenspiel - das geht so lange hin und her, und hin und her und endet dann doch meist beim selben Ergebnis das man eigentlich schon von vornherein kennt."

    Es ist für mich ein Bild für ein Gedankenmuster.
    Und wenn ich es anhand einer solchen Gedankenstüze erkenne, kann ich mir sagen "Och nö... Da hab ich jetzt keine Lust drauf." (das Gänseblümchen beiseite legen) und mich gedanklich und auch im Tun und Handeln wieder etwas weit aus Reizvollerem und Zielführenderem widmen.

  • Hm, für mich passt das Bild nicht. Beim Gänseblümchen geht es ja darum, was ein anderer fühlt oder denkt und nicht darum, was ich machen will.

  • Doch...
    er liebt mich... er liebt mich nicht...
    man stellt sich die Frage oft am Tag. Immer wieder kommt sie hoch. Die Frage. Soll ich? Nein! Doch! Soll ich? Und letztendlich liegt man im Bett und denkt sich: "Puh... er liebt mich nicht." Solange man das sagten kann, solange das letzte Blatt Liebe ist, solange hat man das Rum-ge-eiere um diese Frage gewonnen. Ist alles gut. Ein dicker Gute-Nacht-Kuss, jippieh!
    Und irgendwann, wenn man diese Fragerei satt hat, stellt man sie sich nicht mehr.
    Man fängt an mit:
    "Er liebt mich - ich brauche das jetzt"
    "Er liebt mich nicht - so ein Quatsch, ich liebe mich."
    "Er liebt mich - ich brauche ihn um mich zu lieben"
    "Er liebt mich nicht - ich will aber leben, mit Qualität und echter Freude"
    und hört auf mit:
    "HALT DIE KLAPPE! Diese Scheißfragerei mach ich nicht mit!"
    Und dann sieht man nur die Blume. Ohne Zupferei. Und sie ist schön. Bei manchem hält das Gezupfe an. Lange. Bei manchen nicht. Ist ja auch egal. Aber irgendwann sieht man doch die Ganzheit der Blume.
    Und man will sie GANZ genießen!

    Haaatschiii... ;D

  • ...Gesundheit! :))


    Ja genau, dieses Gedankenkreisel von dem Sunny schreibt, das meine ich.
    Es geht mir also in dem Bild jetzt hier, liebe mokka, nicht um

    Zitat

    ...was ein anderer fühlt oder denkt...

    und auch nicht darum

    Zitat

    ...was ich machen will.

    also nicht um Gefühle oder Tun, sondern um die eigenen Gedanken.
    Die sich immer und immer wiederholen können.

    Vor meinem 'kleinen' Fehltritt im Frühjahr 2015, aber auch in vielem anderen Geschriebenen und Erfahrungsberichten über Rückfälle habe ich mitbekommen dass dieser innere Dialog sehr oft auch unmittelbar vor Rückfällen stattfindet. Manchmal über Tage hinweg. Man kann es somit also auch als ein kleines Warnsignal sehen.
    Es ist oft genau das gleiche Spiel wie mit den Gänseblümchen. Nur allzu oft begibt man sich in einen kleinen heimlichen Selbstbetrug hinein. Oder um es ein wenig lockerer zu sagen: man flunkert ;) Ist die eine Blüte aufgebraucht, und man ist bei "sie liebt mich nicht" angekommen... eben... dann nimmt man sich noch eine Blüte. Und noch eine. Und das Spiel geht weiter, und weiter.

    Die Wahrscheinlichkeit ist so jedenfalls sehr hoch dass man letztlich bei:
    "Sie (die Substanz) liebt mich" beziehungsweise "Er (der Flaschengeist) liebt mich" rauskommt.

    Es gilt diesen Dialog bewusst zu machen und möglichst schnell zu durchbrechen.


    Und dann sieht man nur die Blume. Ohne Zupferei. Und sie ist schön. Bei manchem hält das Gezupfe an. Lange. Bei manchen nicht. Ist ja auch egal. Aber irgendwann sieht man doch die Ganzheit der Blume. Und man will sie GANZ genießen!

    Und klar, wenn man dabei dann zu Ganzheit und Liebe gelangt, da macht man sowieso alles Richtig! :D

    schöne Grüße,
    Land-in-Sicht

  • Ich möchte den Faden mal ein paar Zentimeter weiterspinnen...


    Es gilt diesen Dialog bewusst zu machen und möglichst schnell zu durchbrechen.

    Worin besteht jetzt dieses Bewusstmachen?
    Nach meiner ersten Bauchlandung (Rückfall), die ich einem solchen Dialog "verdankte", wurde mir eins klar:
    Zum einen ist ein Dialog völlig unnötig, denn die Entscheidung mit dem Trinken aufzuhören ist bereits gefallen. D.h., die Frage nach dem „Soll ich oder soll ich nicht“ ist beantwortet.
    Zum anderen sind Körper und Psyche auf Entzug und verlangen nach ihrem Suchtmittel. Dabei ist ihnen nicht an einem Dialog gelegen, sondern sie fordern dazu auf, ihnen endlich mal wieder Stoff zuzuführen.

    Und wie kann ich den Dialog -wenn er dann doch wieder einmal angelaufen ist- abrupt beenden, also altbekannte Dialogmuster durchbrechen?
    Das Bewusstmachen bestand bei mir darin, dass ich das Verlangen von Körper und Psyche als stinknormale Reaktion auf den Entzug zur Kenntnis nahm. Das Suchen nach Argumenten, warum mein Körper grundsätzlich und speziell heute keinen Stoff bekommen würde, wäre deshalb ein ausgesprochen müßiges Unterfangen.
    Ich stellte mir das körperlich-seelische Verlangen als Vogelbrut vor, die nach Futter schrie, das sie eigentlich nicht mehr von mir in den Rachen geschoben bekommen brauchte, weil sie bereits flügge war und das Nest verlassen konnte (und sollte) um an Nahrung zu gelangen. Mit der Vorstellung im Kopf, den erbärmlichen Nesthockern durch das Verweigern von Nahrung Beine zu machen, machte mir das Nichttrinken beinahe schon Spaß. Irgendwann würden die Schreihälse kapieren, dass sie von mir nichts mehr bekommen würden und das Feld räumen.

    Diese Vorstellung der Vogelbrut, ließ mich den Entzug aus einer „erwachsenen“ Position heraus erleben. Es ging um Erziehung (Wie das geht, kenne ich aus meinem täglichen Leben, denn ich bin Vater), und Erziehung erfordert neben Liebe eine ordentliche Portion Konsequenz. Jedes Nachgeben -in diesem Fall: Füttern der Brut- kann die Erziehung nur erschweren. Auch Diskussionen sind in diesem Fall nutzlos.

    Bassmann

  • Bassmann, das Bild mit der Vogelbrut ist auch echt stark 44. 44.


    In einem anderen Thread, ich hoffe das ist okay wenn ich das mal hier rein zitiere, hat jemand die Tage mal geschrieben:

    Zitat

    Ich denke mir, ah hallo, das Suchtgehirn hat sich wieder kurz gemeldet, aber du hast ja im Prinzip nichts mehr zu melden.

    Das find ich lustig und treffend formuliert ...das Suchtgehirn meldet sich zwar, hat aber nix mehr zu melden. :D

    Genau das ist nämlich ein ganz großer Teil von dem, was ich als Freiheit verstehe.
    Dass ich wieder selbst entscheide und lenke in meinem Leben.

    Das ist für mich der Grundstein für alle die anderen vielen Vorteile.
    Und dieser Zurückgewinn der eigenen Gestaltungskraft,
    hat mich zunächst mit Stolz,
    und dann mit einer zunehmend tiefen Freude erfüllt, die bis heute anhält.

    Ich habe das übrigens sehr ähnlich bei allen beiden Abhängigkeiten gemacht.
    Immer wenn sich 'das Suchtbiest' meldete, hab ich mich garnicht großartig auf irgendwelche Diskussionen oder so eingelassen. Auch nicht auf Streit. Sondern hab sozusagen gelangweilt mit der Hand abgewunken und gesagt:
    "Ach, da biste ja wieder.... Jaja klar, quatsch Du nur... rede ruuuhig weiter, es hört Dir niemand zu... ICH kenne mitlerweile den wahren Preis für Deine falschen Heucheleien, und ich muss schon lang nicht mehr tun was Du sagst.....!" Und dann hab ichs demonstrativ ignoriert. Also es war da, ich sah es - aber ich habs ignoriert. Irgendwann isses dann sozusagen ganz bedattert von dannen gezogen ... und ich hatte meine Ruhe!

    Beim Alkohol ging das für mich sogar überraschend schnell. Später mit dem Tabak musste ich dieses Spielchen etwas länger durchziehen. Aber ich hatte ja vom Ausstieg aus der ersten Abhängigkeit gewusst dass es vom Prinzip her für mich so funktioniert... ;)

    Einmal editiert, zuletzt von Land-in-Sicht (27. Februar 2016 um 22:36)

  • Hallo LiS,

    das erinnert mich an einen Leitsatz, den ich in einem Raucherforum gelesen habe, und den man auch für andere Süchte anwenden kann:
    "Diskutiere nicht mit der Sucht".

    Das erinnert mich irgendwie an folgende Situation: Jemand will immer Aufmerksamkeit erwecken, in dem er schreit, Blödsinn macht, und sonst welche Sachen. Jedesmal wenn die anderen nicht reagieren, ist das ein Dämfer, bis irgendwann dem Auferksamkeits-Forderer die Lust vergeht und frustriert aufgibt.

    Oder bölderweise dieser (das Suchthirn) den Weg sucht, noch lauter zu schreien, aber dann auch wieder ignorieren. Höchstens: was willst du mir erzählen, interessiert mich gar nicht/gar nicht mehr, schleich dich oder einfach gar nicht einsteigen drauf (ist noch besser). Ich glaube damit nimmt man dem Suchthirn mehr und mehr den Einfluss und die Macht.

  • Zitat

    "Diskutiere nicht mit der Sucht"


    Damit kann ich mich anfreunden.
    Ich bin sowieso für eine klare Kante gegen den Alk
    und für eine klare Linie in meiner Abstinenzentscheidung.
    Hat mir persönlich über den "K-Punkt" (wie beim Skispringen, kritischer Punkt ;)) geholfen.
    Das ist dieser Punkt, ab da es zum Selbstläufer wird.

    LG Gerd

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